Delete Search...
Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 04.04.1932
- Erscheinungsdatum
- 1932-04-04
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-193204046
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19320404
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19320404
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1932
- Monat1932-04
- Tag1932-04-04
- Monat1932-04
- Jahr1932
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 04.04.1932
- Autor
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
MW krWW Kiche-Zisiitills iör KkmMk in Pm. * Nom. Am Sonntag sand in Nom die feierliche Eröffnung des nach Goethe benannten In stituts für germanistische Studien statt, au dem neben Italien, Deutschland und Oesterreich auch die Schwei», Holland und die skandinavischen Staaten beteiligt sind. Zur Einweihung batte sich im Institut eine aus erlesene Gesellschaft versammelt. Neben Mussolini nahmen an dem Ehrentisch der dentscl-e Botschafter, der italienische Minister für Bolkserziehung, der Gouverneur von Nom »nd die Leiter des Instituts Platz. Als Erster ergriff Exz. Ge utile das Wort, um den beteiligten Staaten und Perbänden fitr ihre Mitarbeit »u danken und das Programm des Instituts zu entwickeln. „Es soll", so sagte er, „eine Ergänzung der Universität nich damit das Mutterhaus der Germanisten ganz Ita liens sein." Der Leiter des Instituts Professor Gabetti, Ordinarius siir Germanistik au der Universität Nom, hielt die Festrede, in der er den beteiligten Böllern zurief, das Goethe-Haus sei geschaffen, um sie zn studieren, sie kennenznleruen und zu verstehen. Denn das sei der wahre Weg. um sich zu lieben. Darauf sprach in deutscher Sprache Musso lini. „Es ist büchst bezeichnend", so sagte er, „das, die Eröffnung eines deutschen zlnltnriustituts mit den in der ganzen llbelt zu Ehren Goethes veranstalteten Kund gedungen zusammentrifft. ES freut mich, ihm in jener Sprache zu huldigen, die er hei der wundervollen Ge staltung seiner unsterblichen Werke gebraucht hat. In Goctl>e sind die besten Eigenschaften der Seele, der Kultur und der Zivilisation deS deutschen BolkeS vereinigt. Goethe verkörpert den vollendeten Ausdrmk deS germanischen Gei steS. Aber Goethe gehört der ganten Welt, gleich allen großen Künstlern, die Schönes geschaffen haben Nom, das er als die hohe Schule der Welt Pries, Nom erfüllt heute seine Pflicht, indem es da? Gedeuksest fenes großen Gei steS feierlich begeht. Der Geist und daS Bild Noms sind mit Goethes Werk innig verbunden. Der ewige innere Drang der deutscln'n Seele trieb ihn schon seit dem ersten Erwachen seines künstlerischen Bewußtseins „ach Nom. Winkelinanus Geist leitete ihn aus diesem Wege. Nom hat eine große Schuld der Dankbarkeit an diesem begeisterten Sänger, kein Dichter der modernen Welt hat die Seele und die Schönheit NoinS so tief bis aus den Grund empfunden, keiner bat sie in so anmutsvoller Poesie ausgedrückt wie Goethe in den römisclren Elegiem. Wer auf das unsterbliche Gesicht Noms blicken will und die Stimme der Jahrtausende zu hören sucht, der muß sich an Goethe wenden und auf die Harmonien horchen, die Goethes Geist entsprungen find." Darauf dankte der deutsche Botschafter von Schubert in italienischer Sprache für Mussolinis Worte. Ganz Deutschland blicke in diesen Tagen auf das ewige Nom, daS getreu seiner ruhmreichen llcbcrlieferung als Hort der Künste und Wisfensckwften das 'Andenken Goethes in so erhabener Form zu ehren wisse. In diesem Ge danken verkörpere sich die alte, nie verlöschende Sehnsucht des Deutschen nach dein Lande Italia. Ohne Italien kein Goetbe. Dieses Wort möge die Dankesschuld ausdrücken, die die Deutschen in der Berkörperung des Lebenswerkes unseres Dichters mit dem italienischen Bolke verbinde. Deutschland sei stolz daraus, daß es Goethe beschieden gewesen fei, die Wohltaten, init denen ihn der Himmel Italiens beglückt habe, reichlich zu erwidern. Ponzeweamrer nledergeMager» Berlin, 4. April. Vor einem Lokal lm Süden Berlin» kam es gestern mittag zu Ansammlungen von Kommunisten. Lin Polizeibeamler, der sie zerstreuen wollte, wurde von der Menge niedergeschlagen. Durch Austritte erhielt er am Kopf und an den Händen schwere Verletzungen. Ein anderer Polizeibeamler wurde so schwer bedroht, daß er in der Not wehr einen Schuß abaeben muhte, der einen 27jährigen Kom munisten in die Brust traf. Der Verletzte wurde in» Kran kenhaus eingelieserl. Vier Kommunisten wurden zwangs- gestellt« Eerichtrsaal Das Urteil im Belzlieferungsskandal Im Prozeß wegen des Lieferungsskandals bei der Staatspolizeiverwaltung wurde folgendes Urteil verkündet: Der angcklagte Pelzwarenfabrikant Richter wird wegen Un- treue in Tateinheit mit Betrug in zwei Fällen, in einem Fall davon mit Urkundenfälschung, sowie wegen Betrugs in zwei weiteren Fällen zu einer Gesamtstrafe von zwei Jah ren Gefängnis und den Kosten des Verfahrens verurteilt. Drei Monate zwei Wochen Untersuchungshaft kamen in An rechnung. Von der Anklage der aktiven Bestechung wurde Richter unter Uebernahme der Kosten auf die Staatskasse freigesprochen. Die Angeklagten Regierungsamtmann Schaale und Oberverwaltungsinspektor Schütze werden in vollem Umsang kostenlos freigesprochen. In der Begründung kam zum Ausdruck, daß das Gericht den Angeklagten Rich ter für überführt ansah, sich der Untreue schuldig gemacht zu haben. Richter fei verpflichtet gewesen, die Felleinkäufe abzurechnen und die Differcnzbeträge aus den Vorschüssen zurückzugebcn. Er habe sich erhebliche Beträge, insgesamt über 82 000 RM, in die Tasche gemacht. Das Gericht sei der Ueberzeugung, daß sich der Angeklagte von vornherein vor nahm, die Staatsvolizeiverwaltung zu betrügen. Trotzdem habe das Gericht dem Angeklagten mildernde Umstände zu gebilligt und diese besonders in seiner bisherigen Unbeschol tenheit sowie darin gefunden, daß von der Staatspolizeiver- waltuna bei Vergebung der Aufträge und Auszahlung der Vorschüsse mit einer beispiellosen Leichtfertigkeit verfahren worden sei. Hinsichtlich des Freispruchs Richter» von der Anklage der Bestechung sowie der Freisprechung der beiden übrigen Angeklagten heißt es in der Begründung, daß zwar Richter den Angeklagten Schaale und damit sich selbst der Bestechung bezichtigt habe, daß aber das Gericht auf diese Angaben hin keine Verurteilung rechtfertigen zu können ge glaubt habe. Das Gericht sei keineswegs der Ansicht, daß der Angeklagte Schaale schuldlos sei und makellos dastehe. Gegen ihn bestehe auch durch das Äorliegen anderer Beweise ein erheblicher Verdacht. Das Gericht habe aber diese Beweise zusammen nicht als ausreichend für eine Ueberführung Schoa- les ansehen können, der deshalb freizusprechen gewesen sei. Auch der Angeklagte Schütze sei freigemrochen worden, da es ihm nicht zu widerlegen sei, daß er die Pelzjacken al» Ent gelt für private, für Richter geleistete Arbeiten erhalten und angenommen habe. Ebensowenig sei ihm zu widerlegen, daß seine Tätigkeit für Richter eine Tätigkeit war, die sich mit seinen Dienstpflichten nicht vertrug. Gegen das Urteil wird die Staatsanwaltschaft Berufung einlegen. Rundfunk-Programm. Dienstag, den S. April. Berlin — Stettin — Magdeburg. 6 50: Funk-Gymnastik. — Anschließend: Frühkonzert. — 11.30: Aus Königsberg: Mittagskonzert. Kleines Orag-Orchester. — 12.30: Die Viertelstunde für den Landwirt. — 14.00: Die besten Orchester der Welt (Schallplattenkonzert). — 15.20: Au» Arbeit und Leben: 11. Au,sprach« mit Hörern über da» am 4. April erörterte Thema. — 15.45: Wie au, der Seehandlung di« Preußische Staatsbank wurde. — 18.08: Da» neu« evangelisch« Lhoralbuch. — 16.30: Jugendstunde: Erlebnisse in einer amerikanischen Arbetter-Hoch- schul«. — 16.50: »ücherstund«: „Bücher üb«r Politik «nd Partei- wesen. — 17.20: Au» dem Hotel Kaisrrhos: Unterhaltungsmusik. Kapelle Stza Komor. — 17.45: Da» Problem Groß-Berlin. — 18.10: Au» „Für ein« schöne Frau . . von Günther Bibo und Oscar Felix. Musik von Walter W. Götz«. — 18.50: „Die Funk- Stunde teilt mit..." — 18.55: Stimm« zum Taa. — 19.05: Au» dem Großen Musikvrreinssaal, Wien: „Die Schöpfung von Joseph Haydn. Ria Ginster (Sopran): Juliu» Patzak (Tenor): Ludwig Weber (Baß). Singverein der Gesellschaft der Musik freunde. Wiener Stnsonie-Orchester. — 22.00: „Die Stadt der Soione", von Karl Strecker. — 22.25: Zeitansage us«. Königswusterhausen. 6.25: Wetterbericht. — 6.30: Funk-Gymnastik. — Anschließend bis 8.15: Frühkonzert. — 10.35: Neueste Nachrichten. — 12.00: Wetterbericht. — Anschließend: Schallplattenkonzert — Anschlie ßend: Wetterbericht. — 13.30: Neueste Nachrichten. — 14.00: Kon zert. — 18.00: Kinderstunde: Märchen und Geschichten. — 15.30: Wetter- und Börsenberichte. — 15 -iS: Frauenslund«: Künstlerisch« Handarbeiten. Die Aussatzplatt« für den Teewagen. — 16.30: Aus Leipzig: Nachmitlagskonzert. — 17.30: Pionier« und Aben teurer der Wirtschaft. — 18.00: Wir bauen Melodien (Musikalische Arbeitsgemeinschaft). — 18.25: Hochschulsunk: Die großen Reli gionen oes Orient» und da» Abendland. — Anschließend: Wetter bericht. — 18.50: Englisch für Fortgeschrittene. — 19.05—22.00: Berliner Programm. — 22.00: Bel den Astronomen in Reu- babelsbcrg. — 22.25: Wetter-, Tages- und Sportnachrichten. — Danach bis 24.00: Au» Hamburg: Ouvertüren und Phantasien. Das Norag-Orchester. lilMMMslkil MZMZM La gibt» mehr Sturm und Regen al« Tonnen- schein. Da steht der Zeiger de« Barometer« immer auf „verän derlich", weil man beim Werben die er- folgbrtngende Anzeige im Riesaer Tageblatt vergessen hat. Wer mit „Beständig" tm Umsatz rechnet, ist Dauertnse- rent de« Riesaer Tageblatt, da« ihm die meisten Kunden besorgt. Geschäftsstelle nur Goetheftr. 59. tiges Klagen ausartenv. Sie verstummt« erst, wenn am Abend die große Hängelampe über dem runden Eßtisch« brannte. Dann war sie wieder ganz Mutter für ihren jungen Schützling. Und während sie die Nadel durch zerrissenes Strumpfgewebe fahren ließ, bekam Rosmarie alles zu hören, was sich vom Morgen bis zum Abend ereignet hatte. Und dann stand eines Spätherbsttages der Reisewagen vor dem Tor. Aga schoß noch einmal durch das ganze Haus, hatte tausend Aufträge für das zurückbleibende Gesinde und rin Dutzend Bitten an den alten Verwalter. Der kannte das von früheren Jahren her, zog ihren Arm unter den seinen und ging mit ihr zum Wagen, wo Rosmarie bereits neben dem Kutscher Platz genommen hatte. .Ach, so ein Kind! Das weint nicht einmal." Aga aber mischt« sich ein über das andere Mal über di« Wangen, richtete sich halb im Sitze auf, als di« Pferde schon angezogen, torkelt« zurück, streckte sich wieder hoch und winkt«, bis nichts, aber auch gar nichts mehr zu sehen war. Dann mar es aber auch schon verwunden. So schnell konnte hie Alte sich von etwas losreihen und sich Neuem zuwenden. Während das Gefährt über dis dunstverhangene Straße «litt, sorgte Aga sich bereits, ob sie in Wien auch alles in Ordnung fände, ob Lisett«, das Hausmädchen, beim Waschen kein« Risse in di« Vorhänge gebracht und der Hausmeister hi« Vorräte lm Keller ergänzt haben würde. Plötzlich stoppten die Pferde Rosmarie hatte In die Zügel gegriffen, sprang in der nächsten Sekunde vom Bock und lief auf den Rinderyirten zu, der, an eine Pappel gelehnt, auf ihr Vorüberkommen gewartet hatte. „Janos!" Die Kinderhände legten sich zärtlich um sein aus getrocknetes Gesicht Der blonde Kopf schmiegte sich zutrau lich an den verschlissenen Mantel des Alten. Er streichelte das flimmernd leuchtende Haar aus den weißen Schläfen und lachte das Mädchen an. All die Falten and Runen in seinem Gesichte waren in diesem Augenblick vollkommen geglättet. „Leb wohl, Kindchen! Telka, di« Schäferhündin, hat heute nacht Junge geworfen, drei Stück! Davon zieh ich dir einen groß, Rosmarie!" .Wirklich?" Sie gab sein Gesicht frei und klatschte in di« Hände. „Den schönsten, Janos?" „Den allerjchönstenl" stimmte «r zu. Ungeduldig rief Aga Rosmaries Namen und forderte sie auf, cinzusteiaen, man würde sonst den Anschluß versäumen. Rosmarie sah in das bewegte Gesicht des Hirten und be merkte, wie dessen Augen umflort standen. Sie streckte sich »id küßt« ihn rasch auf den Mund. .Auf Wiedersehen, Janos!" .Auf Wiedersehen, Kind!" Er stand noch immer und schaute dem Gefährt nach, als .'ängst nichts mehr davon zu sehen war. Nur di« Radspur hatte sich tief in den Boden eingeprägt. Er ließ die Augen darauf ruhen und nickt« wehmütig. .So tief wird das Leben seine Spur In dir zurücklasfen, Rosmarie! So tief!" Den Rücken weit nach vorn gekrümmt, wandt« er sich zum Gehen Er sah Rasa Bosanyi quer über di« Felder kommen und schritt, als sie sich genähert hatte, ohne Wort und Gruß an ihr vorüber. .JanosI" Sie haschte bittend nach seiner Hand, fühlte, wie dies« zusammenzuckte und ließ sie wieder fallen. „Ich bin am Verzweifeln." Er nickte, ohne stehen zu bleiben oder auch nur aufzusehen. »Was soll ich tun, Janos?" Sein vertrockneter Mund öffnete sich langsam: „Weiter wagen das Lebw — «Miltrgaen." lagt« er stockend. „Weißt du nichts anderes, Janos?" weinte ihre Stimm« Er schüttelte wortlos den grauen Kopf und beschleunigte seine Schritte. Sie lief atemlos neben ihm her. „Glaubst du. daß der Hoüobagy tief genug ist, meine Schande zu be- graben?" wimmerte sie. Er blieb stehen. Das erstemal, seit sie mit ihm sprach, sah er sie an, lächelte und streichelte die Hand, die an ihrem Kleide herabhing. „Komm mit! Ich muß nach meinen Rindern sehen und dann reden wir." Schweigend schritten sie nebeneinander her. Wortlos saß das Mädchen nach einer Viertelstunde auf einem Bündel dürren Grases, dem Alten gegenüber. Rasa lauschte, als er zu sprechen begann, wurde rot und blaß, weinte und blieb dann ganz still, bis er zu Ende geredet hatte. „Willst du?" sagte er gütig. .Es ist das einzige, wie ich dir helfen kann. Sie bejahte stumm. „Niemand wird etwas ahnen, wenn du nicht selbst Grund dazu gibst." mahnte er eindringlich. .Gib mir Bescheid, was dein Vater dazu gesagt hat, dann Helf« ich dir weiter." Sie drückte seine Finger, erhob sich und nickte ihm noch- mals zu. Dann schritt sie nach der Tanja hinüber, di« zwi- schcn entlaubten Obstbäumen hervorlugte. Gunnar Bosanyi entsetzte sich, als seine Tochter nach Wochen bat, sie für einige Zeit fortzulassen, ganz gleich, wohin, sie fühl« sich so elend, so zerschlagen, sie müsse zu grunde gehen hier, vielleicht könne sie vergessen, wenn sie unter andere Menschen und in eine andere Umgebung käme. Tag für Tag wiederholt« sich ihr Bitten, bis er schließlich nachzugeben begann. Als der erste Schnee über di« Steppe fiel und die Wölfe des Nachts um die Gehöfte irrten und mit ihrem heisere» GA>ell Mensch und Tier die Ruhe nahmen, neigte sich Raja über das Gesicht des Baters und küßt« ihn zum Abschied. Er liebkoste ihre schmalen, blassen Wangen, gab ihr Mah nungen Ratschläge: Sie sollte nicht vergessen, die Ver- manoten in Wien zu besuchen, sich nachts niemals allein ruf die Straß« wagen und tausend anderes mehr. Sie hörte es mit halbem Ohr, versprach, legte, vom Gefühl )er Schuld durchrüttelt, den Kopf gegen seine Brust, um sich xmn endlich mit einem verzweifelten Lächeln aus seinen klrmen loszumachen. Bosanyi brachte sein Kind selbst zur Bahn, sah noch «ine Weile den Rauchwolken nach, die den Weg zeigten, den der Schnellzug nahm und stieg dann wieder in den Wagen, der chn zurückbrinqen sollte. Es war das erstemal, daß ihn die Tochter verließ, das erstemal, daß er «inen Winter allein verleben sollte. Aber es mußte ertragen werden. Er war es der Tochter schuldig, daß er sie nicht zugrunde gehen ließ. Di« Fremd« würde Balsam für sie sein. Rosmarie lebte in einem förmlichen Taumel. Iedermal, wenn sie aus der Stille und Abgeschiedenheit der Steppe in das Getriebe Wiens zurückkam, berauschte sie der laut« Hall der Riesenstadt, zog sie an, stieß sie ab und wurde ihr zum Schluß unentbehrlich. Sie fühlte sich von tausend und aber tausend Dingen in Anspruch genommen, was sie über Tag« nervös und was ihr« Nächte schlaflos machte. Aber nach Wochen verebbte die Erregung. Das laut« Leben wurde wieder zum gewohnten Dasein. Unter Agas Leitung lief das Hauswesen wie am Schnür chen. Die Alte nahm sich sogar Zeit, des Abends im Journal lesen. Rosmaries Lachen und das ihrer Freundinnen erfüllte da» Haus. Es roch nach Weihnachtsleckereien und dem harzigen Duft der Riesentanne, die auf der Beranda stand. Aga pflegte sich früh um all diese Dinge zu sorgen. .Später bekommt man nur noch das Ausgesuchte," erklärt« st«. Hier, un« n» der Tanja war sie «in Muster von Fürsorge. Ein« Woche vor dem Fest traf ein Brief mm Professor Török ein: Es gehe ihm ausgezeichnet, ob Rosmarie wohl auf sei, ob sie der Aga gehorcht« und ihren Wunschzettel hotte Rosmarie getan. Er war reichlich lang gewesen und immer wieder hatte sie hinten Neues angefügt. Wenn Aga vom Einkäufen zurückkam, war sie jedesmal in Schweiß ge ¬ badet. Bela Szengeryi hatte auch ein verschlossene« Kuvert bei gelegt. Rosmarie drehte es von links nach rechts und steckt« es dann, ohne Aga «inen Blick hineintun zu lassen, in den Ausschnitt ihres Kleides. Abends vor dem Schlafengehen zog sie die vollkommen ver- knütterte Hülle heraus und las deren Inhalt mit brennenden Wangen: .., < . > Mein kleiner Liebling!" , . Woher nur Bela mit einem Male dies« schönen Ausdrücke hatte? „Mein kleiner Liebling!" Er war doch sonst immer so furchtbar nüchtern gewesen. Aber Nein? — Klein, war sie nicht mehr. Sie streckte sich vor dem hohen Ankleidefpiegel im Schlaf- zimmer und wiegt« ihre schlanke Gestalt. Dann las sie weiter: „Ich hoffe, daß Du gesund und froh bist." Warum sollte st« das nicht sein? Sie fand es lächerlich, wie er so etwas schreiben konnte. „Wenn Du wüßtest, welche Sehnsucht ich habe, nach Dir und der Stepve. Sie schüttelt« den Kopf. War das möglich? Nun auf einmal hatte er Sehnsucht. Es geschah ihm gerade recht. Warum war er fortgeaangen? Ein Mensch Mit siebenundzwanzig Jahren mußt« doch wissen was er tat. Und wenn er dann Heimweh bekam, war ihm nicht zu helfen . . . Nun kamen ein paar Sätze, die st« als weniger wichtig erachtete. Die tausend Küss« am Schluß erlchirnen ihr ganz in der Ordnung Sie faltete das Blatt zusammen, besann sich einen Augen blick, öffnete dann die Klappe des Ofens und ließ den Brief in die Glut fallen. Es war gar nicht nötig, daß Aga ihr über diesen Brief kam. Die sagte totsicher wieder, es schicke sich nicht, daß er so verrückt schreibe. „Mein kleiner Liebling," das würde ihr schon gar nicht passen. Sie war manchmal so furchtbar trocken. Aber es war doch nett von Bela, daß er so eine schöne Anrede gefunden hatte! Wirklich nett war das von ihm! Sie verschränkt« di« Hände »ater dem Kopf und sah in das blaue Licht der Nachtampel, di« von weißen Seiden schnüren an der Decke gehalten wurde. Sie dachte an Janos, wie der nun fror und seine Schaf« und Rinder mit ihm, während sie schön warm hier in ihrem Bette lag und sich ihren Träumen hingeben konnte. Raja fiel ihr ein und Mutter Horvath und Guido. Er hatte ihr ein« Karte aus Biskra geschickt. Sie hatte den Ort erst in Spitzbergen gesucht und war ganz erstaunt gewesen, daß er in Aegypten lag. , Dann fielen ihr die Lider zu. Sie träumte! Träumte so wundervoll! Aber nicht von Bela Szengeryi, auch nicht von Guido Horvath, sondern von dem jungen Schäferhund, den Janos ihr großziehen wollte. bis_Ls.a^tzerkam.
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- Thumbnail Preview
Next Page
Forward 10 Pages
Last Page