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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 25.11.1932
- Erscheinungsdatum
- 1932-11-25
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-193211251
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19321125
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19321125
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1932
- Monat1932-11
- Tag1932-11-25
- Monat1932-11
- Jahr1932
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 25.11.1932
- Autor
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Vermischtes. Erdbeben im Rheinland ich an vor 180 fahren. Zu den Nachrichten über Erdstösse im Rhein land ist zu bemerken, dass schon im Dezember des Jahres 1755 und jm Mürz 1856 in Gräjenratli Erdstösse wahr ge nommen wurden. Nach zeitgenössischen Berichten hatte sich das Erdbeben, wie das „Lwlinger Tageblatt" berichtet, „präzise 8 Uhr morgens mit einem fast heftigen, zirka eine Minute anhaltenden unterirdischen Getöse, Bebung der Fenster und Häuser geäuhert, worauf drei Stösse jedes mal mit einem dumpfigten in Vergleichung von hier aus Düsseldorf losbrennen hörenden Kanonen erfolget, wo- ourch die Häuser der Meinung nach etwa einen halben Fuss hoch aufgehoben worden, alles jedoch — Gott sei geprie sen — ohne einigen erfolgten Schaden oder Einstürzung (Furcht und schrecken ausgenommen) abgelaufen". Auch hatte, wie weiter berichtet wird, in einer der vorher gehenden Nächte eine Erderschütterung den Peter Jürgens aus dem Schlaf geweckt, „so, dass beim Erwachen annoch seine Füsse geschlottert und er die Hauptmcubles deutlich zittern gehöret". Teilen Ehefrau bezeugte aber bei der darüber stattgefundenen Bernebmung durch den Bürger meister „solches wachend in selbiger Nacht zum zweiten Male gespüret zu haben". Zinkwannen als schmuggel-Schifflein. Ein origineller Schmuggeltrick wurde in Hassum bei Goch an der deutsch-holländischen Grenze aufgedeckt. Am Schloss Terporten vorbei fliesst der gutregulicrte Kendelbach in Richtung^ Hassum. In der Nähe des Schlosses berührt er ein Stück neutralen Gebietes: das linke llfer ist hol ländisch, das rechte deutsch. Da nun die Kendel zur Zeit ziemlich hohes Wasser führt, kamen Schmuggler auf eine köstliche Idee, wie sie ohne Gefahr das schmuggelgut gemächlich nach Teutschlaud einführen konnten. Dass ihrer Idee der finanzielle Erfolg veriagt blieb, ist auf reinen Zufall zurüctzufübren. Am holländischen Ufer fehlen bis her unermittelte Personen Zinkwannen mit Getreide be laden auf die Kendel, damit sie in der Dunkelheit von selbst nach Hassum fahren sollten. Zufällig lag nun ein Zollbeamter an der Kendel, dessen Erstaunen natürlich ausserordentlich gross war, als er dann plötzlich das erste Schisflein ankommen sah. Jetzt wartete er selbst verständlich und fing nacheinander insgesamt fünf Zink wannen ^auf, die mit drei Zentnern Getreide beladen waren. Die Empfänger des sonderbaren Schiffstransportes haben wahrscheinlich den Empfang der Ware durch fremde Hände beobachtet und schleunigst das Weite gesucht. WlMIIWllllllM Ilil -en ötrMMMr an MMerMen. Der Uebergang der Staats strasse Niederdorf—Oelsniss über die vollspnrigc Nebenbahn Neu- ölSnitz—Wüstenbrand in Neu- olsnitz bei Kilometer 4,0013 der Staatsstrasse soll mit neuartigen Warnlichtern sBlinksignalen) an den bereits vorhandenen Warn kreuzen ausgerüstet werden, um Geschirr- und namentlich Kraft wagenführer nachdrücklichst auf die Nähe des Bahnüberganges aufmerksam zu machen und ihnen das richtige Verhalten nach 8 18 12) der Krastfahrzeugverordnung zu erleichtern. Diese Bestimmung lautet: „Bei Annäherung an einen Eisenbahnübergang in Schienen höhe ist, wenn nicht unzweifelhaft erkennbar ist, dass sich kein Zug in gefahrdrohender Weise nähert, die Geschwindigkeit so einzurich ten, dass das Fahrzeug noch vor dem Uebergang angehalten wer den kann." Dass der Uebergang mit einer Warnlichtanlage ausgerüstet ist, wird durch eine schwarze quadra tische Tafel mit weihrotem Rand gekennzeichnet, der auch bei Dun kelheit im Scheinwerferlicht der Kraftfahrzeuge gut sichtbar ist. Auf dem schwarzen Feld der Tafel sind Warnlichter angebracht, die entweder langsam weiss oder schnell rot blinken. Das weisse Licht zeigt nur an, -ah die Anlage betriebsfähig ist. Tas rote Blinklicht kündigt die Annäherung eine» Zuge« an und »«deutet fvr den Wegbenutzer „Halt". Erscheint keines der beiden Lichter, so ist die Blinkanlage äusser Betrieb. Das weisse Blinklicht oder das Fehlen des Lichtes befreien somit den Wege benutzer nicht von der Pflicht, die Bahnstrecke zu beobach ten. Kleine Schienensahrzeugc IBahnmeistcrwagen, Drai sine) schalten das rote Blinklicht nicht ein. Es muss deshalb bei weissem Licht mit ihrer Annäherung gerechnet werden. Den Führern derartiger Schienenfahrzeuge ist zur Pflicht gemacht, so langsam zu fahren, bass ihr Wagen bei Gefahr rechtzeitig angchaltcn werden kann. In Deutschland sind Warnlichtanlagen an den Bahn übergängen noch selten, während sie im Ausland (Schweiz. sssrnggprsi» 2,— AM. otms 2usisIIgsbüt>r. äis AustsIIune äs» k?i«8»»r IsgeblLttsn l. VÜV80kSll. auf das in allen Schichten der Einwohnerschaft von Riesa und Umgegend gern gelesene Riesaer Tageblatt zum Bezng nehmen jederzeit entgegen kür Althirschstein: Hugo Rühle, Boritz Bahra: Hugo Rühle, Boritz. Bloßwiss: W. Nausoks, Seerhausen 17 Bobcrien: Frau E Bogel. Bobersen Nr. 72 Roriss: Hugo Rühle, Boritz bauiss: O. Thiele, Gröba, Oschatzer Strasse 19 Glanbiss: Fran Hesse Nr. 6 GohliS: K Kühne, Nr. 57 Groptiss: W. Nausoks, Seerhausen 17 Griiba: A. Haubold, Strehlaer Str. 17 „ M. Heidenreich. Alleestr. 4 „ A. Riedel, Oschatzer Str. 2 „ Frau Kulke. Kirchstr. 19 Grödel: O. Vetter, Gröde! Nr. 1 Heyda: Frau H. Horst, Heyda, Nr. 42 Jacobsthal: W. Schöne, Jacobsthal 21d Jahnishausen-Böhlen: Frau TrimnS, Nickritz Nr. 21o Kalbiss: Frau Müller, Seerhausen Nr. 18ä Kobeln: A. Dietze, Kobeln Nr. 18 Langenberg: Otto Scheuer. Bäckermeister Leutewiss bei Riesa: Willi Herrmann, Leutewitz Nr. 17g. Mantiss: W. Nausoks, Seerhausen 17 Mehltheuer: Rich. Gruhle, Mehltheuer Nr. 59 Mergendorf: L. Schumann, Poppis 18 Merzdorf: O. Thiele, Gröba. Oschatzer Str. 19 Moriss: O. Vetter, Grödel Nr. 1 Nickritz: Frau Trimus, Nickritz Nr. 21o Nünchritz: Marie Thränitz Wiesentorstr. 6 Oelsitz: Herm, Steglich, Pausitz 13 E Bahrenz: A. Dietze, Kobeln Nr. 18 Pausitz: Herm. Steglich, Pausitz 13 E Poppitz bei Riesa: L^Schnmann, Nr 13 Prausitz: Frau TrimuS, Nickritz Nr. 2lo Reußen: A. Haubold, Gröba, Strehlaer Str. 17 Riesa: Alle ZeitungSträger und zur Vermittlung an diele die Tageblatt-Geschäftsstelle Goethestr. SS (Telefon Nr. 29) Röderan: M. Schöne Grundstr. 18 Sageriss: Frau Hetze Glaubitz Nr. 6 Secrhanse«: Frau Müller, Seerhausen Nr. 186 Weida (Alt-): Fr. Kluge, Friedrich-List-Str. 29 Weida (Ren-): F. Pöge, Lange Str 28 Zeithain-Dors: S. Sandholz, Teichstr. IS Zeithain-Lager: Richard Schönttz, Buchhändler Zschepa: P. Reitzig, Zschepa Schweoeni deren» yauna angewenver werven. poneN aber nunmehr auch in Deutschland an wichtigen Wegüver- gängen nach und nach eingeführt werden. In Sachsen ist die erste vor kurzem an der Annaberg— Schneeberger Staatsstrasse an dem am Haltepunkt Schnee berg gelegenen Uebergang in Betrieb genommen worden Die Einrichtung ist von den Kraftwagenführern auch dort dankbar begrüßt worden. Das gleiche wird von dem in der Herstellung begriffenen Blinklicht in NeuölSnitz erwartet. Hoffentlich werden sich die Beteiligten mit gutem Verstäub- nis an die neue Signalanlage gewöhnen und damit Unfälle auf den Uebcrgängen der Strassen über die Eisenbahnen verhüten helfen. Km» M MenWl. Central »Theater. Jm Dresdner Central - Theater haben jetzt wie alljährlich die von Gross und Klein lang ersehnten WeihnachtrmSrchen-Anfsiihrnnaen begonnen und zwar finden dieselben an sedem Mittwoch nachmittag« 4 Ubr nnb an jedem Sonntag nachmittags 2,30 Ubr ktatt. Zu- Anffsibrnna gelangt in diesem Jahre das orosse Weih« nnchis-Ansstattungs-Märchen Schneeweißchen nud Molen- rot", ein echtes, rechtes deutsches Kindermärchen, gan, dem kindlichen Begriffsvermögen anaepabt. das den Kleinen Einblick in die berrliche soraenireie Märchenwelt verschafft und dem neben Lust. Laune, Stimmung und Humor ein tieker Sinn inne M>5-ut. Eine hervorragend« und glanz volle Anastattnna. vrachtTwlle Dekorationen und farben reichste Kostüme können die Besticher in diesem herrlichen Märchen, dem die Direktion liebevollste Einstudierung nnd hervorragende Besetzung hat nnaedeiben lassen, erblicken. Ein Kinderballett von 60 Mitwirkevden, e nstudiert von der Ballettmeisterin Gertrude Baum - Gründig, stellt „Da« Deutsche Volk«- und Kinderlieb" tänzeriich dar nnd versetzt nicht nur die kleinen, sondern auch die erwachsenen Theater besucher in hellste? Entzücken. Eine grosse Schluss-Avo- tbeole, mit Humor durchwürzt, zieht an den Augen der kleinen Theaterbesucher vorbei »nb zeiat ihnen 12 der schönsten deutschen Märchen. Das Publikum und die ge samte Presse haben diesem Märchen eine begeisterte Auf nahme bereitet und neben seiner Unterhaltung auch seinen hoben erzieherischen Wert heiont. Die Preise der Plätze sind derart niedrig gehalten, dass auch der Minderbemitteltste seinen Kindern diese Weihnacktsfr-ude bereiten kann. — Am kommenden Sonntaa, den 27. November, nachmittags 5 Ubr wird, um auch den auswärtigen Theaterbesuchern Gelegenheit zu gebe», die große klassische Operette .DU Dubarry" kennen zu lernen, diele? Werk mit Frances Coleman in der Titelrolle bei kleinen Preisen zur Auss führung gebracht. Abends 8 Ubr kommt die Wiener Operette „Die Försterchristl" bei kleinen Preisen zur Auf- sührung. Rundfunk-Programm. Sonnabend, den 2ö. November. Berlin — Stettin — Magdeb.urg. 15.20: Als fahrender Händler und „Schatzsucher" in den mexi kanischen Bergen. — 15.49: Bunte Stunde. — 16.10: Was hat der Mann im Haushalt zu tun? — 16.30: Aus Hamburg: Konzert. — 17.50: Ernst Lissauer liest eigene Dichtungen. — 18.10: Rechts fragen des Tages — 18.25: Carl Maria von Weber, Duo concer- tant für Klarinette und Klavier Op. 47. — 18.55: Die Funk-Stunde teilt mit ... — 19.00: Die Berussspielersrage im deutschen Fußball sport. — 19.10: Ketzerei am Wochenende. — 19.25: Robert Schu mann. Frauenliebe und -Leben. — 19.55: Mitteilungen des Ar beitsamtes. — 20.00: Aus Königsberg: Abend der Komiker. — Während der Pause gegen 21.00: Tages- und Sportnachrichten. — 22.15: Zeitansage usw. — Danach bis 23.30: Tanz-Musik. — An schließend bis 1.30: Aus der Staotsoper Unter den Linden: Wohl tätigkeitsveranstaltung. Könlgswusterhausen. 10.10: Schulfunk. Im Kaischuppen des Hamburger Freihafen«, — 11.15: Stunde der Unterhaltung. — 15.00: Kinderbastelstunde. 15.45: Frauen Helsen sich untereinander. — 16.00: Charakter und Schicksal. — 16.30: Konzert. — 17.30: Zahnhygiene aus dem Lande. — 17.50: Freude kommt oom Tier — gebt ihm Freude. — 18.05: Der Hörer hat das Wort. — 18.30: Deutsch sür Deutsche. — 19.00: Französischer Sprachunterricht. — 19.40: Kirche und Recht. — 20.00: Aus Frankfurt: Robert der Teufel. Oper von G. Meyer- beer. — 22.30: Wetter-, Tages- und Sportnachrichten. — Anschli» ssend: Berliner Programm. L , mm »SM IIM kkomsn von KlotkNkio von Slogmrmn-Slsin Oopzcrighi b> dlartin keucbtvavger, llalls (Lasle) (12 Und wie ein Junge arbeitete sie mit, putzte mit einem Wollappen an den einzelnen Maschinenteilen, schmierte die »einen Windungen, putzte, hauchte wieder, während Fritz sachverständig Kurt die nötigen Handreichungen machte. Schweigend arbeiteten sie, nur hin und wieder von Kurt dirigiert. Durch das geöffnete Fenster kam der Fliederduft von dem Werksgarten draußen herein; ein Nachtfalter verirrte sich und flog mit geisterhaftem Flügelschlag an der Decke entlang, wunderliche Schatten werfend. Die jungen Men schen waren hingegeben an diese ihre Arbeit, und sie hörten es nicht, dass die Uhr draußen erst die neunte und dann die zehnte Stunde schlug. Endlich erhob Kurt sein heißes, gespanntes Gesicht. „Jetzt hab' ich's, sicherlich wird der Motor so bedeutend besser und sparsamer funktionieren. Wollen wir ihn jetzt noch ausprobieren?" Erika machte ein bedenkliches Gesicht. „Ich glaub', es ist schon spät..." „Ach was, spät", warf Kurt ein, „dein Vater ist ja doch heute beim Kegeln. Was willst du an dem schönen Sommerabend daheim? Das wäre das erste Mal, Erie, daß ich ohne dich was an meinem Motorboote probierte. Und jetzt eine Fahrt draußen bei Mondschein — herrlich! Komm nur! Hupp, Fritz!" Er winkte dem Jugend gespielen, sie schulterten das Boot und trugen es vorsichtig hinaus in den fast taghellen Sommerabend. Erika hatte einen Augenblick gezögert. Aber als sie hinaustrat in die zauberhafte Helle der sommerlichen Nacht, die Gestalten der Gefährten sah, die da schnell und fröhlich dem Flusse zugingen, da lief sie schnell hinterher. * * * Auf Schloß Bremerwerk hatte sich die Abendgesellschaft nach dem Essen auf der Gartenterrasse versammelt. Olaf Erikson stand neben Hiltrud und sah mit aufrichtigem Ent zücken in den Park hinein. „Das ist wirklich ein außerordentlich schönes Besitztum, Herr Kommerzienrat, das Sie da haben. Jetzt in diesen Frühsommertagen entfaltet es erst seine ganzen Reize. Besonders solch eine Mondnacht ist etwas Zauberhaftes." „Da sollten Sie erst einmal die wundervolle Stimmung sehen, die heute abend über dem Flusse liegt", meinte der Kommerzienrat. „Wie wäre es, Melanie, wenn ihr unserem Gaste einmal den Blick von der Werksbrücke hinüber zu der alten Burg im Mondschein zeigen würdet? Mich müssen Sie entschuldigen, ich habe noch ein paar dringende Briefe zu erledigen." „Vielleicht begleitet Hiltrud unseren jungen Freund", schlug Frau Melanie vor, „ich bin heute etwas ermüdet. Den ganzen Tag gesellschaftliche Verpflichtungen — ich Weitz mitunter wirklich nicht, wie ich das bewältigen soll", klagte sie. „Sehr einfach, Melaniechen, du schiebst etwas von dem Gesellschaftsklimbim ab", rief der Kommerzienrat. Frau Melanie sah ihn strafend an. „Du vergißt, daß eine gesellschaftliche Stellung wie die unsere auch Verpflichtungen mit sich bringt, denen man sich nicht entziehen kann. Du hast lewer früher auf diese Dinge zu wenig Wert gelegt, lieber Friedrich." Kommerzienrat Bremer seufzte leise. Er mußte daran denken, daß auch ohne diese gesellschaftlichen Verpflich tungen seine Firma groß und anerkannt geworden — und daß sein Haus ihm heimischer-und beglückender gewesen, da nur ausgesuchte Freunde zu ihm und seiner Margarete gekommen waren. Aber es hatte keinen Zweck, darüber nachzudenken, wie ganz anders sich das Leben in seiner zweiten Ehe gestaltet hatte. Er hatte es längst aufgegeben, Melanie in dieser Hinsicht ändern zu wollen. Er war froh, wenn er seinen Frieden hatte. So schwieg er auch jetzt und verabschiedete sich freundlich von den Seinen und von dem jungen Schwede». „Ja, wie wäre es, Baron Erikson", nahm Frau Melanie ihren Vorschlag von vorhin wieder auf, „soll Ihnen Hiltrud einmal den Blick von der Bremerwerkbrücke zeigen?" „Gern, wenn daS gnädige Fräulein nicht zu müde ist?" Hiltrud stand mit einer an ihr ungewohnten Schnellig keit aus ihrem Korbsessel auf. „Ich zeige es Ihnen gern. Kommen Sie nur!" Sie nahm einen zarten, seidenen Schal von einem Seitentischchen und legte ihn sich graziös um die Schultern. Dann ging sie an der Seite des jungen Mannes leichtfüßig die Treppe der Terrasse hinunter und alsbald in leb haftem Gespräch mit ihm durch den Garten der Hintere« Pforte zu, von der eine kleine Birkenbrücke zum Flusse und weiter zum Bremerwerk hinüberführte. Frau Melanie sah den beiden befriedigt nach. Sie hatte die Müdigkeit nur vorgeschützt. In Wirklichkeit kannte sie keine Müdigkeit in gesellschaftlicher Beziehung. Jm Gegen teil: je größer der Trubel um sie herum, je mehr Gäste auf Bremerschloß, desto frischer und um so jünger fühlte sie sich. Sie konnte nur existieren in einer Atmosphäre von Besuch, Bewunderung und äußerlichem, Leben. Was sie jetzt bewogen hatte, Müdigkeit vorzutäuschen, war der Gedanke, daß man die beiden jungen Menschen allein lassen wollte. Dieser junge Olaf Erikson, Sohn einer alten schwedischen Adelsfamilie, wäre ihr als Schwiegersohn gerade recht gewesen. Olaf Erikson ver stand außerdem als Sohn eines schwedischen Groß industriellen genügend von der Arbeit in den Bremer werken; er würde Hans Egon unterstützen können, der gar kein Interesse für das Werk hier hatte und den man doch einmal hier hineinsetzen wollte, damit nicht alle Macht sich in den Händen des Stiefsohnes konzentrierte. Frau Melanie war eine kluge Frau; sie übersah die Dinge, wie sie sich entwickeln würden. Ihr Gatte war um vieles älter als sie. Sie hatte ihn nur geheiratet, um den drückenden Sorgen zu entgehen, in denen sie mit ihren Kindern Hans Egon und Hiltrud nach dem Tode ihres ersten Mannes zurückgeblieben war. (Fortsetzung folgt.)
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