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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 14.12.1932
- Erscheinungsdatum
- 1932-12-14
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-193212146
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19321214
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19321214
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1932
- Monat1932-12
- Tag1932-12-14
- Monat1932-12
- Jahr1932
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 14.12.1932
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Bauaufträge in Höbe von 34 Millionen NM. herauSge- geben. Davon entfallen 1/ Millionen auf den Asmterbau, 10 Millionen auf die Kabel-Industrie, etwa 5 Millionen auf Hochbauten und Geräte aller Art und etwa 8 Millionen auf die Fahrzeug-Fabriken. Ter Verwaltungsrat genehmigte eine Verlängerung der Fristen für die erleichterte Wiedereinrichtung gekün digter Fernfprech-Anschlüsfe. Danach kann ein Teilnehmer, der feinen Anschluß bis zum 31. Dezember 1933 infolge wirtschaftlicher Notlage kündigt, die Wiedereinrichtung dcS Anschlusses innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren ohne erneute Entrichtung der Einrichtung?- und Apparat- Gebühren beantragen. Ferner brachte die Verwaltung zur Kenntnis, daß, über die Frage der Beseitigung des Wettbewerbs auf dem Ge biete des Kleingutverkehrs zwischen Reichspost und Reichs bahn nunmelw ein Uevereinkammen getroffen fei. Danach würden die vergleichbaren Tarife beider Verwaltungen so gestaltet, daß für Sendungen bis zum Gewicht von V Kilogramm einschl. die Tarife der Rsichspost, für schwerer« Sendungen die Tarife der Reichsbahn billiger find. Ter Postpaket-Tarif ändert sich dadurch nicht. In diesem Zusammenhang kündigte der Reichspost- minister an, daß die Post für den Massen-Paketverkebr zwilchen großen Orten eine gegenüber dein Postpaket etwas verbilligte Kleingutsendung bis zum Höchstgewicht van 7 Kilogramm einführen wolle, die die Bezeichnung „Post gut" erhalten soll. Ter verbilligte Tarif wird sich etwa auf gleicher Höl>e wie die allgemein im Sammelverkehr bestehenden Vergütungssähe halten. Eine Unterbietung anderer Vertehrsuntsrnehmungen ist nicht beabsichtigt. Ter Tarif ist als Frei-Haus-Tarif gedacht. Zustellgebühren werden nicht erhoben. Tie neue Versendungsart soll zu nächst versuchsweise cingeführt werden, sobald die Vor bereitungen beendigt sind. Mel Sn Mm für MW sei SAllmsMeii? v-z. Ein preußisches Oberlandesgericht hatte kürzlich einen Schadenscrsahprozcß gegen den preußischen Staat zu entscheiden. Kläger war der gesetzliche Vertreter eines Schulkindes, daS anläßlich einer unter Führung des Lehrers stattgefundenen Schnlbesichtigung eines gewerblichen Betrie bes verletzt worden war. Eine Haftnngspslicht des Lehrers konnte nicht ausgesprochen werden. In den Entscheidungsgründen führt das Gericht u. a. auS, die Klage habe keinen Erfolg haben können, da -en Lehrer kein Verschulden an dem Unfall trifft. In dem Um stand an sich, daß der Lehrer die Schüler seiner Klasse in eine im Betriebe befindliche Schmiede zur Besichtigung der Arbeiten geführt hat, ist ein schuldhaftes Verhalten nicht zu finden. Polizeiliche Vorschriften, die das Betreten einer Schmiede verbieten, bestehen nicht. In der Tatsache der Be sichtigung könnte man daher nur ein Verschulden des Leh rers finden, wenn nach den von der Schulverwaltung aus gestellten Grundsätzen derartige Besichtigungen handwerk licher Betriebsstätten außerhalb der Schulräume nicht er laubt wären. Derartige Vorschriften bestehen aber nicht. Der Anschauungsunterricht ist nach der derzeitigen Auffas sung in den Gesamtunterricht der Grundschule eingegangen und bildet dessen wesentlichen Bestandteil. Zu diesem An schauungsunterricht gehört aber auch das Vertrautmachen der Schüler mit gewerblichen, insbesondere handwerklichen BetricbSsormen. Daher gehört es auch zum Pslichtenkreis des Lebrers, den Schülern ein anschauliches Bild handwerk licher Betätigung zu gewähren und das geschieht in der deutlichsten Weise am Orte deS Betriebes selbst. Auch bei der Durchführung der Besichtigung hgt der Lehrer die ihm pflichtgemäß obliegenden Vorsichtsmaßregeln zu treffen nicht unterlassen. Er hat darauf geachtet, daß die Kinder nicht planlos in der Schmiede herumstanden, und hat sie in einer Entfernung von etwa 11L Meter vom Amboß gerechnet Aufstellung nehmen lassen. Nach der Augenscheinnahme hat der verletzte Knabe 1,65 Meter vom Amboß, von dem der Splitter geflogen kam, entfernt gestanden. Die Verletzung des Kindes ist nicht durch Funkenslug und sogenannten Hammerschlag, sondern dadurch erfolgt, daß ein Splitter von den Schmiedewerkzeugen lossprang und dem Kinde ins Gesicht flog. Dies ist etwas, was in einer Schmiede verhält nismäßig selten vorkommt. Daß der Lehrer als Laie mit dieser Gefahrenmöglichkeit nicht vertraut war, kann ihm nicht als Fahrlässigkeit angerechnet werben. Alle Gefährdungsmöglichkciten auszuschließen, ist auch bei Anwendung der größten Sorgfalt nicht durchführbar. Daß der Lehrer daher bei der Durchführung der Besichti gung nicht die erforderliche Sorgfalt gezeigt hat und daher den Unfall verschuldet hätte, ist nicht ersichtlich. Danach ent fällt auch die Haftnngspslicht des Beklagten. WkiMWi Komnn von Xiotkllkis von Ltogmonn Asln Copyright bzt dkartio koucdtvaager, Halle (Saale) f44 Gerade, als sie unten an der Treppe war, die von ihrer Neinen Wohnung hinunter auf den Werkhof führte, kam Moeller über den Hof ihr entgegen. „Nun, Erika", sagte er und sah sie mitleidig an, „wie hat es der Vater ausgenommen — hat er was gesagt?" Mit einer trostlosen Gebärde zuckle Erika die Schultern: „Wenn er nur was gesagt hätte, Herr Moeller — es hat ihn schrecklich getroffen, das können Sie sich ja denken; aber wenn er es wenigstens aussprechen würde, dann wäre es ihm ja leichter — aber so — so ..." Sie vermochte nicht weiterzureden, die Stimme ver sagte ihren Dienst. „Na, kleine Erika, nur tapfer; vielleicht kann ich ihm ein bißchen zureden. Du mußt mir nur sagen, wie es um ihn steht." „Ja, wenn ich das nur selbst wüßte, Herr Moeller. Er kam rauf und sprach kein Wort und starrt seitdem nur immer vor sich hin. Wenn mir nicht die Frau Schulze von nebenan gesagt hätte, was vorgefallen ist — aus dem Vater hätte ich kein Wort herausbekommen. Es hat ihn zu tief getroffen — und wissen Sie, wer schuld ist an der ganzen Sache? Ich!" Sie zeigte mit einer leidenschaft- lichen Gebärde auf sich selbst. „Kind, du hast wohl den Verstand verloren? Nun wird mir's aber zu bunt!" Erika sah den väterlichen Freund mit einem herz zerreißenden Ausdruck an. „Und doch bin ich schuld, Herr Moeller, wenn Sie's auch nicht zugeben wollen. Hätte ich damals diesem frechen Menschen, dem Bräutigam von Fräulein Hiltrud, nicht die Ohrfeige heruntergehauen, der Varer säße jetzt nicht oben und wäre nicht aus der Stellung aetaar worden." Vermischtes. Studentin wird Student. Eine italienische Studentin, Teresa Earvillino, die seit zwei Jahren an der Florentinischen Universität Philosophie studierte, Hot sich plötzlich als ein Mann entpuppt. Sie hatte ihren Lehrern nie den geringsten Anlaß gegeben, zu glauben, daß mit ihr etwas „nicht richtig" sei: sie wies vortreff liche Leistungen auf und bestand ihre Prüfungen gut. Aber plötzlich überraschte sie den Rektor mit dem Ge ständnis, daß sie von nun an als männliches Wesen be trachtet lverden mochte. „Ich habe lange genug darunter gelitten, daß man mich für eine Frau angesehen hat, und ich habe beim Gericht mein Recht nachgesucht," er- klärte sie. Sie konnte tatsächlich beweisen, daß der ihrer Eintragung im Standesregister ein Fehler begangen war und daß dieser Irrtum sie fälschlich zum Mädchen stem pelte. Ter Fall ist genügend aufgeklärt und ihre Per sonalien wurden >' i in ihrem Heimatort Euneo richtig eingetragen. Unter aen anderen Studentinnen erregte die Nachricht nicht geringes Aussehen. Sie erklären, daß das einzig« Männliche, das ihnen an Teresa auffiel, die Tat sache war, daß sie sich wden Morgen rasierte. Ihre Stimme hat einen tieferen und rauheren Ton als die gewöhnlichen Mädchenstimmen, aber ist doch keineswegs das Organ eines Mannes. Sie kleidete sich mit viel Ge schmack und wurde in Toilettenfragen von ihren Kol leginnen häufig uni Rat gefragt. Bevor sie an die Floren tiner Universität kam, war sie in ihrer Heimat Euneo Gnmnastiklllhrerin in einer Mädchenschule und ihr Unter richt wurde sehr geschätzt. Schifssreparatur mit Lebensgefahr. KOO Passagiere an Bord deS neuesten italienischen Luxusdamp fers, des „Eonte di Savoia", verfolgten mit atemloser Spannung die notwendig gewordene Ausbesserung eines Lecks, die von einem kühnen Seemann auf hoher See vorgenommen wurde. Ter Dampfer, der sich aus seiner Jungfernfahrt von Genua nach den Vereinigten Staaten befindet, erlitt, etwa 1300 Kilometer von Newhork ent fernt, infolge eines Maschinendefektes eine Beschädigung des Schiffsrumpfes, die sofort beseitigt werden mußte, wenn die Weiterfahrt gesichert werden sollte. Tie Aufgabe war sehr schwierig und gefährlich, da sich das Loch au der Schiffsseite gerade unterhalb der Wasserlinie befand und ein schwerer Seegang gewaltige Wogen gegen den Dampfer warf. Ter Kapitän konnte niemanden zu dieser Arbeit beordern, die die höchsten Anforderungen an Mut und Kaltblütigkeit stellte; er rief daher Freiwillige aus, und es meldete sich ein Mann namens Amatruda, der wußte, daß der Kapitän selbst sich zu dem Werk entschließen würde, wenn sich kein anderer fände. «Sie dürfen nicht gehen, Kapitän, sagte er. „Ich werde es schon machen." Tann wurde er bei beständig drohender Lebensgefahr an einem über LO Meter langen Seil an der Schiffswand herunter gelassen und schwebte nun über den sich hochauftürmenden Wogen des Atlantischen Ozcans, dis ihn oft vollständig überfluteten, während er arbeitete. Tie Scheinwerfer des Schisses wurden nach der Stelle gerichtet, und 3 Stunden lang arbeitete der Mann in dieser furchtbaren Lage an der Ausbesserung deS Lecks, während die Passagiere vom Teck aus zuschauten und die Geschicklichkeit des kühnen Matrosen bewunderten. Amatruda selbst schien unberührt von der Gefahr, in der er schwebte; er arbeitete mit der größten Ruhe und Sicherheit, und als er seine Aufgabe vollendet hatte und wieder hinaufgezogen worden war, sagte er-Mit liebenswürdigem Lächeln zu dem Kapitän: „Wenn -sie noch mehr Löcher zuzustopsen haben, dann will ich gern wieder heruntergehen." Gegen Ende des aufregenden Zwischenfalles strömte Wasser in den Elek- trizitätsranm des Schiffes und mußte herausgepumpt werden. Infolgedessen versagten die Dynamomaschinen, und das Schiff lag in tiefer Dunkelheit. Die Reisenden mußten ihr Abendessen bei Kerzenlicht einnehmen. Wie im Roman. Wenn in einem Roman die dem Hungertod« nahe Heldin gerade in dem Augenblick, wo sie sich voller Verzweiflung das Leben nehmen will, die Mitteilung von einer großen Erbschaft bekommt, die sie aller Sorgen enthebt, dann pflegt man kopfschüttelnd zu sagen: so etwas passiert leider nur in Romanen. Daß eine derartige Hüse im letzten Augenblick auch im Leben Vorkommen kann, erfuhr zu seinem Glück ein Kaufmann in Prag, Eesky Tesin, so heißt dieser Kaufmann, war der artig tief in Schulden geraten, daß seine Waren und sein sonstiges Eigentum versteigert werden mußten. Tie Auk tion hatte gerade begonnen, als Tesin ein Telegramm tion hatte gerade begonnen, als Tesin ein Telegramm er hielt, in dem ihm mitgeteilt wurde, er habe in einer Staatslvtterie weit über 50000 Mart gewonnen. 2 2 Babys in 25 Jahren. Katsu Miyano, eine 41 jährige Ehefrau in Toyochar bei Tokio, hat «inen Rekord ausgestellt, der nicht so leicht zu überbieten sein bürste. Frau Miyano hat im Laufe von 25 Jahren nicht weniger als 22 Mindern das Leben geschenkt, darunter befanden sich sechs Zwillingspaare. Gefährlich ist's, den Kriminalbeamten zu bestehlen. Ein Konsortium von Taschendieben, daS auS einem Engländer, einem Franzosen und einem Griechen bestand und das sich schon einer gewissen internationalen „Berühmtheit" erfreute, wurde in Berlin infolge eines besonderen Pechfalles für die Dieb« dingfest gemacht. Di« drei waren erst vor wenigen Tagen von einem erfolg reichen Gastspiel aus Brüssel nach Berlin gekommen und hatten nun versucht, in der Garderobe eines Berliner Barietös zu „arbeiten". Als die Vorstellung vorüber war und das Publikum zu den Garderoben eilte, suchten sich die Taschendiebe einen besonders gut angezogensn Herrn aus, der eben seinen Mantel in Empfang genommen hatte. Einer der Diebe rempelte den Mann an, «in anderer gesti kulierte heftig mit den Händen vor den Augen des Opfers herum, während der dritte sich bemühte, die so entstan dene Verwirrung zum Diebstahl der Taschenuhr auszu nutzen. Tas Pech der Diebe war, daß das von ihnen er spähte Opfer ausgerechnet det Leiter der Taschendiebstahls- Streife der Berliner Kriminalpolizei war. Ter Beamte lieh die Taschendiebe erst soweit arbeiten, daß sie ein wandfrei überführt werden konnten, und griff dann mit anderen Beamten rechtzeitig zu. Raub überfall auf ein Rathaus. In der Nacht zum Dienstag kam eS zu einem Feuergefecht zwi schen Einbrechern und Polizeibsainten in dem bei Berlin gelegenen Orts Teupitz. Einige Banditen hatten den Ver such unternommen, in das Rathaus des Ortes einzu dringen, wobei sie insbesondere den Tresor der Stadt kasse ausrauben wollten. Sie wurden von Polizeibeamten überrascht, und es kam zu einem Kugelwechsel, bei dem ein Poiizei-Hauptwachtmeister nicht unerheblich verletzt wurde. Die sofortige Verfolgung der Täter mit einem größeren Beamtenaufgebot wurde dadurch unmöglich ge macht, oaß der Ort Teupitz nachts keinen Telephonverkehr trat. Tie Einbrecher wären mit einem Sportwagen ge flüchtet und haben sich vermutlich nach Berlin gewandt. Tie Berliner Kriminalpolizei konnte erst am Dienstag vormittag Beamte an den Tatort entsenden. Im Kassen raum des Rathauses wurde das Eiubruchswerkzeug vor gefunden, das in modernster Ausfertigung von den Ban diten zum Gebrauch bereitgelegt worden war. Tie Ein brecher hatten den Geldschrank der Stadtkasse schon halb aufgetnabbert, als sie durch die nächtliche Polizeipatrouille ertappt wurden. Nachträglich wurde bekannt, daß auch beim völligen Gelingen dieses Raubübersalls auf den Tresor der Gemeinde Teupitz den Einbrechern lein Pfennig in die Hände gefallen wäre. Deutsche übe raueren den Atlantik im Segel tut ter. In San Lols de Maranhao in Nord- orasilicn ist nach eurer Meldung Berliner Blätter auS Rio de Janeiro der L>egeltutter Hummel mit den Deut schen Louis, Heilmann und Eberhard an Bord nach der Uebcrquerung des Atlantik eingelaufen. Der 9Vr Meter lange Kutter hatte auf der Nebcrfahrt von Freetown in Westafrika schwere stürme zu bestehen. Starke Schneefälle in de »Dolomiten. — Regen in Oberitalien. In den Dolomiten sind heftige Schneefälle zu verzeichnen. Tie Schneedecke ist stellenweise bereits einen Meter hoch. Tis Temperaturen gesunken. In einigen Hochgebirgen zählt man 9 bis 14 Grad unter Null. — In Oberitalien regnet «S seit 70 Stunden ununterbrochen. Der Betriebsingenieur packte das zitternde Mädchen am Handgelenk: „Du kommst jetzt in den Hausflur, Mädel, und erzählst mir genau, was da vorgefallen ist. Du hast dem Norfveger eine Ohrfeige gegeben — warum?" „Weil er frech gegen mich wurde, Herr Moellerl Ich konnte mir nicht anders helfen — wie ich seine Hände auf meinem Halse fühlte — es schüttelte mich vor Ekel — da hab' ich halt zugeschlagen!" „So ein Hund!" sagte Moeller zwischen den zusammen gebissenen Zähnen. „Wenn man könnte, wie man wollte, Herrgott, Mädel, dem möcht' man noch mal ein paar 'runterhauen, aber mit d er Handschuhnummer." Und er sah ingrimmig auf seine großen, starken Hände. „Ach, Herr Moeller", sagte Erika müde, „was nützt unS jetzt das alles — wir müssen eben stillhalten. Wenn man ein armes Mädel ist, darf man es sich nicht leisten, gegen die Launen des Herrn sich zu empören; da heißt es eben: Friß Vogel oder stirb." „Du müßt nicht ungerecht sein, Neine Erika!" tadelte Moeller. „Du weißt ganz genau, wie wir's bei dem alten Herrn hatten, und Kurt — denkst du nicht, daß er einmal ein sehr gerechter, ein sehr guter Arbeitgeber für seine Angestellten sein wird?" „Kurt!" Ein leises Rot kam in die blassen, verhärmten Wangen des Mädchens — uno dann schwieg sie. Aber Moeller hatte verstanden. „Was meinst du, Erika, ob ich Kurt einmal einen Brief schreibe und ihm berichte, was sich hier auf dem Bremerwerk so alles begibt?" „Um Gottes willen, tun Sie das nicht, Herr Moeller!" flehte Erika. „Jedenfalls erwähnen Sie nichts von der Sache zwischen Herrn Jvarsen und mir — was soll denn Kurt tun? Solange er noch nicht volljährig ist, haben ja die anderen alle Macht, und ich habe solche Angst vor Jvarsen — ich habe solche Angst, daß man hier was gegen Kurt tut!" „Du stehst schon Gespenster, Mädel!" meinte Moeller und gab seiner Stimme einen unmutigen Klang, denn er wollte nicht zeigen, daß die Worte Erikas eine unbestimmte Angst in ihm verstärkt hattest, die er schon lange in sich trug. Seitdem dieser Jvarsen seine Hände in dem Fabri kationsbetriebe hatte, schien das Bremerwerk vom Pech verfolgt zu sein. Es klappte nirgends: nicht mit Liefe rungen, nicht mit der Hereinholung neuer Aufträge. Die anderen Werke, das konnte er ja aus den Veröffent lichungen der Fachblätter sehen, holten viel mehr Auf* träge herein — die Konkurrenz bekam die Ueberhand Neunzehntes Kapitel. Erika ging erst zögernd, dann schneller durch den Werkshof, bog in den kleinen Weg ein, der in die An lagen führte. Vielleicht war es unrecht, daß sie fort gelaufen war, den Vater allein gelassen hatte; aber Herr Moeller hatte so energisch darauf bestanden, daß sie nicht zu wioersprechen gewagt hatte. Und nun sie im Freien weilte, war es ihr auch, als würde ihr geängstigtes Herz stiller. Die Natur nahm sie auf in ihr reines, stilles Reich. Der Wintertag lag mit blauem und reinem Glanz über der Landschaft, die weißen Schneefelder diesseits und jenseits des Flusses dehnten sich in reiner Klarheit aus — der Fluß schlief unter der Eisdecke, und die Tannen am Wege standen weiß beladen unter der weichen, weißen Last. Die kahlen Zweige der Birken dicht am Ufer zeichneten sich wie Filigranwerk gegen den klaren Wtnterhimmel ab, vo. dem eine kühle Sonne herniederfchien — alles war so frisch, so rein und so entrückt aller Wirrnis des Menschenlebens. Unwillkürlich schritt Erika straffer aus; der Schnee, hart gefroren, knirschte unter ihren Füßen, die ruhige Kälte stieg ihr prickelnd in die Wange »; sie fühlte, wie das Blut lebhafter pulsierte, wie die Schwere und Ver zagtheit von ihr wichen. Sie war so tief von Kindheit an mit der Natur verbunden, daß die ihr immer Trost und Ruhe spendete. So auch heute. Bald fühlte sie nichts mehr von der Not und dem Kummet vorhin, sie fühlte nur die Lust, die Stille, die reine Schönheit der Gottesnatur und die federnde Kraft ihres jungen Körpers, wie st« allein durch die Winterlandschnst schritt.
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