Delete Search...
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.09.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-09-17
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190909178
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19090917
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19090917
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1909
- Monat1909-09
- Tag1909-09-17
- Monat1909-09
- Jahr1909
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
DezugS.Prei» Ur Lei»,«, und v«»rr, durch «s«« Lrtger und SvedUeure in« Hau« »«bracht, vv H ni»»a1l„ >.70 ntertrljLhrt. 8«t untrrnAillalenu. Annahmeftellknadaehaltr 7» H inonatl.. L.NL vtrrtetitbri. Durch die Dost: innerhalb Druilchlanb« und der deutschen Nolonie» vierteljLhrl. tt.Id ninnatl. aullchl. Postdestellqkld. Ferner tu Belgien, Dänemark, den Lonauftaate», Italien, Luiembura, Nieder land«, Nar- weaen, Oesterreich. Ungarn, «nstland, Schweben, Scknvri, n. Spanien. I» alleu üdrrgen Staaten »ar direkt durch dt» BelchLitlstelle del Blatte« erhLltlich. Da» Leipziger Dageblatt erscheint whchent- llch 7 mal und zwar morgen« «bonneineat-chnnahme, >ugust»«plaH 8, bei unseren Träger», Ailialen. Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Bnes träger». Dt» »tnzelne Nummer kostet Ist «rdaktlon und «eschLN-stellt, JohanniSgasse 8. Fernsprecher: bl«92. 14«». 14694. Nr. 258. MWgrr.TagMM Handelszeitung Ämtsvkntt des Nates nnd des Nolizeiamles der Stadt Leipzig. Anzeigen-PreiS 'ür Inserate »u« Leipzig und Umgebmtg di« «gespaltene Petit,eile 2b H, sinanrielle Anzeigen MH, Reklamen l von aulwärt« M H, Reklamen O20 vom Autlanb LOH, sinanz. Anzeigen 75H, Reklamen I..M Inserate». Behörden 'M amlltchcnDeillOH. Beilagegebübr b p. Tausend ex kl. Post gebühr. iSelchLit-anzeige» an bevorzugter Stell« im Preise erhöht. Rabatt nach Lari' Fefterleilt« Auiträg« kbnnen nicht zurück- gezogen werden. Für da« Erscheinen an cesumnlteii Tagen und PILgen wird keine ülarantie übernommen. Anzeigen-Annahme! Au,u»u«platz 8, bei sämtlichen Filialen n. allen Annoncen- iLxpeditionen de« In» und Auslande». Hauvt»Filiale Berlin: Lützowstraste IO. (Telephon VI. Nr. 4603). chaupt-Sillal« OreSden: Secstrabe 4,1 (Telephon 4621). Ist.'). Ial'MNsi. r^reita^ 17. September 1909. Da» Wichtigste. * Der Sozialdemokratische Parteitag stieß am Donnerstag seinen Beschluß über die Stellung zum Liberalis mus um und verwarf die antiliberalc Berliner Reso lution. Also ein neuer Sieg der Revisionisten. sS. Leitart. u- Ber.) * Wie uns ein Telegramm aus Friedrichshafen meldet, unterhandelt das preußische Kricgsministerinm mit der Zeppelinwerft wegen Ankaufs des „Z. HI" fürdasReich. sS. Dischs. R.) * Wie aus Frankfurt a. M. gemeldet wird, wird das Luft schiff „Z. HI" nunmehr andenKaisermanövern teilnehmen und vielleicht schon am heutigen Freitag in den Dienst der roten Partei treten. sS. Verm.j * Die „Wiener Zeitung" hat ein kaiserliches Patent ver- vffentlicht über die Einberufung der Landtage von Böhmen, Oberösterreich, Mähren und Kärnten auf den 21. September und des Landtages von Krain auf den 23. Sep tember. » Lord Tweedmonth, der durch seinen Briefwechsel mit Kaiser Wilhelm bekannt gewordene frühere Erste Lord der englischen Admiralität, ist in Dublin gestorben. sS. Ausl.) * Nach einer bei der Pforte eingelaufenen Meldung ist der Kurdenaufstand durch Ibrahim Pascha endgültig niedergeworfen worden. (S. Ausl.) Die Revisionisten auf -ein Marsch. Leipzig sollte, wenn es nach gewissen Leuten gegangen wäre, nach den KautSky. Stadthagen, Rosa Luxemburg usw., ein zweites Dresden weiden. Aber eS ist anders gelommen, und das wesentliche hieran ist, daß die Milderung der böotischen Sitten von den allerhöchsten Genossen selbst in die Wege geleitet wurde. Man braucht hierbei nicht gleich an innere Einkehr und Wandlung der rauhen Genossen psyche zu denken. Vielmehr war tatsächlich die Situation für die Parteiführer der radikalen Schule derartig ungünstig, daß sie schon, um sich nicht selbst zu desavouieren, den Revisionisten Konzessionen machen mußten. Schon Bassermann hat ans dem Berliner Parteitag der Nationalliberalen auf die Erscheinung hingewiesen, die Wohl zum ersten Male im Deutschen Reiche zu beobachten war, daß die Sozial demokratie in einer Front mit der gesamten Linken dem Reich eine Steuer zu bewilligen bereit war, indem sie bei der zweiten Lesung der Erbschafts steuer ter Vorlage zustimmte. Nun weiß man ja, daß dieses nicht aus Liebe zum Reich geschehen war, aber immerhin bleibt die Tatsache bemerkenswert und brachte die Fraktion praktisch auf ein revisionistisches Gleis. Es ergab sich nun auf dem Leipziger Parteitag die scherzhafte Konstellation, daß die ihrer Natur nach radikalen Parteibäupter, an der Spitze Singer, die Haltung der Fraktion gegen die Radikalen verteidigen mußten, wobei sie ihre Stütze bei den Revisionisten fanden. Nun wurde zwar viel mit „Wenn* und „Falls* und „Aber" operiert, wodurch die revisionistischen radikalen Steuerbewilliger um die letzten Kon sequenzen ihres Tuns herumzukommen hofften. Man legte den Schwerpunkt darauf, daß die Bewilligung der Steuer in zweiter Lesung und nicht in der, nämlich gar nicht vorgenommenen, definitiven dritten Lesung erfolgt sei. Es ergab sich ein amüsantes Gewirr von Ausreden, das bezeichnenderweise sogar der Vorsitzende Singer, an scheinend nicht ungern, noch mehr verwirrte, bis Bebel, als Revisionist verkappt, einsprang und erklärte, er würde es für unrichtig gehalten haben, wenn die Fraktion in dritter Lesung gegen die Vorlage gestimmt hätte. Damit war der Sieg des Revisionismus entschieden und die Stimmung der großen Menge gab allmählich dem Genossen recht, der die Debatte mit der Streitfrage verglich, ob der Hund den Hasen gefangen hätte, wenn usw. Man wird gut tun, ans den Besonderheiten dieses Falls leine zu generellen Schlüsse zu ziehen, denn, wie gesagt, befanden sich gerade die radikalen Führer in einer gewissen Zwangslage, die eS noch nickt sicher macht, daß in ähnlichen Fällen ähnlich entschieden wird. Man könnte sogar denken, daß die Obergenossen eine Lehre ganz anderer Alt aus der Situation ziehen, nämlich die, sich auf keinen Fall wieder auf das revisionistische Glatteis zu begeben, um nicht selbst zu Fall zu kommen. Aber die Revisionisten siegten nicht nur in dieser Frage, sondern noch in zwei anderen, reichlich ebenso wichtigen. Zunächst war es schon symptomatisch, daß die Angelegenheit der Württember Hofgänger ohne jede Diskussion glatt durch eine gar nicht blamable Erklärung der Sünder aus der Welt geschafft wurde. Man hatte also keine Lust, das erwartete Scherbengericht abzuhalten, und begnügte sich mit der Ver sicherung der nach wie vor antimonarchischen Gesinnung der Württem berger. Billiger konnten wirklich die Hofgänger nicht wegkommen, und Paul Singer gab dieser „kameradschaftlichen Erledigung" ausdrücklich seinen Segen. Eine besondere Aufmerksamkeit verdient das Schicksal der Resolution Berlin I, die man Wohl als antiliberale Scharsmacherresolution be zeichnen kann. In ihr wurde die Zumutung, mit den Liberalen irgendwie und wo zusammenzugehen, als blutige Verhöhnung der Partei hingestellt. Diese Resolution, die naturgemäß geeignet war, Revisionisten und Radikale aufs schärfste an- einanvergeraten zu lasten, erhielt die Zustimmung des Parteitags am Mittwochvormittag, in einer Periode ziemlicher Abspannung. Sie wurde ohne Debatte, sozusagen au« Versehen und ohne daß jemand auf die Bedeutung der Sache auch nur aufmerksam gemacht bätte, angenonimen. Erst nachträglich kam den Genossen zum Bewußt sein, daß hier der Radikalismus eine seiner wichtigsten For derungen vurchgedrückt hatte. Und nun geschah daS Unglaubliche, daß die Revisionisten am Donnerstag zum Angriff übergingen und eine nochmalige Abstimmung über den Antrag erzwangen. Und in dieser Abstimmung wurde der Antrag Berlin I gegen eine kleine Minder heit verworfen. Das ist wohl das hervorragendste Ereignis in diesem Kampfe zwischen Revisionismus und Radikalismus, denn in der Stellung zu diesem Anträge verkörpert sich ja praktisch das Wesen der beiden sozialdemokratischen Richtungen. Soll man nämlich die Möglichkeit eines Zusammengehens mit einer bürgerlichen Partei grundsätzlich ausschließen oder wenigstens offenhalten? Und daß dieser Antrag der Radikalen in dem radikalen Leipzig gefallen ist, will uns tatsächlich als ein Markstein in der Geschichte der Sozialdemokratie erscheinen. Wir glauben durchaus nicht, daß nun etwa der sagenhafte Bleck von Bebel bis Bassermann in greifbare Nähe gerückt sei, sondern halten die Verwirklichung dieser Naumann-Idee nach wir vor für sehr unwahrscheinlich. Aber für ähnliche Situationen, wie sie sich bei der Zustimmung zur Erbschaftssteuer ergaben, sowie für Wahlhilsen ist der Weg frei. Der Parteitag hat nachträglich noch betonen zu müssen ge glaubt, daß an seiner grundsätzlichen Stellung zu den bürgerlichen Parteien nichts geändert werden solle. Aber das kann die Bedeutung des Vorganges nicht wesentlich beeinträchtigen. Sollte nicht doch das Ausscheiden des Bebelschen Einflusses von erheblicher Wirkung auf diese Revisionistensiege gewesen sein? Freilich hat ja Bebel selbst die Haltung der Fraktion nachträglich ge billigt. Aber wieviel dabei auf taktische Erwägungen und wie viel auf Neigung zu rechnen ist, läßt sich schwer sagen. Und es ist auf alle Fälle auffallend, daß die Veränderung in der Taktik der Partei von dem Zeitpunkt datiert, da Bebel den Forderungen des Alters tributär geworden ist. Offenbar sind die Führer seiner Schule doch zu wenig Fanatiker, um die Revisionisten metzelei aus Passion zu betreiben. Natürlich ist nun noch durchaus nicht die seelische Harmonie zwischen den feindlichen Brüdern durchweg hergestellt, wie eS denn überhaupt unmöglich scheint, daß Leute wie der spaßhafte bramarbasierende Ledebour und der ethisch-ästhetische EiSner je zusammenkommen. Irgendeine Partei in der Partei wird sich immer vergewaltigt sühlen. Bisher waren das stets di- Revisionisten, unv Heuer sind es die Radikalen. Der bisherige Verlauf der Verhand lungen scheint unö aber aussichtsvoll sür eine langsame Milderung der traditionellen sozialdemokratischen Rauheit, und man kann sagen, was man will, im Zylinder läßt sich schlechter Revolution macken als in der Mütze. Atrreg rin Frieden zwischen Angst nnd Odenwald. (Von unserem militärischen Sonderberichterstatter.) IH. Taubcrbischofshcim, 15. September. Troß manches Soldatenstoßgebctes hat der Himmel mit dieser Kaisermanövcrwoche noch immer kein Einsehen gehabt. Gestern abend sah es vorübergehend wirklich aus, als ob die postalisch« Wettervoraus sage, die auf „heiter und trocken" lautete, eine Berechtigung haben würde, denn auch das Barometer stand hartnäckig aus „Schön Wetter". Als aber um 3 Uhr morgens die bayerischen Regimenter des 1. Korps begannen, durch die Stadt Mergentheim zu ziehen, da war der gestrige Landregen zu einem wahren Wolkenbruch ausgeartet, und selbst die prächtigen Allgäuer des Regiments 26 unter Oberst v. Lachemaier, des Leibregiments des Prinzen Rupprecht, Marschierer, wie sie die Welt nicht besser gesehen hat, begannen ein wenig den Humor zu verlieren. Bis zum Waffenrock hinauf sah Mann für Mann so bespritzt und kotig aus, daß man die hellblaue Farbe unter der graubraunen Schmutzschicht nicht mehr zu erkennen vermochte. Auch die Pferde wiesen starke Spuren der durch des Wetters Unbilden gesteigerten Strapazen auf. An einzelnen Biwakplätzen hatte die Artillerie die allergrößte Mühe gehabt, die Ge schütze von der Straße herunter aus die lehmigen Stoppelfelder und Wiesenstückc zu bringen, und es bedurfte der ganzen Fahrkunst der Vor- und Stangcnreiter, die geforderte Leistung aus ihren Gäulen herauszu holen. In einer 20 Kilometer langen Kolonne war gestern das 1. bayerische Korps in rund 4 Stunden an dem obersten Kriegsherrn vorübergezogcn, der mit einem großen und, wie der Monarch selbst, von d«r musterhaften Haltung der Truppen entzückten Gefolge bei Dörtel diese kriegsmäßige Heerschau abgehalten hatte. Beinahe in jede Kompanie und Batterie hatte der Kaiser sein Guten Morgen, Kameraden! hineingerufen, und frisch und kräftig hatten die prächtigen Bataillone aus München, Augs burg, Ulm, Neuhut, Passau, Landshut, Freising und aus der Seegegend den kaiserlichen Gruß erwidert. Kaiser Wilhelm trug die Uniform seines Amberger Infanterieregiments mit braunen Lcdergamaschen, und war, Wohl beeinflußt von dem schönen militärischen Bilde dieser vorzüg lich feldtüchtigen Truppe, in glänzendster Stimmung, die sich in aller hand kleinen und von einer großen, auch zivilen Korona kräftig belachten Scherzen, u. a. mit besonders übereifrigen Meldereitern und Motor- radfahrcrn zeigte, die der Armeewitz mit dem schönen Namen „Chaussee floh" belegt hat. Durch den Anmarsch der Bayern auf und über Mergentheim hinaus und den Rechtsmarsch der Württemberger von Schönthal über Schwab hausen und Krautheim in die Boxbcrger Gegend hatte nunmehr General oberst v. Bock im Tauber- und Umpfertale vier Infanterie- und zwei Kavallcrie-Divisionen massiert, mit denen er cs wvhl wagen konnte, einen entscheidenden Schlag gegen die drei roten Divisionen (4., 5. und 6. bayrische) zu führen und zu versuchen, einen Erfolg zu erringen, ehe von Michelstadt und Höchst her das 15. Korps, von Klingcnberg die 39. Division sMndra) heran war. Die verhältnismäßige Untätigkeit, die gestern von dem blauen Kavallcriekorps bemerkt worden war, er klärt sich daraus, daß General v. Kleist den Auftrag hatte, den Flanken marsch des 13. Armeekorps, nördlich und nordwestlich, zu decken, und des halb naturgemäß nicht besonders offensiv werden konnte, zumal auch die rote Heereskavallerie unter dem Württemberger Freiherrn v. Starkloff sich auf Abwehr- und Sicherungsmaßregeln zu beschränken schien. „Groß H", der gestern beinahe totgcsagte Lenkballon, war von den Auf klärern noch der am meisten aktive gewesen und hatte, im vielfach durch die Wolken gedeckten Fluge, seine Rekognoszierung bis weit in den Roten Staat und an den Main hinan ausgedehnt. Für den auf der Ostflanke von Rot beabsichtigten Angriff hatte Generaloberst v. Bock, der blaue Oberkommandierende, folgendermaßen disponiert: Das 1. bayrische Korps sollte um 9 Uhr morgens auf bas rechte Taübcrufcr übergehen und gegen den feindlichen linken Flügel — di: 5. bayrische Division — zum Angriff schreiten. Das 13. sKöniglich Württcmbergischc) Korps wurde um 7 Uhr 30 Min. vormittags gegen die Linie Lauda—Heckfeld angesetzt, die 26. Jnsanterie-Division voran, die 27. links gestaffelt dahinter. Das Kavalleriekorps ging um 5 Uhr gegen Altheim vor und sollte gegen den rechten roten Flügel in die Ent scheidung cingreisen. Das Armce-Oberkommanvo wird von Künzelsau nach Mergentheim verlegt. Rot beabsichtigte, den blauen Angriff erst hinter unv nördlich der Linie Hardheim-Tauberbischofsheim anzunebmcn, um Zeit für das Herankommen der noch marschierenden drei badischen Divisionen zu ge winnen, deren Austritt aus dem Odenwald von der auf Eberstadt zurück genommenen roten Kavalleriedivision zu sichern ist. Prinz Leopold mit dem Oberkommando will in Amorbach Quartier nehmen. Die Entwicklung des sich auf Grund dieser blauen unv roten Maß nahmen bei Tauberbischofsheim einfädelndcn ersten größeren Zusammen- stoßes geschah in kriegsmäßigster Langsamkeit. Auf den Höhen, die das Tauberstädtchen östlich überragen, fing gegen 1410 Uhr das 19. bayrische Infanterieregiment unter Oberst o. Heydenaber an, Schützengräben aus- zuwcrfen, und auch westlich der Stadt wurde gegen den aus Süden und der Richtung von Mergentheim erwarteten blauen Angriff geschanzt. Ein Teil der Artillerie der 5. Division (Freiherr v. Horn) ging, eben falls durch Erdaufwürfe besonders gedeckt, nördlich von Tauberoischofs- hcim an der Straße nach Külsheim, in Stellung. Im Taubergrund, zum Teil in der Stadt selbst, standen, gegen jede Einsicht vorzüglich ver borgen, die zahlreichen und starken Reserven. Die Straubinger (7.) Chevaulegers hatten um diese sehr konzentrierte, aber doch gegen Ein sicht gut geschützte Defensivposition nach allen Seiten einen dichten Schleier gezogen, und Jnfanteriepatrouillen ließen sich angelcgentlichst die Nahaufklärungen obliegen sein. Doch Stunde auf Stunde verrann, und von dem blauen Feinde waren höchstens vereinzelte Reiter und später der hoch in den Wolken schwebende „Groß"-Ballon zu sehen. Tas 1. bayrische Armeekorps, das frühzeitig doch aus seinen Alarmquartieren um Mergentheim und südlich der Stadt aufgebrochen war, und eigentlich nur einen 15- bis 18-Kilo- meter-Marsch bis zu diesem roten Aufbau gehabt hätte, blieb aus und schien wie von der Erde verschluckt. Wer überhaupt meint, daß solch modernes Armeekorps wie auf dem Präsentierteller sich als schöne Augenweide für den Manöverbummler bereit halte, der wird in diesem coupirten Gelände eines andern belehrt worden sein. Man kann manche 15-Liter-Kanne Benzin mit dem Auto mobil verfahren, ehe auch nur eine marschierende Division von den drei zehn, die sich im Manövertcrrain bewegen, einmal angctroffen wird. Noch um 2 Uhr batten die paar einzigen abgefeucrtcn Kanonen schüsse der roten Artillerie nur „Groß II" gegolten, der wie ein satter Haifisch in den durchsichtigen Gewässern der Tropen einige 100 Meter hoch im immer noch grauen und regenschweren Aether schwebte. Auf einer Suche nach dem 13. Armeekorps, das bei Hcckseld vermutet war, aber westlich ausgebogen zu sein schien, begegnete um 11 Uhr unser Kraft- wagen dem kaiserlichen Auto, in dem der Monarch, wiederum in Bayern uniform, mit dem österreichischen Thronfolger saß, der den Ueberrock und die Tschapka seiner St. Avolder 14. hannoverschen Ulanen trug. Auf der Höhe bei Tauberbischossheim, wo das 19. lErlanger) Regiment sich cingcgrabcn batte, ging dann später auch der Manövcrballon hoch, und eine wahre Wagenburg der bekannten gelbgctönten Automobile des Marstallamtcs bezeichneten den kaiserlichen Standort für den Rest der Nachmittagsstunden, ohne daß jedoch, trotz aller hoher Zuschauerschast, vorläufig auch nur die geringste Indikation für einen dereinst so prompt und vrächtig veranstalteten Manövertürken zu spüren gewesen wäre. Fast ^4 Uhr nachmittags war es schließlich geworden, bis die Spitzen der Schützcnschwärme des 1. bayrischen Korps über dem Lorenz-Kapellenberge und an der Straße von Großrinderfeld sichtbar wurden, und das 7. Artillerieregiment „Prinzregcnt Luitpold" begann mit Feldhaubitzcn Tauberbischofsheim und die umliegenden Höhen unter ein starkes Feuer zu nehmen. Von Grünsfeldhauscn her griff das Feld- artillerieregiment „König" und die 9. Feldartillerie, von Paimar das 7. Regiment ein. Die 1. Jäger und das Infanterieregiment „Kron- Prinz" mit der 16. Infanterie in der Reserve nahmen nach etwa ein- stündigem, durch Masthinengewehre gut unterstütztem Kampfe die Kaiser- höhe östlich der Stadt und stießen alsbald so energisch nach Westen durch, daß einige Kolonnen und eine rote Batterie kurz vor dem Passieren der Tauberbrücke genommen werden konnten. Ter Kaffer, der diese schöne Gefechtsphase angesehen und später im Automobil begleitet batte, fuhr gegen ^.5 Uhr nach Westen in der Richtung der roten Rückzugslinie, weiter. "Und von Stammberg, vom linken Taubcrufer, schallte dem Drei klang der kaiserlichen Hupe das Hnrra der blauen Sieger nach. * * * Die Lage am Mittwochabend. (Spezialdrahtbericht.) VV. Hardheim, 16. September. (Telegramm.) Die Lage war gestern abend folgende: Blau hatte eine Stellung in der Linie Tauberbischofsheim, bayrisches 1. Korps, Gissigheim, 13. Korps, Altheim, Kavalleriekorps, mit der Front gegen Nordwcst, inne. R o t stand mit der Front gegen Südost in der Linie Eisersheim, das bayrische 3. Korps Hardheim—Waldhütte, das 20. Korps, d. h. die bayrische 4. und 39. Division Walldürn, die Kavallerie division in der Verlängerung dieser Linie. Noch weit entfernt bei Mudau stand das rote 14. Korps, nämlich die 28. und 29. Division. Blau setzte heute mit Tagesanbruch den Angriff fort, mit beson derem Nachdruck auf seinem rechten Flügel, den es durch das Kavallerie korps verstärkte. Rot ging mit dem 3. und 20. Korps zunächst in west- licher Richtung zurück, während das 14. Korps auf Altheim marschierte. Auf dem östlichen Flügel von Not, fünfte Division, wurden 2 Bataillone des 14. Regiments außer Gefecht gesetzt, so daß, da die 5. Division schon gestern eine Brigade verloren batte, die 5. Division nur noch aus einem Regiment besteht. Bei der 6. Division (rot) wurde die ganze 12. Brigade außer Gefecht gesetzt, dabei das bayrische Infanterieregiment „Kaiser Wilhelm, König von Preußen", so daß die 6. Division nur noch eine Brigade hat. Das Wetter ist gut. Ter Kaiser begleitete den An griff von Blau. Sämtliche fürstlichen Manövergästc und fremden Offiziere befanden sich im Gelände. Der Kaiser ist noch bei Dunkelheit von Mergentheim ausgebrochen. Auf dem ganzen östlichen Flügel und im Zentrum der Parteien kam es zu Infanterie- und Artilleriegefechten. Ter Kanonendonner hallte von den Bergen wieder. Deutsches Reich. Leipzig, 17. September. * Der Wahlverein Fcstbesoldrter bittet uns um Aufnahme folgender Zeilen: „Der Konservative Verein zu Leipzig veröffentlicht in Nummer 255 der „Leipziger Neueste Nachrichten" eine Erklärung, in der behauptet wird, in dem jüngst verbreiteten Flugblatte des Wahl vereins der Festbcsoldeten sei die Rückäußerung des Konservativen Vcr- eins zu Leipzig zu den Laudtagsforderungcn der Fcstbesoldetcn in der gewählten Form nicht den Tatsachen entsprechend wicdcrgegcben worden. Zu dieser Erklärung sei nachstehendes bemerkt: In dem vorerwähnten Flugblatte ist wörtlich zu lesen:. „Der Vorstand des Konservativen Vcr. eins hat sich dahin geäußert, daß er nicht in der Lage sei, bindende Er klärungen abgcbcn zu können." Diesen Satz halten wir in vollem Um- fange aufrecht. In dem am 25. März 1909 an den Wablverein gerich- tcten Schreiben des Konservativen Vereins sühne der Vorsitzende au?, daß sich nur eine Anzahl der Wünsche der Fcstbesoldetcn mit konser vativen Prinzipien und Bestrebungen vereinbaren ließen und daß sich
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- Thumbnail Preview
First Page
Back 10 Pages
Previous Page