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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 01.05.1924
- Erscheinungsdatum
- 1924-05-01
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-192405015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19240501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19240501
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1924
- Monat1924-05
- Tag1924-05-01
- Monat1924-05
- Jahr1924
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Maifeier« Berk». 30. April. (Lia. Tel.) Die Kommu- nisten bereiten für morgen, trat» de« Derbstes durch den Reichsinnenminister, am I. Mat Umzüge zu veranstalten, «roste Strastendcmonstra. tionen vor. In Flugblättern der sogenannten revolutionären Betriebsräte werden 21 Treffpunlte ungegeben, von denen aus der Marsch nach dem Innern der Stadt zum Lustgarten anaetreten werden soll. Weiter wird dazu aufgefordert. die sozial» demokratischen Versammlungen, dt« in geschlossenen Räumen zur Feier des 1. Mai abgebal» ten werden sollen, zu sprengen und die Teil nehmer zu veranlassen, sich an den Demonstrations umzügen zu beteiligen. Der .Vorwärts" richtet an die Sozialdemokraten nochmal» die Aufforderung, sich nicht durch kommunistische Provokateure ver- festen zu lassen. Die Berliner Polizei hat alle Maß- nahmen getroffen, um allen Versuchen der Kommu nisten, die Ordnung zu stören, mit Lustcrster Streng« gegenüberzutreten. Die Schuhpolizei wird den ganzen Tag über in höchster Alarmbereit schaft gehalten werden-, sie hat die Anweisung be kommen, gegen Demonstrationen mit allen verfüg baren Mitteln vorzugehen. Paris, 30. April. (Lig. Tel.) Die Blätter lasten vorausschen, daß der 1. M a i in Paris in ver hältnismäßiger Ruhe vor sich gehen wird. Poris wird am 1. Mai keine Butooroschken haben. Auch bei den Autoomnibussen und Straßenbahnen ist der Ausstand vorgesehen. Man hat einen Röt st a n d s d i e n st eingerichtet, nm in der Lag« zu sein, den größten Ansprüchen des Verkehrs zu gc- nügen.- Theatermaschinisten werden ebenfalls in den Ausstand treten. Auch im Baugewerbe sowie in den verschiedenen Aweigen der Metallindustrie wird wahrscheinlich der Ausstand vollkommen sein. Ein zelne Zeitungen werden nicht erscheinen. Die sozia- list schon Organisationen und (Gewerkschaften vctan- stalton in verschiedenen Orten Maifeiern. Ltmzüge zur Maifeier verboten Dresvcn, 30. Avril. iE i g. Te l.) Die Nach- richtenstelle der Staatskanzlei teilt mit: .Das „Leipziger Tageblatt" bringt einen Bericht ihres Dre«. ocncr nertrc.ers über eure Unterredung m.t dein Minister des Innern über seinen Erlast zur Feier de » 1. Ma i. Darin heißt es u. a., daß der Vertreter gefragt habe, .ob unter dem geschlossenen Anmarsch einzelner Gruppen zu den Versammlung»- orten ein Umzug im Sinne des Verbotes zu ver. stehen sei, und ob di« Polizei einen solcchn behindern würde?" Darauf haeb der Minister geantwortet: /.Keineswegs. Im Gegenteil, die Polizei wird ge- schlostcnen An- und Abmarsch nur begrüßen: denn in der Geschlossenheit ist eine bessere Gewähr für di« Aufrechterhaltung der Ordnung als in der Auflösung in kleinere Gruppen." Diese Nachricht ist ein Mistverstndnis d«s Herrn Vertreters. Der Herr Minister hat nicht von An marsch oder Abmarsch gesprochen, worunter man sich gemeinhin etwas Organisiertes und Demonstratives mvzustcllen pflegt. Organisierter An- und ^ßMvrsch ist nicht gestattet. Der Minister hat lediglich gesagt, da bei solchen großen Persamm- langen die Teilnehmer gewöhnlich bezirksweise vom und nach ihrem Viertel aufzubrechen pflegen, wäre cs besser, wenn dieser Anzug oder Abgang in einer gewissen Ordnung vor sich geh«, als wenn er in losen Gruppen erfolgen würde, di« leicht zu Verkehrsstörungen führen könnten. Alles, was an rinen Anmarsch erinnere, sei ausgeschlossen." * Wir können beim besten Willen keinen wesent- iicicn Unterschied »wischen dem feststellen, was der Minister nach unferm Bericht getagt hat, und dem, w is er seht fagt. Ob statt Anzug und Abgang An marsch und Abmarsch gesagt wird, ist wohl gleich gültig. Uebrigens haben wir kein Mißverständnis darüber aufkommen lassen, daß Umzüge mit Musik verboten sind. Die Führer der doutsch-Ssterveichischen Sozial» dcmolrati«, Dr. Otto Ba^:r und Dr. Karl Renner, der früher« Bundeskanzler, begeben sich nach Berlin, um am 1. und 2. Mai in einer An- zahl sozial demokratischer Wählerversanrmlungen Reden zu halten. Ministerpräsident Heldt über die Wahlaussicht«« F. Dresden, 30. April. (Lig. Tel.) Der sächsische Ministerpräsident Heldt empfing heu.e unseren Dresdener Vertreter, der ihm ein« Reih« Fragen unterbreitete, die der Minister wie folgt be antwortete: 1. Schließen Sie sich dem bekannten Ausruf der Reichsregierung an, in dem auf die Folgen eines Siege» der extremen Parteien hinge- wiesen wird," Antwort: .Jawohl, es ist selbstverständlich, daß Deutschland kein« außenpolitischen Erleichterun gen bekommt, wenn die extremen Parteien gestärkt werden. Ihr Sieg wäre der Schritmacher für Poin- carc. Die Folg« wäre ein« erneute Bedrückung, denn cs würde kein« Verständigung mit den Entente mächten zustandekomm«n. Das wüvd« erneuten Niedergang de» Wirtschaftsleben» bedeuten, so daß sicherlich mit cin«m gefährlichen Zu sammenbruch der Wirtschaft und der Währung zu rechnen wäre. Di« Folgen wären unübersehbar. Di« allgemein« Verschlechterung der wirtschaftlich«» Ber- hältniss« und erneut« Unsicherheit d«, Geldwesen» würden zu starker Verschärfung der sozia len und politischen Gegen saß « führen, besonders in Sachsen dadurch aufs äußerste zngcspitzt würden." 2. Erwarten Herr Minister von den Wahlen eine Gefahr für die Koalition in Sachsen?" Antwort: .Das ist schwer zu sagen. Meine persönlich« Meinung ist die, daß di« gegenwärtig,o Koalition in Sachsen, so uaerwünscht si, auch man ch?» Teilen des Volke« sein mag, auch nach den Wählen bleiben wird. Di« Koalition wird zu halten fein, wenn sich di« Deutsch« Volk»» Partei auf dem Boden der Mittelparteien hält und «stcht noch vuhto übergeht." General Geeckt in München München, 30. April, («ist. Lel.) General v. Teeett, der sich vtenstltch in München aufhält, machte in» Laufe veS gestrige» Tage» eine Reihe von Besuchen. Am Abenv fand in der Wohnung de» Landesrommandaute«, im DtenstgedLnd« des Wehrkreiskommando», ein Emp fang statt, zu dem auch der Minister - Präsident mit sämtliche« Minister», Vertreter de» diplomatische« Korps, unter ihne« Nuntius Paeelli und andere führende Männer, erschienen waren. Militärmusik spielte um Xlv Uhr abend- vor dem Sause der TchSnseldstrahe eine Serenade, vi« trotz de- regnerischen und stürmische» Wetters zahlreiche» Publi kum angeloikt hatte. Heute srüh fand auf einer Heide im Norden der Stadt eine Kelddienstübung der gesamten Mün chener Garnison unter Leitung des Ober sten von DittelSberger, de» Kom mandeur» de» Infanterieregiment» 19, statt. Streit im Berliner Baugewerbe Berlin, SO. April. (E i g. Te l.) Der Streik und die Aussperrung im Groß-Berliner Baugewerbe umfaßt gegenwärtig 20 000 Personen. Gestern ver suchte der Arbeitsminister di« Parteien vor den Ver handlungstisch zu bringen Dieser Versuch scheiterte jedoch, weil die Arbeitnehmer Verhandlungen über ein« Verlängerung der Arbeitszeit ablehnten. Nach Lage der Dinge ist mit einer langen Dauer der Aus sperrung und des Streiks zu rechnen. Gestern nachmittag ist die Turbinenfabrik in der ALG. zum größten Teil gesperrt worden, da die Kranarbeiter, Anbinder und Transportarbeiter wegen Lohnstreitigkeitcn in den Ausstand getreten sind und streiken. Ihre Zahl beläuft sich auf 2200 Mann. Im ganzen sind etwa noch 800 Mann im Betriebe. O Halberstadt, 20. April. Di« Arbeiter des städtt- schen Gaswerks haben gestern die Arbeit nieder gelegt. Die Arbeiter des Elektrizitätswerk» und der anderen städtischen Betriebe haben sich ihnen angeschlossen. In Wernigerode streiken di« Ge» meindearbeiter. In Aschersleben herrscht ein Teilstreik. Was -er Beamtenabbau einbringt Berlin, 2S. April. Line vom preußischen Finanz. Ministerium ausgearbeitete Zusammenstellung der Abbau- und E r sp a r n i s m a ß n ah m e n in Preußen, über die mit den Fachressort« bereit» Einverständnis erzielt ist und die schon durchgeführt oder in Vorbereitung sind, ist dem Staatsrat und dem preußischen Landtage zugegangen. Die Gesamtsumme der bei den einzelnen Ressorts zu erwartenden jährlichen Ersparnisse beläuft sich nach dieser Aufstellung auf 159 028 300, die der ein maligen Ersparnisse auf 11430 000 Goldmark. Aus dem Entwurf über die Verminderung der Zahl der Landtag»abg«ordn«ten wird eine Ersparnis von 700 000 und aus dem für die «Verminderung der Staatsratsmitgliederzahl 100 000 Mark errechnet, aus der Herabsetzung der Tagegelder der Staatsratsmitglieder 30 000 Mark. Bei der Strafrechtspflege wird die Ver ringerung der Besetzung der Oberlandesgerichtssenale mit 250 000 Mark und die Verkleinerung und Neu ordnung der Schwurgerichte sowie die Beschränkung der Berufung auf ein« Million Mark veranschlagt. Eine einmalige Ersparnis von 600 000 Mark wird errechnet aus den Notmaßnahmen bi» zum 31. März 1924. In der Zusammenstellung wird zum Schluß darauf verwiesen, daß auf Grund der einschlägigen gesetz- lichen Maßnahmen die in den Etat 1924 einzustellen, den Beträge für die Erwerbslosenfürsorge um 100 Millionen und für die Sozial- und Kleinrentnerfür- sorge um 6 600 000 Goldmark gegenüber der Vor schätzung herabgesetzt werden konnten. Alldeutsche Einigkeit Jena, 28. April. (Gig. Te l.) Der Gesamtvor- stand des Alldeutschen Verbände» nahm am Schluß seiner Jenaer Tagung eine Entschließung an, in der unter Berufung auf di« außenpolitisch« Gefahr und die innere Parteiz«rriss«nheit di« völ kisch« Diktatur gefordert wird. Diese Dikta tur sei notwendig, um mit der bisherigen Lr- süllungspolitik rücksichtslos zu brechen und di« deutsche Befreiung vorzuber«it«n. Man müsse von dieser Politik de» Dulden« und Nachgebens zur Staatskunst der Tat übergehen. Außerdem wurde eine Dertrauenrerklärrmg für den Vorsitzenden des Verband«, Iustizvat Llaß, abgegeben. Wenn man sich daran erinnert, daß Herr Elaß von den Völkischen der Hitlerfakultät als minderwertiger Verräter gestempelt wurde, daß der deutschvölkischc Herr Gräf« sich Hitler unter stellt hat, wahrend der ebenfalls deutschvölkische Herr Wulle wiederum mehr für Selbstiind'qekit ist, so ist nicht recht ersichtlich, wie von diesen Nation«- listen der inneren Zerrissenheit gesteuert werden soll. Verunglückt Dresden, 29. April. Am Sonnabend abend ver unglückt« ein Mitglied der französischen Kontroll kommission auf einer Motorradfahrt in der Nähe von Königsbrück. Er stieß mit einem Radfahrer zu sammen, wobei dieser einen schweren Beinbruch va- vontrug. Der Radfahrer wurde in di^ Klinik nach Klotzsche transportiert. Der französisch« Offizier namens Element wurde in da» Friedrichftädter Krankenhaus nach Dresden geschafft. Er hat schwer« innere Verletzungen und einen Bruch de« Nasenbein» davongetragen. Der Kommandierende General der Besatzungs truppen in Dortmund hat verfügt, daß aus An laß de» 1. Mai Kundgebungen im Freien und Umzüge verboten sind. Versammlungen im Innern von Gebäuden dürfen nur nach vorheriger Einholung der Genehmigung der Besatzun-sbeh-rd« abgehatten werd«. Die Parteien VI. Oie Sozialdemokratie*) M. L. Schon seit dem Kriege befindet sich die Sozialdemokratie in einer Kris«, die bi» zum heutigen Tage an Schärf« nichts verloren hat. Zwei Richtungen stre.ten in ihr um den Vorrang: der alt« Hang zur Agitation und der Wille zur Mitarbeit im Staate. Die innere Unsicherheit, die sich daraus ergibt, kennzeichnet die soziqldemokrat s4)« Politik während der abgelaufenen Reichstagsperiode. Die Sozialdemokratie war nicht konse» quent genug, die stärkste Fraktion de« Reichs» tage» hätte eine zielbewußt« Politik treiben müssen und können. Die Sozialdemokratie war auch nicht republikanisch genug. In den ersten Jahren nach der Revolution hatte sie den Staat in d«r Hand, aber sie hat es versäumt, die Republik genügend zu schützen. Ls war ein schwerer Fehler, daß sie d«n-wichtigsten Machtmitteln nicht di« nötige Aufmerksamkeit schenkte. Sie hat weder den Deamtenapparat durchgreifend republikanisi-rr, noch hat sie sich der Wehrmacht angenommen, so daß hier antirepublikanischer Geist sehr bald die Ober hand gewann. Bei einem Vergleich mit der öst«r- reichischen Sozialdemokratie schneidet die deutsche Bruderpartei schlecht ab, und vielfach ist daher im Volke der Verdacht entstanden, daß die sozialdemo kratischen Führer aus Besorgnis um ihre Aemter ihre republikanische Herkunft vergessen hätten. Die Unentschiedenheit der Sozialdemokraten machte sich auch geltend in der Stellung zur großen Koalition. Im Herbst 1022 lud die Sozial demokratie die schwere Schuld auf sich, den entschie- densten Republikaner unter d«n deutsche« Reichs kanzlern, Dr. Wirth, zu stürzen. Und zwar nicht aus innerer Notwendigkeit,sondern nur au» der Furcht, sich in einem erweiterten Kabinett nicht mehr durchsetzen zu können, obwohl zu j««er Zeit die wirt- schaftliche Konjunktur der Arbeitnehmerschaft eine ganz andere Machtstellung einräumte al» heute. So kam es dazu, daß da» Kabinett Tuno dreivier- tel Jahre lang die deutsch« Politik leitete. Durch dessen Duldung hat sich die Sozialdemokratie wieder mitschuldig an der unheilvollen Finanzierung des Ruhrkri«ges und der Inflation gemacht. Ein Ent schluß der Reichstagsfraktion hätte genligt, um das Lunoregime zu beenden und wieder eine aktive Wäh rungspolitik und eine klügere Außenpolitik zu treiben. Zn dieser Einsicht fand sich di« Reichstagsfraktion endlich im August des Vorjahres bereit, in ei"e große Poalition unter Führung Stresemanns einzutreten. Aber die Partei im Land« dachte anders. Sie befand sich noch in der Oppositionsstimmung der Zeit von der Revolution, und in immer neuen Kundgebungen «ahmen die örtlichen Vereine Stellung gegen die große Koalition. Anfang November, währeirü der höchsten Not des Vaterlandes, ließ sich die Sozial», demokratie aus der Regierung Stresemann heraus manövrieren. Immerhin kann man es al» einen großen Fort» schritt buchen, daß di« Sozialdemokratie nicht mehr die Partei de» marxistischen Dogma» ist, sondern sich auf dem besten Wege befindet, eine rein« Arbeiterpartei, der politische Ausdruck der Arbeiterbewegung zu werden. Damit gewinnt ihre Politik konkreten Inhalt und ihre Wählerschaft inneren Zusammenhalt, der mit dem Aufgeben der alten Ideale natürlich gelitten hatte. Ihr Ziel ist die Anerkennung des Arbeiter» al» eines gleich- berechtigten Faktors in Politik und Wirt- schäft, und hierin verdient sie die volle Unterstützung des Bürgertum». Sie kämpft ferner für den Acht- stundentaa und höheren Lohn. Die Ziele des Erfurter Programms, da» bei seiner Abschaffung reichlich veraltet war, sind seit dem Görlitz er Programm gänzlich aufgegeben worden. Noch mehr hat sich die Praxi« der sozialdemokratischen Politik von den Sozialisierungsgedanken früherer Zeiten freigemacht. Bedauerlich ist es daher, wenn die Führer in den Volksversammlungen und in der Presse immer noch nicht auf die marxistischen Phrasen verzichten wollen. Dadurch wird die Erziehung der Massen für eine maßvoll« Politik immer wieder erschwert. Das Argument, man müsse den Kommu nisten das Wasser abgraben, indem man der Masse mit Worten Konzessionen mache, verfängt nicht, denn sonst könnte nie mit der Verbreitung der besseren Einsicht begonnen werden. Allerdings darf di« geistig« Erneuerung der So- zialdemokratie nicht von bürgerlicher Seite er- schwert werden. Die sozialpolitische Reaktion, di« mit der Stabilisierungskrisis eingesetzt hat, ist das größt« Hindernis. In di«ser Krise liegt wohl auch der tiefe Grund dafür, daß die Sozialdemokratie von der politischen Macht ausgeschaltet wurde. Denn das Paarlament reagiert außerordentlich kein auf j»de Machtverschiebung draußen unter den Dolksklasscn. Die Mandatszisfern sind Größen zweiter Ordnung, in erster Linie gibt die soziale M-ichtstelluva der hinter Abgcordn^en sichenden Wähl-rmassen den Ausschlag. Die Ge werkschaften sind aber gegenwärtig noch sehr ge schwächt, ihre eifrigsten Vorkämpfer in den Be trieben „abgcbau?, die Streikkassen füllen fiG erst langsam wieder, und von der Kampfstimmung ist wenig zu spüren. Äuch tn der Partei ist die Stimmung vor den Wahlen matt, es fehlt an Kampfbegeisterung. Be zeichnend für die innere Schwäche der DSP. ist, daß Ne es nicht wagte, ihren Parteitag vor den Wahlen abzuhalten. Die organisatorische Ver schmelzung der Mehrhettssozialisten mit den Un abhängigen, die 1922 aus dem Nürnberger Parteitag erfolgte, hat nicht den Erfolg gehabt, die Parteien auch innerlich zu verschmelzen, sondern seit einiger Zett zeigt sich wieder deutl'ch die Existenz eines rechten und eines linken Flügels. Immerhin hat di« Wiedervereinigung der seit 1917 getrennten Parteien einen starken Ruck nach link» bewirkt, zumal viel« Unabhängige den Zusammen- schluß nicht guth«iß«n wollten und zu den Kommu- nisten überliefen. Di« Eifersucht auf di« kommu- nistisch« Konkurrenz hat di« Soztaldemokratt« über haupt oft zu großem Rachgeben nach link» hin be wogen, so bei den R«gi«runa»bildungen mit Kommu- nisten in Sachsen und Thüringen. Aqein diese» Ent- gegenkommen ist der Sozialdemokratie schlecht ge dankt wovden. Sie hat sich heute m«hr al» f« gegen di« Kommunisten zu wehren. Man muß im Interesse der deutschen Politti wünschen, daß sie am 4. Mai den Kampf gegen sie mit Erfolg besteht. *) Vgl. Nr. 7«, 88, -1. SS und 95. General d« Marini«. der di« italienischen Truppen in Oberschlesien kommandiert«, schreibt gegenwärtig sein« Erinnerungen au» jener Zeit, die recht interessant »erden dürsten, wenn man sich der Spannung erinnert, die »wischen den italienischen und den französischen Truppen herrschte Vorspiel zur Ententekonferenz London, 30. April. (Lig. Tel.) Der diploma- tische Berichterstatter de» .Daily Telegraph" meldet, daß der belgische Ministerpräsident The uni» in sei"«r soeben abgeschlossenen Besprechung mit Potncare in zahlreichen wichtigen Punkten genötigt worden sei, sich dem französischen Sand- punkt anzupassen. Belgien soll sich abermals verpflichtet haben, damit einverstanden zu sein, daß di« militärisch« Besetzung des Ruhrgebiet«« bis zur letzten an Frankreich oder Belgien zu leistenden deut- schen Zahlung aufrechterhalten werden müsse. Belgien soll dieser französischen Forderung ent- gegengehalten haben, di« militärische Besetzung durch möglichst vollkommene Unsichtbarmachung möglichst wenig störend zu gestalten. Ferner habe Belgien ge- fordert, durch eine letzte große Anleiheoperation den Gesamtbetrag, den Deutschland zu diesem Zeitpunkt den Alliierten schulde, auf dem Anleihewege aufzu- bringen, so daß die endgültige Räumung des rechten Rheinufer» innerhalb von 6 Jahren in Aussicht genommen werden könnte. Die Mehrzahl der Pariser Berichierstatter dec englischen Blätter betonen dagegen, daß die fron- zösisch-belgischen Besprechungen keine bestimmten Ab machungen zur Folge gehabt haben, sondern daß sie nur der Fühlungnahme und der Vorbereitung der erst Mitte Mai zu erwartenden entscheidenden intcr- alli'-vt-n Bcsp-ecki'vaen -icdient hätten Pari», 30. Avril. (Lig. Tel.) Die .IournSe Industrielle" sucht die Gefahren darzulegen, die sich au» der Perhandlungsmcthode, wie sie sich im Anschluß an die Sachve.stän» digeugutichten entwickelt haben, für dir französische Politik ergeben. Nach dem Blatt wä-e es besser gewesen, wenn gleichzeitig mit den Sachvcr- ständigenberatungen auch eine Aussprache zwischen den Regierungen stattgcfundcn hätte, durch welche die Handlungsfreiheit der ein zelnen Regierungen in größerem Maßstabe gewähr leistet worden wäre. Heute liege di« Gefahr vor, daß der an sich sehr interessante, bemerkenswerte, aussichtsreiche und wertvolle Sachvcrständigenbericht Frankreich moralisch binde, ob e« wolle oder nicht. Aus Furcht, ein wirtschaftliches und finanzielles Reparationsproblem zum Scheitern zu bringen, könne Frankreich dazu geführt werden, in den politischen Fragen nachzugcbcn. Aller dings sei es weder materiell noch juristisch gezwun gen, den Sachverständigenplan in seiner Gesamtheit hinzunehmen. Ls habe vielmehr Interesse daran, ihn zu dem seinigen zu machen. Mer dieser Plan führe eine allgemein« Abänderung politischer oder wirtschaftlicher Art mit sich, demgegenüber Frank reich. da es nicht vorher verhandelt habe, nicht mehr in voller Freiheit verhandeln könne ohne Gefahr zu laufen, den Eindruck zu erwecken, daß es die Anwendung de« Sachverständigcnplanes verzögere oder gar zum Scheitern bringe. Frankreich habe also seinen Perhandlungsgegnern ein Verhandlung», mittel geliefert, durch das diele Konzessionen machen konnten, die mit der Reparationsfrage selber nichts zu tun haben. Die französisch, Diplomatie hatte, soweit dies aus der französisch'belgischen Aussprache hervorgeht, diese fühlbare Gefahr erkannt. Frankfurt a. M April. (Ei g. T e l.) M u sso- kni trifft Mitte Mc,i mit Theunis und Hymans in Mailand zusammen, do di« beiden belgischen Minister dann aus Frankreich und England kommen, so wird di« Mailänder Zusammenkunft als ein Vorspiel zu einer Ententekonferenz angesehen unter der Voraussetzung, baß bis dahin eine gründ- sätzliche Einigung über die Räumung des Ruhr gebietes und die Schulbenfrage erreicht ist. Oie Gicherheiisfrage Pari», 30. April. .Echo de Paris" schreibt über das Sicherheitsproblem: Wenn die Stunde der entscheidenden Aussprache gekommen ist, dann wird das Reparationsproblem allein nicht auf dem Spiele stehen; man wird auch von der Sicherheit Frankreichs sprechen müssen. Man ist zwar nach dem Ruhrgebiet gegangen, um Reparationen zu erlangen, und hat vielleicht weniger als vorher von der Ga rantie für di« Ruhe Frankreichs gesprochen. Aber da man auf industriellem Gebiete die Umklammerung wieder auigegeben hat, muß man an die Verteidigung Frankreichs denken. Poincars hat sich darüber Rechenschaft gegeben, woraus seine Erklärungen über die rheinischen Eisenbahnen herzuleiten sind. Hin zuzufügen ist nur, daß nach dem Versailler Vertrage die Engländer am 10. Januar 1925 den Brückenkopf Köln zu räumen hätten. England muß also in sehr kurzer Frist erklären, auf welche Weise Frankreich nach seinem Urteil geschützt werden könne. Oie Ententevertreter in den Organisationsausschüssen Pari», 30. Avril. Die Reparationskommission hat heute ein« offizielle Sitzung abgehalten und be schlossen, 1. sofort das Organisationskomitee für die deutsche Reichsbahngesellschaft zu bilden und zu diesem Zweck di« beid«n Sachverständigen Ac worth und Le Verve zu ersuchen, persönlich an den Arbeiten dieses Komitees teilzunehmen: 2. Sir Robert Kinderley als Mitglied des Ko mitee» für di« Organisation der Reichs- emisstonsbank zu bezeichnen, 3. DesCamps, waltungsrat der .Banqu« Generale du Nord" und Präsident der Handelskammer zu Lille sowie Dr. Al- berto Pirelli, Industrieller (Italien), »u Mit gliedern de» Organisationskomitete» für indu- str'»ll» Obligationen zu ernennen. Deutschland erkennt die griechische Republik an Athen, 30. April. (Eia. Tel.) Der deutsche Ge schäftsträger teilte im Ministerium d«s Aeußeren mit, daß Deutschland die griechische Republik offiziell anerkenne. Er überbracht« zugleich neue Vorschläge für di« Reparationslieferungen, be- sonder« von Holzhäusern, und bracht« auch die Frage der deutschen Persicherungsgesell- Ichaft Biktoria zur Sprache, die sich bereit zeigte, daß ihre Klienten dir Police in Drachmen zahlen, nicht aber in Goldfranken, auch wenn die Police vor dem Kriege in Franken ausgestellt war. Di« grie chische Regierung gab ihrem Vertreter in Verlin Weisung, die Aufmerksamkeit der deutschen Regierung auf die Veröffentlichung gewisser Ar tikel in deutschen Handelszeinchriften und geitun- aen zu lenken, in denen dt« griechischen Kaufleute, be- sonder» jene tn Konstantinopel, beschuldigt werden, e» mit ihrer Unterschritt nicht aenau zu nehmen. Die deutsch« Gesandtschaft hat bereit» Schritt« unternom men, um di« Handelskammer de» Piräu«, bei der dies« Veröffentlichungen Acrger hervorgerufen haben, zu beschwichtigen. Die Gesandtschaft versprach, alle» Nötig« zu tun, um di« in den Z"ttung»artikeln ausgestellten Behauptungen richtigzuftellca.
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