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Dresdner Nachrichten : 03.07.1938
- Erscheinungsdatum
- 1938-07-03
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-193807037
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-19380703
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19380703
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1938
- Monat1938-07
- Tag1938-07-03
- Monat1938-07
- Jahr1938
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 03.07.1938
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luNISSS ißte fi« auch fsen, -- tch eSwegen ge> Schönhauser S rt. > sie hat -tch 16 Pumphren. n. Mit der ällelit minn iakri «»I >», c»n .8aa. Ku! 22« Ich die Helle hätte nicht dann kam chricbst du. Ich sollte ieber Him- almen. „ES denlose Gr iente tiberS in! — aber tigeS Wort u dir denn pruoi: »rlnittnu« !,tr»a«, kok« ob«N«I»ir«»« wahr? Das !zu auS, als woran ich >l hätte dich IS gerade so , aber man man ... na r wie ich in ja nicht aus nicht zeitig höflich an. est, da -ruck, da wie die mir sogar nicht» aus aber wenn'» nb bann be. >t! dachte ich mal wieder, »sr Norton aqoipro!» eun«r» zoetp!»«» ch gar nicht zur Polizei beim Nord- Unfall. Die einem ihrer ch dann also nerika, und r warst..." du kämest der Besen- bin ich mit so habe ich lauge das ng folgt) Tante war efangcn. Ich hab ich ein verzogen, so l vor Schn- meinst du, ! Dabei sah n voll war, andare, und Nun wurde ie mit dem unglaubhast Märchen? etwa bei- ttnie Htlmepla«» r«« ablo- g-k-g-tt«» !»abnahm«. »arvkl«. g NM ».»» irtsck-k»». moctsrn gopolst, SO.« »frimmek lllvdsn nmöbsl PIstr »MMt> , unvekdlnSttcd Dresdner lNachrlGte« 2. Jul, 1S2S Das Glück -er Häßj-e von vtt» Htusch.l. NUN zur ernsten muhte sie sich dankbar zufrieden widerfahren war? Sie hatte ihn nicht bedienen können Augenblick zur Tür herein, da er aber geschah eS, bah eine Gewalt. „Matt", sagte mein Tchresneik. Ich sah ans das Brett, das er mir «nigegenhielt. SS war «in Mristerzug. „Schönes Sperl, nöch?" — und selbst da» sagte der Triumphator noch in einem Ton, als sei ihm durch den Sieg bas Recht gegeben, dem Gegner auf ein« kannibalische Art bas Leben zu kürzen — grimmig ernst. „Ein schönes Spiel", antwortete ich sauersüß, «und ich gratuliere. Aber mit wem habe ich eigentlich gespielt?" „Mten Namen? Nee, davon hebb wi beide nix!" Und mit einer Wendung gegen den Getränkewagrn der BahnhosS- wirtschaft, schreit er laut: „Jongi He! Twee Kühml" Ich setze meinen Koffer nieder, bekomme «in GlaS in die Hand. Er hebt das seine, steht mich wild an, kippt das Glas, gtbt's dem Jungen, tippt die Finger an die Schirmmütze: „Tjllst!" und geht mit großen, festen Schritten davon. Ja — da stand ich, in der einen Hand ein Schachbrett mit sieben Figuren, in der anderen ein leeres Schnapsglas, und ich konnte es dem Jungen und dem Borstehcr nicht Übel nehmen, baß sie lachten. Ich tat das beste, was ich tun konnte, tch lachte auch. Ich fragte, wa» ich für den Köhm schuldig wär«. Er war bezahlt. „So — und wer war der Herr?" „Dat? Tse, bat weer Ulepingsten stn Badderi" Und damit nahm mir der Junge das Glas aus der Hand und schob seinen Wagen davon. So klug wie ich war, bin ich geblieben. So oft ich seit dem durch das Olbenburgische gefahren bin, habe ich gehasst, meinem unerbittlichen Schachsreund wieder zu begegnen. Nm- sonst. Und suchen will ich ihn nicht. So etwas muß man hin nehmen wie einen echten Rausch. Trinken tut's nicht — es gehört Gnade dazu. Begegnung mit einer Schwedin v-n- iH« schm o, ym vergangenen Sommer, kurz vor vealnn Ser Reichs- sestspiele, machte «ch im Heidelberger Schloßhof «in« reizende Bekanntschaft. In einem stillen Winkel unter«, ragenden Friebrtchsbau, abgesondert von den sonntäglichen Besuchern, sah ich ein junges Mädchen sitzen, den Blick tief auf die großen ZeitungSblätter gesenkt, die über ihren Knien hingen. Dieses junge Mädchen, das da so weltverloren saß, bot einen Anblick rührender Entrücktheit,' der LoSgelöst- hrit vom quirlenden Getriebe all der Scharen, die den Schloßhof mit ihren Stimmen erfüllten, so baß man im Augenblick gefesselt wurde. Eine hauchdünne Glaswand schien um den Bezirk ihres in sich versunkenen Wesens gezogen. Die Stühle der Tribüne, gegenüber der steilen. Fassade des Qtt HeinrichSbaucS, für die abendlichen Besucher der Ncichsseslspicle in tiefen Reihen ausgestellt, waren von vielen erlebntSmüden NachmittagSgästen des Schlosses besetzt, aber schon kletterte die Lchattenltnie an den leeren Fenfterhöhlen »»merklich, doch unaufhaltsam höher. Mit kurzen Seitenblicken betrachtete ich den hellblonden Schopf meiner Nachbarin, -er in dicken Welle« über den Ohren ding: das kindlich reine Profil des Gesichts, da» sich hingegebrn in die Lektüre versenkte: die schmalen Finger, die die großen eigenwilligen ZeiinngSblätter mit energischen Griffen bändigte»; und fchließUch di« zierlichen Füße, deren felngebogenrn Spann der hohe, vlaugrblümt« Rockrand ent hüllte. Da endlich traf, von mir schon lange ersehnt, mich der Blick ihrer Augen, und eS war ein gerader und unbeirrbarer Blick, der dem meinen ruhevoll begegnete. ES waren hell blaue Augen, träumerisch und beseelt, die di« Reinheit eine» unberührten Wesens widerspiegelten. Ich richtete an das blonde Mädchen rin« Frage, ein« unwichtige und nicht sehr gescheite, eine Anknttpfungsfrage, denn nun war mein Interesse an ihr in einem Maße ge stiegen, daß ich auch ihre Stimme hören mußte. Und siehe da: sie faltete die Zeitung zusammen, erhob sich, kam mit holder Würde an meine Leite und sagte, zik mir herabgebeugt: . „Ich bin hier fremd und kann Ihre Frage nicht beänG Worten, tch bin Schwedin." Die naben Augen verwirkte» mich, ich stand auf ünd sagt« verlegen: „Dann verzeihen Sie, daß ich stört«.* „Ob, bitte Sie ging an ihren Platz zurück, wo Prospekte. Broschüren »nd die große Zeitung lagen, die sie nun wieder rrar'tt. Die Anmut und Licherdei». die naturgewachsene Höflich- leit, mit der die Schwedin sich erhob und zu wir kau», hatte» Db jemand von euch Wohl Halborp kennt? ES gibt nicht „-Ze seinesgleichen. Die meisten Menschen haben nicht den -tut, sich zu ihren Schwächen zu bekennen, sie verstecken sich dinier ihrem Ernst, sic vertragen keine Falte eines Lächelns, tzaidorps Gesicht ist ganz zerklüftet von den Tälern großer Heiterkeit. Sein gutes Lachen ist ost hell wie das eines -indes und zuweilen dröhnend wie ein Orkan. Wenn er aber von sich selbst erzählt, dann ist es an uns, zu lachen. Er gibt uns so gern eine Chance ... Schach, sagt er, ja, da will ich euch die Geschichte von des Oldenburger Schachpartie erzählen. Und er steckt sich die -roße Brasil an, die er zuvor im Wasser geschwenkt hat. Dar» üns versteht er sich auch. Ich mußte eines Tages nach Jever reisen, von Breme« noch Jever. Der Zug fährt über Oldenburg nach Wilhelmü- boven; in Sande muß man umsteigen. Ihr kennt di« Strecke? Gut. Ich fand ein leeres Abteil. Kur» vor der Abfahrt stieg noch ein älteres Paar ein, schlichter Mann, nach seinem Acnßercn vielleicht ein Handwerker, ein Schreinermeister, dachte tch, irgendwo aus dem Oldenburgischen, vom Lande, rr batte schwere Stiefel an den Füßen: und die Frau neben idm wirkte auch gut bäuerisch, ein wenig grob im Schnitt, oder sauber, handfest, stumm — ein Paar, mit dem man ebne ärgerliches Geschwätz die knappen drei Stunden würde hmbringe» können. Um auf alle Fälle mit mir allein zu bleiben, holte tch bald, nachdem wir den Wall mit der Mühle und die Weser- dnicte hinter uns hatten, aus meinem Handkoffer ein Reise- sibackbrett und ein kleines Schachbuch hervor. Ich blättert« euie Weile ohne Eifer und ohne Aufmerksamkeit für die Aus- aaöen; eS kam mir ja nur darauf an, die Zeit hinzubringen. Schließlich wählte ich ein Endspiel mit zwei Springern und begann, die kleinen weißen und roten Figuren aufzustellen. Fch ließ mir auch dabei Zett, indem ich sorgfältig die Zapfen der Figuren in die Löcher des Brettes fügte, und dabet ent- -nig mir nicht, daß mein Gegenüber, Mann und Weib, gut auwafttcn. Mochten sie immerhin — bald würden ste's müde werden. Der aber Müde wurde, war tch. Mährend tch bas Bretk oor mir auf den Knien hielt, von Zeit zu Zeit eine Figur bewegte und bann wieder auf die schwarzen und braunen Felder sah, überkam mich die rechte Eisenbahnmttdigkeit. Ich smyic den Kopf, schirmte die Augen mit der Hand — man brauchte nicht zu merken, wenn mir die Augen zufielen. Noch war eS nicht so weit. Aber schon im Eindämmern sah ich, wie mein Gegenüber, der Meister Schreiner oder was er mm sein mochte, seine Hände auf den Schenkeln hin und bcr bewegte. ES waren große Hände, auf deren gebräunter Haut dichtes rotes Haar schimmerte. Immer schneller, immer unruhiger fuhren sie über die straffe schwarze Hose hin und irr — ich wäre trotzdem darüber wohl vollends eingenickt: aber in dem Augenblick, da mir die Lider sanken, weckte mich rlotzlich ein Ausruf, die sehr unerwartete Anrede meines EcgenübcrS. „Tascha matt", sagte er, «nb als lch anfsuhr und ihn tragend anblickte, wiederholte er: „Dascha lange matt" — und zeigte dabei aus mein Schachbrett. Ich rappelte mich auf: ja, das war ln -er Tal mass. Leit meinem letzten Zug, den ich vor geraumer Zeit getan baue, konnte sich der weiße König nicht mehr rühren, und baß ich trotzdem über dem Brett gebrütet hatte, so als gäbe ea da noch irgendein Problem, hatte mein Gegenüber un geduldig gemacht — ich begriff nun das unruhige Auf und Ab seiner Hänoc. „Ja", sagte ich. „Matt." Und um dieses etwas beschämende Eingeständnis vergessen zu lassen, fragte ich: „Spielen Sie Lchach?" „Tja, das soll ich woll!" Und: „Seik breißsg Jahren", lugte überraschenderweise die Frau an seiner Seite hinzu. Lie sagten es so stolz, auf eine so herausfordernde und euch wieder belustigend patzige Art und sahen mich dabet so todernst an, baß mir das Abenteuer. Spaß zu machen begann. „Also spielen wir eine Partie!" Diese Einladung kam nun doch Wohl nnvermutek. Di« große» Hände begannen von neuem die schwarzen Schenkel zu scheuern. Und dann blitzschnell — aber das kann man luum beschreiben: sein Kops flog herum, er sah die Frau cm, sic sagte: „Speel man!" — „Los!", das kam von ihm so rasch hinterdrein, wie ein Schuß aufs Kommando „Feuer", und zugleich griff er hastig nach den Figuren. Aber im Augenblick, da das Spiel begann, wurde tzti ganz ruhig. Er hatte Weiß gelost, ich reichte ihm das Brett iunüber, er nahm eS in seine großen Hände. Fast zärtlich, uud mit dem ersten Anflug eines Lächelns sagte er, halb zu seiner Frau: „Wat'n lütt Ding, Modder!" Doch sogleich verdüsterte sich baS Gesichk wke-eL, wurde ßreng und ernst, die starken Brauen schoben sich zusammen, die wasserhellen Augen starrten fast böse auf die Figuren. Er nahm es sehr genau mit dem Spiel, mein Partner, und seine spanische Springer-Eröffnung zeigte, daß er in seiner Kunst zu Hanse war. Was mich angeht — nein, tch bin lein guter Spieler. Ich werbe eS auch nie sein. Ich habe Einfälle, da liegt die Gefahr. Daß gewisse Züge der Er- össnung als die besten erkannt sind und daher von den meiste« Spielern verständltcherweise wiederholt werben, reizt mich immer wieder dazu, mit mutwilligen und sinnlosen Sprüngen Verwirrung zu stiften, so baß der Gegner nicht weiß, worauf ich hinaus will. Diesmal kam hinzu, daß mir die Beob achtung meines grimmigen Partners das meiste Vergnüge« bereitete. Und so kam ich schon nach wenigen Zügen in ein« gefährliche Lage, machte einen offenbaren Fehler, ohne ihn zu bemerken. Als ich danach das Brett dem andern reichte, wies er eö mit großartiger Geste zurück. „Nee, schenken lat ick mi nix!" Dabei tippte er mit dem Finger aus den mutwillig gefährdeten Läufer und sah mich mißbilligend an, Teufel auch! Da sollte ich mich wohl zusammennehmenl So verbissen wir uns denn beide in einen erbitterten Kampf. Der Zug hielt in Hude, in Oldenburg, Leute stiegen rin und ans — wir kümmerten uns nicht darum. Die Frau neben meinem Partner saß ganz steif und ohne eine» Blick auf unser Spiel zu werfe». Auch wenn ich aus sah, etwas sagte, blieb sie unbeweglich und stumm. Es war ein kurioser Zustand: tch passiouSloser Schach spieler war da plötzlich in einen leidenschaftlichen Kampf ver wickelt. Mir war durchaus nicht wohl, «nb tch ließ mich gern ablrnkcn, als da eine Rrgenböe gegen da» Fenster peitschte: dunkle Wolke» hatten sich heraufgeschoben, die Wiesen mi« Stuten und Fohlen tauchten unter in »inen grauen Strom, der aus dem «teseu Himmel stürzte. „Tolle» Wetter", sagte ich. um doch in da» Schweigen diele» verbiesterten Spiel» so etwa» wie einen menschlichen Lant zu bringen. „Dascha man Regen", sagt, der Mann, ohne auszudlicken, und »ahm mir «ine» Turm weg. sein, daß ihre Seele dieses Bild' ausgenommen und im Unterbewußtsetn bewahrt hatte. In den folgenden Tagen aber sah sie gespannt auf jede Hand, die sich ihr entgegenstreckte, denn da» Merkwürdige war, daß sie wohl die Hand, nicht aber die Gestalt ober da» Gesicht jenes Menschen kannte, der den Levkojenstraub ge kauft hatte. Am Tage vor dem Muttertag war eS, baß sie in der Hast und Betriebsamkeit des Geschäftes plötzlich von einer namen losen, fremden Gewalt berührt wurde, eS war ihr, al» habe sie ein elektrischer Schlag getroffen. Sie blickte aus; eS war wieder die Hand, die die ihrige beim Empfang eine» Blumen- gebindrS leicht berührte. Während schon ein neuer Käufer eine Gabe für seine Mutter .verlangte, blickten sie zwei leuchtende Augen mit einem warmen, zart umfangenden Blick an. ES war ihr, als hätte dieser Blick sie aus der Geschäftigkeit des Tages herausgehobcn, durch die sie nur noch wie im Traum ging. Abermals vergingen Tage und Nochen, sn denen nicht» geschah, die aber für sic von einem Bangen und Warten wie von einer seligen Musik erfüllt waren. Würde dieser wunder bare Augenblick »och einmal kommen? Durfte sie eö wagen, dies zu wünschen, oder geben mit dem, was ihr Aber er kam wieder, und kam gerade in dem schon hinausging. Nun . ... „ für die sie keinen Namen hatte, ihnen gebot, einander die Hand zu geben. Für Sekunden hielten sich ihre Hände umklammert, dann war er plötzlich draußen: um sie aber schwebte wieder jene Unruhe auf, di« sie schon früher erfüllt hatte. Diese Musik verließ sie nicht mehr. Sie war da. wenn sie erwachte, sie umgab sie bei der Arbeit, unter ihren schwebenden Tönen schlief sie des Abends ein. Am zweiten Sonntag danach ging sie mit einem Buch unter dem Arm zu ihrer Wiese hinaus. Sie wollte lesen, aber die Musik ihrer Seele übertönte alle anderen Gedanken. Ihre Sehnsucht nach seiner Gegenwart war so groß, baß sie keineswegs erschrak, als er tatsächlich von der andere» Straßenseite herüber plötzlich ans sie zukam. Auf seinem Antlitz lag ein so wunderbares Leuchten von innen her. wie sie eS noch auf keines Menschen Antlitz je gesehen zu habe» meinte. Mit beiden Händen griff er nach den Ihrigen, und im gleichen Augenblick ging ein heißes Strömen in sie über, In der freudigen Verwirrung war ihr das Buch entfallen, sie bückten sich beide danach und fanden so die ersten belang losen Worte, die die Brücke zwischen zwei Menschen schlagen, die sich bisher fremd und ferne gewesen waren. Als sie bann langsam ins Tal htnauSgtngen, senkte sich Bne große Stille Uber ihre Seelen. Sie gingen fast feterlich, es war ihnen, als hätten sie nun das ganze Leben lang Zeit. ES kam eine tiefe Ruhe über sie, und Ne waren bereit, alle Gnaden zu empfangen. Allein aus seinem männlich beherrsch- ten Gesicht verriet ein leises Zucken die Bewegtheit, die sein Wesen bis in die Tiefe erfüllte. Beide aber wußten sie nicht, baß «» ihre Hände gewesen waren, die einander ertastet hatten, um sich nie mehr von einander zu lösen. Die Oldenburger Schachpartie »->„8--«^^-.1 In Jaderberg, einer kleinen Haltestelle vor Varel, stand die Frau auf, zögerte, der Mann hob den Kopf, sagte: „Gaih man!" und wortlos verließ sie den Zug. „Müssen Sie aussteigcn?" fragte ich den Mann« „Nee, nee!" Die Partie ging weiter. Und nun kam also Sande. Ich zog meine Taschenuhr. „In Sande muß ich leider umsteigen!" WaS nun geschah, hättet ihr sehen müßen. Mein Partner hob den Kops, richtete sich auf, sah mich scharf und durch dringend an — ich glaube, ich war schon unter diesem Blick draus und dran, mich zu entschuldigen —, da fuhr er los, wie mit Jupiters Stimme: „Umsteigen? Dai will wt erst mal sehen, Herr. Speck ist Speel, und wenn ick in Ja'bcrg fitten blicw, denn wer'n Se in Sande ntch uutsticgen. Schach!" Halborp, ach, er konnte das prächtig sagen. Man sah den besessenen Schachspieler vor sich, und man sah auch Halborp, wie er klein bcigab und sich ins Unvermeidliche dieser Olden burger Schachpartie fügte. Was sollte ich tun? — sagte er. Kurz vor Sande ver suchte ich eine kühne Entgleisung, die sofort zum Matt führen mußte — der Zug wurde schroff abgelehnt. Die Oeltanks von Wilhelmshaven tauchten auf, Mariensiel zog vorbei, Rüstrtngen kam, und endlich standen wir in Wilhelmshaven auf dem Bahnsteig, mein Partner hielt das Brett in beiden Pranken, ich hatte meinen Koffer in der Hand, der Regen pladderte wie toll aus das Dach. Der Vorstand, die rote Mühe über den blonden Kopf gezogen, trat heran, blieb ver dutzt stehen, die letzten Passagiere verliefen sich lachend.». Zu der Zeit, va sie vom Kinde zum Mädchen reift«, wurde ihr bewußt, daß ihre Hände anders waren als die der Freundinnen. Sie fühlte es: ihre Hände waren nicht schön, für ihre schmalen Handgelenke waren sie in der Wurzel zu breit, die einzelnen Finger waren zu stark, die Nägel rund auf den vorgewölbten' Kuppen. Sie wußte es, niemals würde sie die Feinheit und edle Schlankheit der Hand ihrer Mutter erreichen. Das schmerzte sie, bas tat ihr weh. Mit dieser Erkenntnis aber erwachte auch ihre Abneigung gegen ihres Vaters Hände, denn von ihm hatte sic die un weiblichen Eigenschaften geerbt, die Kraft des Zupackens, aber auch die Stärke des Haltenkönnens alles dessen, was sie ergriffen. Doch ivar sie nicht reif genug, um zu erkennen und zuzugeben, daß die Baterhände in ihrer Art auch schön waren, daß sie ganz zu ihm gehörten, für die Gradheit und zupackcndc Energie feines Wesens sprachen. Für sie aber bedeutete das Wissen nm diese Tatsache ein Schicksal. Von jener Zeit an war sie scheu und verschlossen, sie liebte die Einsamkeit und wandte sich immer mehr den stillen Dingen zu, den Blumen, die sie in Garten und HauS hegte und pflegte. Eine Leidenschaft ihrer Kindheit erwachte wieder, nämlich die Lust, aus allen erreichbaren Blumen und Zwei gen Kränze zu flechten. So wurde sie, als plötzlich die Nerufssrage an sie herantrat, beinahe selbstverständlich Vlumcnbinderin. Was einst Spiel gewesen war, wurde .... Arbeit, die sie mit Hingabe uud Opferbercitschaft erfüllte, Während aber ihre Hände von dem ätzenden Blumensast angegriffen wurde» und scheinbar noch mehr an Wohlgestalt verloren, vollzog sich ein anderes Wunder. Diese Hände lernten die zartesten Blüten halten, sie empfingen von den Blnmen etwas wie eine eigene Seele. Sie lernten mit sanfter Gewalt eine Form bilden und erhielten dabei selbst neue Gestalt. Die Sehnsucht dieser Hände nach Form ivar so groß, daß sic selbst in den kargen Mußestunden nicht ruhen wollten, sondern mit weichem Ton Umgang suchten. Da formte sie dann die Gestalten ihrer Sehnsucht, ohne zu wissen, daß unter ihren Fingern kleine Kunstwerke ent standen. Sie wußte auch nicht, daß die Disharmonie zwischen ihrer zarten Gestalt und den kräftigen Händen durch die Beseelung längst ausgeglichen war und lebte ihr stilles, zurückgezogene» Leben weiter. Es war ein Leben voll Sehnsucht nach Schönheit, Liebe und Hingabe, ein stummes Opfer an etwas, das fern war, daß sie nicht kannte, an bas sie selten dachte, aus das sie manchmal wartete. * An einem -er ersten warmen Frühling'Ssonntage ihre» flinfundzwanzigsten Jahres lag sie im Wiesengrün draußen vor der Stadt, träumend, dem leisen Wehen des Windes hingegeben. Sic mochte eine Stunde so gelegen haben, als sie sich plötzlich wie von einer unsichtbaren Stimme ange rufen aufrichtete. Was mar das? Bor ihrem inneren Auge sah sie vi» in alle Einzel heiten deutlich eine kraftvolle Männerhand, bi« einen Blumenstrauß umschloß. Wann hatte sie dies gesehen? Deutlich wußte sie wieder, eS waren Levkojen gewesen und ein wenig Grün dazwischen. Die Hand aber hatte sie an die ihre» Vaters erinnert, nur baß sie «in wenig weicher und rvohlgeformter war, ES mußte schon mehrere Wochen he»
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