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Auer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge : 14.12.1906
- Erscheinungsdatum
- 1906-12-14
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735684481-190612143
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735684481-19061214
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735684481-19061214
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungAuer Tageblatt und Anzeiger für das Erzgebirge
- Jahr1906
- Monat1906-12
- Tag1906-12-14
- Monat1906-12
- Jahr1906
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Beilage zu Nr. 88 des Auer Tageblatts und Anzeiger sür das Erzgebirge. Freitag, de» 14. Dezember 1006. gab mit 178 gegen 168 bei 347 abgegebenen Stimmen. Sofort nach Verkündigung des Ergebnisses der zweiten Abstimmung er hob sich der Reichskanzler und verlas eine kaiserliche Botschaft, dast der Reichstag ausgelöst sei. Das ans den Tribünen dichtge drängte Publikum begleitete die Berlesung der kaiserlichen Bot schaft mit lauten Bravorufen und Händeklatschen. Mit einein von dem Präsidenten Grafen Vallestre m ausge- brachten Hoch aus Seine Majestät den Kaiser wurde die legte Sitzung dieser Legislaturperiode geschlossen. Wir lassen die " Rede des Reichskanzlers hier noch ausführlich solgen. Fürst Bülow sagte: „Ich halte mich verpflichtet, Sie nochmals in letzter Stunde aufmerksam zu machen, welch schwere Berantwortung Sie mit Ihren Beschlüssen aus sich nehmen. Es handelt sich hier nicht nur darum, ob siir die Kolonien etwas mehr oder weniger be- willigt wird, es handelt sich um unser A n s e h e n i n derWelt, um u nser e Wass e nehr e !. (Graste Unruhe im Zentrum und bei den Sozialdemokraten.) Jawohl, meine Her ren, darum, ob Sie unsere Wassenehre, unsere Stellung i» der Welt, unser Ansehen, unsere koloniale Stellung gefährden wollen, um eine vcrhältnismästig geringe Summe zu ersparen, nm Ende eines Feldzuges, der uns schon Hunderte non Millionen gekostet hat. Wollen Sie die Früchte jahrelanger Arbeiten gefährden? Wollen Sie, das; die bisher gebrachten Opfer umsonst gebracht sind? Die Regierung kann sich durch kei n Pari a m e n t u n d d u r ch k e i n e P a r t e i v o r s ch r e i b e n l n s s e n, wie viel Truppen sie zur Kriegführung braucht. Wohin soll es führen, wenn sich bei uns die Gewohnheit einbürgen sollte, mili tärische Maßnahmen, von denen unter Umständen die Zukunft des Reiches abhängt, a b h ä ngig z u m a ch e n von Frak t i o n s b e s ch l ü s s e n? (Graste Unruhe aus der einen, Beijall aus der anderen Seite.) Da brausten stehen unsere Soldaten, die sind im Begriff, den letzten Widerstand niederzukämpfen. Sollen sie etwa zurllckweichen, nur weil die Regierung aus par lamentarischen Rücksichten ihren Heldenmut vor dem Feinde in, Stich lässt? (Erneuter lebhaster Beisall.) So» das deutsche Bolt kleinmütiger sein als die anderen Bölter, die viele Kolo nialkriege gesührt haben? Das ist die Frage, aus welche die vcr bündeten Regierungen eine Antwort fordern klipp und klar (Lebhafter Beifall rechts.) Wir können den Kamps bedauern mehr aber nicht. Jetzt müssen wir durchhatten. Man hat mir das alberne Wort in den Mund gelegt: „Nnr keine inneren Krisen!" (Heiterkeit.) Ich habe natürlich das Wort nie gebraucht Es gibt Situationen, in denen ein Zurückweichen vor einer Krisis ein Mangel an Mut, ein Mangel an Pflichtgefühl sein würde (Lebhafter Beifall.) W ennSiewoll e n , habenSi e d i e Krisis. (Graste Bewegung.) Sie tragen die Berantwortung Die Regierung darf nicht vor den Wünschen oder Interessen ein zelner Parteien zurückweichen, wenn ihre höchste Aufgabe, die nationale Ehre, in Frage steht. (Lebhaster Beisall rechts.) Man hat mir das Gerücht zugetragen, ich schöbe nicht in dieser Frage, sondern ich würde geschoben, der Guerillakrieg in Afrika sei als eine Art militärischer Sport beliebt. Das ist eine dreiste Un wahrheit. Niemand drängt mich, niemand schiebt mich, ich brauche keine Direktiven, um die nationalen Notwendigkeiten zu erken neu, die vorliegen. Es handelt sich hier iu keiner Weise um eine Frage des inneren Regiments, es handelt sich auch nicht im ent serntesten um einen Gegensatz zwischen persönlichem und parla mentarischem Willen, es handelt sich lediglich nm eine vom Reichskanzler zu vcrtretenoe Auffassung der Negierungen. Es handelt sich darum, ob wir unsere gesamte Kolonialstellung auf geben wolle» oder nicht, ob wir unsere Stellung in der Welt, unser Ansehen auch nach austen hin behaupten wollen oder nicht. Glauben Sie, dast das ohne Rückwirkung aus das Ausland bleibt? (Lebhafte Zustimmung recht.) Welchen Eindruck soll das machen, wenn die Regierung in einer solchen Lage nachgibl und nicht die Kraft findet, ihre nationalen Pflichten zu erfüllen'' Wir werden unserPslicht tun iinBertrauen auf d a s d e u t s ch e B o l k. (Stürmischer Beifall bei den National liberalen und Freisinnigen, Zische» bei den Sozialdemokraten, das aber unter dem erneuten stürmischen Beifall wieder unter geht.) Hierauf erfolgte die Abstimmung. Währenddem erscheint der Re i ch s k a n z l e r, der den Saal verlassen hatte, wieder an seinem Platze. Sofort nach der Abstimmung erhob er sich und sagte: „Ich habe dem Reichstage eine Kaiserliche Verordnung mit zuteilen. Währenddessen erhebt sich auch das ganze Haus ein- schliestlich des Publikums der Tribüne; von der Rechten und von den Tribünen herab erschallen nicht endenwollende Bravorufe, verbunden mit anhaltendem Händeklatschen. (Gras Ballestrem bemerkt, dast das Händeklatschen unzulässig sei.) Reichskanzler Fürst Bülow verliest nun die Kaiserliche Verordnung, zufolge de ren aus Grund Artikel 24 der Reichsversassung der Reichstag hier mit ausgelöst wird. (Erneutes stürmisches Bravo im Hause und aus den Tribünen.) Fürst Bülow fährt fort: „Aus Grund der kaiserlichen Verordnung erkläre ich namens der verbündeten Re gierungen ans Befehl Sr. Majestät des Kaisers die Sitzungen des Reichstags für geschlossen." (Abermaliges Bravo!) — Präsident Gras Ballestrem: „Wir aber, meine Herren, trennen uns wie immer mit einem dreifachen Hoch aus Se. Majestät den Kaiser." Das Haus stimmt dreimal lebhaft in das Hoch ein, woraus die Abgeordnete» auseinandrrgehen. Die Sozialdemokraten hatten, wie immer, vor Ausbringung des Kaiserhochs den Saal verlassen. — Schlich der Sitzung Uhr. Bei der Verkündigung des Abstimmungs-Ergeb nisses im Reichstage wurden Pfuirufe aus der Tribüne laut, die der Präsident ojjenbar überhörte. Die Kaiserliche Ver ordnung, durch die die Auflösung erfolgt ist, datiert Bücke burg, den >3. Dezember, und ist gegengezeichnet vom Fürsten Bülow. Die Zustimmung des Bundesrats zur Auslösung des Reichstags erfolgte in der heutigen Sitzung des Bundesrats Die Neuwahlen Für den Fall der Auslösung des Reichstages enthält Arlitel ?.-> der Reichsversassung folgende Bestimmung: Jin Falle der Auslosung des Reichstages müssen innerhalb eines Zeitraumes vonlitlTag e n nach derselben die Wähler und innerhalb eines Zeitraumes von 00 Tage» nach der Auf lösung der R eichstn g versammelt werden. Demnach ist der letzte Termin, auf den der Tag der Neu wahlen nngesetzt werden kann, der 11. Februar. Die Stichwahlen hätten dann eine Woche später stattzujinden, und am 13. Marz miistte dann verfassungsinästig der neue Reichstag sich versam meln. Da nun aber der neue Etat schon bis zum l. April fertig durchberaten sein must, wenn man nicht zu dem schon einmal im Jahre 1005 nach österreichischem und sranzösischen Vorbild ange wandten Snstem der aus Vorschust bewilligten monatlichen Bud- getzwölstel greisen will, so ist anzunehmen und zu hassen, dast die Regierung den Termin der Wahlen schon vordem l I. Fe b ruar a n s e tz t, wenn auch die Fertigstellung der Wahllisten und die Vorbereitungen zur Wahl eine Riesenarbeit bedeuten 'Nach tj 6 des Wahlgesetzes sür den Reichstag müssen die Wahl listen spätestens vier Wochen vor dem Wahltermin zu jeder manns Einsicht ausgelegt werden, und zweer müssen die 'Wahl listen acht Tage lang ausliegen. Den l l. Februar als äustersten Wahltermin angenommen, müssten also die Wählerlisten späte stens am M ontag, den 14. Januar ausgelegt werden Durch die Auslösung des Reichstags sind alle bisherigen Beratun gen und Beschlüsse des Plenums und der Kommissionen gegen standslos geworden, die die ganze bisher geleistete 'Arbeit damit einjach unter den Tisch und der neue Reichstag hat ganz von vorn wieder mit seinen Arbeiten zu beginnen. Auch sind ihm die Etats von neuem vorzulegen. Wie ost ist dcr Reichstag schon ausgelöst worden? Von den elf Legislaturperioden seit 1871, deren letzte mit dcr 'Neuwahl im Jahre 1003 begonnen Hal, haben sechs ihr normales Ende durch Ablaus der Legislaturperiode gesunden. Fünf in a l ist der Reichstag hingegen vorzeitig ausgelöst worden Und zwar in den Jahren 1873, 1878, 1887, 1803 und 1006. Die 'Neuwahlen im Januar 1874 standen ganz unter dem Zeichen des K u 1 t u r k a in p s e s und führten die 'Nationalliberalen als stärkste Partei in den Reichstag. Aber auch das Zentrum ge wann 25 Mandate und zog mit 02 Mann statt 67 — namentlich die 32 bäurischen Zentrumsleutc kamen in Betracht — in den neuen Reichstag ein. 'Nach 'N o b i l i n g s A t t e n t a t auf Kai ser Wilhelm wurde am 6. Juni 1878 der Reichstag zum zweiten Male ausgelöst. Der Wahlkampf stand unter der Parole des Kampfes gegen die Sozialdemokratie, am 20. Oktober wurde das neue Sozialistengesetz vom Reichstage angenommen. 'Als dcr Reichstag am >4. Januar 1887 die M i l i t ä r v o r l a g c ablehnte, löste eine kaiserliche Botschaft den Reichstag zum dritten Male aus. Mit der Parole für das Septennat zogen die na tionalen Parteien in den Wahlkamps und der Kartellrcichstag bewilligte am 3. März, am Geburtstage Kaiser Wilhelms, die Militärvorlagc mit 222 gegen 23 Stimmen. Wieder war cs im Jahre 1803 die Militärs rage, die zum Konflikt siihrtc. Die Regierung forderte die zweijährige Dienstzeit und eine Heeres- verstärkung um 60 000 Mann, und löste am 6. Mai, als der Kom- promistantrag Huene in der Minorität blieb, den Reichstag auf. Jetzt ist der Reichstag zum fünften Male der Auflösung verfallen Die Zusammensetzung des aufgelösten Reichstags war folgende: Die Zentrumspartei zählte 103, die sozialdemo kratische 73, die Deutsch-Konservativen 52, die nationaliiberale 34, die freisinnige Bolkspartei 20, die polnische Fraktion 16, die wirtschaftliche Bereinigung 15, die freisinnige Vereinigung 10, die demokratische, deutsche Volkspartei 6 und die deutsche Reform partei 6 Mitglieder. Keiner Partei gehörten 17 Mitglieder an Eine offiziöse Auslassung. Die Norddeutsche A l l g. Ztg. schreibt in einer Son derausgabe: Der Reichstag ist der Auslösung Versalien, weil seine Mehrheit den verbündeten Negierungen die Mittel zur Er füllung einer nationalen Aufgabe versagt hat. Durch die Ab lehnung der für die Zukunft SUd-West-Ajrikas unerlässtichcn Forderungen ist Deutschlands Stellung in dcr Welt einpjindliih getrossen worden. Sache des deutschen Volkes ist es, daraus Ant wort zu geben. Schwer genug wiegt schon, was im nationalen Besitzstand Südwestasrika durch sich selbst bedeutet, was es uns ge worden ist durch das Blut der ermordeten deutschen 'Männer und Frauen, durch schwere hingebungsvolle Kämpfe unserer Truppen, durch Leiden und Heldentod so vieler Braven, und was cs uns, nach Urteil aller Kenner des Landes, wirtschaftlich noch werden kann. Im Augenblick, wo über der Zukunft dieses so teuer er kauften Schutzgebietes g ll n st iger e Sterne nusgehen, die von Sachverständigen sür unerlässtich erklärten Streitlräste willkür lich verringern, heisst, unter gegenwärtigen Umständen die k a u in g esicherte Koloni e n e u e n G esahre n ausz u s e tz e n und den Mastregeln zur endgültigen, fruchtbringenden Aneignung unseres südweslafritanischen Besitzes von vornherein das Rück grat brechen. Es handelt sich aber nicht blost um Lüd- weslasriia. Wie wir dort durchhatten, ob wir mit zäher Opserwilligteit vorwärtsgehcn oder, nach kaum erreichter Bese, tigung der grössten Gefahr, wieder ermatten, ist bei der heutigen politischen Gesamtlage uns selbst und unseren Mitbewerbern in» überseeischen Wettkamps zum Prüfstein dajür geworden, ob Deutschland überhaupt der Entwickelung aus einein euro päischen Groststaat zur Welt m a ch t sähig ist. Unter unseren Augen vollzieht sich, von verschiedenen Seiten her, krasrvol l e s Ausgreisen aus Kultur noch nicht erschlossener Gebiete 'Wir erleben als Zeitgenossen den Ausschwung des britischen ameritanischen und japanischen Imperialismus. Frankreich gründet ohne Zauder» und Knausern ein riesiges Kolonialreich in Afrika. Und Deutschland soll nicht einmal in energischer Be hauptung und Verwertung des Erworbenen Schritt halten dür fen? — Für die verbündeten Regierungen, siir de» Reichskanzler gab es in dieser Frage keine Markten und Paktieren. Ehe die Mehrheit des Reichstags den ablehnenden Beschlust fasste gegen die Minderheit, in dcr die Rechte, Nationalliberalen und bür gerliche Linke zusammenstanden, machte Fürst Bülow nochmals das Haus aus die schweren Konsequenzen ausmertjam. Freimütig und fest erklärte er, dah hier nicht ein Kamps zwischen parlamen tarischem und persönlichem Willen geführt werde, sondern eine selbstverständliche Pflicht der verbündeten Regierung nur einen einfachen und geraden Weg weise. „Niemand drängt mich, nie mand schiebt mich" und „Wenn Sie wollen, so h a b e n Sie die Krisis!"—Trotz des Ernstes dieser Ansage blieb die aus dem Zen trum und Sozialdemokraten bestehende Mehrheit in dieser dein deutschen Volke an Herz, Ehre gehenden Sache bei ihrer klein mütigen verbissenen Ablehnung. Die Nation hat zu entscheiden, ob sic sich solche Vertretung ihrer Interessen, ihres Ansehens ge fallen lassen will! Die Budgetkommission des Ncichtagcs nahm gestern die s ü d- w c st a s r i k a ni s ch e E i s e n b a h n v o r l a g e nach einen, 'An träge des Zentrums, wonach der Bahnbau dein Schutzgebiete übertragen, jedoch dcr Reichskanzler zur Gewährung der erjorder- lichcn Kredite ermächtigt wurde. Durch die Regierung wurde er klärt, dast der Bundesrat zu dem Anträge noch nicht habe Ste>- lung nehmen können; prinzipielle Bedenken sprächen nicht dagegen. Ein weiterer Antrag des Zentrums, der in die Rechte der Landgesellschasten cinschneidet, wurde vorlüusig noch zurückgestellt, so dast eine endgültige Abstimmung über die Vor lage noch nicht erfolgt ist. Die Nordd. Allg. Ztg. kann gegenüber der Mitteilung ver schiedener Blätter, dcr Reichskanzler Fürst Bülow habe mit mehreren Parteiführern in den letzten Tagen Besprechungen ge habt, jeststellen, dast solche Besprechungen nicht staltgesnnoen haben. „Damals lebte Mama noch — und du kamst täglich zu uns Immer mit Blumen und Süstigkeitcn beladen und — " „Jeden Tag mehr verliebt. Sprich nur zu Ende, kleine Frau." Während sie träumerisch vor sich hinblickte, machte er sich an dem Teegeschirr zu schassen, klapperte ungeschickt mit den Lösfeln, tat Zucker in die Tassen und . . . war es Sinnestäuschung oder hatte der Mann wirklich blitzschnell etwas in die eine Schale ge worfen'? Die Frau säst noch immer unbeweglich. „Es war eine schöne Zeit." Als er nicht anwortete, sah sie zu ihm ans. „Ist der Tee fertig'?" „Ja." Er brachte ihr eine Schale des danipsenden Getränks. Dabei zitterte seine Hand ein wenig, so dast er etwas davon verschüttete Die Fran sah ihn ausmerkam an, als sie ihm den Tee abnahm. „Du bist blast, Ferry. Fehlt dir etwas?" „Was dir nicht alles einfällt. Uebernächtig bin ich. Aber trinke." „Ja, ja, und dann wollen wir gleich zu Bette gehen." Wie ein gehorsames Kind leerte sie ihre Tasse bis zum Grund — er trank nur wenig aus der seinigcn. Bald darauf erlosch die Lampe. Aber kaum eine Stunde später wurde wieder Licht gemacht. Die junge Frau war plötzlich erkrankt. Ueblichkeiten, Krämpfe, stellten sich ein und cs war schon längst Tag, bis die Leidende sich soweit beruhigt hatte, um in einen unruhigen Schlummer zu verfallen. Ihr Gatte, der sich bisher sorgsam um sic bemüht hatte, sand aber jetzt keinen Schlaf. Er hatte sich zwar aus sein Lager ge warfen, wälzte sich aber ruhelos umher oder starrle sinster vor sich hin. 12. Kapitel. Baron Snndor Szirmai; hatte kurz nach der Verlobung des Fräuleins i>. Marstanski) eine längere Urlaubsreife angctreten So kam es, das; er bei der, mit grostem Pomp gefeierten Hochzeit des jungen Paares nicht anwesend war. Dav siel übrigens weiter nicht aus. Wohl aber, dast die vielbeneidete Braut bei dem im „Hotel Hungaria" stattsindenden Hochzeitsdiner überraschend blast und schweigsam war und in ihrer kostbaren schweren Brokatrobe samt echtem Spitzenjchleier ziemlich unvorteilhaft aussah. Die schönste der anwesenden Frauen war unstreitig Frau Edith. Sie trug ein prachtvolles türkisblaues, mit Zobel ver brämtes Sammtgewand und war so stolz, hochmütig und berau schend anzujehen, wie etwa die wunderschöne, bitterböse Flau Kö nigin ans dem Märchen. Jin übrigen verschwand das junge Paar kurz nach der Tafel unbemerkt und trat sogleich eine längere Hochzeitsreise an. Als sie znrückkehrten, fanden sie bereits ein behaglich ein gerichtetes Heim vor. Frau Edith, die sich auch sernerhin die erste Stelle in dem jungen Haushalt sichern wollte, hatte den ganzen ersten Stock eines Palais an der Donau siir Andorssns gemietet und mit dem ihr eigenen ausgezeichneten Geschmack möbliert. Frau Jolnn war ihr dajür aujrichtig dankbar. Sic war noch blässer und schweigsamer von ihrer Reise zurückgekchrt und ihre Freunde staunten insgeheim, wie sehr sich das lebenslustige reizende Mädchen verändert hatte. Diejenigen, welche gehasst hatten bei Andorssns ein gastfreies, lustiges Haus zu finden, sahen sich arg enttäuscht. Jolnn weigerte sich hartnäckig, an der Gesellschaft teilzunchmen. Ain liebsten lag die junge Frau, die sich iu letzterer Zeit ost leidend sühlte, mit einem Buche aus der mit einem Eisbärcnsell bedeckten Chaiselongue ihres reizenden lichtblauen Boudoirs Nur selten ging sie ans. als scheue sie das Begegnen mit Menschen vielleicht nur eines Menschen. Die Gesellschaft begann Andorsjy wegen seiner ungemütlichen Häuslichkeit zu bedauern und sand es nur begreiflich, das; er allster dem Hause Trost dasür suchte. War er denn, weil er eine schrullenhafte launische Frau hatte, verpflichtet, sein Leben zu vertrauern? Dazu hatte ein so glänzender Kavalier doch nicht ein so grostes Vermögen geheiratet! Es war nur natürlich, dast er jetzt auf den Ncnnplätzen, im Klub beim Spiel - kurz über all, wo cs aus sashionable Weise zuging, das Geld mit vollen Händen ausstreute. Hörte man dann von einer besonders «rosten Ausgabe oder einem unsinnigen Spiclverlust Andorfsys, dann hiest es gleich: Daran ist nur die Frau schuld, sie zwingt ihn ja sörmlich dazu, das Elend seiner Ehe aus irgend eine Art zu vergessen. Ein paar Monate nach ihrer Heirat starb der Vormund Jolün's plötzlich am Herzschlag. Während des Schlafes hatte ihn dcr Tod überrascht, er war schmerzlos hinübergeschlummcrl. Die Seinen zeigten ihren Schmerz beim Begräbnis in ourch- ans würdiger, mastvoller Weise. Die beiden Söhne des Ver storbenen, die den Vater so innig geliebt und verehrt hatten, die junge, in ihre schweren Tranergcwänder gehüllte Witwe, der die bösesten Klatschbasen Budapests nichts nnchzusagen wnsttcn, In nahmen sich nntadelhast. Aber von Jolnn, die mit fast gleichgültigem, unbeweglichem Oiesicht dem Begräbnis ihres Vormundes anwohnte, als ginge sie die Sache gar nichts an, hätte die 'Welt Anderes erwartet. Eine junge Frau, eine Intime des Hauses, welche bei der Rede des Geistlichen ausfallend ost ihre schönen Augen mit dein Vattisttüchlein betupft hatte, machte ihren Gatten daraus aus merksam: „Sich nur, mit welch' gelangweillen Gesicht sie dasteht. Ein Skandal! Hat jahrelang in seinem Hause gelebt, als wäre sie das eigene Kind. Aber was wundert man sich da. Die Person hat ja kein Herz." Und dieses Wort drückte die allgemeine, in der Gesellschaft verbreitete Nachricht ans — die hat kein Herz! Wenn es möglich war, bedauerte man ihren Gatten jetzt noch mehr als früher. Snndor, der sie seit jener verhängnisvollen 'Nacht nicht wie- dergcsehen hatte und jetzt am Grabe des Vaters zum ersten Mal wieder mit ihr zusammentras, begriisttc sie nur mit einer kurzen Verbeugung, die sic undurchdringlichen Gesichts mit eine»! leisen Neigen des Hauptes erwiderte. Trotz dcr Versunkenheit in seinen Schmerz war er erstaunt uno verletzt ob der Teilnahmslosigkeit, die Jolckn zeigte, auch bei den paar konventionellen Phrasen, die sic ihm dann sagte. Während Snndor sich von Jolnn abwandte, dacht er bitter: „Sie hat gar kein Herz! — Was habe ich Narr mich umsonst gegrämt. — Wie man sich doch in einen Menschen täuschen tann!" Wenn er geahnt hätte, wie es in dem armen Weibe aussah, was sich unter dcr steinernen Maske verbarg! (Fortsetzung folgt.)
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