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Der sächsische Erzähler : 01.12.1938
- Erscheinungsdatum
- 1938-12-01
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735715891-193812019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735715891-19381201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735715891-19381201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDer sächsische Erzähler
- Jahr1938
- Monat1938-12
- Tag1938-12-01
- Monat1938-12
- Jahr1938
- Titel
- Der sächsische Erzähler : 01.12.1938
- Autor
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Preisskat-Auswüchse werden unterbunden polizeiliche Ueberwachuna verbivderl künftig alütkolvielmiiitiae Durmübrnna Die zuständigen PoltzeiMlen haben rn einem Erlaß an alle Polizeibehörden Anordnungen getroffen, die für die Zu« kunft Auswüchse vermeiden sollen, die sich beim PreiSftat und anderen PreiSsvielveranstaltunaen gezeigt Haven.. Skat ist ,in Geschtckli«h.kettSspiel, wenn eS unter den allge- inein übltchenRegeln gespielt wird. Es ist jedoch fest' gestellt worden, daß unter dem Namen »Preisskat" mancher, orts Glücksspiele durchaeführt wurden, 8ei denen baS Äat- spiel nur den äicheren Rahmen avaab und bei denen der Ber- anstalter. der selbst nicht mitspielte, mühelos Geldgewinne einheimste. ES sind Vergütungen für die BeranstaÜer und Spielleiter vis zu 12 v. H. der Gesamteinnahmen festgestellt worden. In einem Falle wurde ein solches Preisskatspiel unter Zugrundelegung von 1500 Tischen veranstaltet. Um diese gewaltige Zahl von Tischen unterzubringen, wurde das Preisflatspiel gleichzeitig in verschiedenen Orten veranstaltet, so daß der einzelne Spieler überhaupt keine Uebersicht mehr hatte. Derartige Veranstaltungen, so heißt cs in dem Erlaß, die die Entscheidung über Gewinn oder Ver lust nicht mehr von der Geschicklichkeit deS Spielers abhängig machen, dürfen ebensowenig geduldet werden wie Spiele, bei denen von den Veranstaltern andere für die Gewinn erlangung willkürliche und durch Geschicklichkeit deS Spielers nicht mehr erfüllbare Bedingungen gestellt werden. Dies Ware zum Beispiel der Fall, wenn die Erreichung einer bestimmten Punktzahl oder die Betätigung einer bestimmten Anzahl von Spielen innerhalb eines Svielabschnittes verlangt wurde oder wenn bestimmte Spiele, wie „Grand ohne Vier" oder ,Aarb- spiel ohne Sieben" besonders gewertet würden. Die Erfül lung dieser Bedingungen hängt ausschließlich von geeigneten Karten und somit vom Zufall ab. Um die notwendige polizeiliche Kontrolle über die Durchführung unerlaubterSviele zu ermöglichen, wird den Polizeibehörden anhelmgestellt, soweit sich em Be dürfnis dafür ergibt, eine Anmeldepflicht für die Veranstal tung von Preisskaten und anderen Breisspielen durch Poli- zeiverordnuna vorzuschreiben und die Veranstaltungen auf ihre Unbedenklichkeit und ihre einwandfreie Durchführung zu überwachen. Chemnitz, 1. Dez. Zwei Brandstifter festgenommen. Wie gemeldet, wurde in der Nacht zum 5. November daS Güter- verwaltungSgebäude der Reichsbahn in Kriebethal nach einem Einbruch vorsätzlich in Brand gesteckt und vernichtet. Jetzt wurden als Täter durch Mithilfe der Bevölkerung der 19jährige Werner Kupzik und der gleichaltrige Helmut Gerke, beide in Kriebethal wohnhaft, ermittelt. Sie wurden von der Gendarmerie festgenommen und dem Amtsgericht ,»ge führt. Sie gaben die Tat zu. Chemnitz, 1. Dez. Schleien und Karpfen gestohlen. NachtS wurden in einem Gutshof der Südvorstadt auS einem Bassin ca. 35 Karpfen, durchschnittlich M Kilogramm schwer, und viele Schleien gestohlen. Wermsdorf, 1. Dez. Sin Seeadler hatte sich verflogen. In der Nähe deS Langenrodaer Teichs hatte sich in einer Raub- wtldfalle ein Seeadler mit 2,10 Meter Flügelspannweite ge fangen. Wie der Befund ergab, war das Tier sofort tot. Der Seeadler ist in Deutschland äußerst selten und nur noch in einzelnen Paaren im Küstengebiet der Ostsee zu finden. Der n der Falle gefangene Adler ist offenbar vom Sturm ver- chlagen worden. Der seltene Vogel wird präpariert und dann m Jagdschloß Moritzburg aufgestellt werden. eie»» Tod am Bahnübergang Zwickau, 1. Dez. Am Mittwoch wurde in der Nähe des Bahnhofs RÜHrsdorf an einem mit Warnkreuzen versehenen Bahnübergang der Landwirt Anton Teufel aus Hoffnung bei Zwickau von einem Personenzug überfahren. Der Verun glückte, der auf dem Motorrad von Leipa nach Rumburg unterwegs wär, erlitt tödliche Verletzungen. Ub 1. Januar Ehestandsdarlehen und Kinderbeihilfen im Sudetenland Berlin, 29. November. Nach einer Verordnung des Neichsfinanzministers gelten mit Wirkung ab 1. Januar 1939 in den sudetendeutschen Gebieten die Bestimmungen über die Gewährung von Ehestandsdarlehen und über Kinderbeihilfen für kinderreiche Familien sowie die Verordnung zur Förde rung der Landbevölkerung. Der neue DDAC -Präfident in sein Amt eingeführt München, 3V. Nov. Am Mittwoch führte Reichsleiter Hühn lein als Korpsführer des NSKK. den neuen Präsidenten des DDAC., NSKK.-Standartenführer Dr. Iunghans, feierlich in sein Amt «in. Dabei hielt der Korpsführer vor Vertretern der Partei, des Staates und der Wehrmacht eine Ansprache, in der er einleitend des so jäh aus L-m Lehen gerissenen bisherigen DDAC.» Präsiöenten, Günther Freiherr von Egloffstein, gedachte. Am Schlüsse seiner Ansprache wies Korpssührer Hühnlein den neuen DDAT.-Präsidenten Dr. yunghans ins Amt «in. Er, der dem verstorbenen Freiherrn von Eglossstein am nächsten gestan- den habe und mit der Arbeit des DDAC. am vertrauteste» sei, sei auch der Berufenste zu seiner Nachfolge. Unter seiner Führung werde der Klub nun in den nächsten Fllnf-Jahresabschnitt ein rücken und hier wie immer getreu an der Seite des NSKK. mar schieren. Lschammer - osten pflanzte dle Vefreiungseiche Während seiner Wahlpropaganda- relse durch daS Su- detenland pflanzte Reichtsporlsührer von Tschammer und Osten in Eger eine BesreiungSeiche.Im Hintergrund steht man daS Jahn-Ehrenmal. <Schirner-M.i Parole zum velrlebsappell am Freitag, 2. Dezember Wer da noch glaubt, an alten überlebten Formen festhalten zu können und dem gleichgerichteten Willen des Volkes entgegen- treten zu können, der wird zertreten und vernichtet werden. Dr. R o b e r t L e y 6t*« lst nicht genug zu wissen, man muß auch a»wenden; eS »st nicht genug zu wollen, man muß auch tun. Goethe NachMmckoerdöten. vttl Leo schwärmte für Improvisationen, er fragte nicht, wo her daS Leinen für die Betten, das Porzellan für die Gäste kommen sollte. Das würde die gute Frau Maschkira schon machen. AVer die „gute Frau Maschkira" machte ein böses Gesicht, wenn sie aus ihrer Chauffeurwohnung herüberkom men mußte, um etwas zu tun, wofür man sie fürstlich be lohnte. An diesen Tagen spielte der Chauffeur den Kammerdie ner in Livree. Seine Frau und er servierten, die Mamsell machte die Pasteten warm, die der Traiteur fertig herausge schickt hatte. So war es schon immer. Doch das Leinen hatte große Löcher, und am Weinschrank fehlte daS Hängeschloß. Es sei nie eins dran gewesen, sagte mir schnippisch die Mam sell, und Leo wetterte, Laß kein roter Aßmannshauser mehr da war für die Ananasbowle. Er braute immer, wenn Freunde kamen, eine Bowle. Dieses Leben auf dem Gut war ein ewiges Fest für die dielen Gaste, die uns überschwemmten. Wenn man hier hätte allein sein können, wäre es sehr schön gewesen. Am ersten Sonntag erschien die „rote Gräfin" aus. mei ner Pension mit zwei Freunden. Sie hatte meine Spur entdeckt. Sie ließ sich gleich für drei Tage nieder. Sie behauptete, mit mir befreundet zu sein. „Meine Liebe, ich bin hin, das ist ja hier fabelhaft", ließ sich die „rote Gräfin" vernehmen, und sie ging in Brokat schuhen mit ihrer Lorgnette durch den Obstgarten. Man konnte die Pflaumen von den Bäumen essen; man konnte hier Larfuß durch die Wiesen gehen im Morgentau — wie bei Kneipp. Leos Freundinnen zogen in Scharen auf. Biele trugen ein Monokel, und ihre Tätigkeit bestand darin, sich braune Sommerfarbe anzumalen und, Zigaretten rauchend, im Liegestuhl zu warten, biS das Mahl aufgetragen war. Wie er zu all diesen Leuten gekommen war, wußte er selbst kaum. „Ich bin eine Lawine", sagte er. „Wohin ich komme, wird sie größer." Er hatte die Leute aufgegabelt unterwegs, in Wester land oder in St. Moritz oder sonstwo. Sie hingen ihm nun an. Sie erfüllten das stille Landhaus mit Geträller von Schlagern, mit Parfüm und Gelächter. Sie kokettierten mit Leo, beglückwünschten mich zu diesem „fabelhaft schicken" Mann, sie beneideten mich sichtlich. Diese reichen Frauen hatten „so viele Sorgen". Sie be klagten sich über die Freundinnen, ihre Liebhaber, ihre Män ner. In Berlin blieben sie nur die kürzeste Zeit des Jahres. Weihnachten blieb man doch nicht in Berlin! Da traf man sich in St. Moritz, um sich beim Sport schlank und gesund zu erhalten;- im Frühjahr ging man nach Brioni oder nach Spa nien, um Museen zu sehen. Die Riviera war „ganz veraltet". Die Herren sprachen mit Leo von Geschäften, vom Stand der Börse. Die Damen waren auch unterrichtet. Sie machten „Geschäfte", notierten sich Namen der Aktien, telephonierten im Bademantel mit ihrem Bankier und gaben ihm eilige Aufträge. Die ramponierte „rote Gräfin" lebte davon. Die anderen spekulierten, wie man Roulette spielt. Man braucht ja so viel, wenn man „auch nur ein Stockwerk für zehntau send Mark hatte", „nicht einmal ein Haus", wenn man seine Kleider aus einem Geschäft bezog, das keine Robe unter tau send Mark abgab. .... Z,ing auch ins Theater, man hatte „alleS" gesehen. Für diese Frauen gab eS keine Neuheiten mehr, keine Sensa tionen, Sie kauften sich ihre »Sensationen*, ein Buch, weil man von ihm sprach, sie kauften Bilder als „Anlage", sie kauf ten aber nur „Namen". Leo war auch von ihnen angesteckt, er wollte nichts von jungen Genies wissen. Er kaufte Bilder, die „Markwert hatten". „Wenn ich mal sterbe", sagte er, „kannst du dich an die Bilder halten." Und wir fuhren zu Versteigerungen, um „Namen" zu steigern für unsere leeren Wände. Ende Oktober, als es hier draußen regnerisch wurde, der Sturm die Ziegel vom Dach warf und die Mamsell an Zahn schmerzen litt, siedelten wir endlich in unser Stadthaus über. Die Gesellschaftssaison hatte begonnen. Wir wur-en ein geladen knd'gäben Feste. Das Haus war groß genug dazu. Es stand stattlich und weiß gestrichen in dem kahlen, winter lichen Garten mit den schwarzgerußten Bäumen, Lessen Git ter die Autos unaufhörlich umsausten. Die Straßenbahnen fuhren knirschend vorbei, und die vollbeladenen Autobusse kamen so dicht an unser Gitter, daß es sonst gefährlich aussah. Ich lebte nun mitten im Lärm der großen Stadt. Ich hatte eine Mamsell, einen Diener, einen Chauffeur, eine Jungfer und zwei Hausmädchen. Meine Haupttätigkeit bestand darin, das Arbeits- und Vergnügungsprogramm meiner vielen Leute zu regeln. Das letztere nahm den wichtigsten Platz ein. Immer wollte einer ausgehen, wenn der andere streikte, oder einer stellte sich krank, wenn er „zuviel Arbeit" hatte. Leo wollte davon nichts hören. „Das ist nun deine Sache", meinte er, „ich hab' mich nie um diese Dinge gekümmert. Das mußte eine Frau „schmeißen"." Es gab eine Liste mit den Telephonnummern der einzu ladenden Gäste. Der Diener lud nach dieser Liste ein. Fünfzig Personen — hundert, wie Leo es bestimmte. Wir gaben unser erstes Esten. Ich kam mir zwischen die ser bunten, exotischen Gesellschaft vor wie die Waise von Lowood. Es war eine fremde Welt, die mir da entgegentrat. Diese Männer schienen immer den Fuß auf dem Trittbrett ihres Wagens zu haben. Es bedeutete ihnen eine Kleinigkeit, mor gen nirch Stockholm zu fliegen, mit dem Auto nach Paris zu reisen oder zu einer Jagd nach Afrika zu fahren. Das Geld triumphierte. Nur das Geld! Woher man kam, was und wie man war, war ganz gleichgültig. Diese reichen Frauen waren alle unzufrieden. Sie beklag ten sich über ihren Architekten, der einen Gartensaal verbaut oder ein Zimmer vergessen hatte, das man nun entbehrte; über ihren Chauffeur, der dasselbe Esten verlangte wie die Herrschaft; über die Jungfer, die kein Pyjama zuschneiden konnte, obwohl sie zweihundert Mark bekam; über den Fri seur, der nie dieselbe Haarfarbe herauskriegte wie der Friseur —, wissen Sie noch, in Paris in der kleinen Gaste... Und erst die Schneiders Wenn die drankamen! Ich war gewohnt, diese Dinge hinter den Kulissen abzu machen. Ich verstand nicht, weshalb man sich mit einem Dia dem schmückte, um mit dem Tischnachbar im Frack über Hei zungsanlagen zu reden oder über ein Hotel. Für mich war ein Fest eben ein Fest. Dazu gehörten Blumen, Musik, schöne Frauen und der zarte Duft, der über rosengeschmückten Tafeln schwebt. Diese Frauen hatten alle ihr eigenes Konto. Nun gehörte ich zu ihnen. Ich hatte mir diesen Zustand immer als ideal vorgestellt. War er das? Ich weiß nicht recht... Irgend etwas ver mißte ich in meinem neuen Lehen ... War ich auch angesteckt von der Unzufriedenheit der Reichen? ... Ich fühlte, was es war: Mir fehlte - die Musik. Ich kam nicht mehr an den Flügel. Ich konnte keine Musik mehr ver tragen. Ich mußte an Jürgen denken, sobald der erste Ton er klang. Es war krankhaft, lächerlich, vielleicht — Einbildung, doch es war so .. . Wenn Leo vor einer Gesellschaft sagte: „Heut mußt du sehr liebenswürdig sein", dann »mißte ich schon, was mich er wartete. Er brauchte keine Angst zu haben, ich war zur Höflichkeit erzogen. Meine Schulstube hatte im Flügel eines fürstlichen Schlosses gestanden, meine Gouvernante war die Tochter eines Kammerherrn und mein Klavierlehrer ein musikalisch feingebildeter Geistlicher . . . Das färbt ab. Diese Menschen, mit denen mich Leo zusammenbrachte, waren mir so fremd, als ob wir von verschiedenen Planeten stammten. Ich kannte weder St. Moritz noch Brioni, ich spielte nicht Golf und sehr schlecht Bridge. Ich hatte noch nicht einmal die Orska gesehen oder die Dorsch in „Friederike" — die geradezu ein „Erlebnis" war. Diese Frauen hörten einem nie zu. Wäh rend sie uns etwas fragten, sahen sie sich schon nach der Näch sten nm ... Ich interessierte sic, »veil ich zufällig Leos Frau war . . . Unser Städtchen fanden sie komisch. Sie wußten gar nicht, wo es lag. Und mit mir wußten sie nicht recht, „woran man war". „Ihr Herr Gemahl ist wirklich famos", sagte mir eine dicke Dame in stahlblauem Perlenküraß, der eng ihre üppige Gestalt umschloß; sie konnte kaum darin atmen. „Der ist so forsch und natürlich, aber die gnädige Frau ist sehr sensibel." Was sie damit meinte, war mir nicht ganz klar. Viel leicht ihr auch nicht. In diesem Kreis mußte man „auftreten". Und ich konnte mich immer noch nicht daran gewöhnen, Hun derte auszugebeu für ein Kleid, das man im Winter fünfmal trug. Einmal meinte mein Tischherr: „Hier hat jede Frau ihr Verhältnis ..., da ist doch nichts dabei..." „Und die Männer?" fragte ich. „Nun, die erst recht", sagte er. Diese Männer, die soviel arbeiteten und soviel umher reisten, hatten wenig Zeit für ihre Frauen. Liebe? Das lang te gerade für die Hochzeitsreise. Treue? Was war das? . . . Wie altmodisch, von einem Mann noch Treue zu erwarten! Eine so vergessene Tugend! Die Frauen mit Monokel fand Leo „schick". Mair konnte so gut mit ihnen flirten. Ihre Männer? Was kümmerten sich die noch nach sieben Jahren um ihre Frauen? Es galt für „mondän", sich gegenseitig zu hintcrgehen, in St. Moritz oder sonstwo. Die Damen malten sich im Sommer braun, das sah „gesund aus" . . . Im Winter waren sie bleich geschminkt. Das war am Abend interessanter. Ans einem Ball saß mir ein junges Mädchen am Tisch gegenüber mit geschlossenen Augen. Ich hielt das arme Wesen für blind. Doch es hatte nur seine Augenwimpern so dick angcstrichen, daß sie zusam mengeklebt waren. In der Mitte der Gesichter saß ein blut roter Kirschenmund. An den Turban steckte man die Locken. Wenn man zuviel mitmachen mußte, giug man unter die Höhensönne. Manche hatten diese Sonne gleich neben dem Äett stehen. Die jnnge Frau eines Freundes gab Leo im Salon einen Kuß. Sie hatten gewettet, daß sie das nicht wagen würde. Alle klatschten Beifall, und auf Leos Wangen prangten nach her zwei rote Streifen ihres Mundes. Die „rote Gräfin" hatte es auf Leo abgesehen. Sie machte ihm den Hof, sie schrieb ihm Briefe, die er gar nicht las ... Er dachte nicht daran, auf ihre deutlichen Aufforderungen einzugehen. Dazu war Leo viel zu brguem. Ich brauchte keine Angst zu haben und hatte auch keine Angst. Mit Jürgen — das war etwas ganz anderes. Leo hatte nur seine Geschäfte im Kopf, um diese drehte sich jetzt unser ganzes Leben. Wenn das fehlschlug, waS er gegen die fremde Regierung unternommen hatte, müßten wir wieder anfangen zu arbei ten, meinte er neulich bei Tisch. „Und was dann?" „Dann trinkt man eben wieder Brunnenwässer, liebes Kind. Heute ist man reich — und morgen arm. Das ist die neue Zeit." Eines Tages machte eines dieser fabelhaften Ehepaare, die uns sonntags auf dem Gut besuchten, still Bankrott, Man hörte nichts mehr von ihnen, sie waren aus der Gesell schaft verschwunden, und der Diener strich ihre Namen von der Liste. Niemand fragte nach ihnen. (Fortsetzung folgt)
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