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Dresdner Journal : 24.01.1855
- Erscheinungsdatum
- 1855-01-24
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-185501243
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18550124
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18550124
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1855
- Monat1855-01
- Tag1855-01-24
- Monat1855-01
- Jahr1855
- Titel
- Dresdner Journal : 24.01.1855
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einen Stützpunkt für eine ungünstige Beurtheilung unsrer finanziellen Verwaltung abzugetzen und vamit besaeqniser- regende Betrachtungen über Sachsens Kinanzzustände her« vorzurufen, welche den so oft glänzend erprobt,n Credit un ser- Vaterlandes wankend zu machen geeignet wären. Wenn schließlich die „Sächsische konstitutionelle Zei« tung" für nothwendig erachtet, an die gegenwärtig versam melten Stände eine Mahnung zu ernstester Prüfung de- Rechenschaftsbericht-, sowie deS mitvorgelegten Budget- aus die Finanzpcriode pro 1855/57 zu richten, so können wir unsrerseits den Wunsch, daß beide Vorlagen ernster Prüfung unterzogen werden möchten, zwar nur theilen. Eine be sondere Mahnung deshalb an die Sländevcrsammlung zu richten, halten wir indessen für überflüssig, nachdem durch die wiedergewonnene ständische Vertretung die sicherste Garantie für gewissenhafte und vorsichtige Ausübung der ihr anvertrauten Eontrole der Finanzverwaltung gegeben ist. Wie den Rechenschaftsbericht, so behalten wir uns für eine der nächsten Nummern, auch die Budgetvorlage erläu ternden Betrachtungen zu unterziehen, vor, wobei zugleich Gelegenheit gegeben sein wird, auf einige Bemerkungen näher einzugehen, welche an dieselbe noch ein andere- hier erscheinendes Blatt geknüpft hat. — Die Zweite Kammer hat in ihrer heutigen Sitzung die erforderlichen Wahlen zur Erneuerung des LandtagsauS- schusseS zu Verwaltung der Staatsschulden vollzogen und sodann einen Vorbericht ihrer Finanzdeputation, die Be- rathung des Budgets betreffend, durch den zustimmenden Beschluß erledigt: die Berichte über die einzelnen Theile des Budgets in der Reihenfolge, wie sie aus den Berathnn- gen der Deputation hervorgehen und ohne Rücksicht auf die Ordnung deS Budgets sclbst in Berathung zu nehmen. Wien. Der „Allg. Ztg." wird der Wortlaut der rus sischen Redaktion der vielgenannten vier Garantiepunkte mitgctheilt. Der Correspondent bezeichnet die- Aktenstück als diejenige Basis der Interpretation der vier Punkte, wie sie durch den Fürsten Gortschakoff redigirt, vor der Eonferenz vom 7 Januar nach St. Petersburg geschickt und durch den Kaiser Nikolaus sogleich durch den Telegra phen nach Wien hin arceptirt wurde. Auf dieser Grund lage habe dann die Eonferenz vom 7. Jan. stattgefunden, wo eine weitere Verständigung der Gesandten erzielt wurde. Diese Redaction des Fürsten Gortschakoff, von welcher der Eorrespondent der „Allg. Ztg." sagt, daß sie die vorgän gige Billigung deü Kaisers von Oesterreich und des preußi schen CabinetS erhalten habe, lautet in der Vorlage für St. Petersburg (nach dem französischen Texte der „Allg. Ztg.") in der Uebersetzung wie folgt: 1) Abschaffung des ausschließlichen Protektorats Ruß lands in der Moldau und Walachei, indem die diesen Pro vinzen vom Sultan zuerkannten Privilegien unter die Ga rantie der fünf Mächte gestellt werden. 2) Freiheit der Donauschifffahrt gemäß der durch die Verträge des Wiener Eongresses im Artikel über Strom verbindungen aufgestellten Grundsätze. Eontrole ausgeübt durch eine gemischte Eommission, welche mit den nöthigen Vollmachten zu bekleiden wäre, um die Hindernisse zu zerstören, welche sich an der Mündung finden, oder die sich daselbst später bilden möchten. 3) Revision deS Vertrags vom 13. Juli 1841, um das Bestehen deS ottomanischen Reiches in ausgedehnterer Weise an das europäische Gleichgewicht zu knüpfen. „Ich wei gere mich nicht, mich in formellen Friedenskon ferenzen über die Mittel zu verständigen, welche die drei Höfe Vorschlägen möchten, um Dem, was sie das Uebergewicht Rußlands im schwarzen Meere nennen, ein Ziel zu setzen, unter der Be dingung, daß sich unter den gewählten Mitteln keines findet, welche- die Souveränetätsre chte meines erhabenen Herrn in seinem eigenen Reiche berühren könnte." 4) Eollectivgarantie der fünf Machte (an die Stelle des jenigen ausschließlichen Patronats gesetzt, welche- einige von «hnen zeither besaßen) für die Bestätigung und die Beobach tung der religiösen Privilegien der verschiedenen christlichen Aemeknschüften »hne Unterschied des EultuS unter der Be dingung, daß die Verwirklichung der angesichts der Welt von den -roßen christlichen Mächten gegebenen feierlichen Versprechungen, ein ernste- und gewissenhaftes Werk sei und baß der versprochene Schuh wirksam und nicht ein lee re- Wort bleibe. Bezüglich de- Punkte- unter 3) sagt der Eorrespondent der „Allg. Ztg.", daß derselbe allerdings etwas sonderbar gefaßt sei und offenbar ganz vom „westmächtlichen Divan" ausgehe. Was Alles dazu gehöre, „um das Bestehen des ottomanischen Reiches in ausgedehnterer Weise an da- euro päische Gleichgewicht zu knüpfen", sei in der That eine schwierige Aufgabe. „An sich — heißt es dann weiter — „möchte die Phrase sehr unschuldig auSsehen, wenn man sie sich selbst überließe, und glaubte, daß durch einfache Areep- talion die Sache abgemacht wäre. Es steckt aber dahinter 1) die Freiheit der Dardanellen. Diese böt, keine Schwie rigkeit mehr. 2) die Vernichtung der Präpond,ranz Ruß lands im schwarzen Meer nach dem Princip der Gleichheit der Zahl der Kriegsschiffe, die jede Seemacht dort halten soll. Nach dem Zusatz im dritten Punkt „Ich weigere mich nicht" bis „bewähren könnte" scheint Rußland indcß nicht ganz abgeneigt, auch dieses Princip zu acceptiren. Es wäre das in der That eine große Selbstüberwindung, eine Be schränkung der Macht, um der Idee des europäischen Gleich gewichts eine Bürgschaft zu geben. Nur gegen solche Mittel der Ausführung dieser Idee protestirt Rußland, welche die SouveränetätSrechte in sei nem eignen Gebiet verletzen könnten. (Unser Wie ner Eorrespondent hat dies bereit- in Nr. 13 berichtet und weiter ausgeführt. D. Red.) Das heißt offenbar: eine Be dingung, welche 3) die Schleifung der Festungswerke Se- bastopols, eine Zerstörung oder Vernichtung eigner Verthei digungsmittel fordern würde, eine solche würde Rußland niemals acceptiren. Von österreichischer Seite wird versichert, daß man solche Vorschläge nie unterstützen würde. Mögen also die Westmächte sehen, wie sie mit ihren Hinterqcdam ken durchkommen und sich an Sebastopol machen. Oester reich, Preußen und Deutschland werden für solche englische I>ia tiesieierm nicht in den Kampf gehen — und die Fran zosen werden sich wohl — trotz des Vertrages mit Sardi nien — vielleicht bald eines Bessern besinnen. Wer zu viel verlangt, erlangt nichts." H Berlin, 22. Januar. Die österreichische Erwiderung auf die diesseitige Not, vom 5. Januar (s. unten) ist hier eingetroffen und gleichzeitig ist eine Eirculardepesche an die k. k. Vertreter an den deutschen Höfen ergangen. In der selben spricht Oesterreich nunmehr seine Absicht deutlicher dahin aus, den betreffenden Antrag auf Mobilmachung sämmtlicher deutscher Bundescontingent, sofort an den Bund zu bringen. In derselben Depesche ist jedoch ausgesprochen, daß Oesterreich sich für jetzt auch mit Aufstellung der Hälfte dieser Eontingente zufrieden geben werde, wenn man den Gcsammtkörper zu mobilisiren nicht bewilligen werde. Es steht somit zu erwarten, was Preußen, was der Bund hierzu sagen werden. Was das erstere betrifft, so scheint unsre Regierung dem österreichischen Antrag nicht Folge geben zu wollen, nach Allem, was vorgegangen, auch nicht zu können, wenn sie nicht zugleich mit ihrer Festigkeit auch ihre Groß machtstellung aufgeben will. Preußen hat diesen Fall vor hergesehen und scheint nach Allem, was wir hierüber ver nehmen, fest entschlossen, sich in kein Arrangement irgend einer Art einzulassen, bevor nicht sein Recht als das einer europäischen Grossmacht wieder hergestellt worden sein wild. Unsre Regierung glaubt dies Recht, nämlich zur Wiener Eonferenz zur Feststellung der eventuellen Friedensbasen als coordinirter Factor zugezogen zu werden, mit Berufung auf die von ihr unterzeichneten Wiener Protokolle als ein ver bürgtes geltend machen zu dürfen, welche ihr die fort dauernde Theilnahmc am Eoncert der Großmächte garan- tiren. In dj,s,m Sinne soll nicht nur der vorgestern von hier wieder nach Frankfurt zurückgekehrte Herr v. Bismarck instruirt worden sein, sondern sollen auch entscheidende Aktenstücke an die betreffenden auswärtigen Regierungen, namentlich an die zu London und Paris, in diesen Tagen erlassen werden. Was die übrigen deutschen Staaten an langt, so liegt der Wunsch nach friedlicher Ausgleichung der großen Frage den bedeutend,rn unter ihnen zu nahe, als daß sie zur Mobilmachung besonders geneigt sein sollten. Somit scheint es um so unwahrscheinlicher, daß rin Bundes beschluß zu Gunsten Oesterreichs ohne Preußen zu Stande kommen werde. So wenigsten- denkt man in hiesigen namhaften politischen Kreisen über diese schwebende An gelegenheit. WaS den ferner» Antrag Oesterreichs auf Er nennung eine- BundeSfeldherrn betrifft, so kann derselbe selbstverständlich erst nach glücklichem Erfolge des Mvdil- machung-antrages in Betracht kommen. — Was die gioße Frage im Allgemeinen anlangt, so hat Mr Eobden's am 17. d. M. im Meeting zu LeedS gehaltene Red, (fl,h, die selbe in der Beilage) mit ihren auf die Motive wie auf die Kriegführung Englands geworfenen scharfen Schlag schatten hier in den weitesten Kreisen die anerkennendste Würdigung gesunden — Die „Zeit" schreibt: Ihre königl.Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Friedrich Karl von Preußen wohnen seit gestern im hiesigen königlichen Schlosse und werden, wie wir hören, längere Zeit hier residiren, weshalb auch der Stab der ersten Garde-Eavalerie-Brigade von Potsdam nach Berlin verlegt ist und bis auf Weiteres hier verbleiben wird. — Heute früh traf der kaiserl. russische Eabinetscourier Lebeff aus St. Peter-burg mit Depeschen hier ein. — Die preußische, an den Grafen v. Arnim in Wien gerichtete Depesche vom 5. Januar lautet nach der „Ber liner Feuerspritze" (welche, nach ihrer Angabe, das Akten stück aus Frankfurt erhalten hat) wie folgt: ,,Ew. Exc. finden in der Anlage Abschrift eines unter dem 24. v. Mts. und Jahres an den Grafen Esterhazo gerichteten Erlasses, mittelst welche- das k. k. dsterreich Eabinet die militärischen Maßregeln näher bezeichnet, welche, seiner Ansicht nach, out Grund des Vertrages vom 20. April und des Zusatz-Artikels vom 26. Nov. v. I. sowohl seitens Preußens, als seitens der übrigen Bundes- Regierungen, zu ergreifen seien. Graf Buol bemerkt sehr richtig, daß es darauf ankon me, das Einvcrständniß ter contrahirendcn Theile über das eingelretene Bedürfniß festzustcllen, von welchem da- Wirksamivcrden der preußischer Scits eventuell eingcgangcnen ml»« lärischen Verpflichtungen abhängt. 8e. Maj. der König haben, wie E. E. leicht ermessen werden, von diesem Standpunkte ans der Ent wickelung der Verhältnisse stet« eine unausgesetzte Aufmerksamkeit zu« gewendet, und, lange bevor diese Angelegenheit in der Weise, wie es in der Depesche vom 24. December v. I. geschehen, angeregt war, die Verpflichtungen gewissenhaft geprüft, deren Erfüllung Allerhdchst- densilben obliegt. Ich kann es nicht für meine Aufgabe halten, hier auf die Anordnungen näher einzugehen, welche Se. Maj. der König unter Berücksichtigung der Interessen Seines Landes und Volke», aber auch im fortdauernden Hinblick auf den Ernst der Zeit getroffen haben, um, in geräuschlosem ffortschreitcn, Seinem Heere erhöhte Kriegsbereitschaft und beschleunigte Macbtentwickrlung zu sichern. ES ist hierdurch erreicht, daß die Schlagfertigkeit größerer Lrupxenkdrpcr in namhaft kürzer» Terminen hergcstellt werden kann, als diejeni gen sind, welche die militärische Convention vom 20. April vor. I. eventuell festsetzt, und wir würden glauben, hierdurch den Herrn Gra fen Buol, rücksichtlich des von ihm besorgten kräftigen Stoßes der russischen Streitmacht auf den österreichischen Kaisrrstaat selbst dann einigermaßen beruhigen zu können, wenn wir die Ansicht zu theilen vermöchten, daß russischrrsrits ein aggressives Vorgehen beabsichtigt werde. Allein wir würben unsrer Ueberzeugung Gewalt anthun müssen, um nach unbefangener Prüfung der allgemeinen Sachlage zu dem Resultate zu gelangen, daß Rußland, wenn es nicht angegriffen wird, seinerseits in die Offensive übergehen werde. Mehr als einmal bin ich in der Lage gewesen, Ew. Ercellenz mit vertraulichen Mittheilungen an das k. k. österreichische Eabinet zu beauftragen, die jene Annahme, unsrer Ansicht nach, auf das Be stimmteste widerlegten. Auch sind unsre Nachrichten über die rus sischen Truppenbewegungen keineswegs der Art, um die an- gldeuteten Besorgnisse zu rechtfertigen. Ich lege um so mehr Werth darauf, dies hier auezusprechen, als ein Theil der Presse eß sich zur Aufgabe gemacht zu haben scheint, die öffentliche Meinung in dieser Beziehung irre zu leiten. In der That ist die Stellung, dir Ruß land in jüngster Zeit zu den auf Herbeiführung von FriebenSver- handlungen gerichteten Bestrebungen eingenommen hat, von der Art, daß es einer unparteiischen Würdigung schwer werden dürfte, darin den aufrichtigen Wunsch der Verständigung zu verkennen. Rußland hat die vier Punkte ohne Rückhalt angenommen, so wie sie ihm vor geschlagen waren. Es hat diese Annahme, nach Abschluß des Ver trags vom 2. Dceembcr nicht nur nicht zurückgezogen, sondern durch rigkeit, wovon unS selbst bei jener ersterwähnten größer» und bedeutendern allgemein poetischen Intentionen die Literaturqe- > schichte Kunde giebt, kann man doch unfern modernen Büh nendichtern ihre Denkfaulheit nicht gutheißen, innerhalb der sie großenteils als Wiederkäuer deS Unwesentlichen und Neben sächlichen ihre gesegnete Mahlzeit halten. DaS Verzeichnt der- jeuigen ihrer Stücke, welche nicht vorherrschend blos aus ef- seUvoll und pikant zusammengesetzten Situationen und selten aus den Charakteren hervorgehenden Jntriguen bestehen, son dern einen geistig ausstrahlenden, das Menschengemüth und Zeitbewußtsein bewegenden Impuls haben, ja welche fich endlich nach einem selbstständigen LebenSfond von innen heraus entwickeln und nicht dem Marionettendrath ihres willkürlichen Fabrikanten, sondern im höhern Sinne des Wortes der Tendenz eines plan vollen, seine Zeit sittlich erfassenden Dichter- folgen, — daS Verzeichnt dieser seltenen Dramen ist leider nicht viel stärker als daS der weißen Raben. Historische Stücke nehme ich hier auS, ihnen pflegen die neuen Schriftsteller gewöhnlich mit birgpfeifferischer Bravour einige Zeitbespiegelunqen und Ten- denzphrasen einzuimpfen, oder sie haben diese schon vorräthig und suchen sich einen paffenden Stoff dazu, wie die- und zwar mit aufrichtigem warmen Streben wahrscheinlich beim Fechter von Ravenna geschehen ist. Mit Ausnahme dieser historischen Erempla folgen Theaterdichter gewöhnlich dem Zufall und dem Schlendrian, zwei edlen Anglern, die immer etwas fangen, da sie auch mit Fröschen sehr einverstanden sind. WaS so abgedroschen und dumm ist, daß man eS sich nicht mehr no vellistisch zu erzählen getraut, da- dramatifirt man nur zu häufig und sobald eS etwa» rührend, spannend oder lächerlich wirkt, macht man Glück damit, denn da- Publicum ist gut. herzig und nachsichtig, wenn e- keine geistreich« Absicht, son dern bloS eine triviale Unterhaltung widmet: dann haben ihm Schornsteinfeger wie Mohren weiße Zähne und schwarze Ohren. Einige der neuern Autoren haben von dieser faden, in- differenten Wahl der Stoffe eine erquickend« Ausnahme ge macht, wie unter Andern Hebbel (Maria Magdalene); Otto Ludwig (der Erbförster); Raimund (In mehrern feiner Possen mit der zerflossenen Form und der unantastbaren Moral); selbst der leichtfinnige Benedir (daS Lügen). Diesen Berfas fern und Produkten reihen sich noch einige andere spärlich an, in denen eine allgemeine philosophisch-poetische, den Eonflicten des Menschenlebens und dem des Zeitgeistes entnommene Idee zu Grunde gelegt ist. Auch Gustav Freitag hat in seinen Journalisten eine neue fruchtbare Idee entwickelt, wenn sie auch noch eine mehrfache Behandlung verlangt, ehe sie sich in ihrem schönen Kern zu einer Reingestaltung durcharbeitet. So sind denn überhaupt fast ohne Ausnahme alle jene ersten Versuche poe tische-ethischer oder socialer Fragen gescheitert, weil ihnen eben noch die zur Entwickelung eines bedeutenden Kunstwerks nö- thigen Präludien fehlten, denn erst der Schutt dieser vorläu- figen Probebauten bildet auf dem treulosen Lagunenboden des Theaters ein sicheres Fundament. Eben deshalb müssen wir ihren Verfassern um so dankbarer sein, denn sie sind, wenn auch oft unbewußt, die Märtyrer der Primitivität, die Spü rer, welche das edle Wild aufsuchen, ohne eS doch erlegen zu können. Der glückliche Jäger kommt erst nach ihnen. Vielleicht von allen neuern Schriftstellern hat Gutzkow am öftersten eine neue weittragend« Idee gefunden oder zu fin den gestrebt. Diese Seite und nicht sowohl die staunens- werth« Fruchtbarkeit seines Geistes hat ihm auch die Beach tung deS ganzen deutschen Publikums gesichert, ohne daß sich dasselbe über diesen Grund klar ist. Er hat seiner Zeit unablässig an den Pul» gefühlt, und wenn er auch keine Krank heiten eurirte, so erwie» und nannte er sie doch, und für diesen Dienst würde nur der JndifferentiSmus, der nie gestört sein will, keine Dankbarkeit haben. Gutzkow hat ein Stück von der seg»n«reich unglücklichen Lolumbusnatur in fich ; solche ruhelose Geister beobachten und entdecken immer, aber die Freude de» Lolonistrens wird ihnen nicht zu Theil. Wie oft ist er über den stillen Gedankeuoeean der Spekulation gesegelt, um zur terra iueoxnit» der noch uugebornen Ideen, um fich Sü den bereit» in der Zeitatmo»phäre schwebenden Atomen ein Gebilde zu schaffe« und die- frei lebendig werden zu lassen. Daß ihm dir» fast nie vollkommen gelungen iß, daß sich sein Fund «ehr al» vielseitige» Longlomrrat denn al» reine einheitlich« Kry- stallisation gestaltete, liegt zum Theil in der ihre Opfer ver langenden Primitivität dieser Versuche zum Theil in der Art von Gutzkow's Fähigkeiten. Diese gehen in ihrem Uebersichtö-, Auffas- sungS-, Erfindungs- und Kritikvermügen biö zu dem Reich- thum der Genialität hinauf. Da sich die Natur aber hütet, einem Geiste zu viel zu gewähren, so hat sie Gutzkow die harmoni sche Ruhe und selbstzufriedene Naivetät versagt, welche eine sichere künstlerische Ausführung fast immer erfordert. Poeten- Künstler besitzen diese Eigenschaften, denn sie sind begrenzt instinktive Produeenten; sie sehen die Ding« organisch und ihre Gebilde folgen einer organischen Entwickelung, einer Fi- liation gleich dem plastischen Pflanzenwuchse; sie sind personell. Gutzkow gehört zu den unbegrenzten reflektirrndrn Producen- ten; er sieht die Dinge chemisch und seine Gestaltungen fol gen einem chemischen Gesetz, einer Assimilation und Koordi nation : sie sind zuständlich. Dieser Satz erklärt für den Den ker dort die Erscheinung der vollkommenen Charakteristik, der vollen Realität, der Wahrscheinlichkeit und der gemüchöwarmen Centralität; hier daS nothwendige Auftreten her fraglichen Cha- rakteristik, der scharfen Abstraktion, der Unwahrscheinlichkeit und der geistreichen Sporadität. Abgesehen von seincn kritische» Schriften und Romanen, unter Anderm von seinen dem Wesen der Gegenwart muihig auf den Le»b rückenden „Rittern vom Geiste", die um so viel mehr unvollendet werden mußten, al- sie nahe liegend, neu und massen- haft sind, hat Gutzkow öfter al- seine Milstrebenden da» Ver dienst erworben, dem Theater ideelle, sich mit sittlichen oder gesell schaftlichen Problemen und Wahrheiten beschäftigende Dramen zuzuiühren. „Richard Savage", „Werner" oder „Herz und Welt", „Lisli", die wieder zerstörte „Diakonissin" geben ein staunenSwrrth.a Beispiel. Fast immer hat er au- dcn schon er klärten Gründen Tribut zahlen müssen. Dieser Tribut wird allemal da noch größer, wo der Dichter di« Absicht hat, zugleich regen«,irend zu wirken, da- heißt Vor- urtheil« und Gewohnheiten beim Publieum zu bekämpfen. Com« plet pflegt endlich das Opfer zu werden, wenn der Dichter nicht nur d«:» zu thun oölhig hat, sondern wenn er sich zum Inhalt sein«.' Stücke« eine Krag« stellt, die noch offen, noch unbeantwortet ist und deren schöpferische Löswrg er zur Zeit nicht vermochte. In düse« Kalle befindet sich Gutzkow, indem er jetzt abei«
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