Dresdner Journal : 15.05.1870
- Erscheinungsdatum
- 1870-05-15
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-187005157
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18700515
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18700515
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1870
- Monat1870-05
- Tag1870-05-15
- Monat1870-05
- Jahr1870
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- Titel
- Dresdner Journal : 15.05.1870
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V 110. AdmnmimNspretse: l» «,-LL. >a»L«: AU>rli<U>r k'xklr.— ÜLr ^Mrlick. 1 „ Id ,. Noa»tlick:— „ lb „ tritt jlldrUet» tt Idir. 8t«ii>pelx«bülir, »u»»erd»Ib L«» XoniL LuoL«, ?o»t avL 8k»mp«l»u»<:t»I«^ kiora. »nseratrnpretfe: 8»ai» einer x«»p»Iteneo 2eil«: 1 Hxr. vot»r „Li«xe»»oLt" Li« Leit«: L lixr. Erschrtan«: ri^Uod, mit aa»o«dm« Ler 8ooa aoL k«i«rt»U», ad«oL» Nir Leo IvIxeoLeo Sonntag; den 15. Mai. DiksdnerMmilal. Verantwortlicher Redacteur: I. G. Hartmann. 1870 r-serateaannayme axwSrl»; L»!x»lU: t ». 1j»^I«oIr»^kro», 6ommi»looRr - Lee vr««Loer ^ooro»I,; N. L«ar.i«. Lvorir t'oor, N«mdiu-^-I«rU» « a l.«ip»i^-L»,,I -kr«oIlkllrt »H.: Umoxuroio t Vr >>.»«, L«rll»: 0»oi-rv»'»et>« LucUK., üicrooi-r»»', vi .,l, Rvooi.ro rloeio; Lreweo: L. 8cor.orr»; Nrd^L«: I,. Srioao«'» ^noooc«obure»u, ^»:»»», Nit» L „ivovi kr^okkurt «.H.: ^inooo'eok« LucLd.; «öl»! ^v. Nto»»»«, k»ri» Ntv-», övi.i.1»« L l)o., («, NI»e« L« I» Soor,«); kr»^: Ro. Loor-rco', Luokk.! Vl,»: Ll.. Orror-r». Hrlauiarder: NLoi^I. Lrp«Litino Ls» vr«»Lo«r Jooro»!», I)r«»Lea, U»rx»r«td«lix»»« R». I. Amtlicher Theil. Bekanntmachung des Ministeriums des Innern. Nachdem die Düsseldorfer Allgemeine Ver sicherungsgesellschaft für See-, Fluß- und Landtransport ihren Sitz für daS Königreich Sachsen von Dresden nach Leipzig verlegt hat, so wird solches andurch bekannt gemacht. Dresden, den 5. Mat 1870. Ministerium des Innern, Abtheilung für Ackerbau, Gewerbe und Handel, vr. Weinlig. Fromm. Nichtamtlicher TheU. Uebersicht. Telegraphische Nachrichten. Zeitung-schau. (Nordd. Allg. Ztg—Englische Blätter.) Tagrtgrschichte. (Berlin. Wien. Paris. Rom. Kopen- dagen. Konstantinopel. Athen. Bombay. Rto-de- Jauetro.) Dresdner Nachrichten. Provinzialnachrichten. Beilage. ArichStagSfitzung vom 13. Mai. Statistik und »olkSwirthschaft. Lotteriegewinnliste vom 13. Mai. Telegraphische Nachrichten. Berlin, Sonnabend, 14. Mai, Nachmittags. (W. T. B.) Im Reichstage interpellirte heute der Aba. v. Hagke, wann die Einführung der gleich- «ä-iaen Volljährigkeit für den Norddeutschen Bund bevorstehe? StaatSminister Delbrück antwortet: I« Berücksichtigung, daß daS 21. Lebensjahr meist überall als VolljähriakeitStermin ringeführt sei, uehwe der BundeSraty vorläufig eine zuwartende Stellung ein. Auf eine Interpellation v. Bunsen's über den Nordostseecanal erklärt! StaatSminister Delbrück: Preußen habe die Sache an den Bundesrach gebracht, wrlchcr 50 Millionen Thaler zur Ausführung nöthig erachte und daher den Canal für jetzt als unausführ bar betrachte. Der Antrag deS Grafen v. Münster, daß der Präsident oder 25 Mitglieder die Beschlußfühig- «it deS Reichstags bezweifeln könnten, wird ab- gelehnt und der CommisfiovSavtrag angenommen, baß darüber die Auszählung des Hauses entscheide. (Bgl. unter „Tagesgestbichte".) Hierauf b^innt die Berathung deS Gesetzent wurfs, den Schutz der Photographien betreffend. Berlin, Sonnabend, 14. Mai, Nachmittags. (Tel. d. DrcSdn. Journ.) In der heutigen Sitzung deS Reichstags wurde das Photographieschutzaesetz abgelehnt und dafür eine Resolution deS Inhalts angenommen: es möge dem nächsten Reichstage ein ähnliches Gesetz mit Rückficht auf die Kunstiadustrie »oraelegt werden. ES folate hierauf die Berathung deS Gesetzes, den UnterstützungSwohnfitz betreffend. Abg. v. Zehmen (Sachsen) eröffnet die Debatte mit einer scharfen Bekämpfung des principlosen Prin- cipS des allpreußischen Unterstützungswohnsitzes, welcher nur Schaaren Heimathloser schaffe und das Proletariat in den großen Städten vermehre. Redner empfiehlt das sächsische Heimathgesrtz. Bundescommiffar geh. Regierungsrath Schmalz er sucht, im Namen des Bundesrathes sowohl, als auch in dem der sächsischen Regierung, den Reichstag, die Vorlage des Bundesraths anzunehmen und die von der Commission vorgtschlagrne Fassung abzulehnen. Sachsen habe vor 35 Jahren den Unterstutzungswohnsitz abge schafft zum Segen des Landes; seine Wiedereinführung würde in hohem Grade deklagrnswerth sein. Die säch sische Regierung bringe im Interesse des Bundes oft Opfer; wozu ohne alles höhere Interesse in das säch ¬ sische Hetmathgesetz eingreifend Sich hiergegen wehren, sei ein berechtigter Particularismus. Wien, Freitag, 13. Mai, Abends. (Tel.d.Boh.) Die Erzherzogin Maria Annunciata, Gemahlin deS Erzherzogs Karl Ludwig, ist heute von einer Prinzessin entbunden worden. In der heutigen GemeinderathSsitzuna brachte Berg (Edersberg) einen schon neulich angeküudigtru Antrag eiu, daS Präsidium deS GemeinderathS möge dem Ministerpräsidenten gegenüber die Miß- stimmung der Wiener Bevölkerung über die Er nennung Widmann'S zum Ausdruck bringen. In der Motivirungsrede sagt Berg: das Land müsse sich gegen einen solchen Landesvertheidigungs- ministrr vertheidigrn. — vr. Jos. Kopp erklärte, er sei gleichfalls für den Berg'schen Antrag ; er fürchte jedoch, daß bald die Zeit kommen werde, wo die Wie ner Bevölkerung nicht allein gegen ein Mitglied, son dern gegen das ganze Ministerium verstimmt sein werde, denn Baron Widmann habe nur einem deutschen Mann die Hand abgeschlagen. Die Seele der gegenwärtigen Negierung beabsichtige, der ganzen deutschen Nation die Hand abzuhaucn. (Bravo! Bravo! Bravo!) Der Mann, der das unternehme, sei minder harmlos als Baron Widmann. — vr. Schrank erklärte, die Ernennung Widmann's sei unmoralisch. Widmann soll gesagt ha ben: Wenn der Wiener Gemeinderath ihn tadle, werde er wissen, was zu thun; von den Zeitungen lasse er sich nicht vertreiben. Nun gut, so sprechen wir unsern Tadel offen aus. — vr. Eduard Kopp hebt hervor, daß die Ministerernennung ein Recht der Krone sei. Man solle gegen das System kämpfen und sich nicht mit einer so nichtssagenden Persönlichkeit wie Widmann abgeben. Bei der Abstimmung wird Berg s Antrag mit 47 gegen 41 Stimmen zum Beschluß erhoben. (Auf der Galerie lebhaftes Bravo.) Wien, Sonnabend, 14. Mai. (Corr.-Bür.) Die „Wiener Zeitung" veröffentlicht ein kaiserliche» Handschreiben, welches den Feldmarschalllientenant Baron Koller von der Leitung der Statthalterei von Böhmen unter Anerkennung seiner Vorzug- lichen Dienste enthebt und den Fürsten Dietricy- stein-MenSdorff zum Statthalter von Böhmen er nennt. Kerner veröffentlicht daS amtliche Blatt eine Kundmachung deS Ministeriums für LandeSver- tbeidigung, welche bekannt giebt, daß infolge der Aufkündigung der russischen Regierung die Wirk samkeit deS österreichisch-russischen CartelS wegen Auslieferung der Deserteure vom 27. Juni 1870 an aufzuhören hat. Paris, Freitag, 13. Mai, Abends. (W.T.B.) Sämmtliche Souveräne Europas haben den Kaiser über den Ausfall deS PlebiScitS beglückwünscht. Die Ernennung deS Botschafters am Wiener Hofe, Herzogs v. Gramont, zum Minister der aus wärtigen Angelegenheiten gilt in gut unterrichte ten Kreisen als gewiß. Florenz, Freitag, 13. Mai, Abends. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Deputirtenkam- wer erklärte der Ministerpräsident Lanza, daß zwischen Livorno und Pisa eine Bande von 60 Mann aufgetaucht ist. Dieselbe wurde von den Truppen überrumpelt und zerstreut. Der Präfect von Livorno hatte die Erhebung fignalifirt. Der Bandenchef hatte eine Anweisung auf die Gewehre der Nationalgarde erhalten. In Catanzaro, sagte der Ministerpräsident, befinde sich keine Bande mehr. In Neapel riefen etwa 100 Studenten Unordnun gen hervor, welche bald beschwichtigt wurden. ES erfolgten drei Verhaftungen. Washington, Donnerstag, 12. Mai. (W.T. B., Kabeltelegramm.) Der Senat hat die Lrmee- stärke auf 30,000 Maun festgesetzt. In New-Dort und in anderen Städten haben zahlreich besuchte Meetings stattgefunden, in wel che» gegen die fetten der spanischen Behörde voll- streckte Hinrichtung d«S Generals Goicouria auf Cuba Protest erhove» wurde. In den Wäldern der Grafschaften Madison und Sullivian richteten Waldbrände bedeutende Ver- -eerungen an. Der Schaden wird auf ea. 5 Mil- Uonen Dollars veranschlagt. DreSdra, 14. Mai. Auch die „Neue Preußische Zeitung* kommt heute auf das Plebisctt in Frankreich zurück. Eine politische Bedeutung der Volksabstimmung vom 8. Mai, die weit über Frankreichs Grenze hinausgehe, liege darin, daß das Resultat derselben unzweifelhaft be kunde, wie die Behauptung gewisser Parteien, „das Volk* hinter sich zu haben, eine leere Phrase war. „Eine Opposition, — sagt die „N. Pr. Z." — die in allen Regenbogenfarben schillert, rühmt sich Jahre lang, daß die französische Nation mit Scham und Unwillen das Kaiserthum und die kaiserliche Tyrannei ertragen. Da läßt der Kaiser die StimmuiKe aufrichten; fast neun Millionen Wähler erscheinen und von diesen stimmen fast sieben und eine halbe Million mit: Vivo ILmperear! — Und auch die anderthalb Millionen, die gegen das Kaiserthum stimmen, folgen nicht einer, sondern zehn verschiedenen Fahnen. Das französische Volk hat den liberalen Schwätzern an der Stimmurne einen Schlag gegeben, von dem sie sich so bald noch nicht erholen weisen.* Die „N. Pr. Z.* hofft immerhin Gutes „aus dieser Niederlage des parlamentarischen Phrasen- heldenthumS", das schwerlich so bald wieder wagen werde, sich auf das „Volk hinter ihm* zu berufen, fügt aber zum Schluß doch die Bemerkung bet: „Freilich aber versteht es sich von selbst, daß wir Gott dafür danken, daß das königliche Preußen sich ohne Urne zu behelfen weiß.* Nicht ohne Interesse dürfte es sein, nach den fran zösischen und deutschen Stimmen auch die Urtheile der englischen Presse über die französische Volks abstimmung zu vernehmen. Die Haltung der Lon doner Hauptblätter ist eine schwankende, je nachdem die princtptelle Abneigung der Britten gegen das Plebiscit, welches sie nicht als wahrhaft constitutionelle Maßregel anerkennen, oder ihre Sympathie für eine friedliche Entwickelung der Dinge in dem auch politisch ewig aufgeregten Nachbarstaate diesseits des Canals überwiegt. Die Mehrzahl der großen britischen Par- Seiorgane ist dem Napoleonischen Kaiserreich bekannt lich nicht abgeneigt, weil ihr dasselbe allein die Kraft und Einsicht zu besitzen scheint, in Frankreich die Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten und damit den für AltenglandS Handelsverkehr unentbehrlichen Frieden in Europa zu sichern. Sie verhehlt daher auch ihre Be friedigung über den Ausgang des Plebiscits keines wegs, so wenig sie auch an sich mit demselben einver standen ist und so viel Bedenken und Rathschläge sie sonst noch auf den Herzen hat. Namentlich die whig- gistischen Blätter äußern sich in dieser Richtung. So schreibt „DailyNcws*: „Europa, ja die ganze Welt hat ein Interesse an der ordentlichen Entwickelung der Freiheit in Frankreich; wenngleich das Plebiscit keine mit den englischen Ideen konstitutioneller Regierung leicht vereinbare Maßregel ist, so glauben wir doch, daß Frankreich auf die ihm vom Kaiserreich vorgelcgte, höchst wichtige Frage eine ebenso friedliche als deut liche Antwort ertheilt hat." Dagegen sagt dasselbe Blatt an einer andern Stelle: „Das Schlimmste am Plebiscit ist, daß es alle Parteien in der ungewissen Lage beläßt, in welche cs dieselben versetzt hat. Will der Kaiser seine aufrichtige Annahme parlamentarischer Regterungsgrundsätze darthun, so muß er den gesetz gebenden Körper auflösen, welcher unter einer von dem allgemeinen Stimmrecht verurtheilten Verfassung gewählt worden ist." — Die „Times", wclche mit einer naiven Freimüthigkeit, wie kaum ein anderes Blatt, ihrer Neigung nach Abwechselung fröhnt, urtheilt auch hier wieder, wie in den meisten Fällen, heute anders, als gestern, und morgen wahrscheinlich wieder anders. Obwohl sie dem Allitrten an der Seine seit einiger Zeit nicht so freundlich zugelächelt, als sonst, bestritt sie Anfangs dennoch nicht, daß daS Kaiserreich einen neuen großen Erfolg errungen; ja sie gestand zu, daß „die französische Nation daS Kaiserreich der Re volution vorziehe und einer sicheren Gewähr der Ord nung manche wesentliche Freiheit gern zum Opfer bringe," wenn sie auch im Interesse der Ordnung „nicht ein Titclchen mehr von ihrer Freiheit aufgeben wolle, als absolut nothwendig" erscheine. „Aber", hieß es dann weiter, „es steht der Regierung des Kaiser» offen, zu beweisen, daß ihr Wunsch, sich den Sieg zu sichern, in keiner Weise von der Absicht, denselben zu mißbrauchen, beeinflußt war. Durch ein stetes Fortschreiten auf der Bahn freiheitlicher Institutionen, durch den Verzicht auf discrctionäre Gewalt, vor Allem durch eine wahre Appellation ans Volk mittelst Parlamentswahlen, bastrt auf einem liberalen Wahlsysteme, — kann die Regie rung den verlorenen Boden wiedergewinnen, das öf fentliche Vertrauen wieder erwecken und jene neue Aera der combinirten Freiheit und Sicherheit einweihen, welche bei dem Amtsantritte des Januarministeriums verkündet wurde. Durch solche Maßnahmen wird daS Kaiserreich nicht allein eine sicherere Grundlage erlangen, als daS Plebiscit gewähren kann, sondern auch der Noth- wendigkeit solch' zweifelhafter Exerimente für die Zu kunft enthoben sein." In einem spätern Artikel sucht daS Eityvrgan hingegen nachzuweisen, daß das Plebis cit ein ebenso verfehltes als thörichtes Unternehmen ge wesen sei und namentlich der Erfolg gar nicht so gün stig sei, als man auf den ersten Blick anzunehmen ge neigt wäre. „Der Januar*, so schließt dieser Artikel, „versprach Besseres, als er eine Aera inaugurirte, die mehr mit den Fortschritten deS 19. Jahrhunderts in Einklancf schien. Wir glauben, daß eine Rückkehr zu jenen Anschauungen nicht unmöglich ist, wir hoffen, daß man die Nothwendigkeit dazu bald erkennen wird. Es ist im Interesse aller Parteien, die der Sache der Ordnung und Freiheit wohlwollen, daß dieses unselige Plebiscit vergessen und womöglich vergeben werde, und daß der Gedanke eines ähnlichen Experiment- für die Zukunft nicht mehr gehegt werden könne. Der Kaiser hat eine Lehre empfangen, deren Eindruck nicht so bald sich ver wischen wird, und die Beispiele der Bourbons und Orleans sind nicht ermuthigend für einen französischen Herrscher, der eher geneigt ist zu brechen, als zu bie gen." — Weit rückhallsloser drückt die „Morning- Post" ihre Sympathien für das Kaiserreich aus: „Zu nächst wird das Votum jedes Mißverständniß darüber ausschließen, daß das französische Volk zwischen dem Kaiserreiche, welches ihm 18 Jahre beispiellosen Ge deihens im Innern und wachsenden Einflusses nach außen verschaffte, und der Revolution, welche jüngst in so bedrohlicher Weise den Schleier lüftete, ohne Zögern gewählt hat. Kein ernster Politiker kann zweifeln, daß das Kaiserreich, wenn es auch mit manchen Mängeln behaftet ist, die für Zeit und Land geeignetste Regte- rungsform ist. Die Franzosen w ssen nur zu gut, daß die Revolutionäre reine Farceurs sind, und eS Wahn sinn wäre, sich in solche Hände zu geben. Durch ihre Abstimmung haben sic die Extravaganzen der Unversöhn lichen verurthcilt und ihnen,ohne dem Schatten eines Zwei fels Raum zu gewähren, dargethan, daß Frankreich nicht mehr geneigt ist, wie nur zu oft geschehen, sein Geschick und seine Interessen aus bloser Sucht nach Veränderung Schreiern und Verschwörern Preis zu geben. Das Aufwicgelungsgcschäft wird deshalb freilich nicht auf- gegeben werden, denn die Freiheit, zu schreiben und zu sprechen, ist gegenwärtig in Frankreich größer, als selbst in England, aber cs wird wenig Unheil anrichten, und alle Versuche, die man anstcllen könnte, werden lächer lich und wirkungslos ausfallen vor dem großen „Ja", mit welchem das Volk jegliche Sympathie mit denselben zurückgewtesen und verdammt hat. Zudem ist das Kai serreich in seiner jetzigen Verfassung ein so liberale- Regierungssystem, wie man es nur in der civilisirten Welt finden kann, und weit populärer, al- jedes an dere. Die französische Nation erfreut sich jetzt aller Feuilleton. DaS Projekt eines Canals dvrch den JsthnmS von Dariea, zur Verbindung de- atlantischen Meere- mit dem stillen Ocean, scheint zwar, einem gestern mitgethetlten Tele gramme zufolge, in Washington wenig Aussicht auf Verwirklichung zu finden; indessen dürften einige nähere Mtttheilungen über dasselbe immerhin von Interesse sein. Der bi- vor einiger Zeit bet der amerikanischen Gesandtschaft in Parts als LegationSsecretär verwen dete, neuerdings aber als Consul in Liverpool an- gestellte General Heine hat über einen Ausflug nach dem JsthmuS von Darien zur Feststellung der besten Linie für jenen Canal einen kurzen Bericht an die „New Aork Tribüne" eingesandt, dem als das Wesent lichste Folgende» zu entnehmen ist: Was die Unter nehmung dieser Expedition anbrlangt, so wurde die selbe au- Prtvatmittrln bestritten. General Heine langte am 1. März in Aspinwall, Republik Columbia, an, miethete, bemannte und verprovianttrte sofort eine kleine Schaluppe und segelte bereit- am nächsten Mor gen ab. Er brauchte 30 Tage, um die Ostrüste de- Iühmus zu untersuchen, und ging von ASp nwall bi- Picera in Südamerika, auf der Karte auch al- Pruro verzeichnet. Da sein Urlaub beschränkt war, so mußte er sich mit einer oberflächlichen Untersuchung der sünf Verbindungslinien von Meer zu Meer begnügen. Wir geben da- Ergebniß seiner Forschungen in seinen eige nen Worten: „Nr. 1 hat eine Länge von 30 (rnal.) Meilen, erfordert aber 7 — 8 Meilen Tunnel. Der Hafen an der atlantischen Sette ist sehr gut, der an der pactfischen mittelmäßig Linie Nr. 2 hat 3b Mei len Länge, auf beiden Seiten schöne Häfen und würde nur 1^ — 2 MeUru Tunnel erfordern. Nr. 3 zeigt eine Kluft, 400 Fuß Erhebung auf der Höhr des Passes, hat 60 Meilen Länge und weder auf der einen, noch andern Sette leidliche Häfen. Nr. 4 hat 200 Fuß Erhebung, 30 Meilen Länge; die Mündungen sind schmal, ließen sich jedoch verbessern; ein großes Htn- derniß in der Nähe des pacistschen Abhanges würde sich indrß nur mit sehr bedeutenden Kosten beseitigen lassen. Nr. 5 endlich hat 106 Fuß Erhebung, die Mündung auf der pacifischen Seite ist bequem, die nach der atlantischen Seite dagegen mittelmäßig." (General Heine ist ein geborener Dresdner, Sohn des vormaligen k. Hofschauspielers Heine, und es dürfte sonach manchem unsrer Leser nicht uninteressant sein, Einiges über die neueren LebenSschicksale dieses Generals zu «fahren. In den Jahren 1853 und 1854 betheiligte er sich im Stabe des Com. Perry in der Srrtton für Vermessungen an der ersten von der Regierung der Vereinigten Staaten von Nord amerika veranstalteten Expedition nach Japan, über welche er nach Beendigung derselben ein umfassende- illustrirte- Werk sLeipzig, bet Costenoblej veröffent lichte. Anfang de» Jahre- 1859 kam er nach Berlin, um unter der Aegide A. v. Humboldt'-, sowie de- Prinz- Admiral- Adalbert von Preußen eine deutsche ostasta tische Expedition anzuregen und zu organistren. General Heine begleitete dieselbe und veröffentlichte seine Er lebnisse und Forschungen in zwei Werken: „Weltreise über die nördliche Hemisphäre" sLeipzig, Brockhaus), und „Japan und seine Bewohner* sCostenoblrj. Wäh rend dem war der Krieg in Amerika au-gebrochen und Heine trat als Jugenieurcapitän in die Armee der Nordstaaten. Nachdem er von einer gefährlichen Ver wundung hergestellt, trat er wieder in Dienst und ward zum Obersten und Commandeur eine- Infanterie regiment- befördert. Nach Beendigung des Krieges verließ er die Armee mit dem Range eines Brigade- genrralS, wozu ihn der Kongreß in Anerkennung seines rühmlichen Verhaltens während des Feldzugs nachträglich ernannte, und ging zur diplomatischen Carrisre über, wie oben bereits erwähnt worden.) Felice. Eine Erzählung. Bon Pauline Schanz. (Fortsetzung aus Nr. 109.) Joseph Haller war ein wohlhabender Mann, und sein Tuchgeschäft war das einzige der Stadt und Um gegend. Sein Glück schien auf festen Pfeilern zu stehen und doch wankten sie eines Tages und der Bau schien über ihn zusammenstürzen zu wollen. Er hatte sich in neuerer Zett, vom Speculations- fieber ergriffen, in überseeische Geschäfte eingelassen, die ibm reichlichen Gewinn eintrugen und ihn kühner und kühner machten. Plötzlich verlor er jedoch durch den Sturz eines amerikanischen Hauses eine so bedeu tende Summe mit einem Schlage, daß er in ernstliche Verlegenheit gerieth. Jndeß er suchte sich zu helfen, sein Credit stand fest und sicher hätte er diese Klippe noch glücklich umschiffen können, wenn nicht noch an dere kleinere Verluste hinzugekommen wären, die ihn in früheren Verhältnissen nicht tief getroffen hab« wür den, so aber seine Lage bedeutend verschlimmerte i, und er nun schon eine bedeutende Summe brauchte, um ;cch vorläufig wieder frei zu fühlen. Er wandte sich an seinen Bruder Andreas, der, obgleich ein wohlhabender Mann, doch augenblicklich nicht über eine flüssige Summe eigenen Vermögens ver füge« konnte und ihm nur anvertraute Gelder, die bis zu einem festbestimmten Termine wieder in seinen Hän den sein mußten, auf kurze Zett zu leihen vermochte. Joseph Haller ging darauf ein und war sicher, durch bis dahin eingegangene Außenstände, sein Wort halten zu können. Dies würde er auch sicher auSgeführt ha ben, allein eS geschah Etwas, waS es ihm nicht nur vollständig unmöglich machte, sein gegebenes Wort zu halten, sondern was auch noch eine Menge anderer trau riger Folgen nach sich zog. Waren es Sorgen, die ihn drückten, die ihm frü her, bet dem ruhigen, stetigen Gange seines Geschäft- ganz fremd gebliebenen Aufregungen, oder lag Das, was geschah, jedenfalls in der Natur der Verhältnisse, Joseph Haller starb schnell und unerwartet amSchlag- fluß, ohne daß er vorher im Stande gewesen wäre, sein Haus zu bestellen, oder irgend welche Bestimmun gen zu treffen. Frau Antonia, die stets eine vortreffliche Gattin, Mutter und Hausfrau gewesen, hatte sich indcß nie um den Gang deS Geschäfts bekümmert und stand daher ganz wehrlos und unfähig der Masse von Anforderun gen gegenüber, die nach dem plötzlichen Hingange ihres Gatten auf sie einstürmten. Sie nahm ihren Schwager Andrea- zu Hilfe, der die ganze Geschäftslage verwickelter und bedenklicher fand, als er vermuthet hatte. Da-, waS aber die Witwe am tiefsten in die Seele traf, war, daß der dringendste Gläubiger, der am ersten befriedigt wnden mußte, ihr Schwager selbst war- Sie verstand nicht- von dem Dringlichen der Umstände, die Andrea- zwangen auf Rückzahlung zu bestehen; sie sah nur da- Schroffe, Harte, Unmenschliche der Handlungsweise de- Manne-, der ihr bisher der beste, brüderlichste Freund gewesen, und in ihrem gekränkten Herzen sah sie die Unbill nicht nur sich und ihrem Kind, sondern auch dem Ver storbenen angethan. Sie sah fortan ihren Feind in ihm und traf da nach ihre Maßregeln, brach jede Verbindung mit ihm
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