Dresdner Journal : 09.12.1879

M 285. Dienstag, den 9. December. 1879 ^K»nn«w»at»pr«ls r Im x«»«» Ssutiod«!» N«ick4: öltürlick: . . 18 lUsrtc X iLNrliok: 4 Aurll SV?k. LiurelosHuilliosr»: lv kk. Lll««rL»Id 6e»äeut»cd«o Koioks» tritt kost- uod Ltempeliiusetii»^ kimu. lnsvrutvuprvl»«: kür it«n kaum eiasr ^««piilivnea kotitrsilv 20 kt. Vater „?iio8««uiät" Ui« 2siiö SV kk. Lrsekelavnr 7'tykliok mit Xusn^kme äor 8onn- mick keiert»s?r> -Xbovits tiir Ueu kolgsnäsn 1'»8 Verantwortlicher Redacteur: Im Auftrage Rudolf Günther in Dresden. lnxoralonaonaNin« ausnNrtsr I^iprix: H Lru»tU«tetter, Lommisioooär ä«s UrvsUuer ^ouiu.U«; Lewdar^-Nerlia Vl«a I.«ip»i^ L«»«I -8r»»i»ll ^r iniila t ». H: //uasrnstein L kvAter, 8«rUa Vi«»-S.mdarx- krLK-I.mpriz-^rimIilm't L. LI ituacdeu: ^iuU. L«rlia: L. >eor»ict, /»! o/ik/tnci«»/., Lremsa: Lc/U»tte Lr»,lLll: I,. L'tanAen « Nürvitu; 0d«maur H. koiAt; kreoiUart ». H.: ^a^er'vLde u. k,'. sedo Ijuvkksnälnn^i vorMr: tt. A/U//er, »Limovsr: 6 l k»rl» 8«rlm-kr»ll2tllrl ». N. Stattzert: DauSe Li Oo.,' »»mdur^i X/euciAe», ^1<t. Steiner. NvrLiisxvder; Köni^I. LxpeUition 6es Orvstiokr aourvitk, Nre-Uen, Z.vmpiei-iUraE Xo SV. Ämtlicher Tlieil. Dresden, 28. November. Se. königliche Majestät hat allergnädigst geruht, die zu Handelsrichtern, bez. zum stellvertretenden Handelsrichter ernannten Kauf leute Konsul W. Knoop in Dresden, Moritz Poh- len tz in Leipzig und Gustav Ad. Gehre »deck in Chemnitz auf deren Ansuchen dieser Functionen zu entheben und den vorher zum stellvertretenden Handels richter ernannten Kaufmann Ernst A. Kunze zu Dresden zum Handelsrichter beim Landgericht Dresden, den Kaufmann Paul Gerischer zu Leipzig zum Han delsrichter denn Landgericht Leipzig und den Kauf mann Gustav Hermann Lockner zu Chemnitz zum stellvertretenden Handelsrichter beim Landgericht Chem nitz, endlich den Kaufmann C. W. Leuthold zu Dresden zum stellvertretenden Handelsrichter beim Landgericht Dresden auf die Dauer von drei Jahren vom 1. October ds. Js. ab zu ernennen. Dresden, 28. November. Se. Königliche Majestät hat zu genehmigen geruht, daß der Rechtsanwalt Hof rath Carl von Könneritz zu Dresden den von Sr. Majestät dem Deutschen Kaiser und König von Preußen ihm verliehenen Königlich Preußischen Krvnenorden III. Classe annehme und trage. —— — '» " Nichtamtlicher Theil. U e d e r s i ch t. Telegraphische Nachrichten. Zeitungsschau. (Schlesische Presse. Offener Bries an Prof. Heinrich v. Treitschke. Im neuen Reich.) Tagesgrschichte. (Dresden Berlin. Straßburg i. E. Wien. Paris. Madrid. St. Petersburg. Bukarest. Sofia. Philippopel. Konstantinopel.) Dresdner Nachrichten. Vermischte». Eingesandtes. Feuilleton. Tageskalender. Inserate. Beilage. Provinzialnachrichten. (Zwickau. Glauchau. Meerane. Freiberg.) Vermischtes. Inserate. Börsennackrickteu. Telegraphische Witternngsberichte. Telegraphische Nachrichten. Paris, Montag, 8. December. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Bei der gestrigen Drputirtenwahl in Cam- dray wurde der Republikaner Cirier gewählt; der Bonapartist Amigueö unterlag. Madrid, Sonntag, 7. December, Abends. (W. T. B.) Die Annahme deS Gesetzentwurfes über die Abschaffung der Sklaverei kann al» gesichert angesehen werden, da CanovaS die Majorität für den RcgierungSentwurf gewonnen bat. AuS den Provinzen wird von Neuem rin starke» Anwachsen deS Guadiana und der Flüsse in Murcia gemeldet. FtMcton. Redigirt von Lito Banck. Refidenztheater. Am 7. December wurde auf dieser Bühne ein sogenanntes Weihnachtsmärchen: „Die Heinzelmännchen, oder: Weihnachten in Palast und Hütte* mit vielem Bestall und vor völlig ausverkauftem Hause in einer NachmittagS- aussührung vorgeführt. Das Stück ist von H. Wil ken und Charles Caßmann, mit Musik von Kraufe, versaßt und mit verschiedenen Bildern, Gesang, Tanz und Schattenspiel auSgefchmückt. Da die Jugend im kindlichen Alter nach guiem älteren ErziehungSfystem vom Theatergenuß im All gemeinen fern gehalten werden sollte, so bleibt es stets rin dankenSwertheS Bemühen, ihr durch eine harmlose, heiter fesselnde mnd zugleich moralisch lehrreiche drama tische Fabel wenigstens ein Mal im Jahre eine solche Anregung zu ermöglichen. DaS ist hier in unbefangener Weise, geschehen und wenn in solchen Kindergeschichten leider ab und zu die Sprache noch immer an jener Rohheit leidet, die eigentlich für die Ohren der Jugend, wie alle» Fluchen, Schimpfen und Schwören forglich vermieden werden sollte, so haben wir e» dabei mit einer Erscheinung zu thun, die eine Zeitverirrung ist. Die Theatrrdirectoren können sich dagegen gar nicht mehr verwahren, denn in der dramatischen Tage«» Uteratur ist ja jetzt ein Dialog üblich geworden, dessen Ton das burschikose, kalauerisirende Rothwelsch aus der „riesigen Heiterkeit* der Bierhäuser und Wacht, ftuben in den Salon hinüberzieht. Da» Publicum hat sich leider bereits an dies« Ausdrucksweste gewöhnt. Madrid, Montag, 8. December. (Tel. d. DreSdn. Journ) DaS Gesammtministerium hat seine Entlassung eingereicht. Cetinje, Sonntag, 7. December, Mittag». (W. T. B.) Der montenegrinische Posten bei Velika, 300 Mann stark, wurde am 2. d. von an geblich mehreren Tausend Albanesen überfallen und hart bedrängt, weShald 4 bis s Bataillone Montenegriner in Action treten mußten. Die Albanesen wurden schließlich zurückgedrängt. Die Verluste sind auf beiden Seiten nicht unbeträcht lich. Seiten der Regierung sind 2 Bataillone zur Verstärkung abgesandt. Weitere Details fehlen noch. Bukarest, Sonntag, 7. December, Abends. (W. T. B.) Die Kammer hat heute mit 71 gegen 42 Stimmen beschlossen, die Eisenhahnvorlage in Erwägung zu ziehen; die definitive Annahme der selben erfolgt voraussichtlich schon morgen. Es gelten einige Abänderungen der Vorlage für wahr scheinlich, die jedoch nicht daö Wesen des Gesetzes berühren, sondern demselben eine größere Trag weite sichern sollen. Sofia, Sonntag, 7. December, Vormittags. (W. T. B.) Die Auflösung der Nationalversamm lung hat die Oppvsitionkpartei in große Bestür zung versetzt; daS bisherige Ministerium wird bis auf Weiteres im Amte verbleiben. Dresden, 8. December. Die neulich an dieser Stelle mitgetheilten Aus lassungen Heinrich v. Treitschke's über die Juden- frage in Deutschland sind begreiflicher Welse nicht ohne Erwiderung geblieben. Wenn diese Acte der Abwehr einen theilweije persönlichen Charakter iragen, so macht dies die Kampfweise das angreifenden Autors einigermaßen erklärlich. Wir betonten damals, als wir denfelben citirten, die Subjektivität der Anschauung, welche fein hervorragendes literarisches Talent nur um so glänzender zur Entfaltung kommen ließ, und glaub ten den Aufsatz der „Preußischen Jahrbücher* feinem ganzen Wesen nach am deutlichsten als „Stimmungs bild* charakterisiren zu müssen. Ein polemischer Ar tikel der „Schlesischen Presse* meint denn auch einen Unterschied machen zu dürfen zwifchen dem „be rühmten Historiker und Reichstagsabgeordneten" und dem „Journalisten" Heinrich v. Treitschke. Es ist hier nicht der Platz, die Gelehrtenqualität des Ge nannten zu untersuchen; aber zweifelhaft erscheint es denn doch, ob seine Eigenschaften als Geschichtsforscher und als Publicist so wenig einander decken, daß sie zur, wenn auch nur ironischen, Requisition eines „Namensvetters* Anlaß geben. Die „SchlesischePresse" hatte sich bisher mit der Annahme getröstet, „die Juden hetzen seien vor 4 oder 5 Jahren von der ultramon tanen KaplanSpresfe mit jesuitischer Schlauheit ange zettelt worden, um die Erregung gegen die Uebergriffe der römischen Hierarchie auf eiu anderes Wild, die Juden, abzulenken, ein Plan, der nur zu gut geglückt ist." Jetzt bekennt sie ihren „Jrrthum"; denn sie kehrt, obgleich der Aufsatz nach ihrer Meinung eine „Fluth unbewiesener Schmähungen" enthält, immer wieder zu dem Refrain: „Und Hr. v Treitschke ist ein ehrenwerther Mann* zurück. „Ein Historiker von dem Range des Professors v. Treitschke, dessen Beruf in tiefster Gerechtigkeltsliebe wurzeln, der ras Martyrium Israels aus der Geschichte kennen und der die schwere Schuld des Christenthums au einem Volks stamm, auS dem Jesus und die Apostel hervor gegangen sind, aufs Schmerzlichste beklagen muß", dürfe nicht „einen wehrlosen Bruchiheil des deutschen Volkes dem Hasse und d:r Verachtung der ganzen Nation Wenn ich sie bei Gelegenheit dieses Stückes, in dem sie keine beträchtliche Rolle spielt, ierwähne, so geschieht es nur, weil viele ältere Personen im Publicum sich die sittlich ästhetische Empfindlichkeit gegen Dergleichen frisch er halten haben, die allgemeine Zuchtlosigkeit der modernen Theatersprache aber als einen Entlastungsgrund leicht übersehen. Wenn sich in dieser Beziehung unsere Gegenwart im Vergleich zur Vergangenheit geändert hat, so »hat sie rS auch in Rücksicht auf den Theaterbesuch k^r Jugend. Während sich viele Kreise der Eiwachienen mit un rühmlichem JndifferentiSmus und mit materiellem Ge schmack von der Bühne zurückziehen und die dramatische Poesie vernachlässigen, findet man heuizutage unreife Kinder im Theater, obgleich die Opern und die Stücke, welche die lieben Aeltern für sie ausgesucht haben, weder für daS Herz noch für den unreifen Geist der Jugend paßen. Nervenüberreizung und leidenschaftliche Erregun gen können nur dazu beitragen, ihre Phantasie zu er schöpfen, ihr Gemüth zu vergiften. DaS geschieht jetzt Alle» in der Absicht, der Jugend bei Zeiten große Eindrücke zu gewähren — man könnte ebenso gut einem Säugling zu seiner schleunigen Entwicklung, statt der Muttermilch, ein opulentes Diner einlöfseln wollen. Man sollte alauben, Mephisto habe in sarkastischer Laune diese» Erziehung-system erfunden, um recht viel blasiite Menschen herauSzutrufrln. Statt dessen hat r- nur die Verschrobenheit und Gedankenlosigkeit gethan. Mit Vergnügen steht man im Gegensatz zu solchen Verirrungen die Kinder sich in einem dramatisirten Märchen unterhalten, da» noch den Vortheil hat, ihnen, al« rasch vorübergehend, keine Uebermüdung zu be reiten. DaS kleine Stück war sehr fleißig einstudirt, preiSgeben". Ein Historiker von der Bedeutung deS Hrn. v. Treitschke müsse auch w ssen, „was die Juden in den Schmutzwinkel des Wuchers gedrängt hat, in dem beiläufig heute nur ein verschwindender Bruchiheil derselben verhaut, und daß ihnen am allerwenigsten ein „„christlicher*" Geschichtsforscher hieraus einen Vvlwurf machen darf." Der Artikel der „Schlesischen Presse" schließt mit einem langen Citat aus einer Schrift des „berühmten Botanikers" M. I. Schleiden, „eines Christen, der seiner Confession zur Ehre ge reicht", betitelt: „Tie Romantik des Mariynums bei den Juden im Mittelalter". Wir müssen uns auf die Wiedergabe zweier Stellen beschränken. Schleiden sagt: „Nehmt allen Jammer zusammen, den weltliche und geistliche Despotie mit ihren Henkersknechten Eimelmn und Nationen zugefügt haben, meßt, wenn ihr es könnt, die Thränenströme, welche Menschen je über verküm merte Existenz, über zertretenes Glück, über fehlge- schlagene Hoffnung vergossen haben; veraegenwärugt euch die Marter, welche eine überreizte Pdantasie in den tausend Heiliqenlegenden zum Seelenschauer der Gläubigen ausgemalt hat, ihr erreicht noch nicht den ganzen Umfang des Elends, welches das Märtyrervolk mehrere Jahrhunderte hindurch, still mit flehentlicher Duldermiene erfahren hat. Als wenn sich alle Mächte der Erde verschworen hätten — und sie hatten sich wirklich dazu verschworen —, den jüdischen Stamm aus dem Kreise der Menschen zu vertilgen, oder ihn in eine verthierte Horde zu verwandeln, so haben sie ihm zugesetzt. Zu den Wunden, den Faustschlägen, den Fußtritten, den Scheiterhaufen kam noch der Hohn hinzu. Und dieselben, welche Schmach und Tod über Israel verhängten und so in den Straßenkoth schleif ten, erkannten seine» hohen Ursprung an, verherrlichten seine Vergangenheit, stellten seine Propheten und GoltcS- männer neben ihre „„Heiligen"*, sangen seine Lieder in ihren Gotteshäusern, schöpften aus seiner Lehre Er- srischung und Trost, eigneten sich aber alle diese Herr lichleiten zu, als wenn es ihr Ureigenthum wäre. Sie rissen dem jüdischen Volke die Krone vom Haupte, setzten sie sich auf und beerbten den Lebendigen .... Wenn jetzt die Juden von so manchem Christen ihrer freilich nur theilweife unangenehmen äußeren Erschei- nung wegen doch nur mit scheinbarem Recht, mit Widerwillen angesehen werden, so muß der Christ nie vergessen, wer die Schuld an ihrem heruntergekomme nen Zustand trägt. Der Christ steht gegenwärtig dem Judenthum gegenüber wie ein Mann der Asche und den rauchenden Trümmern eines herrlichen Tempels, den er selbst in Brand gesteckt. Wenn noch eine Faser sittlichen Gefühls in ihm zuckt, so muß ihn Reue und tiefe Scham erfüllen, und er muß alle Mittel ergreifen, um frühere Schandthaten zu füünen." — Weniger emphatisch, aber m«t schärferen geistigen und moralischen Waffen kämpft oer Rabbiner der israelitischen Gemeinde zu BreSlau, vr. M. Jo«l, in einem „offenen Brief an Hrn. Prof. Heinrich v. Treitfchke*. Derfelbe erinnert an die bekannte Geschichte, nach welcher eine in ihrem Gewissen beunruhigte Danie lange über die Buße nach dachte, die sie sich auferlegen könnte, bis sie dann nach Verwerfung aller übrigen Sühnmittel auf den glück lichen Gedanken kam: „Ich werde mein Gesinde ein paar Tage fasten lassen." Prof. v. Treitschke mache es nicht anders; er schaffe sich „einen Sündenbock, die Juden." So spreche nicht ein Historiker, sondern ein Pamphletist. Es heißt dann wörtlich: „Sie gehören zu den Männern, die mit dem Herzen schreiben, und das giebt Ihrer Schreibweise etwas Packendes, aber das poetus ist doch ein gefährlicher Führer, cs macht leidenschaftliche Rhetoren, aber keine Lehrer der Wahr heit. Sic haben darin große Aehnlichkeit mit dem von Ihnen geschmähten Börne. Ihr Patriotismus braucht sich nicht zu schämen, neben den eines Börne gestellt zu werden Börne liebte fein deutsches Vaterland mit die Balletseene gelang allerliebst und die junge Welt verließ das Haus in fröhlicher Befriedigung. O. B. * Den Musikfreunden w.rd die Nachricht willkom men fein, daß feiten deS hiesigen CouservatoriumS für Musik auch in dieser Saison zwei Soirven für Chorgksang L eupeNa veranstaltet werden, in denen ältere und neuere, kirchliche und weltliche Chorwerke deutscher und Ualicnischcr Componisten durch die erste Chorklasfe des CouservatoriumS unter Leitung des Herrn Kapellmeisters I)r. Wülluer zur Ausführung kommen. Die erste Soirve soll am 17. December im Saale des „Hotel de Saxe" g.geben werden. Die Wahl dieses LocalS war lediglich deswegen geboten, weil der Böiseufaal sich für den zahlreichen Besuch, den diese trefflichen und anziehenden Productionen voraussicht lich finden werden, zu klein erweisen würde. Die übrigen öffentlichen größeren Musikabende deS Conser- vatoriumS werden, wie früher, im Börsensaale statt finden. B. * „Geschichte der sächsischen Kirchen- und Schul Visitationen von 1524 bi» 1545", umfassend: die Visitationen in den heutigen Gebietstheilen der Königreiche Preußen und Sachsen, de- GroßhcrzogthumS Weimar, der Herzogthümer Gotha, Meiningen, Altenburg, deS Herzogthum» Braunschweig und der Fürstenthümer Schwarzburg-Rudolstadt, Sondershausen, Reuß und ä. L. Quellenmäßig beaibeitet von C. A. H. Burk hardt, vr. pk, großherzogl. sächs. Oberarchivar und Archivrath, Herzog!, sächs. gemeinschaftl. Archivar. Leipzig, Verlag, von Fr Wilh. Grunow. 1879 — so lautet der Titel emeS Buche», da» bezüglich de» kirchenge- einer Gluth, die selbst in seinen Scheltworten lodert. Aber Börne ist dennoch mein Mann nicht. Und wissen Sie warum? Aus demselben Grunde, aus dem auch Sie mein Mann nicht sind. Wie man gesagt hat: Timeo viriiin uuius libri, so fürchte ich Alle, die von einer Idee, und sei es auch die edelste, so besessen sind, daß sie für Anderes absolut kein Auge haben. Börne war ein Monomane der Freiheit, auch Sie sind ein Monomane, ein Monomane der nationalen Idee. Sie sind der Letzte, der die im Eiser für seine Idee von Börne vorgebrachtcn Ungehörigkeiten mit „„schamlos** bezeichnen durste. Waren Sie denn so decent, als Sie, eiu geborener Sachse, 1865 schrieben: „„Wer weiß, in welcher Felsenspalte der sächsischen Schweiz man die dareingeworfene Krone des Haufes Wettin suchen müßte?"" Ich gestehe, daß, so sehr ich damals auf Ihrer Seite stand — erschrecken Sie nicht, ich meine nur mit meiner preußischen Gesinnung —, ich ein sol ches Wort über sein angestammtes Königshaus von einem gebormn Sachsen für unpassend hielt. Sie fcheinen wuklich mn Schopenhauer, dem philosophischen Thersites, zu glauben, daß die Abwesenheit oder An wesenheit der voreouirlliL sich blos nach der Unbehol fenheit oder Eleganz des Ausdruckes richtet. Doch nein, das glaube» Sie nicht. Aber Sie sind ein Feuer kopf alius Fanatiker, der Alles versengen möchte, was der ihn beherrschenden Idee wirklich oder vermeintlich in den Weg tritt. Nur so kann ich es mir erklären, daß ein Mann von Ihrer Gelehrsamkeit und Ihren Talenten bei der Loosung: Hie Lessing! Hie Marr! sich für Marr entscheidet. Denn das glauben Sie doch wohl selbst nicht, daß Ihre Verwahrung gegen die Rohheit der Judenhetzer uns beruhigen kann, daß es uns etwa blos darum zu thun ist, statt im Rothwälsch der Pöbelsprache, in elegantem Prosesforendeutsch abgethan zu werden. . . Aus die Gefahr hin, daß Sie als gewohnte jüdische An maßung bezeichnen werden, wenn ich es wage, einen Professor der Historie aus seinem Gebiete zu belehren, werde ich historisch. Nicht von Kant, wie man wohl fälschlich sagl, mit dessen Lehren aber die edelste Fröm migkeit sich verträgt, sondern von Hegel fing das Spiel an. Sein sogenannter Pantheismus war ein ver schleierter Atheismus, sein System eine heidnische Theogonie, bei der freilich keine Götter geboren wur den, sondern sich selbst vergötternde Menschen. Und diese sich selbst vergötternden Menschen nannte man das „„junge Deutschland"*, welche das Geheimniß des Lehrers unter die L-ute brachten. Es ist wahr, daß die Hegel'sche Philosophie, als ihr wahres Gesicht erschaut wurde, in Deutschland ihren Credit verlor, aber leider nicht, um einer Gott zugewendelen Philo sophie Platz zu machen, sondern um zu einer verbesser ten Auslage des 8)8teme ü« la natur« zu führen. Haben dabei wirklich die Söhne der „„hosenverkaufen den jüdischen"* Menschen so beträchtlich mftgewirkt? Haben die Aeltern von Feuerbach, Moleschott, Vogt u. s. w. mit Hosen gehandelt? Oder ist der Fanatiker des Atheis mus, Schopenhauer, ein Jude gewesen? Wissen Sie, was er war? In der Judenfrage tiefer blickend, als Sie. Weil er die Goltesidee bitter haßte, darum haßte er ebenso bitter „„die Schweizergarde des Theismus**, die Juden. Ebenso scheinen Sie der Wirksamkeit David Strauß', v. Hartmann s und andererseits Häckel- Tarwin'L weniger Einfluß beizumessen, als dem Witze der jüdischen Literaten, deren Namen Sie selbst vielleicht an zugeben in Verlegenheit waren. Tag ich es für stech hatte, wenn ein jüdischer Literat das Christenthum bewitzelt, dürfen Sie mir glauben. Aber die tiefe Quelle des Uebels unberührt lassen und vereinzelte Taktlosigkeiten jüdischer Scribenten in dunkeln Andeutungen denunciren, ist, ich muß es leider wiederholen, nicht Sache euieS Historikers, son dern eines Pamphletisten." Diese literarische Kritik ist ebenso vernichtend, als sür gewisse Kreise, die sich schichtlichcn Materials die Beachtung der Fachmänner auch sür die sächsischen Lande, zu finden verdient. * Kretschmer's Oper „Die Folkunger* ist in Augsburg mit glänzendem Ersolg gegeben, und gleich günstig ist dessen Oper „Heinrich der !t!öwe" in Rostock ausgenommen worden. * Das dänische Kriegsschiff „Fylla", welches wäh rend der Fijchsangsjahreszeit an der Küste von Island stativnikt war, hat verschiedene Tiesjeemessungen angcstellt und interessante Bemerkungen über die Strö mungen und die Temperatur deS Polarmeeres gemacht. Tas eine Mal kam man, wie die „Nature* mitlheut, im Eise so weit nach Norden, daß man von 2 Faden unter der Oberfläche bis zum Grunde kaltes Wasser (d. h. unter dem Gefrierpunkt) sand, wodurch die bi» jetzt noch nicht genügend sichergestellte Existenz eines eiskalten Polarstromes bewiesen wurde. Die Ausdeh nung des Polareises ist sehr veränderlich, denn zur Zeit, als die „Fylla" vom isländischen Nordcap au- viele Meilen direkt nordwältS in offenem Wasser vor dringen konnte, wurde ein Postdampfer vom Eise ge hindert, in den Ofjord einzufahren, und ein französischer KriegSdampfer 5 Meilen von der Küste entfernt im Eise festgehalten. Wahrend der ganzen Zeit begegnet« man einer großen Menge Treibholz, welche» zunahm, je mehr man nach Norden fuhr. * Das unter englischer Oberhoheit stehende Inselchen Pitcairn, welches mehr durch die merkwürdige Ge schichte seiner Bevölkerung, als durch seine Lage, Größe rc. bekannt geworden ist, wurde »m Juli d. I. von dem englischen Kriegsschiffe „Opal* unter Capitän Robin son'» Commando ausgesucht. Da- Schiss überbrachte den Insulanern al» Geschenk der Königin Victoria eiu«