Delete Search...
Dresdner Journal : 05.09.1880
- Erscheinungsdatum
- 1880-09-05
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188009057
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18800905
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18800905
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1880
- Monat1880-09
- Tag1880-09-05
- Monat1880-09
- Jahr1880
- Titel
- Dresdner Journal : 05.09.1880
- Autor
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
.v 207 Sonntag, den 5. September. >880. lm 4«ut»ek»L L«ted«: dttkrlieb: . . tS K»rlr. ^jLdrlied: 4 K>»rlc 50 kf. Lmretoe Hummern: ly Pf. 4a»»«rluUd deideutscbeo keicke» tritt?o»t- und Ltempelruscblit^ bio»a. Inseratenpreise r kür den kaum einer gespaltenen ketitreiie 20 kk. Outer „Lingssaoät" dis Leit» LO kk. Lrseketnen: Bigliel» mit Xnsnaiims der 8oon- und keisrtage XCencis sgr »len folgenden lag. Dres-nerAournal. losvraleuannalime ansnllrts: L«tp»>g: d-r. Lrundstecte,, Ou:uiu>.--I»,uur dos l>res<loer donrnu^: S»mdnrg->«rlla Visu l-eiprig L»,«l-Lr«,I«u?r>»nl,f» t U ; ^aa«e»u>t«i» L ,- Lsriin V/iea » .wunrg- rnng-l^tpiig-kr»ullturk « IU Llünck^n: L«rIM:§Hi»Ä!',/»>i u^d<'>,du»/ Lr«m»u: F §c/t/ottr Lr«»>»u: /, AtanAttt « llün nu; vkewuilr: /r. koiAt; kr^Lturl ». ».: F ^«rAer^selie u. F <>'. 7/e,,m<i,iu- soke ttucbb»adliin^; üörlitr: k- L/ü/ic», Laimovsr: 0 §cii,«> / ' ?»ri» L«rltn-?r»lll»kurt » U Stuttgart: Daud« Ou,- Lamdurg: F L7e«dAe»i, ^4d. Äeiner. Verantwortliche Redaction: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. Herausgeber: kvnigl. Expedition des dresdner douruals, Dresden, /«ingvrstrusse Ao. 20. Amtlicher Theil. Dresden, 27. August. Se. Majestät dec König hat allergnädigst geruht, dem Forstrnspector August Friedrich Schaal zu Grünthal Titel und Rang eine« Forstmeisters beizulegen. Se. Majestät der König hat allergnädigst geruht, dem Bezirksthierarzte August Ferdinand Rosencranz in Pirna das Ritterkreuz II. Klasse des AlbrechtS- ordenS zu verleihen. Nichtamtlicher Theil. u e b e r s i ch t. Telegraphische Nachrichten. ZeitungSschau. (Allgemeine evangelisch-lutherische Kir chenzeitung. Journal des DöbatS. Daily Telegraph. Standard.) TaqeSgeschichte. (Dresden. Berlin München. Wien. Prag. Paris. Haag. London. Kopenhagen. St. Petersburg.) Zur orientalischen Frage. Statistik und VolkSwirthsckaft. Feuilleton. Tagetkalender. Inserate. Beilage. Dresdner Nackrichtrn. Provinzialnachrichten. (Leipzig Chemnitz Zschopau. Pausa. Freiberg. Nossen. Bautzen.) Vermischtes. Sächsische Bäder. S'örseunakdrichten. Telegraphische WitteruugSberickte. Inserate. Telegraphische Nachrichten. Bremen, Sonnabend, 4. September. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Der österreichische Minister deS Auswärtigen, Baron Haymerle, übernachtete, von Norderney kommend, hiersrlbst. Heute früh er folgte seine Abreise nach Friedrichsruhe. London, Freitag, 3. September, Nacht«. (W. T. B) Bei Bkgmn der heutigen Sitzung de« Oberhauses verlas Lord Enfield ein Telegramm, wonach General Robert« die Streitmacht Ajub Khan« angegriffen, zerstreut und 27 Geschütze de« Feindt« erobert hat. Der Feind hat den Argand- abfluß aufwärt« den Rückzug angetreten. Da« Oberhaus nahm die Brgräbnißbill und die Bill über die Haftpflicht der Arbeitgeber in der vom Unterhause amendirten Fassung an. Im Untrrhause erfolgte zunächst die Ankün digung von Anfragen, resp. von Anträgen. Lawson kündigte für morgen eine Anfrage darüber an, ob die Regierung dem Parlament Gelegenheit geben werde, seine Ansicht auszusprechen, bevor im Orient ein bewaffneter Zwang zur Anwendung ge lange. — Cowen wünschte, morgen von der Re gierung die Versicherung zu erhalten, daß die Flotten - macht Englands, wenn dieselbe zu Gunsten der Na tionalität Montenegros verwendet werde, doch nicht gegen die albanesische Nationalität zur Verwendung gelange, und wird ferner morgen die Anfrage an die Regierung richten, ob dieselbe wegen Verbürgung des Restes deS türkischen Reiches eine weitere Zusicherung ertheilen könne. — Lord Churchill will morgen ein Tadelsvotum gegen die Executive von Indien bean tragen, da deren Mangel an Vorsicht die beispiellose Niederlage deS Generals Burrows zuzuschreiden sei. Im Fortgänge der Sitzung brachte Parnell einen Antrag ein, dahin gehend, dem § 8 der Ai- nanzbill die Bill, betreffend die Rrgistrirung der irischen Wähler, welche da« Oberhaus verworfen hatte, anzuhängrn. Der Obersecretär für Irland, Forster, bekämpfte den Antrag als eine zu extreme Maßregel. Forster tadelte in scharfer Weise das Verhalten des Ober hauses und hob hervor, wenn das Oberhaus die Ver achtung des Unterhauses nochmals in ähnlicher Weise documentiren sollte, so dürfte die Zeit kommen, wo es nicht nur rathsam, sondern sogar nothwendig sei, eine Veränderung der Verfassung des Oberhauses in Er wägung zu ziehen. (Lebhafter Beifall feiten der Li beralen.) Das Unterhaus vertrete das Volk; die Mit glieder des Oberhauses hätten ihre Stellung einfach dem Zufall der Geburt zu danken. — Northcote protestirte energisch gegen solche Aeußerungen gegen das Oberhaus, die ihn mit höchstem Erstaunen und Bedauern erfüllten, da sie von einem Minister kamen. Der Antrag Parnell'« wurde schließlich mit 58 gegen 23 Stimmen verworfen und die Special- berathung der Ainanzbill erledigt. Konstantinopel, Sonnabend, 4. September. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Der Sultan hat einen Zradeb erlassen, welchen die Botschafter ihren Re gierungen mitgetheilt haben. Derselbe genehmigt den Beschluß de« Cabinet«, betreffend die Ab tretung de« District« von Dulcigno an Montenegro, jedoch unter Aufrechthaltung des 8lutn8 guo rück sichtlich der von den Albanesen oder Montene grinern besetzten Positionen westlich des Seeö von Skutari. Dresden, 4. September. Wer aus die Zeichen der Zeit achtet, der wird immer und immer wieder finden, daß sich in del Ge genwart eine christliche Strömung aufs Neue bemerk bar macht, welche die allmählich in unser Volk einge drungene heidnische Weltanschauung wegzuspülen be ginnt. Verschiedene Ursachen haben dazu mitgewirkt, diesen Umschwung vorzubereiten. Einmal die Noth der Zeit, denn Noth lehrt beten; sodann die vielfachen Ausbrüche sittlicher Rohheit und wilder Gottentfrem dung, Ausbrüche, dir m immer größeren Kreisen ihre verwüstenden Kräfte versuchten und jede Autorität zu untergraben drohten. Ferner sah man mit Bangen und Trauer, wie trotz unserer vielgerühmten Intelli genz, trotz unserer großen Fortschritte auf allen Ge bieten geistiger Arbeit, der Wissenschaft und der Technik, das Volk immer ärmer ward an innerem Glück und an Zufriedenheit, und man lernte sich vielfach besinnen auf den lange für überflüssig gehaltenen Nothanker der Religion, ohne den der Mensch das stürme- und klip penreiche Meer des Lebens nur mit gar geringer Zu versicht zu befahren vermag, auf die Religion, welche den ganzen Menschen sittlich erneuert und das Volks leben vor Fäulniß bewahrt. Die Religion aber muß, soll sie eine nachhaltige Wirkung üben, auch in die äußere Erscheinung treten und durch die regel mäßige, fortgesetzte GotteSverehrung die Einzelnen immer aufs Neue religiös anregen und vertiefen. Neben der GotteSverehrung am Sonntage, welcher schon im alten Testament als ein Zeichen zwischen Gott und dem Volke charakterisirt wird, erscheint von besonderer Wichtigkeit die Pflege der kirchlichen Sitten. Aus den Werth der letzteren nicht bloS als DarstelluugSmittel, sondern auch als ErweckungS- und Förderungsmittel des kirchlichen Lebens wies vor Kurzem die „Allgemeine evangelisch-lutherische Kirchenzeitung" in einem längern Artikel hin, dessen Schluß die Pflicht betont, das Wenige, was uns von dem reichen, schönen Erbe der Väter ge blieben rst, sorgfältig zu pflegen und darauf zu sehen, daß eS im rechten Verständniß, im Glauben und in der Liebe gehalten we.de, damit das apostolische Wort auch uns gelte: „Ich freue mich, indem ich sehe euere Ordnung und euern festen Glauben an Christum!" Die Luthardt'sche Kirchenzeitung sagt: Das Haus ist in erster Lime die Stätte, wo kirchliche Sitte gepflanzt und gepflegt werden muß. Es gilt z B, die Kinder nicht bloS zum Gebet zu ermahnen, sondern ans Beten zu gewöhnen, Gebete zu lehren, die äußeren Zeichen beim Beten zu erklären und darauf zu sehen, daß AeußereS und Inneres übereinstimmen. Es gilt, die Kinder nicht nur mitzunehmen ins Gotteshaus, son dern auch Verständniß und Ehrfurcht vor den heiligen Stätten und Gebräuchen in ihnen zu wecken. Wenn die Kinder des alten Bundes in den Tempel gingen, sollten sie Fragen stellen über Alles, was sie sahen und hörten, und die Aeltern mußten ihnen antworten. Wie viel mehr sollte dies im neuen Bunde der Fall sein, wo für einen gedankenlosen, unverstandenen Gottesdienst noch weniger Raum ist. Und nicht umsonst stehen in unserm Katechismus die Ueberschriften: „Wie ein Hausvater soll lehren sem Gesinde sich segnen" rc. Auch die Schule soll eine erziehende Pflanzstätte für kirchliche Sitte sein, und ihr ist eine große Macht auf diesem Gebiete in die Hand gegeben. Büchsel erzählt von einem Lehrer, der jährlich einmal seinen Schülern die Kirche erklärte, für Alle ein ganz besonders festlicher Tag, worauf sie schon lange vorher sich freuten. Wenn sie sonntäglich gekleidet, sich in der Schule versammelt hatten, zog er mit Gesang auf den Kirchhof und um die ganze Kirche herum. Dann wurde zuerst der Thurm erklärt, der freilich ziemlich schlecht dabei w-g- kam. Er war ein Bild deS alten Menschen: inwendig ist er hohl, die Glocken sind von Erz und haben kein Gefühl, die Wetterfahne wird vom Winde hin- und hergedreht, die Uhr redet vom Laufe der Zeit; es wohnen keine Nachtigallen und Lerchen darin, sondern nur Eulen, Marder und der Iltis, lauter Thiere der Nacht und des Raubes, und in den kleinen Oeffnungen des Mauerwerks nistet der diebische Sperling, Krähen mit ihrem widerlichen Geschrei fliegen umher und ruhen darauf aus. Nur die Spitze des Thurmes ist das Bild der Sehnsucht, die auch im alten Menschen sich regt und in dem unvertilgbaren Heimweh nach den Hütten des Friedens sich ankündigt. Wenn so der Thurm erklärt war, wurde die Thür zur Kliche geöffnet und unter Gesang zog die ganze Schule ein; Alle sammelten sich zunächst um den Taufstein, und es war sehr erbaulich zu hören, was der Alte hier zu den Kindern von dem Geheimniß deS SacramentS redete. „Hier hat der liebe Gott euch zu seinen Kin dern angenommen und euch zugesagt, daß er euer lieber Vater sein will; hier hat er euch die Vergebung der Sünden beigelegt, und seitdem arbeitet der heilige Geist an eueren Herzen, daß ihr mit euerem himm lischen Vater umgeht im Gebet, ihn über alle Dinge fürchtet, llebt und vertraut, ihm keine Schande, son dern Freude macht und euch euerem hohen Stande gemäß aufführt in der Welt." Die Kinder mußten dann das vierte Hauptstück des Katechismus aufsagen. Die Inschrift um die Kanzel: „Verbuiu äiviuum wanet in ueternum" wurde übersetzt und daran die Ermahnung geknüpft, zu hören auf Gottes Wort, aber auch in Kraft des heiligen Geistes ein Thäter des selben durch Gehorsam, Wahrhaftigkeit, Friedfertigkeit und Fleiß zu werden. Die beiden Lichter auf dem Altar sind das Gesetz und Evangelium, und die Kinder mußten das erste und zweite Hauptstück aufsagen. Der Altar ist der Gnadenthron des Herrn, hier ist er ge genwärtig mit dem ganzen Reichthum seiner Gnade und seines Segens; hier nimmt er die Opfer an, die ihm dargebracht werden, und durchdringt und heiligt und segnet sie mit seiner Kraft und Gnade. Wie heilig ist diese Stätte, sie ist die Pforte des Himmels! Ehr furchtsvoll bekannten nun die Kinder das dritte und das fünfte Hauptstück. Das Schnitzwerk am Altar, die Bilder, das Kreuz, womit derselbe geschmückt war, gaben dann reichlich Stoff, die biblische Geschichte an schaulich zu machen. Der Kronleuchter mit seinen zwölf Armen mußte ein Bild der zwölf Apostel sein; die Kinder mußten sie nennen. So wurde Alles erklärt, was in der Kirche zu sehen ist, bis auf den Klingel beutel an der Wand und auf die Todtenkronen und Kränze, bei denen er auf die Kronen hinwies, welche die Seligen im Himmel tragen; und manchem Kinde wurden die Augen naß, wenn der Alte von den Heim gegangenen Aeltern und Geschwistern redete, die er zu Grabe gesungen hatte. Wie segensreich, wenn so überall das Verständniß für die heiligen Stätten und Ge bräuche geweckt und gefördert würde! Es würde dann der Gottesdienst nicht so oft zu einem gleichgiltigen, gedankenlosen Werkdienste herabsinken; es würde nicht so manche köstliche Perle, die wir in unseren kirchlichen Einrichtungen und Gebräuchen besitzen, verächtlich weg geworfen werden mit den Worten: Wozu der Unrath i Wenn auch hier und da und dann und wann die Pre digt nicht erbaute, die Kirche selbst würde erbauen und gottselige Gedanken erwecken, und es würde auch unter uns zur Wahrheit werden: „Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses und den Ort, da deine Ehre wohnet." Darum sollten die Geistlichen, die an erster Stelle dazu verpflichtet sind, jede sich ihnen darbietende Gelegenheit benutzen, m das Verständniß und in die rechte Uebung der kirchlichen Sitten und Ordnun gen ernzuführen. Es wird der Predigt unter Umstän den keinen Schaden thun, wenn sie nicht auf das Ge biet des innern Geisteslebens sich beschränkt, sondern auch Anweisung giebt, daß und wie das innere Leben sich in die rechte Form und Gestalt kleiden und dar stellen soll; wenn sie z. B. daran erinnert, daß Knie bänke vor und neben dem Altar nicht zum Stehen da sind, daß die Betglocke nicht Zeichen für Anfang und Ende der Feldarbeit, sondern eine Mahnung zum Ge bet sein will u. s. w. Ganz besonders ist der Cow sirmandenunterricht der Ort, wo die kirchlichen Sitten erklärt werden sollen Es ist ja die Confirmatlon nicht blos die Bestätigung des Taufbundes, sondern auch Aufnahme in die kirchliche Gemeinschaft; daher muß in der Vorbereitung den Confirmanden Anweisung und Anleitung gegeben werden, wie sie ihr geistliches Leben in der kirchlichen Gemeinschaft selbstbewußt und selbstthätig beweisen und fördern können. Sie sind in den Sinn der einzelnen Stücke des Gottesdienstes und der heiligen Handlungen einzuführen, zu kirchlichem Anstand zu gewöhnen und vor Allem zum Beten nicht nur zu ermahnen, sondern zu erwecken und im Beten zu üben. Auch die Gebetskunst will erlernt sein, und jeder Seelsorger kann es erfahren, daß viele deshalb nie zu einem rechten Beten kommen, weil sie keine Anleitung dazu gehabt haben. Man nehme daher nicht im Mindesten Anstand, Gebete auswendig lernen zu Feuilleton. Kedigirt von Otto Banck. Au« Beethoven « Leben. Im Verlage von Ernst Ludwig Günthrr's Nach folger in Leipzig ist nun Ludwig Nohl'S 2. Abthei- lung vom 3. Band, die letzten zwölf Jahre Beethoven's umfassend, erschienen. Die„Bohemia" theilt aus dem Inhalt desselben einige höchst interessante, wichtige und von Nohl detaillirter und lebendiger, als bisher behan delte Episoden mit und bemerkt zugleich: Der bekannte Kunst- und Musikhistoriker hat Alt» meister Beethoven einen guten Theil seines Forscher lebens geweiht und mit der 2. Abtheilung des dritten Bande« seine an interessanten Detail« reiche Beethoven- biogrophie abgeschlossen. Dieser Schlußtheil des Wer ke« behandelt de« Meister« letzte Jahre (1824—1827) und führt un« so recht ein in das geistige und leib liche Wirken und Weben de« alten griesgrämigen Mei sters zu Wien. Nohl erzählt zunächst von einem Opernprojecte. Es handelte sich um eine „Melusine" für die Wiener Oper. Die beiden Hauptpartienwaren der munteren Karoline Unger und der schönen, damals in frischer Jugendblüthe stehenden Henriette Sontag zugrdacht. Der „Misogyn" Beethoven entschloß sich zur Annäherung an die beiden Schönen. In den Conversation«heften deS tauben Meister« ist sein« Un terhaltung mit beiden Sängerinnen ausgeschrieben, deren Begegnung dem Greise sehr wohl gethan zu haben scheint. Karoline Unger, die Schindler al« „ein Teu fel-mädchen, voll Feuer und Offenherzigkeit" charak ¬ terisirt, kleidete ihr wehmüthiges Gesühl dem tauben Misanthropen gegenüber in neckische Heiterkeit, und da« erfreute diesen; ebenso anmuthig scheint sich die Sontag — Schindler nennt sie „ein Mädchen von seltenem Fleiß und seltener Bildung" — dem Meister gezeigt zu haben. Schwieriger waren die Unterhand lungen mit Grillparzer, der mit seinem Texte zur „Melusine" nicht das Rechte treffen konnte. Im Win ter 1823—1824 galt die Oper schon als fertig, aber es kam doch nicht zur Vollendung. Andere große Projekte verdrängten das Opern- project, die beiden großen Akademien, die Beethoven in Wien gab, traten in den Vordergrund de« Interesses. Die „guten Wiener" mußten erst manchmal durch einen Rippenstoß mit der Feder der damaligen Beethoven- begeisterten Kritiker Kanne, I. v. Seyfried u. s. w. daran erinnert werden, daß in ihrer Mitte ein Meister von europäischer Bedeutung lebe, den man in London eigentlich zehn Mal mehr kannte und würdigte, als in Wien. Beethoven lebte in grollender Zurückgezogen heit, und ein Hervortreten in die Öffentlichkeit kostete ihm Opfer, machte ihm Galle und Verdruß. Und in der That zeigte es sich, daß der große Mann, dem der französische König eine goldene Ehrenmedaille verliehen, der in London und St. Petersburg Triumphe feierte, in Wien selbst Steine und Hemmnisse aller Art au- dem Wege zu räumen hatte, wenn e« galt, den Wienern seine großartigen Tonschöpfungen vorzuführen. Dem Särnthnerchortheater, da» für Aufführungen von Ton werken Beethoven'scher Großartigkeit die geeignetste Stätte war, stand der weiland „Primoballerino" Du- port, als „Administrator", d. h. Direktor vor. Beethoven bot für Ueberlassung de« Theater« und de« Chorper ¬ sonals, sowie der Solisten Henriette Sontag, Karoline Unger und Preisinger 400 Fl. Allein der Hr. Administrator verlangte 1000 Fl. und obendrein, daß das gewöhnliche Abonnement und die normalen Preise für die Akademie beibehalten würden. Beethoven machte dem „Primoballerino" wiederholt persönliche Besuche; als aber der Hr. Administrator so rücksichts los war, „Se. Majestät" — so nannte Beethoven's Freund und Famulus Schindler scherzend den schwer zugänglichen Meister — antichambriren zu lassen, lief dieser schnurstracks fort, noch auf der Straße laut schimpfend, so daß der Violinist Böhm hinter ihm her springend alle Mühe hatte, den Wüthenden zu besänf tigen „Ich bin nach dem 6wöchigen Hin- und Her- reden schon gekocht, gesotten und gebraten", schrieb Beethoven. Die drei Freunde Schindler, Schuppanzigh und Lichnowsky hatten den Meister durch List zur Unterzeichnung deS Vertrags mit Duport gebracht; aber Beethoven kam hinterher auf die List und erließ die bekannten drei „Hatti-ScherifS" an die drei Ver schworenen: „Falschheit verachte ich. Besuchen Sie mich nicht mehr. Akademie hat nicht Statt." — „Be suche er mich nicht mehr. Ich gebe keine Akademie." — „Besuchen Sie mich nicht mehr, al- bi» ich Sie rufen lasse. Keine Akademie." „Se. Majestät* be ruhigte sich allmählich, und die Proben begannen. Neue Talamitäten. Der Meister wollte nichts ändern und die Sänger konnten nicht Alle-, wie er wollte. Die Unger, „Jette" Sontag und der Bassist Pre,- singer, beide Letzteren gute Bekannte der Prager älterer Generation, waren höchst bereitwillig. Die „beiden Schönen" besuchten Beethoven und wurden von dem „alten Junggesellen" mit einem Wust von Entschuldigungen empfangen. „Ich bin nicht gekom men" — meinte die kleine Jette — „um gut zu essen, sondern um Ihre werlhe Bekanntschaft zu machen, worauf ich mich so lange gefreut." Bei den Vor proben in der Wohnung zeigte sich schon eine Serie von Schwierigkeiten. Schindler berichtet darüber recht launig: „Als das „Christel* im Kyrle (der 6-Messe) in seinem breiten Rhythmus mit Pfundnoten mtonirt werden sollte, da erlahmten beide schönen Hexen und begannen mit dem Meister zunächst, um das Tempo dieses Satzes zu unterhandeln, es bewegter wünschend. Abgeschlagen. Als es mit dem Symphoniesatz Ernst geworden und der Meister in gar teure der erbetenen Aenderungen willigen wollte, da trübte sich der Hori zont und Karoline Unger hatte den Muth, den obsti naten Meister geradezu einen Tyrannen aller Sing organe zu nennen. Beethoven erwiderte lächelnd, sie seien Beide durch die italienische Musik verwöhnt, darum ihnen solche schwer falle. ... „So quälen wir uns denn in Gottes Namen werter!" endigte die Sontag diese DiScussion. Mad. Unger selbst schreibt: „Ich erinnere mich meiner übermüthigen Bemerkung, daß er nicht für Singstimmen zu schreiben verstehe, weil mir eine Note in meiner Partie der Symphonie zu hoch lag. Darauf antwortete er: „Lern's nur! wird schon kom men die Note!" Am Tage des Concert« meinte Schind ler: „Wegen der Sontag ist mir gar nicht bange, die sagte: „„Da setze ich meinen Kopf zum Pfände, daß auch Abend« keine Note fehlt"" — sie hat doch Courage, allein die Mamsell U fühlt sich zu schwach." Es ging aber doch. Alle genannten Kräfte, sowie der nochmals so be rühmte Haizinger thateu ihre Schuldigkeit. Der Tag der Aufführung war ein bedeutsamer in Beethoven'«
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- Thumbnail Preview