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Dresdner Journal : 13.10.1880
- Erscheinungsdatum
- 1880-10-13
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188010132
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18801013
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18801013
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1880
- Monat1880-10
- Tag1880-10-13
- Monat1880-10
- Jahr1880
- Titel
- Dresdner Journal : 13.10.1880
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^?23» Mittwoch, dm ii!, October. 1880. zdo»»—e»t«prvt«r I» x»r>,— s,7>r»ed»» N«t«L«: 1»t»rlitk: . . 1» K.rtr X^Ldrlied: 4 K«rk Iw?f. Kin»«!»« tt»ww«ra. lv?f Ln—rl»«ld <1—4<-nt»ckm lU-ick^tt tritt ?o«t- ur>6 8temn«lru»etUtt« divaa. Io«er»te»pr«>i8er ^«r 4«» kaum einer xsepalteoeo ketitreile 20 kl. Unter „Lin^e—nät" äis Leit« bv kk. kiielietiear Dt^Iiotl mit Xuinakme <ier 8ovn- nn6 ?eiert»^» L0en<t, tilr lten solsssn6en 1»«. Dres-lM'Zlmrllm. In»-er»tei»in„»>>me un««ii> i». I^ipii«: />>. /»r<i,«,/>i< "<,. « >>.- u- <t-> Ureactovr ^»uiuut«; 8»mdarff -B«rUn Vi«a l.«ip»« L«»«I -Sr»»!»« Vrn»I<tu>t ». U r ^iki«e»t><o>>»> L / L«rUu Vioo-L.mkur«- ^r«o>ikurt « « HlüneUvu: ^u>i ; 8«rtin:>§ LiemiU" / : >r<-«l»u^ » t!ur> !U>; 0d«wmrr /<>. ! kr»llkkurl a. H.: 7-7 ./aeArr'^etie ». .> 17 //rirman»- »et>e Nneöü»ncII»n«; OdrUt»: 17 >, N»Q»vv«r! <7. 8<7i"> k»r>« Lerlin-rrantlturt » ll Slaltxart! /-„K-e L ^v.,' Lamdarx: Steiner. Verantwortliche Redaction: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. Her»»««oder K6ni«l. k!xpe6ition 6e» I>r,v6ner lovvitl», >>r«^<Ien, Lvinss« rxtrtt»,.« lio. 20. Amtlicher Theil. Dresden, 12. October. Se. Majestät der Kön ist heute früh 8 Uhr von Schönbrunn in der Köni lichen Villa zu Strehlen eingetroffen. Nichtamtlicher Theil, uebersich 1. telegraphische Nachrichten. ZeitungSschau. (Elsaß-Lothringische Zeitung.) TageSgeschichte. (Berlin. München. Stuttgart. Wien. Prag. London. Christiania. St. Petersburg. Bukarest. Teheran. New-Dort.) Zur orientalischen Frage. Ernennungen, Versetzungen re. im öffevtl. Dienste. Betriebtrrgebniffe der tönigl. StaatSeisenbahnen. (Kohlentransport.) Dresdner Nachrichten. Provinzialnachrichten. (Leipzig Oschatz Chemnitz. Zwickau. Pirna. Königstein.) Statistik und LolkSwirthsckast. EingrsandteS. Feuilleton. LageSkalender. Börsennachrichten. Telegraphische WitternngSberickte. Zuserate. Lelegraphische Nachrichten. London, DienStag, 12. October. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Die „TimeS" beglückwünschen Europa zu der glücklichen Lösung der montene grinischen Frage. Die Pforte habe durch ihren Beschluß, Dulcigno bedingungslos zu übergeben, gewissermaßen mit Europa sich wieder auf einen guten Kuß gestellt. Die plötzliche Lösung der ver bleibenden Fragen könne jetzt billigerweise nicht »erlangt werden. St. Petersburg, DienStag, 12. October. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Die außerhalb verbreitete Mittheilung, daß eine Conferenz kaufmännischer Delegirter bei dem Minister deS Innern sich gegen daS NoggenauSfuhrverbot und für einen NoggenauSfuhrzoll erklärt habe, wird von brst- unterrichteter Seite alS völlig grundlos bezeichnet. Dresden, 12. October. ES giebt in Europa eine Anzahl mehr oder minder wissenschaftlicher Vereinigungen, denen die Herstellung eines allgemeinen Friedens für unsern Erdtheil oder für die ganze Erde entweder als wirklicher Zweck, oder als Vorwand sür andere, einstweilen noch uuauuge- ig sprochene Zwecke gilt. In die letztere Kategorie ge ig. hören die Friedensligen, welche in volltönenden Be schlüssen und Resolutionen den Regierungen Abrüstung und Entlassung der stehenden Heere aufgeben. Einen größern Anspruch auf Beachtung haben dagegen die jenigen Gesellschaften, welche durch den Versuch einer Lösung irgend welcher bedeutenderer Probleme des internationalen Rechts dahin streben, die Möglichkeiten internationaler Mißverständnisse und daraus entstehen der Zwistigkeiten nach Kräften zu beseitigen. Die end- giltige und allgemein anerkannte Klarlegung aller Fragen des Völkerrechts, die Herstellung eines Oockex juris zsutium, nach welchem die bisher in blutiger Fehde durchgesochtenen Processe der Nationen etwa von einem europäischen Areopag defimtiv entschieden wer den — ist ein Ziel, über dessen Zweckmäßigkeit für die Entwicklung des MenfchengefchlechtS man streiten kann, über dessen Unerreichbarkeit zu unserer Zeit man aber einig sein dürfte. Die Association für Reform und Codification des Völkerrechts, welche in regelmäßigen Zwljchenräumen in Brüssel ihre berathenden Zusammenkünfte abhält, steht nach der Bedeutung ihrer Mitglieder und dem Werthe ihrer Leistungen unzweifelhaft an der Spitze aller derartigen Vereine. Nicht unebenbürtig diefer Association ist das Institut 6s ärvit iuteruLtioual, welches seine rm Jahre 1873 in Genua begonnenen Be- rathungen, einem englischen Rufe folgend, im Sommer diefes Jahres in Oxford weiterführte. Das drohende Auf treten der Nihilisten und Communisten,zuletzt »och der Fall Hartmann, legte eS der Gesellschaft nahe, die Frage derpoli- trfchen und guasi-polrtifchen Verbrechen m den Kreis ihrer Berathungrn zu ziehen. Nihilismus und Com- muniSmuS sollten einem Anträge nach als gemeine Verbrechen angesehen und der Seeräuberei gleichgestellt werden; der Antrag wurde nicht ausdrücklich abgelehnt, sondern nur mit der Motivirung, eine Beschlußfassung darüber läge außerhalb der Sphäre der internationalen Gesellschaft, bei Seite gefchoben. Einer der wichtigsten Punkte in der Frage der internationalen Behandlung politischer Verbrecher ist die AuslieferungSsrage. Es gilt der völker rechtliche Grundsatz, daß politische Verbrecher nicht ausgeliefert werden. So bestimmen es auch für das deursche Reich die Auslieferungsverträge mit Italien vom 31. October 1871, mit der Schweiz vom 24. Juni 1874, mit Belgien vom 24. December 1874 u. a. m. Diefe Bestimmung wäre hinreichend klar und deutlich, sobald feststände, was unter einem politischen Verbrechen zu verstehen ist und wo das gemeine Ver brechen beginnt. Das Institut 6e clroit international hielt sich der neuen Methode der sogenannten polt tischen Verbrecher gegenüber, welche rücksichtslos Tod und Verderben über völlig unpolitische Persönlichkeiten bringen, um dadurch irgend einen politischen Zweck zu erreichen, — für berechtigt und verpflichtet zu erklären, daß jedes politische Verbrechen, welches als Folge oder als Mittel zu seiner Durchführung ein gemeines Ver brechen veranlasse, welches also überhaupt mit einem gemeinen Verbrechen concurrire, auch als gemeines Verbrechen zu behandeln sei; das Institut statu- irte den Begriff des gemischten Verbrechens, des clelit ruixts, und erklärte die Auslieferung von Perfonen, denen ein äslit mixte zur Last falle, für geboten. Es deSavouirte somit den Beschluß der französischen Re gierung bezüglich der Nichtauslieferung Hartmann's, mit dessen Tendenz auch die soeben verfügte gerichtliche Verfolgung Felix Pyat's wegen Vertheidigung des von BerezowSki nn Jahre 1867 gegen den Kaiser von Rußland begangenen Attentats eigenthümtich contrastlrt. Derjenige Staat, welchen diefe Frage vornehmlich berührte, war die Schweiz. Sie hat ja stet- den politisch Verfolgten den umfassendsten Gebrauch deS schweizerischen Asylrechts gewährt, sie war und ist noch die beliebteste Zufluchtstätte aller politischer Flücht linge, und der Schweizer ist stolz darauf, daß seine Berge Jenen sichern Schutz gewähren. Auch England und neuerdings Frankreich haben dem polnischen Ver brecher gegenüber dieselbe weitherzige Praxis geübt. Die Schwerz hat aber, wegen ihrer besondern Stellung im europäischen Staatensystem, in hervorragender Welfe die Pflicht, die bezüglichen Fragen zu prüfen und zu erwägen, ob irgendwelche Modifikationen der bisherigen Behandlungsart einzutreten haben. Deshalb unterzog die Ende September in Bern versammelte schweizerische juristische Gesellschaft die Oxforder Verhandlungen einer eingehenden Erwägung. Die Berathungrn wurden leider nicht zu Ende geführt. Dennoch haben sie auch für uns ein nicht geringes Interesse, weil sie über die verschiedenen Auffassungen maßgebender schweizer Juristen Aufklärung geben. Die Definition des politifchen Verbrechens und die Gren zen des AfylrechtS standen zur Verhandlung. Bezüg lich der letziern Frage hatten sich die schweizer Behör den im Großen und Ganzen den völkerrechtlichen Grundsatz zu eigen gemacht, den Bluntschli in seinem „Völkerrecht civilisirter Staaten" folgendermaßen for- mulirt: „Den politischen Flüchtlingen darf jeder Staat freies Asyl gewähren. Der Asyl gebende Staat ist nicht verpflichtet, aus Begehren deS verfolgenden StaateS die selben auszuliefern oder wegzuweifen. Aber der Asylstaat ist verpflichtet, nicht zu gestatten, daß das Asyl dazu mißbraucht werde, um die Rechtsordnung und den Frieden anderer Staaten zu gefährden, und verbun den, diejenigen Maßregeln zu treffen, welche nöthig sind, um solchen Mißbräuchen zu wehren." Demge mäß wurde der bekannte Herr Gehlsen aus der Schweiz verwiesen, die anarchistische Zeitung „Avant garde" wurde unterdrückt, ihr Redacteur gerichtlich be straft. Die endgiltige Entscheidung, ob eine Handlung geeignet ist, die Rechtsordnung und den Frieden an derer Staaten zu gefährden, steht nach der neuen Ver fassung nicht mehr den Cantonsbehörden, sondern dem schweizer Bundesgericht zu. Dasselbe hat in dieser Beziehung, wie die obigen, leicht zu vermehrenden Bei spiele zeigen, in letzter Zeit eine den Ansichten und Interessen der übrigen europäischen Staaten meist ent- sptechende Auffassung an den Tag gelegt. , Der Kern der ganzen Frage und demnach auch der Hauptgegenstand der Verhandlungen des schweizer Juristentages ist und bleibt jedoch, wie die „Elsaß- Lothringische Zeitung," zutreffend bemerkt, die Feststellung der Grenze zwischen dem politischen und dem gemeinen Verbrechen, d. h. wS Praktische über setzt: welche Flüchtlinge sind wegen Verbrechen, welche sie vor ihrem Eintritt in das Schweizergebiet begangen haben, aus Requisition eines andern Staates an diesen auszuliefern. Die Stellungnahme der schweizerischen juristischen Gesellschaft zu diefer Frage wäre um fo bedeutungsvoller gewefen, da die Entscheidungen der selben in der Schweiz eine fast autoritative Geltung haben. Der eine Theil der Versammlung, an deren Spitze der angesehene Berner Staatsrechtslehrer Prof. König stand, schloß sich der Resolution des Oxforder Congresfes an und befürwortete ein AuselnanderhaUen von politifchen und gemeinen Verbrechen; der andere Theil wollte von einer Definition des politischen Verbrechens und einer dar aus resultirenden Beschränkung deS Asylrecht- durch aus nichts wissen. Ein Mitglied äußerte unverhohlen, daß auch Mocdthaten, welche in Ausfluß politischer Bestrebungen erfolgt seien, keinen Anlaß zur Aus lieferung gewähren dürften — und diefeS Mitglied war der Präsident deS schweizer Bundesgerichts, Hr. Morel, also der Präsident derjenigen Körperschaft, welche über jeden Fall der Auslieferung endgiltig zu entscheiden hat. Man wird in der Annahme nicht fehl gehen, daß der Präsident dieses Gerichts die An sicht der Majorität seiner Mitglieder vertritt. ES werden also Menschen, welche Schiffe oder Häuser in die Luft fprengen, welche Eifenbahnzüge unterminiren und sich nicht scheuen, den Tod von Hunderten her- beizusüoren, um dabei vielleicht eine ihnen verhaßte politische Persönlichkeit zu treffen — solche Verbrecher werden stet- in der freien Schweiz eine sichere Rück- zugSlinie haben, ein Zustand, der im Jiiteresse der öffentlichen Sicherheit und der öffentlichen Moral nicht genug bedauert werden und namentlich in den heutigen Zeltverhältnissen schwerlich aufrecht erhalten wer den kann, wenn anders die Schweiz ihre neutrale Stellung im europäischen Staatrnsystem behaupten will. Die Straffreiheit des Meuchelmordes proclamiren — heißt denfelben legalisiren. Es wäre zu wüiischen, daß sich in der Schweiz recht bald die Ueberzeugung Bahn bräche, daß der Zweck niemals die Mittel heiligt; daß nicbt nur solche Massenmörder, sondern jeder po litische Mörder ein Mörder und strafwürdiger Menfch dteibt und daß es der Stellung der Schweiz kaum entsprechen dürfte, durch den Mund ihrer angefehensten Männer und durch das Unheil ihres höchsten Gerichts die legitimen und verfassungsmäßigen Lenker anderer Staaten für vogelfrei zu erklären. Tagesgeschichte. * Berlin, 11. October. Se. kaiserl. und königl. Hoheit der Kronprinz empfing am Sonnabend gegen 2 Uhr den siamesischen Prinzen Pnsdang, welcher im Auftrage des Königs von Siam Sr. kaifer>. Hoheit den Großcordon des weißen Elephantenordens über reichte. — Mit Ihren kaiserl. und königl. Majestäten werden, wie die „N. A. Z." erfährt, den Dombau- feierlichkeiten in Köln beiwohnen: Ihre kaiferl. und königl. Hoheiten der Kronprinz und die Kron prinzessin, Ihre königl. Hoheiten die Prinzen Wilhelm und Heinrich, die Prinzen Karl und Friedrich Karl, der Prinz und die Prinzessin Albrecht von Preußen, Se. Hoheit der Erbprinz und Ihre königl. Hoheit die Erbprinzessin von Sachsen-Meiningen, Se. Majestät der König von Sachsen und, als Vertreter Sr. Ma jestät des Königs von Württemberg, Se. königl. Hoheit der Prinz Wilhelm von Württemberg, Ihre königl. Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin, der Erbgroßherzog und die Prinzessin Victoria von Baden, die Großherzöge von Sachsen, Oldenburg und Mecklen burg-Schwerin, sowie für den Großherzog von Hessen der Prinz Heinrich von Hessen; Ihre Hoheiten die Herzöge von Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg. Sachsen-Koburg-Gotha und von Anhalt, Se. königl. Hoheit der Landgraf Friedrich von Hessen und Se. Hoheit der Prinz Friedrich Wilhelm von Hoffen, Ihre Durchlauchten die Fürsten zu Waldeck und Pyrmont, von Schwarzburg-Rudolstadt, zu Lippe Deimold, Reuß ä. L. und der Erbprinz von Hohenzollern königl. Hoheit, sowie ferner die Bürgermeister der freien und Hanjestädte Bremen, Lübeck und Hamburg, das gejammte StaatSmini- sterulm, das Präsidium des Reichstags und beider Häuser des Landtags, der Polizeipräsident von Berlin, v. Madai, der Generalseldmai schall Graf Moltke, die commandirenden Generäle des VII. uno VIII Armeecorps, General der Cavallerie Graf Stolberg-Wernigerode und General der Infanterie v. Gäben, und die Generalität deS VIIl. Armeecorps. — Die Beamten des HofmarfchallamtS, welche mit den Ausführungen der Hofsestlichkelten in Brühl besaßt worden, sind vorgestern bereits dahin ab gereist. Der Cnltusminister v Puttkamer begiebt sich morgen nach Köln. — Mit außergewöhnlicher Span nung sieht man den Verhandlungen des deutschen HandelStages entgegen, welcher hier in der nächsten Woche stattfinden soll. Nach der „Köln. Ztg." werden von allen Seiten energische Erklärungen gegen jede FcMtto». Rrdigirt von Otto Banck. A. Hostheater. — Altstadt. — Am 11. Octobcr: „Prinz Friedrich von Homburg", Schauspiel in 5 Acten von Heinrich v. Kleist. So wie die schuldige Pietät gegen daS eminente, so lange verkannte Talent de- unglücklichen Dichters jetzt an der deutschen Bühne immer lebendiger durch Be rücksichtigung seiner drei auch praktisch erprobten Dra men: „Säthchen von Heilbronn", „der zerbrochene Krug" und „der Prinz von Homburg" hervortritt, so wendet sich auch die Schauspielkunst intimer und eingehender der Repräsentation der Kleist'schen Muse zu, welche mit ihrer gesunden, einfachen, wortarmen, aber im Ge genfotze dazu poefie- und empfindungsreichen Sprache dem musikalischen Ueberschwung anderer großer Dich- tungrn em segensreiches Widirspiel hält. Diese knappe realistische Prosa, welche dem Ge danken und dem leidenschaftlichen oder zarten Gefühl einen direkten Ausdruck giebt, aber der geistreichen, überraschenden Detailarbeit deS Dialog» stet» fern bleibt, greift mitten in den Kernpunkt und in die echte Stimmung des dramatischen Leben» hinein. Sie hat den Reiz de» Unmittelbaren, sie kämpft ohne ora- torische Steigerungen und formelle Hilf-Mittel, und der Schauspieler mag zusehen und ftudiren, wie weit er im HauSrock ohne Harnisch und Schwert ein Ritter und ein Held zu sein vermag. Wenn ich in diesen Bemerkungen den Begriff knapp und gesund besonder» betont wissen möchte, so liegt in solcher Charakterisirung der Kleist'schen Bühnensprache keine Spur von Vertheidigung seiner ungesunden, hyper- romantrschen Anwandlungen, denen er als Erfinder und Dichter so oft unterliegt. In Bezug auf jene, für Kleist's Dichtungen ent sprechende Darstellungsmethode wird an unserer Bühne „Der Prinz von Homburg" durch Auffassung und Wesen mehrerer unserer Künstler ganz besonder» unterstützt. ES gehören zu ihnen Frau Ellmenreich als Na talie von Oranien, der sie einen unsfallend natürlichen, weiblich interessanten LebenShauch feiner Jndlvidualitär zu geben versteht; ferner Frau Bayer als Kurfürstm mit ihrer warmen Vollkraft deS Empfindungsaus druckes; nicht minder Hr. Jaffa als Kottwitz, eine fest herauSgearbeitete militärische Gestalt; endlich aber muß man, und das, wie ich sah, neuerdings um fo mehr, Hrn. Dettmer als Repräfevtant der Titelrolle zu den Trägern diefe» paffenden RedetonS rechnen. Der genannte, gerade für diefe Aufgaben unvergleichlich be gabte Künstler war schon lange, meines Ei achtens nach, der glaubhafteste und im Unmittelbargestthl er freulichste Prinz Friedrich auf der modernen deutfchen Bühne. Wenn er jedoch hier und da in einzelnen Sccnen zur fchmeizenden Wortmelodie zu viel Neigung zeigte — besonders in den dramatisch einzig dastehen den Scenen am Eingänge der Dichtung — fo zeigte er sich jetzt dabei im Redevortrag auf gemäßigterer und naturwahrerer Bahn. Eine solche dem edlen Künstier- fortschritt zugewandte Wandlung trat mir bereit» in seiner letzten Darstellung de- Marqui« Poja entgegen. E» ist daS ein schöner Sieg über eine große Geg nerin: „deS Leben» liebliche Gewohnheit". Doch auf dieser Bahn ergiebt sich, was in der Schauspielkunst so wichtig ist: die klare Zeichnung, die feste Contour des Vortrags, der als schönsarbiger StimmungSvortrag nur zu leicht die stilvolle, dem Leben veredelnd abge lauschte Kunstform verliert. O. B. Residenztheater. Es wurde an dieser Bühne am 10. October zum ersten Male: „Der Dorf-Trottel oder: Protestanten in Tirol" gegeben, ein bereits älteres VolkSstück vom Direktor E. Karl mit Musik begleitung von Roöner. Dasselbe hatte sich eine« ausverkauften Hauses und einer sehr beifälligen Auf nahme zu erfreuen und wird sich besonders seines ein fachen Inhalts und seiner zusammengedrängten Form wegen zu Nachmittagsvorstellungen empfehlen. Die Art diefer Arbeit erinnert an jene große Zahl von volksthümlichen Stücken, wie sie früher viel auf Wiener Vorstadtbühnen und mit ganz besonderer Liebe und Localisirung auf den letzt erloschenen Schweizer- lheatern zu München gegeben wurden. Wie dort, so war denn auch hier in diesem Stücke gar manche Scene mit Beobachtung nationaler Eigen- thümlichkeiten auSgedacht und scenisch wiedergegeben. Der Verfasser, welcher selbst die Titelrolle mit charak teristischer Natüllichkett gab, machte sich dabei besonders verdient, da er de- Dialekt» mächtig und mit den LebenSgewohnhciten der Alpenbewohner detaillirt ver traut ist. Auch Hr. Schwarz als Meßnerwirth spielte mit einem überraschenden Treffen der äußerlichen und inneren Lharakterzeichpung. Ein slowakischer Mause- fallrnhändler wurde von Frl. Bendel innerhalb der kleinen Episode mit außerordentlicher Wahrheit dargr- stellt und mit jener Naivetät des TonS gesprochen, die nur durch die Wirklichkeit infpirirt werden kann. So wird denn durch gute Momente in der Vor führung diese leicht und locker zusammengebaute Com- position über die kleinen Anstöße einiger gejchmackloser Effekthaschereien und unglücklicher Einfälle, wie z. B. die Mordintention des Hrn. Bergwirths, günstig genug hinweg und zu ihrem raschen Ende geführt. O. B. Theater. Nicht um dem Verbote gegen das deutsche Theater in Buda-Pest zu trotzen, sondern nur um die Sympathie der gebildeten Bevölkerung für eine solche Bühne zum öffentlichen MassenauSdruck kommen zu lassen, hat der Director Müller gegen Verlust des Strafgeldes eine Vorstellung stattfinden lassen, die zwar von brutalen Ruhestörungsversuchen nicht frei blieb, aber doch den Ausdruck der allgemei nen Theilnahme für eine solche Bühne zur Ehre der noch in der ungarischen Hauptstadt vorhandenen Bil dung manisestirte. Abgesehen vom Erfolg dieser De monstration ist nun, wie die „W. Allg. Ztg." meldet, die Angelegenheit deS deutschen Theaters vollständig zu Ende. DaS Theater bleibt für die Zukunft un widerruflich geschlossen, eine Schaar armer Comödian- ten ist an den Bettelstab gebracht und dem trübsten Elende anheimgegeben, und somit haben einige wilde Magyaren da» Ziel ihrer Wünsche erreicht. Die Theatersrage in Buda Pest war in den letzten Tagen nicht mehr al» politische Frage zu betrachten; e» handelte sich hier um eine blo» humanitäre Frage, deren Erledigung aber in denkbar ungünstigster Welse erfolgte. «
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