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Dresdner Journal : 07.05.1881
- Erscheinungsdatum
- 1881-05-07
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188105078
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18810507
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18810507
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1881
- Monat1881-05
- Tag1881-05-07
- Monat1881-05
- Jahr1881
- Titel
- Dresdner Journal : 07.05.1881
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104 Sonnabend, den 7. Mai. 1881. Lkovo e»»»t»pr«l> r DresdnerIomnal Verantwortliche Redaction: Obecredacteur Rudolf Günther rn Dresden. des des des äeiäeutxctisa kviodv» tritt ?o«t- unä 8tewp«lru!>ckla8 bivra. heute zu Sitzungen zusammen. Im Oberhauje gedachte der Staatssekretär Auswärtigen, Earl Granville, in beredten Worten großen Verlustes, den das HauS durch den Tod Kaisern geradezu geunßhandelten morgenländrschen Kirche erfreute. Die morgenländische Kirche erschlaffte »m Gegensatz zu der immer kräftiger sich entwickelnden römischen Kirche frühzeitig, und was die politische wie die öffentliche Moral anlangt, sehen wir das Morgen land gegenüber dem Abendland frühzeitig in bedauer licher Weise zurücktreten. Das byzantinische Reich zeigt in seiner Geschichte ein ganz ähnliches Schau spiel, wie es Rußland in der Gegenwart uns bietet. Entsittlichung in den hohen Ständen der Gesellschaft, Corruption der Beamten, Verschwörungen und gewalt same Beseitigung der Kaiser, Ermordung und Ver stümmelungen ihrer Anhänger: das sind die Schauder erregenden Bilder, welche in der Geschichte der byzan trnischen Dynastien sich immer wiederholen, bis endlich die Macht des Islam dem lebensunfähigen Kaiserthum den Untergang bringt. Anders im Westen Europas, wo die Kirche eine wohllhätige sittliche Zucht auSübte, wo sie ihren Einfluß auf die Gesetzgebung, auf das Strafjystem äußerte, wo sie die dem Ehnsteinhum ent sprungene wahre Humanität lehrte und zugleich Da übte, was man heute „praktisches Christenthum" nennt. Diesen Einfluß wäre die Kirche aber nimmer auSzu üben im Stande gewesen, wenn sie in einem Zustande der Unfreiheit sich befunden hätte, wie es derjenige der morgenländischen Kirche war und wie es heute noch derjenige der griechisch-russischen Kirche ist. Mit der Unfreiheit der Kirche steht die Unwissen heit des Clerus und seine Sittenverwllderung »n un mittelbarem Zusammenhang. Auch hiersür liefert uns die Geschichte des byzantinischen Kaiserreichs ein lehr reiches Vorbild, und es fehlt nicht an von den Chro nisten berichteten Scenen, welche dafür beweisen, wie der CleruS der morgenländischen Kirche, deren Patriarch oft genug den übermülhigen Kaisern zum Possenmacher diente, durch seine Rohheit, sittliche Verwilderung und Unwissenheit aller Achtung beim Volke verlustig ging. In Rußland scheint man neuerdings zu fühlen, wie dringend nolhwendlg es »st, an den russischen Clerus die bessernde Hand anzulegen. Die neueste „Nord deutsche Allgemeine Zerrung" erwähnt m einer St. Petersburger Correspondenz einen Syiiodalauiruf der Oberbehörde der orthodox griechisch-russischen Kirche, welcher dadurch, daß er sich an die Geistlichen, Lehrer, Familienväter wendet, gegen die allgemeine sittliche Berderbniß anzukämpfen versucht. Der Be richterstatter der „Nordd. Allg. Ztg." kann aber nicht unterlassen, Folgendes zu bemerken: Dieser Aufruf der Synode ist außerordentlich wohl angebracht, und möchte er von Jedermann der uns nur ernstlich be herzigt werden! Indessen können wir dabei nicht das lebhafte Bedauern unterdrücken, daß dem Nihilismus gegenüber die Wirksamkeit unserer russischen Staats kirche bisher nur so wenig in Anspruch genommeu worden. Wie seiner Zeit schon Alexander Herzen her vorhob, „spielt rn der Erziehung die Religion nir gends eine so bescheidene Rolle, wie »n Rußland." Herzen findet von seinem Standpunkt Das als einen willkommenen Umstand, und die Art, wie der Nihi lismus und überhaupt die wahnwitzigsten Theorien sich bei uns ausgebreitet, hängt mit der Zurück- drängung jedes religiösen Einflusses in den ruffischen sogenannten gebildeten Kreisen wesentlich zusammen. In Rußland, sagt der Correspondent, zeigt die grie chische Kirche eine Art von Schwäche, sobald es sich um Angehörige von einiger Bildung handelt. Hier läßt sich die Voraussetzung nicht zurückweffen, daß es die in Rußland gehandhabte Kirchenpraxis ist, welche den Einfluß der Religion in gewissen Sphären so wenig zur Geltung kommen läßt. Es wird eben seit Jahrhunderten kein besonderer Werth darauf gelegt, daß die Priester, welche mit den Gemeindegliedern zu thun haben, gehörige fachmännische Bildung besitzen; sie sind nicht >m Stande, zu predigen, und haben an aus welchem durch eine Inschrift die Achtung des Hauses für die seltenen und hohen Talente des Verstorbenen und für seine hingebenden Arbeiten im Parlament, sowie in den von ihm verwalteten großen Staats ämtern zum Ausdruck gebracht werden soll. — Par nell kündigte die Bekämpfung der zweiten Lesung der irischen Landbill an, weil dieselbe eine genügende Pachtermäßigung nicht sichere und auch sonst hinter den gehegten Erwartungen zurückbleibe. — Der Mar quis v. Hartington beantragte ein DankeSvotum für die Generäle, die Offiziere und die Armee in Afgha nistan. Healy beantragte die Ablehnung des Antrags, weil der Krieg ein ungerechter gewesen sei. Der An trag Healy's wurde mit 304 gegen 20 Stimmen ab gelehnt; das DankeSvotum wurde angenommen. London, Freitag, k. Mai. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Die der Homerulepartei angehörenden irischen Parlamentsmitglieder beschlossen in ihrer gestrigen Versammlung mit geringer Majorität, nicht für die zweite Lesung der irischen Landbill zu stimmen, sondern vorher das Haus zu verlassen. Parnell erklärte, er würde die Führerschaft nieder- legen, falls dieser Beschluß nicht gefaßt würde. St.PeterSburg, Donnerstag,5.Mai, Abends. (W. T. B.) Es ist, wie verlautet, an maßgebender Stelle die Krage erwogen worden, der Thätigkrit deS gesammten Ministeriums einen mehr einheit lichen, kollegialen Charakter zu verleihen. Nichtamtlicher Theil. Uebersicht. relegraphische Nachrichten. Zeitungsschau. ragetgeschichte. Ernennungen, Versetzungen re. im offen«. Dienste. Dresdner Rackrichten. SermischteS. Earl Beaconsfield erlitten habe; sein Tod werde nicht blos von der durch ihn geführten Majorität, sondern auch von der Minorität des Oberhauses, die ost wider seine Politik gekämpft habe, auf das Tiefste betrauert. Er behalte sich vor, am nächsten Montag bei Gelegen heit des Antrags auf Errichtung eines Denkmals für Earl Beaconsfield seinen persönlichen Gefühlen weitern Ausdruck zu geben. Der Herzog v. Richmond beklagte das Hinscheiden Earl Beaconsfield's namens der Con- servativen. Vom Earl Granville wurde demnächst ein DankeSvotum des Hauses für die Generäle und Offi ziere und für die Armee in Afghanistan beantragt. Lord Cranbrook unterstützte den Antrag, der einstim mig angenommen wurde. Im Unterhause erklärte der Staatssecretär des Innern, Harcourt, in Beantwortung einer Anfrage Cowen's, die Verhaftung von Socialisten oder an deren Personen in Oesterreich stehe in keiner Weise mit der Verhaftung Most's oder Informationen der englischen Polizei rn Verbindung; es sei aber wün- schenswerth, die Ansicht der Regierung über die Frage bestimmt auszusprechen. Er habe niemals Mordcom- plote geheimer Gesellschaften als unbedeutende Verbrechen angesehen, die als politische Vergehen zu dulden oder zu entschuldigen wären (Beifall); dieselben seien ge wöhnliche Morde oder Mordversuche und sollten als solche in jeder Beziehung behandelt werden. Wenn die britische Polizei in Erfüllung der ihr obliegenden Pflichte» und bei Handhabung des englischen Gesetzes Umstände erfahre, welche daS Leben irgend Jemandes, sei es ein Souverän oder eine Privatperson, im Jnlande oder im Auslande in Gefahr durch Mörderhand bringen könne, so sei eS nach seiner Ansicht die Pflicht der Polizei, solche Informationen zu geben, welche am besten geeignet seien, daS Verbrechen zu verhindern. (Beifall.) „Wir haben ein Recht, dies von jeder civilffirten Regierung zu erwarten, wenn das Leben unserer Fürstin oder das Leben unserer Mitbürger bedroht ist. Und was wir als Pflicht Anderer betrachten, werden wir unsererseits zu erfüllen nicht verfehlen." (Lauter Beifall.) — Der Premier Gladstone kündigte für nächsten Montag einen Antrag an wegen Errichtung eines Denkmals zum Ge- dächtniß des Eurl Beaconsfield in der Westminsterabtei, dent wurde der holländische Delegirte Vrolik ernannt. Vrolik legte den Bericht der Commission über den von derselben ausgearbelteten Fragebogen vor. Die Vor lage wurde einstimmig angenommen. Hierauf wurden von den Delegirten Deutschlands, Oesterreichs, Englands, Indiens, Canadas, Griechenlands, Portugals, Schwedens und der Schweiz Erklärungen verlesen, welche die bezüg lichen Anschauungen der betreffenden Regierungen Wie dergaben. Diese Erklärungen enthalten mehr oder weniger wichtige Vorbehalte. Der französische Dele girte CernuSchi betonte die Nothwendigkeit, sich mit Deutschland zu verständigen. Die Erklärungen des deutschen Delegirten, welche dem Vernehmen nach sehr befriedigt haben, sollen auf den Antrag des italie nischen Delegirten SeiSmit-Doda gedruckt und morgen zur Vertheilung gebracht werden. An der General- biscussion über den Fragebogen nahmen der französische Delegirte CernuSchi und der norwegische Delegirte Or. Broch Theil. Die Generaldiscussion wird nächsten Sonnabend fortgesetzt. Die Budgetcommission der Deputirtenkammer hat daS Amendement des Deputieren Madier de Montjau, betreffend die Aufhebung der Botschaft beim päpstlichen Stuhle, abgelehnt. London, Donnerstag, 5. Mai, AbendS. (W. T. B.) Beide Häuser des Parlaments traten Dresden, 6. Mai. Die Pest des Nihilismus, von welcher sich der russische Volkskörper in Schauder erregender Weise ergriffen zeigt, hat zu mannichfachen Commentaren Veranlassung gegeben. Neuerdings wird nunmehr auch die griechisch-orthodoxe Kirche für die sittlichen Schäden Rußlands verantwortlich gemacht: eine Behaup tung, die der Logik nicht entbehrt, wenn man zuglebt, daß jedem Staate ein System der politischen Moral zu Grunde liegt, dieses System aber wiederum abhängig ist von dem Religionssystem. Leidet die Religion Noth, so muß no'.hwendig die politische Moral in Mitleidenschaft gezogen werden. Dieses muß aber am augensälllgsten zu Tage treten in einem Reiche, in welchem die kirchliche Autorität in einem so engen Zusammenhang mit der weltlichen sich befindet, wie dieses in Rußland der Fall. In der „Allgemeinen evangelisch lutherischen Kirchenzeitung" wird bemerkt, daß eS nicht von ungefähr sei, wenn unter den nihilistischen Verbrechern so viele Popensöhne sich befänden. Es legt diese Thatsache den Finger auf eine wunde Stelle russischen Wesens, das ist die rus sische Kirche. Diese hat es verschmäht, an den reli giösen Bewegungen des übrigen Europas lebendigen Antheil zu nehmen. Sie hat es verschmäht, für ihre Eigenthümlichkelt eine klärende und vor Erstarrung bewahrende Propaganda zu machen, und sich damit begnügt, soweit die Macht ihres „Apap" reichte, eine orthodoxe Uniformität durch brutale weltliche Mittel hergestellt zu sehen, indem sie zum Danke dafür den orientalischen Gelüsten Rußlands den Nimbus des KreuzsahrerthumS verlieh. Der betreffende Artikel der Luthardt'schen Kirchenzeitung hält es für erforderlich, daß man der orthodoxen Kirche jenes Maß von selbst ständiger Bewegung gewähre, dessen sie bedürfe, um irgend einen Einfluß aus das öffentliche Leben zu äußern. Diese Bemerkung scheint uns in der That einen der Grundschäden der russischen Staatseinrich tungen zu berühren. Die wohllhätige sittliche Wirkung, welche die römisch-katholische Kirche schon im srühen Mittelalter ausübte, die Culturmission, welche sie erfüllte, beruhte wesentlich aus der Unabhängigkeit, deren sie sich im Gegensatz zu der von den byzantinischen Amtlicher Theil. Dresden, 6. Mai. Ihre Königlichen Hoheiten der !ßrinz und die Frau Prinzessin Wilhelm von jPreußen sind heute Mittag 12 Uhr 20 Min. von Kerlin hier angekommen und in der Königlichen Villa m Strehlen abgetreten. ! Dresden, 3. Mai. Se. Majestät der König haben idem Pfarrer zu St. Nicolai in Leipzig, vr. tbool. Johann Friedrich Ahlfeld, den Titel und Rang eines Ethkimen Kirchenrathe- Allergnädigst zu verleihen ge ruht loaeratenprelaer fß, tl«n ksum eiovr kvspulkmvll l'vtitLvil« W ?t. llotvr ctls Lsil« SO kt. Hysliok mit Xu»n»kme äsr 8ooo- nvä kViery»^ Xbeoä» für kolAenävv 1^8 Telegraphische Nachrichten. Salzburg, Donnerstag, 5. Mai, AbendS. W T. B.) Die Prinzessin Stefanie ist mit ihren klettern, de« König und der Königin der Belgier, heute Nachmittag Uhr hier eingetroffen und am Bahnhofe von dem Kronprinzen Rudolf, den kpitzen sämmtlicher Behörden und dem hiesigen Erz- Mos unter den jubelnden Zurufen der Bevölkerung „pfangen worden. Durch die reich geschmückte !ktadt bildeten die Bergknappen, die Veteranen- nreine, die Schützen, die Studenten, die Genossen schaften und die Halleiner Bürgergarde Spalier, klof der ganzen Fahrt biS zum Schlosse wurden sie Prinzessin, deren Aeltern und der Kronprinz Kudolf von der Bevölkerung mit enthusiastischen Zurufen begrüßt. Um 6 Uhr fand im Schlosse ein Galadivrr Statt. Salzburg, Donnerstag, 5. Mai, Nachts. (Lorr.-Bur.) Nach dem Galadiner wurden die Deputationen empfangen, welche die Geschenke überreichten. Das Geschenk der Damen von Salzburg besteht in einem Bild, der Ansicht Salz- durgs. Der Landeshauptmann überreichte «ine nick ausgestattete Adresse des Lande»; eine Bau- mldeputation überbrachte Geschenke mit Anspra chen. Der Kronprinz dankte und sagte, er und seine Braut würden niemals den herzlichen Em pfang vergessen; daS Kaiserhaus und Oesterreichs Völker bildeten eine große Familie. Der Bürger meister überreichte die Adresse der Stadt. Mitt lerweile hat sich das früher trübe Wetter aufgeheitert. Mit Einbruch der Dunkelheit strahlte die Stadt io einem Lichtmeere. Die Fackelträger zogen vor der Residenz auf, die Studenten bildeten daS Mo- oogramm des Brautpaares. Beim Vorbeimärsche erschollen donnernde Hochrufe. Die Liedertafel erecutirte zwei Pidcen. Auf den Bergen flamm ten Höhenfeuer, Raketen durchflogen die Luft. Lei der Rundfahrt der Herrschaften durch die Stadt fanden überall die herzlichsten Ovationen Statt. Der Kronprinz reiste um k12 Uhr Nachts nach Wien zurück. Paris, Donnerstag, 5. Mai, AbendS. (W. T. B.) Die internationale Münzconferenz hielt unter dem Vorsitz deS Finanzministers Magnin heute ihre zweite Plenarsitzung ab. An der Sitzung nahmen außer den bereits be kannten Delegirten der übrigen Staaten für England der Münzdirector Freemantle, für Indien Lord Reay (?), für Canada Alexander Golt Theil. Zum Vicepräsi- Kkrlick: . . lS K»rli. Hjikrlick: 4 K»rll KOkt. Morvluo Kummvi-o: tv?k. Orvoäosr ^ourL»l»; N»wdllrU >»»»! -Nr«, «. M : L Lsrlu» Vi-u-U-uLdLrz- kriulktarl ». N. NiMLi»»»: k»rUn: ü'.ZO-i'nicz, : A Lc/Uott«,' F Ltu-Pen'l ttürvitu; » U.: L r»rt, ». N.- Ä eines. tlöoiel. krptxttüon äv» l>rv«tnvr ^oarL»t», Orvsäso, 2vlll8«r»tr»»»v Ko. SV. Feuilleton. Nedigir« von Otto Banck. K. Hostheater. — Neustadt. — Am 5. Mai: „Rosenkranz und Güldenstern", Lustspiel in 4 Acten von Michael Klapp. DaS neu engagirte Mitglied unserer Bühne, Hr. v. d. Osten, dessen noch im Aufsteiaen begriffene Kraft eS versuchen soll, bei unserer Bühne in die Lücke einzutreten, die der Tod deS Hrn. Dettmer ge rissen hat, debutirte in der sehr bescheidenen und wenig ausgiebigen Rolle deS Baron- Rosenkranz. Wenig auSgiebig muß man sie im schau,pielerischen Sinne nennen, denn, obgleich nicht undankbar und arm in Betreff interessanter Momente, gipfeln sich doch ihre Wirkungen durchaus nicht zu einem gesammelten thea tralischen Effect. Die Theilnahme concentrirt sich nicht in Scenen- und Actschlüssen auf da- bewegende Element dieses modernen SalonritterS, der, ohne dra matischer Träger der Abendunterhaltung zu sein, diese mehr würzt als direct darbietet, daher auch stet» nur auf einen vorübergehenden Beifall zu rechnen hat. Im Verhältnis zu dieser mittelmäßigen Sachlage sand der Gast eine sehr freundliche Aufnahme. DaS gebildete Publicum gab damit indirect seine Zustim- muna zm Wahl dieses Engagements, daS sich jedem unbefangenen Beobachter, vergleichsweise zu dem der übrigen Gäste, als da» glücklichste herausstellen muß. Hr. v. d. Osten schlug im Rosenkranz einen sehr leichten, durchaus natürlichen ConversationSton an und feine oft überraschend treffenden Accente wurden durch eine ganz der Situation und wechselnden Stimmung anpassende Mimik unterstützt. Bei einem so aus drucksvollen, männlich schönen Kopf mit fesselnden Augen wird die Beredtsamkeit eines Liebhabers, das kleine Jntriguenspiel eines Bonvivants in der Wir kung stets verdoppelt, um so mehr, wenn der Künstler, wie daS hier löblich der Fall war, keine hervordrän gende Birtuosenmanier — diese kecke Störung jedes Ensembles — geltend macht. Als Gast wirkte noch in der Dümmlingsrolle des Rittergutsbesitzer» Schmählig aus der Gegend deS Meißner Dialekts Hr. Schubert aus Leipzig zur Er heiterung der Quodlibetscenen dieses seichtgefälligen Stückes mit. Ueberhaupt ist die Ausführung munter und frisch: Frau Bayer und Frl. Diacono (Gräfin Knieborn nebst Tochter) und die Herren Richelsen, Porth, Jaffö, Marchion und Erdmann betheiligen sich vermöge ihrer» Aufgaben (Güldenstern, Fürst v. Lieberstein, Döring, Oberkellner, Sanftleben) am mei sten an der Unterstützung der kleinen Conversations scherze und harmlosen Späßchen. O. B. Unter den Tannen. Novelle von F. v. Stengel. (Fortsetzung zu Nr. los.) Ursula war wie betäubt von der Niedrigkeit der Beschuldigung. Frau Werber, in der Absicht, Adele zu beschwichtigen, sagte begütigend: „Nein, Fräulein, da thun Sie der Ursula doch Unrecht, so etwas läßt sie sich nicht beifallen, sie weiß wa» sie war und ist, und vergißt nicht ihre Stellung." Diese Worte, gutmüthig gemeint, empörten jede Regung des Stolzes in Ursula; steht sie denn jo nied rig, so tief unter Allen, daß selbst der Gedanke, sich auf eine Stufe mit Denen zu stellen, mit welchen sie umgeht, ihr fern liegen muß? — Was ist denn ihr Vergehen, sie ist eine Ausgestoßene, eine Paria, trägt sie ein Kainszeichen? — Und der Stolz war mächtiger als jede andere Empfindung in ihr, die Klugheit, die Bescheidenheit, die weibliche Zurückhaltung, noch mehr die strenge Wahrhaftigkeit ihres Wesens vergessend, sagte sie ruhig, aber innerlich bebend: „Nein, daS Findelkind vergißt seine Stellung nicht; fragt den Rector, was die gefundene Ursula sagte, als er sie bat, seine Frau zu werden." Dann wandte sie sich der Thür zu nach ihrem Zimmer, die Werber und Adele sprachlos vor Ueberraschung allein lassend. Hatten sie recht gehört: der Rector bot Ursula seine Hand an und sie wie» ihn ab? „Unmöglich!" jagte die Werber. „Es ist nicht wahr!" behauptete Adele, „sie fabelt." Und dann kamen die Vermuthungen der Haushäl terin, die nichts Eiligeres zu thun hatte, al» dem Amtmanne die Neuigkeit mitzuiheilrn und ihn be stürmte, dem Mädchen doch nicht seinen Willen zu lassen, daS geradezu jein Glück verscherze Dieser schüttelte befremdet den Kopf. „Und das hat Ursula gesagt? ich verstehe es nicht recht, sie pflegt doch sonst nicht mit Dingen zu prahlen, die für Andere peinlich sein können. Wie kam sie denn dazu?" Die Werber erzählte die Scene, natürlich mildernd für Adele, so daß der Amtmann sich mißbilligend über Ursula äußerte: „Sie ist und bleibt eben ein Trotz kopf — das genügt nun, sie auf einem kindischen Nein beharren zu lassen." „Wenn sie überhaupt Nein gesagt hat!" — fiel Adele ein. „Du kennst Ursula schlecht." „Ich danke auch sür nähere Bekanntschaft", sagte Adele spottend, „und werde auch Frau Rcctorin in spe nicht belästigen." „Es wäre ein Glück für sic, das sie durchaus nicht verscherzen darf", meinte der Amtmann nachdenklich; „ich will sehen, ob sich die Sache machen läßt." Während sie uiiten in der Wohnstube über ihr künftiges Geschick verhandelten, saß Ursula in ihrem Zimmer und machte sich die bittersten Vorwürfe über ihre unüberlegten Worte, über die kleinliche Leiden schaftlichkeit, mit der sie, um sich selbst einen Moment des Triumphes zu verschaffen, ein Gehennnlß preis gegeben, das nicht das ihre allein war, dessen Ver- jchwregenhaliung ihre erste und heiligste Pflicht hätte sein sollen; aber nicht dies allein mußte sie bereuen, mehr noch die Unwahrheit, mit der sie sich befleckt hatte: war es denn da» Findelkind, das nein gesagt, oder waS sonst? Was eS gewesen, weiß sie nicht, aber daS Findel kind sprach das Wort nicht, daS weiß sie. Sie verachtete sich selbst um diejer Lüge willen, die sie in den eigenen Augen und vor Anderen er niedrigte, vor dem Rector, vor Moritz, wenn sie eS erfuhren. Haben nicht Beide ihr gelehrt, daß Stand und Name nichts bedeutet, wenn die Glsinnung sie nicht ehrt? — Wird Moritz glauben, wenn der Vater ihm von dem Vorgefallenen schreibt, wird er diesen Grund ihrer Weigerung annehmen? Und wünscht sie denn, daß er eS thue? Will sie, daß er glaube, sie
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