Dresdner Journal : 29.06.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-06-29
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188206290
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18820629
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18820629
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1882
- Monat1882-06
- Tag1882-06-29
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- Dresdner Journal : 29.06.1882
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M148. Donnerstag, den 29. Juni. 1882. Xdovoeweotiprot,: l» g»L,« «,ot»ek»o Lsirä«: ^Llirücl»: .... 18 Ltnrlc. i^LkrUed: 4 Uerll 50 ?s. Lincoln« Humworo. IO?f. Lll,„rd»Id de, dsutoedeo keicks» tritt ko»t- und LtsmpelruicUI»^ Uuuu. IilserLleoprelser kür >I«o N»um einer xeepultenen ?«titr«il» LO kk. Dnter „Din^eeundt" die 2sils LV kk. Lei lubellsu- und 2i8srn»»tr LV H Xusic^I»^. kkiekelaeor 'Ht^Iick mit Xuenitkwe der 8onn- und Feiert»^» ^dend, kür den kolbenden 1'»^. Dres-nerIourml. Verantwortliche Redaction: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. I«oer»ien»nv»kine »nHHrltte: l^ixntg: F>. Lrandstettrr, Cornwinionär 6s« Dresdner dourn»!»; L»»durU leriin-Vj«» - y»»»I-8r«,i»o rrnulckart ». ».: //aa^en^tr,» ct ^vAler, NerUu-Vieo «»mdllrg- k>r»F-I-»ip»>8'r-»nktur1 ». ».-MSucdeni /tud Afn«e- r»rU»: /»»vatidendant, Lr«m«o: F7 <8cätotte, Lr««i»u: L Sta»,Aen'i L urrau <Lm,l rr*nktnrl » N : L TarAr^»cks Luolibuodlnvg; NörM»: tt. A/Mer,- Unnnorer: <7. 8eäü«ler, ?»rl» 8»rUll Vrsnttnrt » N N»n«g»rt: DauörF t7o , Unwdnrg: Fd. Lte-ner. lleron»x«der: LSnisI. Lrpedition de, Dresdner dourn»!^ Dresden, ^Hringeriiro«« Ho SV. Akonnements - Kinladung. Auf das mit dem 1. Juli beginnende neue vierteljährliche Abonnement des „DresdnerJour nals " werden Bestellungen zum Preise von 4 M. 50 Pf. angenommen für Dresden bei der unter zeichneten Expedition (Zwingerstr. Nr. 20), fir auswärts bei den betreffenden Postanstalten. In DreSden-Neustadt können Bestellungen abgegeben werden in der Kunst- und Musikalien handlung des Herrn Adolf Brauer (Haupt straße 2), sowie bei Herrn Kaufmann Arthur Reimann (Albertplatz gegenüber dem Albert theater), woselbst auch Ankündigungen zur Be förderung an unser Blatt angenommen werden und einzelne Nummern des „Dresdner Journals" zu haben sind. Mnigl. Expedition des Dresdner Journals. (Zwingerstraße Nr. 20, in der Nähe des neuen Postgebäudes.) Ämtlichcr Llttil. Dresden, 28. Juni. Se. Majestät der König haben dem am hiesigen Hofe beglaubigten Kaiserlich Russischen außerordentlichen Gesandten und bevoll mächtigten Minister, Wirklichen StaatSrath von Ne- lidow, das Großkreuz deS AlbrechiSordenS zu ver leihen geruht. Nichtamtlicher Theil. Telegraphische Nachrichte». Berlin, Mittwoch, 28. Juni, Mittags. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Wie bestimmt versichert wird, ist die Demission deS KinanzmiaisterS Bitter nun- mehr angenommen. Die Ernennung deS Reichs- schatzsecretärS Scholz zum Ainanzminister and des bisherigen Direktors im RrichSschatzamte, Bur chard, zum ReichSschatzsecretär wird als unmittel bar bevorstehend betrachtet. Marseille, DirvStag, 27. Juni, Abends. (W.T. B.) Gestern und beute brachten bie beiden Dampfer „Labourdonnais" und „Zunon" der Aessa^erie» maritimes 514 weitere Flüchtlinge aus Alexandrien, unter anderen den General- procurator deS internationalen Apprllhofes in Aegypten, Alfred Lachen, mit seiner Familie, und 103 arabische Flüchtlinge christlicher Religion. London, DienStag, 27. Juni, AbendS. (W. T. B) In der heutigen Sitzung deS Unterhauses erwiderte der UnterstaatSsecretär des Aeußern, Sir Charles Dilke, auf eine Anfrage deS Barons WormS, Challemel-Lacour habe augenscheinlich den Earl Granville mißverstanden. Granville habe nie die Absicht gehabt, zu verstehen zu geben, daß eine gemeinsame Note Englands und Frank reichs nicht den geringsten Nutzen haben würde. Seine Ansicht sei gewesen — und er habe dieselbe jedenfalls zum Ausdruck gebracht — daß eiue ge meinsame Note mindestens den Nutzen habe« würde, daS Einvernehmen England» und Frank reichs zu beweisen. S- . - Feuilleton. Nedigirt »on Otto Bauet. Verstoßen. Novelle von S. v. d. Horst. (Fortsetzung.) „Ach, er kannte nur wenig den unbeugsamen, ar- beitsstolzen Hamburger Kaufmann, er hatte sich gröb lich verrechnet, als er glaubte, jetzt da» große Ziel seines Leben», den Mammon, erreicht zu haben. Auf die Anzeige unserer Heirath hin schrieb mir mein Vater einen Bries, der nur wenige, aber furchtbare Worte enthielt. „Du hast über meinen, bisher ge achteten Namen das Brandmal der Schande gebracht, hast Dich von Deinen Aeltern in aller Form loSge- sagt — so trage denn die Folgen. Du bist hierdurch enterbt und verstoßen." „Um Gotti" unterbrach der alte Rector die Er zählung der unglücklichen Frau, „daS wagte er zu schreiben?" Sie rang weinend die Hände. „Da« schrieb er und daS wurde Wirklichkeit in derselben Stunde. Meines Vater« Brief trug den Fluch in unser Hau- und er wich seitdem nie wieder. Ferdinand zuckte, als ich ihm die wenigen Worte vorgelesen hotte, zugleich erbittert und verächtlich die Achseln. „Krämer!" hörte ich ihn murmeln, „Kaffeebaron!" — und dann ging er fort, um spät in der Nacht berauscht »ach Hause zu kommen. Seit er wußte, daß seine vermeintlich so unfehlbare Spekulation vollständig Konstantinopel, DienStag, 27. Juni, Nach mittags. (Corr.-Bur.) Dir zwei ersten Sitzungen der Conferenz waren dem Meinungsaustausche gewidmet; es wurde iu keine Erörterung einer wichtigen Krage eingegangen. Bis gestern hofften die Botschafter noch auf die Theilnahme der Pforte. In der heutigen Sitzung soll die meri torische Berathung beginnen. Die „Agence Havas" meldet: Das Circular der Pforte vom 26. d. reproducirt zwei rele- gramme Derwisch Paschas, in welchen erklärt wird, daß die Armee dem Sultan Treue ver sprochen habe, und constatirt wird, daß daS be kannte Programm des CabinetS, welches die Aus führung deS Kerman» und die Einhaltung der internationalen Verpflichtungen enthalte, von allen auswärtigen Agenten, ausgenommen dem franzö sischen und dem englischen, approbirt wurde. Konstantinopel, Mittwoch, 28. Juni. (Tel. d DreSdn. Journ) Gutem Vernehmen nach wurde in der gestrigen Sitzung der Conferenz feiten aller Mächte die Zusicherung rrtheilt, daß sie sich jedes isolirten Vorgehens in Aegypten während der Dauer der Conferenz enthalten würden, aus genommen in dem Kalle, daß die Sicherheit der europäischen Bevölkerung bedroht würde. Dresden, 28. Juni. In den kürzlich erschienenen „Skandinavischen Concertreiseskizzen" ertheilt HanS v. Bülow den Be wohnern deS Norden- da» schmeichelhafte, aber für de» Kenner der Geschichte schwer verständliche Lob, daß e« „in ganz Skandinavien keinen Pöbel giebt". Wenn der berühmte Tonkünstler diese Bemerkung speciell an die Schilderung seine- Aufenthalt- in Christiania knüpft, so muß man annehmen, daß er zwar die Be kanntschaft deS Publicum« der Concertsäle gemacht haben mag, von dem politischen Leben und Treiben der norwegischen Hauptstadt aber völlig unberührt geblieben ist; denn die „allgemeine Gesittung und Höf lichkeit", welche angeblich die „Grundlage der dortigen Demokratie" bilden soll, zeitigt in den parlamentarischen Räumen deS St orthing» seit Jahren gar wunderbare Früchte. Man wäre demnach fast versucht, anzunehmen, daß der in jeder Nation sich ansammelnde Zündstoff von Ungezogenheit und Rohheit in Norwegen nur bei den Debatten der Volk-Vertretung explodirt. Ihrer feindseligen Gesinnung gegen die Krone hat die Majo rität de- Storthing» bereit- wiederholt durch Ab lehnung einer Apinagenerhöhung anläßlich der Ver mählung deS Thronfolger- unzweideutigen Ausdruck gegeben; aber radicale Abgeordnete verlegen ihre De monstrationen sogar auf die Kanzel, wie denn erst am vorletzten Sonntag das Storthingsmitglied Pastor Bexelsen in der Oslokirche zu Christiania, entgegen der »m Altarbuch vorgeschriebenen Ordnung, zunächst für daS Storthing, dann für die Regierung, dann für den König, die Königin, den Kronprinzen und die Kron prinzessin mit Auslassung der Titel Majestäten und königl. Hoheiten und de- Wortes „geliebte" betete. Nach dem in voriger Woche durch den König per sönlich vollzogenen Sessionsschluß de» Storthing» scheint der Verfassungskampf eine acutere Form an- nehmen zu wollen. Im Storthing hatte man noch wenige Tage vor der Ankunft de» Königs in Christiania die Dreistigkeit gehabt, für da- von der radicalen Partei beabsichtigte Parlament-Heer 20000 Kronen zu bewilligen, dagegen die dem „Centralvereine für Verbreitung der Waffenfähigkeit", welcher bisher da» Schützenwesen im Lande geleitet hat, regelmäßig be willigten 20000 Kronen, weil dieser Verein nicht in den Dienst der radicalen Partei treten will, um die mißglückt war, kannte Ferdinand gegen mich keine Rücksicht mehr, e- kamen jetzt Tage, deren ich mich nur mit Grauen erinnere; wir wurden au- unserer Wohnung vertrieben, der Executor war täglicher Gast, wir litten offenbaren Mangel, offenbare Schande. Als alle meine Kleider, meine Schmuckgegenstände verkauft waren, verlangte Ferdinand in nicht- weniger al- freundltchen Worten, daß ich jetzt, wenn ich essen wolle, auch arbeiten möge. „Du hast mich betrogen", hieß eS, „meine ganze Zukunft ist Deinetwegen ruinitt, ich bin in eine plumpe Falle hineingelockt", und so weiter. Dabei verdiente er nicht-; waS er in seltenen Fällen nach Hause brachte, da- war am Spieltisch oder auf der Rennbahn erworben — wir sprachen schon damals kaum ein einzige» Wort mehr mit ein ander. Und doch fiel gerade in jene dunkle schreckliche Zeit eia Sonnenstrahl, der mir die Freude am Leben, ja da- Glück wiedergab — meine kleine Susanna wurde geboren. Inmitten der tiefsten Erniedrigung, der Armuth und Ehrlosigkeit, wie selig war ich! Jetzt mochte Ferdinand sagen und thun, wa» ihm beliebte, eS ging an meinem Bewußtsein spurlos vorüber, er lebte einfach für mich nicht mehr, er war vergeßen, al» hätte ich ihn nie vorher gesehen. O meine Neine Susy, mein Kind, mem Engel! Kein Mann wird jemals ganz begreifen, wie grenzenlos eine Mutter da» junge schutzlose Geschöpf liebt, wie ihre Seele nur da» eine Glück, da» eine Lächeln kennt. — Ich ar beitete doppelt, dreifach, denn e» war für mein Kind, ich gab am Tage Musikunterricht und nähte in der Nacht seine kleinen Tücher und Kleidchen, ich war für die mühevollen Stunden de« Morgen« am Abend königlich belohnt, wenn mir das süße rosige Antlitz Hälfte zu kürzen. Trotzdem, daß nach dem Eintreffen de« König« in Christiania da« Storthing wiederum in der von ihm beliebten kleinlichen und chicanösen Weise versuchte, den angesagten Schluß seiner Arbeiten zu verzögern, hatte doch der König, die« Mal von seinem Rechte Gebrauch machend, denselben auf den 21. d. M. festgesetzt und in Person zur Au«führung gebracht. Er richtete bei diesem Anlaß an da» Storthing eine Rede, in welcher er in einer ge mäßigten, aber ernsten Sprache darauf hinwie«, daß, nachdem Norwegen seine Selbstständigkeit erlangt hätte und die Union mit Schweden errichtet wäre, eine lange glückliche und für Norwegen« Entwickelung vor theilhafte Zeit verflossen sei. In den letzten Zeiten sei jedoch dieser befriedigende Zustand dadurch gestört worden, daß da» Storthing versucht habe, die ver fassungsmäßigen Rechte deS Königs einzuschränken. Wenn behauptet worden wäre, daß seine Regierung nicht mit dem Storthing zusammen wirken wolle, so sei die» unrichtig und würde durch die Thatsache seiner den Wünschen des Storthing stet« entgegen kommenden Vorschläge widerlegt. Auf da» Entschie denste betonte der König am Schluffe der Thronrede, daß e« nur beiden Staatsmächten in Gemeinschaft zu stehe, die Verfassung zu ändern, indem er sagte: Mit ernster Betrübniß habe ich in Erfahrung bringen müssen, daß da» Storthing geltend machen will, daß das selbe ohne Einwilligung de« König« da» Erundgesetz verändern kann. Meine Ueberzeugung von dem Unberechtigten in dieser Behauptung ist unerschütterlich. Nur der König »nd dr» Storthing verein» haben die Macht, da» Grundgesetz zu ver- ändern. Im Befühle meiner königlichen Pflicht will ich nach all' meinem Vermögen da» Brundgcfetz zu wahren suchen, welche» wir Alle — Ihr sowohl al» ich — beschworen haben, und welches wir unverbrüchlich ausrecht erhalten müssen, wenn der Friede und die Sicherheit de» Gemeinwesen» soll bewahrt werden können. Ich hege die Hoffnung, daß die beklaaen»- werthe Zersplitterung und Aushetzuna, welche in unser öffent liche» Leben eingedrungen ist, allmählich einer mehr gerech ten und besonnenen Auffassung der bestehenden Verhältnisse und der Bedürsnisse de» Gemeinwesen» Platz machen wird, und daß alle ausgeklärtrn und vaterlandsliebenden Männer, Jeder in seinem Kreise, meine Bestrebungen zur Erreichung diese» Ziele» stützen werden. Möchte eine gnädige Vorsehung die unheiljchwangereu Folgen jede» Versuche», an derGrund- stütze der Ordnung de» Gemeinwesen», bei welcher Ordnung das norwegische Volk in so vielen Jahren glücklich und srei gelebt hat, zu rütteln, abwehren , Eine so persönliche und in der Form so bestimmte protefttrende Erörterung von Seiten de» König» der Nationalvertretung gegenüber ist in der Geschichte Nor wegen» während der letzten 40 Jahre — seit den Ta gen de» König» Karl Johann — nicht vorgekommen. Ist e» aber jemals erforderlich gewesen, daß da» Ober haupt de» Lande» dem Storthing ein ernste» Wort sagt, so war eS jetzt; denn niemals hat ein Storthing eine so entschiedene Lust gezeigt, da» ihm durch da» Grundgesetz zugemeffene Machtgebiet zu überschreiten und in die Gewalt der Regierung Eingriffe zu thun, al« da» Storthing der Wahlperiode 1880 bi» 1882. Die Rede de» König» machte auf alle Anwesenden einen ergreifenden Eindruck und wird in den konser vativen Blättern der Klarheit und Bestimmtheit we gen, mit welcher die Lage der königlichen Gewalt in derselben bezeichnet ist, in rühmlichster Weise erwähnt und beurtheilt. Dagegen bemerkt ein oppositionelle» Blatt: „Man kann sich ohne Schwierigkeit ein Volk ohne König denken, aber Könige ohne Volk — wo sind die?" Selbstverständlich hatte die Thronrede bei der radicalen Majorität de» Storthing» große Ver stimmung erregt. Dasselbe führte deshalb seinen schon TagS zuvor gefaßten Beschluß au», den König nach feinem Schluß nicht, wie e» bisher üblich war, zu be grüßen. Im Gegensatz zu der kalten und unzufriede nen Haltung de» Storthing« infolge jener bedeu tungsvollen Rede war die Haltung der Bevölkerung Christiania» bei der an demselben Abende stattgefunde- uen Abreise de» König» eine demonstrativ evthu« aus den Kiffen der Wiege entgegensah. Susy kannte mich, sie streckte schon ihre Aermchen nach mir au«! — ,.Ach, ich Unglückliche! Der Brief meine« Vater», sein Fluch waren damals vergessen im Vollgenuß de» neuen von Gott geschenkten Schatze» — ich wiegte meine Seele in den Träumen einer schönern Zukunft, ich glaubte eingegangen zu sein in da» Parodie» ohne Buße, ohne Kampf! zu solchen Zeiten lauert hinter Wolken schon der verderbenbringende Blitz, bereit herabzufahren und Alle» zu zerschmettern, wa» wir im vermessenen Wahn für unser Eigenthum halten. „Ich mußte den Musikunterricht, da mir ein Instru ment natürlich fehlte, d^n Kindern in den Häusern ihrer Aeltern geben und dann meine Kleine der Obhut einer fremden Frau überlassen, Ferdinand verbrachte fast seine ganze Zeit außerhalb de» Hause», am wenigsten aber bekümmerte er sich jemals um da» Kind, er haßte eS. glaube ich, sogar, weil ich im Besitz desselben ein so große« Glück empfand. Die alte Frau William- war treu und zuverlässig, ihr konnte ich meinen Lieb ling ohne Sorge anvertrauen, und so ging ich denn auch eine» Morgen- im März diese- Jahre- fort, um meine gewöhnlichen Stunden zu geben. Susy lachte und kreischte in ihrem Brttchen, ich wollte für sie von der Einnahme diese» Tage» die erste Puppe kaufen, Glück und Sonnenschein im Herzen ging ich fort — ach, ohne zu ahnen, daß ich da- süße kleine Gesicht lebend niemals Wiedersehen sollte!" Die junge Frau stand auf und wanderte hin und her durch da» Zimmer, sie mußte sich gewaltsam zur Ruhe zwingen; noch jetzt nach so vielen Monaten drohte die Erinnerung an jene furchtbaren Tage ihre Kräfte zu überwältigen. siastische, denn wie in Dänemark sind auch die Städte Norwegen- gegenüber dem radicalen Bauernthume con- servativ gesinnt. Die entschiedenste Verurtheilung erfährt nament lich da- Verhalten de- StorthingSpräsidenten Sver drup, welcher durch allerlei Chicanen sich bemühte, die Verhandlungen so lange hinzuziehen, daß der Kö nig abreisen sollte, ohne die Auflösung deS Storthing» vorgenommen zu haben. Sverdrup war während de» Schlußacte» nicht zugegen, kehrte ober in den Stor- thing-saal zurück, al- der König denselben verlaffen hatte „Kann man sich ein feigere-Benehmen denken", heißt eS in einem von einem Bauern in SandSvär unterschriebenen Artikel in „Morgenbladet", „al» daSjenige deS großsprecherischen Hrn. Joh. Sverdrup beim Schluffe de- Storthing-, als er den Piäsidenten- platz während der Rede de- Königs verließ? Sobald der König mit Gefolge den Saal verlaßen hatte, nahm Sverdrup seinen Sitz wieder ein. Er hat also, seine- eigenen Gewissen» wegen, nicht gewagt, die kräftigen, ernsthaften Worte unser» König», der Staatsmacht, welche die verblendete StorthingSmajorität in Zügel halten muß, anzuhören. Wir danken hiermit unserm Könige für diese kräftigen Worte; eS scheint auch, daß die Bauern, welche den Linkenführern bisher blind lings gefolgt sind, in letzterer Zeit daS Verderbliche in der Sverdrup'schen Politik eingesehen haben. Sver drup und seine Helfershelfer machen unS in SandSvär oft Besuche; aber man fragt sich doch schon seit länge rer Zeit, sowohl hier al- auch in anderen „Linken- gegenden", ob DaS, was die Lmkenführer sagen, auch wirklich wahr sein sollte. Diese künstlich erzeugte Lm- kenpartei kann sich unmöglich lange halten; wir Bauern glauben nicht au eine Politik, die aus einem so ge wissenlosen und egoistischen Boden hervorgegangen ist." Die norwegischen Verhältnisse haben auch in Dä nemark vielfach den Gegenstand deS Gesprächs in politischen Kreisen gebildet, denn immerhin würde oder wird sich eine Rückwirkung auf die dortigen gelegent lich spüren laßen. Ein Artikel deS den Linkenstand- punkt vertretenden Kopenhagener „Morgenblod" schließt damit, daß „Alles, war sich um volkSthümliche Freiheit und grundsätzliche Ordnung schließt, mit dem wärmsten Mitgefühl dem Kampfe deS norwegischen Brudervolkes für Ehre und Freiheit folge." E» ist aber in Norwegen ungefähr wie in Dänemark, näm lich daß eine neue Schicht der Bevölkerung sich durch parlamentarische Beschlüsse dir leitende Rolle im Staat»- leben zu erwerben sucht, so daß der Streit eigentlich ein socialer ist. Daß die Krone nicht ihre Sache von derjenigen Schicht trennen kann, in der sie, wenn auch im eignen Interesse derselben, ihre wirNich unbedingt ergebenen Freunde sieht, versteht sich von selbst, und die Ueberraschung, die darüber an den Tag tritt, ist wohl wesentlich Affectation. ES zeigt sich dabei, wie unheilvoll die republikanischen Agitationen sind; denn einer wirklich königStreuen, wenn auch naiv demokrati schen Pattei gegenüber würde die Krone sich vielleicht etwa» nachgiebiger stellen können. Ungünstig für die norwegischen Verhältnisse ist e», wie der Kopenhagener Torrespondent der „Hamb. Nachr." betont, daß man dort nicht die Schrecken de» Kriege» aus eigener Er fahrung und Anschauung kennt, vielmehr, entflammt durch die Lectüre der mittelalterlichen dortigen Bürgerkriege, mit Volkshelden wie „König Sverre" und „Sigurd Slembe" in einem romantischen Lichte steht. Björnson'S übrigens schöne Trilogie „König Sigurd" kann gewißermaßen vorahnende Be deutung erlangen, denn daß der Dichter sich in diesem „Sigurd" selbst gezeichnet hat, ist leicht zu erkennen. " Aber e« kann ihm wie diesem Sigurd ergehen, daß er tragisch untergeht. Noch darf man hoffen, daß ernsthafte- Unheil und Blutvergießen abgewendet werde. „Al- ich nach Hause kam", fuhr sie endlich fort, „etwa um sechs Uhr Abends, öffnete mir zu meinem Erstaunen Ferdinand persönlich die Thür, er war auch au-nahm-weise ganz nüchtern und wie mir gleich im ersten Augenblick schien, verlegen, unruhig. Mein . Herz schlug schneller, die Ahnung de- nahenden Ver- hängnißeS brach mit aller Macht über mich herein. ! „Susy!" rief ich, „o mein Gott, wo ist da- Kind?" „Ich wollte in da-Schlafzimmer eilen, aber er hielt mich am Arm zurück, er — „Doch wozu alle diese schrecklichen Einzelheiten. schildern, wozu mehr sagen, al- nur da- eine Gräß-/ liche — Susy war todt. Ferdinand hatte am Mor-^ gen die alte Frau nach Wein in die nächste Schenke geschickt und dann die halbgeöffnete Thür vergeßen. Mein arme- kleine- Mädchen kroch, wie eS gewöhnt worden war, auf dem Fußboden herum und bi» zur Treppe, e» konnte herabstürzen, ohne daß e» sein un natürlicher Vater auch nur bemerkt hätte. „Erst die SchreckenSrufe der alten Frau zeigten ihm, wa» geschehen war. Stunden lang trug ich mein todte» Kind in den Armen herum, sprach mit ihm, zeigte ihm die Puppe, welche ich gekauft hatte, bat es Tausend Mal, mich mit seinen süßen stammelnden Lauten „Mama" zu nenneu , „Die alte Frau blieb immer bei mir, sie hat ge fürchtet, mich wahnsinnig werden zu sehen sie ist auch m jener ersten entsetzlichen Nacht nicht von meiner Seite gewichen. — Ferdinand war schon längst fort-, gegangen, er kam damal« während mehrerer Tages nicht nach Hause. (Fortsetzung folgt )
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