Dresdner Journal : 30.12.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-12-30
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188212305
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- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18821230
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18821230
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1882
- Monat1882-12
- Tag1882-12-30
- Monat1882-12
- Jahr1882
-
1777
-
1778
-
1779
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1780
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1781
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1782
- Titel
- Dresdner Journal : 30.12.1882
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W 302. Sonnabend den N> December. 1882. zvooueweat»ipre1»r Io> <l»:O»ci>»L Lsicd«: ^itürlieü: .... 18 Slarlc. jktnUek: 4 sliirtc 50 Lk. Lillilslug Kuwwero: IvLk. La»»«rd^d «le« «leutickeo Leielis» tritt Lost- ur>«1 8toiupvIru»«:tU!c^ tuüru. Inivratenprelser kür «len Louw einer ^"paiteneo kstittsil« 20 Lk. vnter „Lio^esnnüt" 6>s Leits 50 kk. Lei UbsUen- un«l Liüsrvsatr 50 ^ittsclttii^. Lrseüelopllr 'kü^liel» mit ^usonlim« äer 8onn- uv«! keisrta^« ^lionüs für «len folgenden 7»^. Drrs-nn Älmml. Io»vr»teoi»on»iilu« »u»«»Lrt»r F>. Hran«t«tetter, ComwissiooLc «le» Dresdner lourv»I«; L«wdi>r^ L«rU»-Vi«o - l.«ip»>^ L»»«I Lr«,1«» rr«nlttart «. N.: Aaerssnstein «s LoA/sr, L«rUn-V>«nH»indlli-^- rr»ss-l,«tp«i^ krLLkknrt «. H.-Hüned«n: /t«u. L/e«e, LerU»! /ivaiicie»illa«t, Srsmvn: F Hc^ötte,' Lr»»I»«: F ^tanAen'n Luneau ^'m«i L'adatl«),' kr»v>lk«irt » N : L ^«eAer'eeks öuckannülnnx; VSrUt«: ü. LfÄler; Urnnover: t7. Kcliü»»/«', r«O, Lsrltn Vr»v^knrt ». M Stitllx«rt: Dairbe F t^o.» L»wdarg: ^1«l. Lt««n«r. Berantwortliche Redaktion: Oberredactenr Rudolf Günther in Dresden. llorirasxederr Lünisl. kipeäitioo «le» Lresünvr ^ourn»l», Dreeüen, Lvin^erstrn«»« Ho. 2t). Akonnements - Einladung. Auf das mit dem l. Januar 1883 beginnende neue vierteljährliche Abonnement des „Dresdner Journals" werden Bestellungen zum Preise von 4 M. 50 Pf. angenommen für Dresden bei der unterzeichneten Expedition (Zwingerstr. Nr. 20), für auswärts bei den betreffenden Post anstalten. Liömgl. Erudition des Dresdner Journals. (Zwingerstraße Nr. 20, in der Nähe des neuen Postgebäudes.) Amtlicher Theil. Dresden, 28. December. Se. Majestät der König haben dem Bildhauer Franz Schneider zu Leipzig da- Ritterkreuz II. Elaste deS AlbrechtSvrdenS Aller- gnädigst zu vei leihen geruht. Se. Majestät der König haben Allerqnädigst ge ruht, dem Hofpianosortefabrikanten Ernst Carl Wil helm KapS gU Dresden den Titel und Rang als „Commerzienrath" zu verleihen. MlljtllmMcher Theil. Telegraphische Nachrichten. Wiesbaden, Freitag, 28. December, Mittags. (Tei. d DreSdn. Journ.) Wegen Uebrrschwemmung deS BahnbofeS in Castell ist der Lerkehr mit Frankfurt a. M unterbrochen. Die rechtsrheinische Bahn ist bei Niederlahnstein ebenfalls unter brochen. (Vgl. die Rubrik „Vermischtes-'.) Mannheim, Freitag, 29. December, Nach mittags. (Tel. d. DreSdn Journ.) Der Neckar hat den höchsten Stand des Jahrhunderts, 10,18 m, erreicht, er steht höher, als im Jahre 1824. Die Nothdämme Haden bislang noch gehalten, die Murg-Dämme bei Rastatt find überfluthrt, die linksseitige Borstadt ist überschwemmt. In der rechtsseitigen Stadt reicht das Wasser biS an den Marktplatz. Der Main bei Wertheim stieg heute auf 567 em; es herrscht große Besorgniß. Metz, Freitag, 29. December, Nachmittags. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Die Mosel hat hier die Höbe deS Hochwassers von 1880 heute früh er reicht, seitdem ist sie nicht weiter gewachsen und wird von der obern Mosel Kallen gemeldet. Bromberg, Freitag, 29. December. (Tel. d. Dr.rdn. Journ.) Die „Ostdeutsche Presse" meldet auvR ussisch Polen Uebrrschwemmungen der Warthe. Prag, Freitag, 29. December, Mittags. (Privat-Te'. d. DreSdn. Journ.) DaS Wasser der Moldau steigt seit 11 Uhr Vormittags nicht mehr. In den niedrig gelegenen Stadttheilen ist daS Wasser ausgetreten und wird der Berkehr mittelst Kähnen unterhalten. Karlsbad, Donnerstag, 28 December, AbendS. (Tel. d. Bob.) Dir Tepl ist hcutc gestiegen, so daß der Goethrplatz, der Becher und Lheaterplatz, die neue Wiese, die alte Wiese, die Markt, die Mühl badgasse, die letztere theilweise, unter Wasser find. Die Straße nach Birkenhammer ist unpasfirbar. DaS Wasser ist im Steigen. Eben ist die Eger aus den Ufern getreten. Linz, Donnerstag,28.December,Nachmittags. (Tel. d. Boh.) Heute NachtS find schlimme Nachrichten über Hochwasser eingrlaufen. Infolge deS fortwäh renden Regen» und deS rapiden SchneeschmelzenS Feuilleton. Redigirt von Ott» Banck. Verschollen, aber nicht vergessen. Novelle von Robert Waldmüller«Dubor. (Fortsetzung.) DaS Schreiben zweier Briese endlich hatte ihm Ruhe geschafft; der eine an Harriet, der andere an den alten FranceSco. Der erste, durch den gewandten Rafaelo richtig noch am selben Tag >n Harriet'» Hände befördert, enthielt die Schilderung aller Er lebnisse, die ihrem verschollenen Freunde beschieden ge wesen waren, vom ersten Anfang dieser Wirrnisse an tu- zu dem Augenblick, in dem der Brief geschloffen wurde. Keine Empfindung, welcher der Schreiber des selben sich bewußt war, wurde ihr verschwiegen. Ai» ein Elementares, die Kräfte eine» Sterblichen Ueber- ragendes erschien ihm selbst, während er schrieb, der Wirbel von Sophismen, in welchen ihn tue plötzlich au- dem Haldschlummer erwachte Leidenschaftlichkeit seiner Natur hineingerissen hatte. Er flehte nicht um Verzeihung, er bat nicht um eine Wiederan- sachung im Erlöschen begriffener Empfindungen. „Ich fühle mich zugleich, indem ich an Dich schreibe," so schloß er, „unsäglich beglückt und grenzenlos un glücklich. Scham, Verdruß, Sehnsucht, Unlust, In grimm und wieder Sehnsucht, und Gott sei Dank, vor Allem ein matte» Dämmern von Dankbarkeit gegen den Himmel, an dessen geheimnißvolle« Walten wein Herz doch immer von Neuem glauben muß, soll im Hochgebirge ist der Znnfluß bei Passau aus getreten. Engelhartszell ist zumeist gefährdet. Die Nebenflüsse find ebenfalls ausgetreten. DaS Steigen deS TaunfiuffeS brachte mehreren Ort- schäften großen Schaden. Die Donau stieg NachtS rapid. In Urfahr find dir Hütten überschwemmt. Der Wafferstand der Donau beträgt zur Stunde (5 Uhr Nachmittags) bereits 13 Kuß 4 Zoll über Null. Da von Passau weiteres Steigen und star ke» Regenwetter gemeldet wird und auch hier Südwind mit beständigem Regen anhält, so wird für heute Nacht eine ernste UrbrrschwemmungS- grfahr befürchtet. Die hiesige Dovaulände ist be- rritS theilweise überschwemmt. Die Kaibewohner haben ihre ebenerdigen Wohnungen und Magazine geräumt. Triest, Donnerstag, 28. December, AbendS. (Tel. d. Boh.) Leopold Contento, inhaftirt wegen deS BombenattentateS am 2. August, ist im LaubeS- gerichte au Auszehrung gestorben. Paris, Donnerstag, 28. December, AbendS. (W T. B.) Der Senat hat heute da» Ordinarium und daS Ertraordinarium deS Budgets ange nommen und den zur Bestreitung der Kosten für die Occupation von Tunis geforderten Credit von 25 Millionen Francs bewilligt. Die Deputirtenkammer, welche heute den für die Mission Brazza'S nach dem Kongogebiet ge forderten Credit fast einstimmig bewilligte, trat AbendS 9 Uhr zu einer zweiten Sitzung zu- sammen, um die Berathung de» Budgets zu er ledigen, vertagte sich indrß auf morgen Nach mittags 3 Uhr, da der Senat die Budgetderathung noch nicht beendet hatte. Der Zustand Gambetta'» flößt neuerdings Beunruhigung ein, nachdem da» Vorhandensein eines AbScesseS constatirt worden ist. Heute Nach mittag waren mehrere Arrzte in der Bllla-d'Avraz versammelt, um zu untersuchen, ob sich für den AbScrß nicht durch einen Einschnitt ein Abfluß nach außen eröffnen lasse. Brüssel, Freitag, 29. December. (Tel. d. DreSdn. Journ.) In einer Fabrik bei VervierS sprang gestern Abend ein Dampfkessel, während der Fabrikbetried in voller Thätigkeit war; bisher find 3 Kinder tobt unter den Trümmern hervor- gezogen worden, während dir Zahl der übrigen Opfer noch unbekannt ist. Rom, Donnerstag, 28. December, AbendS. (W T. B.) AlS der österreichisch-ungarische Bot schafter beim Vatikan, Graf Paar, heute, von einer Audienz beim Papste zurückkehrend, daS zwischen dem Vatikan und dem EngrlSfort gelegene Stadtviertel passirte, wurde ein Stein gegen den Wagendes Botschafters geworfen, ohne daß Jemand getroffen wurde. Der Schuldige wurde sofort ver haftet und einem Verhöre unterzogen. Derselbe ist ein junger Schneider, Valrriani auS Ancona, und erklärte, daß er wegen seiner elenden Lage in Berzweiflung war und nickt wußte, daß eS der Wagen des Botschafters gewesen. Bei einer Durch suchung der Wohnung Baleriaui's wurde nichts Verdächtiges vorgefunden. London, Donnerstag, 28. December, AbendS. (W. T B.) DaS Parlament wirb durch eine heute von der Königin erlassene Proklamation zum 15. Februar k. I. einberufen. Dresden, 29. December. In den spanischen CorteS hat die von dem ehrgeizigen, intiiguanten Marschall Serrano, Herzog de la Torre, eingeleitete Bewegung vo. läufig eine Nieder lage Serrano'S und seine- Anhanges im Gesolge ge- eS nicht verdorren und versanden — Das ist, was es in mir wogt und ringt." In dem Schreiben an FranceSco konnte er sich kürzer fassen. Was Alles in der Seele deS mit An gelina Verlobten vorgegangen war, brauchte der Alte nicht auch erst durchzuleben. DaS einzige Wichtige, daß Belcoeur am Leben, daß Belcoeur voll Sehn sucht nach seinem Kinde sei — hierin lag der ganze Inhalt deS Briefes umschrieben. Schon als Henry instinctiv, statt an Angelina, an ihren Großvater zu schreiben begonnen hatte, war cr aufrichtig genug ge gen sich selbst gewesen, um sich zu sagen, wie wenig festen Grund er bis jetzt in dem Liebesleben dieses ungestümen NaturkindeS gefaßt haben konnte. In mitten der idealen Empfindungen, mit denen ihre Jugend, ihr Temperament, ihre Schönheit ihn immer und auch jetzt im Augenblicke deS Verzichtens erfüll ten, fühlte er, daß ihr die Kirche und wa» dieselbe legitinurt oder nicht legitimirt hatte, höher stand, als sonst irgend etwas auf Erden. Sobald Belcoeur un willigen würde, die verfäumte kirchliche Trauung nach zuholen — und warum hätte er daS nicht sollen? — mußte Angelina das romantische Intermezzo mit dem rasch gefundenen Fremden als eine freundliche Tröstung betrachten, mit welcher die Madonna ihr über ihr Un glück hatte weghelsen wollen. So ungesähr lautete denn in der That die Ant wort, welche die gestern mit Henry'S Brief nach Capri heimgesegelten Marinari dem Harrenden kurz vor Mittag brachten. Mit tropfender Wimper stand er, noch Lesung der zitternden Zeilen deS Alten, noch eine gute Weile da. Wa» er hatte wünschen müssen, die Bestätigung seiner habt. Bekanntlich beabsichtigte Serrano die Wieder herstellung der die königliche Gewalt erheblich be schränkenden Verfassung von 1869 an Stelle der jenigen von 1876, welche heute giltig ist. Der An trag Serrano'S wurde sowohl im Senat, wie in der Deputirtenkammer mit großer Majorität verworfen. In der letztem war da» Resultat des ersten Stadiums der Debatte entschieden mehr zu Gunsten der Ver fassung von 1876; ein Amendement jedoch, den An trag nicht in Betracht zu ziehen, daß keine Aende- rung an der Verfassung wünschenSwerth sei, wurde mit 216 gegen 68 Stimmen verworfen. Die Ma- jorität erwieS sich weit größer, al» man erwartet hatte. Die konservative Seite wurde von Romero-y- Robledo geführt, welcher, indem er die Verfassung von 1869 verwarf, einen außerordentlich heftigen An griff gegen d«e Regierung richtete, die er al» reak tionär und weniger liberal, al» jene der Conservatlven beschrieb. Der Arbetttministtr, Albareda, der vorge schrittenste Liberale im Labinet, vertheidigte die Regie, rung, indem er die Freiheit sowohl der Rede al» der Presse, den Fortschritt im Erziehungswesen und den wirklich liberalen Geist unter der Administration Sa- gasta's mit der engherzigen und nicht liberalen Politik LanovaS' während seine- 10 jährigen Machtbesitzes verglich. Die Rede deS Ministers machte einen merklichen Eindruck aus die Liberalen ohne Unterschied der Partei. Trotzdem g«ht auS dem ganzen Verlause der Be wegung die Unsicherheit der spanischen Verhältnisse nur zu deutlich hervor. In der Deputirtenkammer fehlte eS, wie schon das obige Ergebnlß der Abstim mung erraiheu läßt, nicht an Kundgebungen, welche den zweifelhaften Werth de- Anhang- der Regierung erkennen lassen. Man findet daher, daß König AlfonS von Spanien, als er am 26. d. erne Glückwunschdepu- tatton der Kammer empfing, die Zukunft in allzu rosigen Farben sah, indem er auf die Ansprache des Führer- der Deputation erwiderte, die Sammlung der wichtigen po uischen G«walten um den Tlrou und die Dynastie vermehrten seine Hoffnung, Spanien ganz von einem Gefühle beseelt zu sehen für die angestammte Monarchie; eS fei dieselbe da- Symbol der alten spa nischen Giöße, in voller Harmonie mit den modernen Freiheiten und eine Quelle der Wohlfahrt für die Nation. Die üble Lage der Regierung ergiebt sich vor Allem auS dem geringen Werth ihre- Anhangs, wie überhaupt in Spanien kein Anhang zuverlälsig ist. So stehen heule wieder dieselben Männer an der Spitze der republikanischen Bewegung, welche im Jahre 1873 zur Zeit der Republrk die Führer der letztem waren und schließlich die Monarchie verth'idlgten. Der spanische Parleimann verkauft sich an den ersten Besten, wenn eS nur Derjenige ist, der ihm am meisten bietet. Eine sehr lehrreiche, diese- Thema behandelnde Correspondenz aus Madrid enthält die „Weser-Zei tung." „Wozu hat sich Serrano Zeit seines LevenS nicht schon hergegeben', fragt der Correspondent. „Heute Mitglied deS Cablnets Espartero, sehen wir ihn es morgen stürzen; heute Favorit der Königin Isabella, schlägt er bei Alcoiea ihre Truppe»; heute radical, vattrt er am 23. April mit den Radikalen gegen die Republik, macht am 3. Januar wieder eine Schwen kung gegen seine früheren Parteigenossen. Kurzum: es giebt keine Partei, keine Fahne, der er nicht im Laufe seines politischen Lebens Treue geschworen und Treue gebrochen hätte. Warum soll er am Abende eines Lebens nicht ein wenig gegen Alfons XII. con- piriren? Denn, wohl gemerkt, wenn auch m dem lublicistischen und parlamentarischen Kampfe, der sich nun auStodt, immer blos von Verfassung und Libera lismus die Rede ist, so muß man nur die CorpSführer kennen, um zu wissen, wie blutwenig es ihnen um all Ausfassung, sie schnitt ihm doch in» Herz, und er war lange unfähig, dem Leben, das solchen Selbstbetrug und solche Täuschungen zu den Mitteln zählt, deren es, um reizend zu erscheinen, nicht entrathen kann, mit ander«, al- mit bloS ernüchtert kaltem Blick iuS An gesicht zu sehen. Endlich ermannte er sich und sandte durch Rafaelo eine kurze Zeile an den Sergenten Belcoeur. Er gab ihm die Adresse deS alten FlanceLco, verwies ihn an diesen wegen alles Weitern und schloß mit den Wor ten: „Lassen Sie sich noch empfohlen sein, Angelina'» Tauf- und Firmelungspapiere sich von dem Pfarrer auf Capodimonte zu verschaffen. Je eher Sie die ver säumte kirchliche Trauung nachholen, desto besser für alle Bethciligten." Noch ein Mal durchflog er das Blatt deS alten Caraccioli. Erne Zeile, von der er sich nicht loS- reißen konnte, lautete: „Doch geliebt, bester Herr, hat Sie das arme, gute Kind von ganzem Herzen; auch ist sie während der halben Nacht nicht zur Ruhe ge kommen." Aber dann hieß e- weiter: „Zum Glück ist sie heute vernünftiger; eben jetzt spielt und lacht sie mit ihrer kleinen Creatura und erzählt ihr von dem ersten, schwarzbärtigen Papa." Von Harnet kam Nachmittag- eine mündliche Bot schaft, nachdem Henry abwechselnd mit Rafaelo für cine folche während de- ganzen Vormittag- auf dem Posten gestanden hatte — Henry umer Empfindungen lchmerzlich bewegter Ar». Der alle gepuderte Diener brachte die Botschaft: Miß Spenser bitte den Baronet Henry Suckling, sie in ihrer Wohnung nach Ave Maria besuchen zu wollen. Er hatte schon gefürchtet, ihm werde gar kein Be- die schönen Principien zu thun ist, mit denen sie heute noch Staat machen. Ihnen geht e» einzig um die Macht und um den materiellen Vortheil, der da mit verbunden ist. „An dem Tage", so sagte de« Schreiber dieser Zeilen ein Senator de» Reiche», „an dem Tage, da Alfonso nicht mehr Geld und Würden genug zu vergeben haben wird, um die Stützen seine» Thrones zu belohnen, an demselben Tage weiden sie ihn im Stich lassen und Anderen zulaufen." All' da» republikanische und demokratische Parteigüngerthum, da- sich um den alten Serrano fchaart, denkt an nicht- Andere-, al- an die Pfründen, die eS zu ergattern und zu vertheilen geben wird, wenn ihr Strohmann an» Ruder gelangt. Und mehr als ein Strohmann ist der alle Marschall nicht, da» mußte sich Jedem aufdränqen, der ihn sah, als er im Saale de» Senat» seinen Platz einnahm, gefolgt von j-nem ehrgeizigen Moret, der sich förmlich an seine Schöße klammerte, und obzwar Nicht Mitglied de- Senat-, auf einer Bank hinter ihm sich niederlieb, um dem als Redner gar nicht schlagfertigen Marschall fortwährend eindlafen zu können. Und wie selbstbewußt lächelte Moret, al ber alte Herr, nachdem er unter lautloser Stille unge fähr 10 Minuten aus Eigenem gesprochen, sich anstrengte, um das Promemoria abzulesen, da- ihm seine Hinter männer aufgesetzt und zu dessen Bewältigung er eine volle Stunde brauchte. Wohl «st darin noch die Rede von der Anerkennung der „actuelleu" Dynastie, un beschadet der Herstellung der„Volk-souveränetät", ober man weiß, daß sich hinter dieser Phrase nicht- Andere» verbirgt, als die nackte Anwartschaft auf die Präsident schaft der Republik, die man vorerst dem alten Marfchall überlassen will, der ja ganz au- dem Teige gemacht ist, um sich von seinen Berathern kneten zu lasten. Da hat der rothe Republikaner Salmeron schon viel aufrichtiger geredet, als er gelegentlich des jüngsten Meeting- im Alhambrasaale ausrief, eS kö mte anläß lich der Durchführung deS neuen Programm- wohl zu Blutvergießen kommen, aber diese- Opfer müsie das Volk schon über sich ergehen lassen, um in den Vollgenuß seiner Souveränetät zu gelangen. That- sächlich stehen die Dinge so, daß die neue Partei auf den Umsturz der Verfassung und des Throne» sinnt, wozu ihr der Umstand, daß dem kömgl. Paare männ liche Thronerben versagt sind, einen Vorwand giebt, sobald einmal die Constitution von 1869 restaurirt ist. Man wende nicht ein, daß sich ja der Streit zu nächst um die Gewährung der Freiheit der Lulten und de» allgemeinen Stimmrechtes dreht. Wenn der Ca- binetschef Sagasta jüngst mit großer Emphase erklärte, er werde diesen beiden Principien seine Zustimmung nicht ertheilen, so geschah die- nur „der Noth gehor chend, nicht dem eignen Triebe". Sagasta ist ein zu schlauer Fuchs, als daß er nicht die Anschläge der neuen Gegner durchschauen wüide. Von der Linken her, auf die sich zu stützen er bisher angewiesen war, mit Treubruch bedroht, suchte er sich wenigstens indirekt einer SuccurseS von Setten der Conservanven zu ver gewissern und diesen ward jene Erklärung als Köder hingeworfen. In der That nicht ohne Erfolg; denn alsbald erklärte der Marquis de Molins namens der Rechten, daß diese das neue Programm nicht zu unter stütze.: beabsichtige, mag ,hr auch sonst ver Sturz de» liberalen Cabinets Sagasta sehr willkommen sein. Aber sie ahnt, daß eS ihr ergehen könnte wie den Fröschen, die den Storch zum König wählten. Man glaube aber ja nicht, daß Religionsfreiheit und all- gemeines Stimmrecht Hierlands eine Forderung der öffentlichen Meinung sind. Der aufgeklärteste Spanier ist in Cultursachen höchstens indifferent, d. h. so lange er sich unter seinen Gesinnungsgenossen befindet. Da» hindert ihn nicht, in seinem Hause eine Kapelle zu halten, einen Priester zu bezahlen, der daselbst all wöchentlich die Mrsse liest, und seine Kinder in ein scheid werden. Und jetzt erlaubte sie ihm zu kommen! Warm st'ömte eS durch seine Adern . . . Aber wel che- Empfanges durste er gewärtig sein? Jetzt läutete eS ring» zu Ave Mario. Nach kurzem Zögern machte Henry sich auf den Weg. AlS er tue Chioja erreichte, wo Harriet und die Matione, wenige Häuser vom britischen Gesandt schaft-Hotel entfernt, wohnten, fiel ihm erst ein, daß der gepuderte Diener Mühe gehabt hatte, fein Be fremden über den bäurischen Anzug de- Baronet- zu verbergen. Wozu durch solche Aeuffrlichkett auch Harriet an die von ihm durchlebte Periode verletzend mahnen? Er ließ sich durch Rafaelo in eine Straße führen, wo Kaufläden waren und kehrte erst wieder nach der Lhiaja zurück, al- er, wenigsten» den Kleidern nach, wie andere Menschen seine» Stande» aussah. Eben suhr ein Wagen fort, wie e» schien: der gestern von Harriet und der Matrone benützte. Aber nur die Letztere besand sich dann; der alte Diener saß aus dem Bock. Henry fühlte sich um ein gute» Theil erleichtert. Die alte Dame, er wußte eS, war die Herzentgüte selbst; doch ihr wortreicher Methodi-mu- war ihm schon häufig lästig gewesen, und ihm sagte etwa», daß sie „dem verlornen Sohne" gegenüber nicht leicht den rechten Ton finden würde. (Schlutz folgt.) Heimath der Cnlturpflanzen und Hantthiere. U«ber unfere Culturpflanzen und Hou»thiere in ihrem Uebergang au» Asien nach Griechenland, Italien und nach dem übrigen Europa hat Victor Hehn ein
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