Dresdner Journal : 05.10.1884

^284. Ikbrlied, .... 18 K»rll. Mlrliol»: 4 K»rK KV kk. Lü»«l»«Uiii»w«i», 10 kt. La—rl^Id 6»» ä«ot»oi»«u K«iob«» tritt koit- UL«i 8tswp«l»UIoK1»^ k,n»i» Inssrateaprst^r «a> lisu k»um v<usr ^«»pitlteovQ k»tit»«il» SV kl v»t«r äio Avils kV kl. Üsi ^»d«Ilsv- iu»<i 2iL«ru»»t» KV Xokioll»^ Sonntag, den 5. October. DreMerImrmü. 1884. I»»si»1«»»a»»Nws a«»i»2r1»r LstpitU: F>. LranÄstettrr, OonrmiLnouLr äs» Vrssäovr loon-uü«: L»»>dlirx k«r»L-Vt«2 - L»»«1 8r«»1»u 2r»aicturt ». H.: F kv</?cr/ 8«rUo-Vi«»-ll2!:?>ur^. kr«^-1^ip«jx krruSkart ». lt.-Hüaedso: ^u<i. .1/ Isrit»: /ivaiilirn^an^, kr«m«l: L .^>c/i/utte, Lr«,I»ui Ltn-IA^»'» Lurea« <L',»4 Lakai/>),' rr»L>lt»rt » N ! L. FaeFe^setw üuekditoäluvF; VSrNt«: <^. L/M«; S»»Lo,«r: 6. Lcki»«t«, k»rt» L«rU»-rr»Llrtort ». N - LtuttUsN: /-»«-« <4 6o., Nsmdilrx: F4. Lie»»«'. Berantwortliche Redactton: Oberredaeteur Rudolf Günther in Dresden. T-bllob a»lt Lu«»»t»w« äor 8oov uaä k«isrt»b» XdsQii, Mr äs« kot^sväs» 1»^. ,.« » Ueri»ui>xekerr Lüni?rl. Lipeäition äs» ^ourQLl», Drs^vu, Av-ill»ksr!>?rl»!»«r Lc>. SV Äintticher Llieil. Dresden, 3. Oktober. Se. Königliche Majestät haben dem in den Ruhestand getretenen Senat-Präsident de» OberlandeSgerichtS, Appellationsgerichtspräsident Eduard Ferdinand Noßky, da- Lomthurkreuz I. Llasse vom Verdienstorden zu verleihen Allergnädigst geruht. Nichtamtlicher Theil. Telegraphische Nachrichten. Wien, Areitag, 3. Oktober, Abend». (Tel. d Boh.) Ja der heutigen Sitzung de» Wiener Ge- meiuderathe» machte der Bürgermeister Mitthei- lung über den Widerruf der ehrenrührigen Angriffe feiten der Berliner „Kreuzzritung" und der „Augs burger Postieitung" auf den Wiener Grmeinderath mit dem Beifügen, daß er 2 MagistratSbeamte nach Berlin und Augsburg wegen Klageführung entsendet hatte. Die beiden genannten Journale brachten den Widerruf, weigerten sich aber, die Ramen der Wiener Correspondenten zu nennen, von denen die ehreurührigen Augriffe berstammen. Der Bürgermeister erklärte, die Rrchtssrctiou deS tSemeinderatheS werde beratbrn, ob trotz deS Widerrufes die Klage gegen jene Blätter einzu bringen sei. (Die beiden Blätter hatten behauptet, daß unter den etwa 5H Millionen Gulden, mit wel chen der Prachtbau des Wiener RathhauseS über schritten worden sei, 2 Millionen aus unnöthige und durchaus muthwillige Veränderungen und 3^ Millio nen auf Unterschlagungen kämen.) Paris, Sonnabend, 4. Oktober. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Die „Agenee HavaS" meldet anS Hanoi von heute, daß die Kanonenboote „MouSqueton", „Massue" und „Hache", vor dem Marsche der Truppen da» Tbal Lochnan recognoScirend, von regulären chinefischrl. Truppen angegriffen worden seien. 1 Offizier wurde grtödtet, 3V Manu ver- mundet. Verstärkungen find angekommen; andere Truppen mit dem tSeueral Negrier au der Spitze verlassen Hanoi. Haag,Freitag,3.Oktober,AbeudS. (W. T.B.)Dir Erste Kammer der Geueralstaaten hat heute mit 33 gegen 3 Stimmen beschlossen, die Abänderung deS Artikel» 1S8 der Verfassung in Erwägung zu ziehen. Diese Abänderung läßt jede Lerfaffungs- revifion während einer Regentschaft zu, ausgenom men hinsichtlich der Artikel über die Thronfolge- orboung. Im Laufe der nächsten Woche wird die Auflösung der Kammern erfolgen. Der Entwurf zu einer ziemlich ausgedehnten Verfassungsrevisiou ist gegenwärtig dem Staatkrathe zugegangen. Bern, Freitag, 3. Oktober, Abendü. (W.T.B.) Der Buudesrath hat beschlossen, daß der neue Zolltarif mit Neujahr 1885 in Kraft trete. Kopenhagen, Sonnabend, 4. Oktober, Mit tag». (Tei. d. DreSdn. Journ.) Der Brand deS Schlosse» Ehr stianSborg wurde im Laufe der Nacht bewältigt. Große Kunstschätzr, darunter Werke von Thorwaldsen und daS Archiv de» Reichs tag», wurden vernichtet. Der Schaden wird auf mehrere Millionen geschätzt. Dir Schloßkirche und da» Thorwaldsenmuseum blieben, obwohl sie stark bedroht waren, unversehrt. Der König und der Kronprinz waren bi» Mitternacht auf der Brand stätte anwesend. (Vgl. die „Tagesgeschichte".) Lima, Freitag, 3. Oktober, Abend».(W.T.B.) Die RegierungStruppen haben in einem Gefechte bei Huaura gesiegt. Dir Garnison der Stadt Trujillo erklärte sich gegen den General Puga, anscheinend, weil derselbe für den Frieden ist. Feuilleton. Redigirt von Otto Bauet. K. Hoftheater. — Altstadt. — Am 3. Oktober: „Don Carlo», Jnfant von Spanien." Trauer spiel io 5 Acten von Schiller. In erfreulichster Weise mußte bei dieser Auffüh rung jeden Kunstfreund das gutbesetzte Haus und die warme Theilnahme des Publikums für die Dichtung selbst berühren. Es ist das ein Eindruck, der ganz besonders auch auf die Darsteller eine belebende An regung ausübt und ihnen den Werth der klassischen Dichtung und die Sicherstellung ihres Wirkens in derselben klar vor Augen führt. Die Werke der Llassiker bleiben die Grundlage aller schauspielerischen Studien und die daran gewandten Mühen lohnen sich, was manchen jungen Künstlern leider nur schwer glaubhaft ist, auch auf dem fernsten Gebiete. Gerade die Schiller'schen Dramen, deren Rede Prosa und Jambus umfassen und nach beiden Seiten hin bi» »um höchsten Glanze des deutschen Sprach- geniuS , bi? zur ergreifendsten Tiefe de» Gedankens ausgebildet sind, eignen sich im Anschlusse an die Strenge Lessing'», an die Unmittelbarkeit Goethe's, an die dramatische Realität Shakespeare'- am besten zur wunderbarsten Entfaltung de- eigentlichen VortragS- studium-. Diese Schiller'sche Rede wahr und charak teristisch und somit nicht nur äußerlich deklamatorisch wirken zu lassen, muß da» vornehmste Bestreben aller gebildeten Darsteller sein. Dresden, 4. Oktober. Der vom kaiserl. statistischen Amte herausgegebene Band 2 der neuen Folge der Statistik des deutschen Reiches ist nach der Zeltfolge des Erscheinens der letzte der 3 Bände dieses Werkes, welche die endgiltigen Er gebnisse der Berufsstatistik noch der allgemeinen Be rufszählung vom 5. Juni 1882 behandeln. Hier nach gab es in Deutschland, die häuslichen Dienstboten ausgeschlossen, in runder Zahl 16,s Millionen er» werbsthätiger Menschen, und unter diesen 4 Millionen — also ziemlich genau den vierten Theil — Frauen. Am stärksten war der Antheil derselben bei der Land» wirthschaft, wo die Männer zu den Weibern wie 57 zu 25 sich verhalten; dann kam der Handel einschließ lich der Gast- und Schenkwirthschaft mit 13 zu 3 und endlich die Industrie mit 52 zu 11. Trotz deS an scheinend günstigen Verhältnisses aber ist bei der letztern die Sache am schlimmsten. In der Land» wirthschaft läuft die Beschäftigung im Garten, auf dem Felde oder bei der Viehzucht mit den Pflichten des Hauswesens zusammen, auch lebt die ländliche weibliche Arbeiterin fast immer in der Familie und als ein Glied derselben. Bei Handel und Gastwirth- schaft trifft dies für die Ladenmamsell, die Wirth- schafterin u. s. w. ebenfalls meistens zu, und eS fallen unter diese Rubrik auch die vielen kleinen Kramläden, welche von Wittwen u. s. w. gehalten werden. In gewissem Sinne ist dies immer noch ein häuslicher Wirkungskreis. Ganz anders aber stehen die Sachen bei der Industrie. Hier lebt jede Arbeiterin auf eigene Hand, und von irgend einer Beziehung zum Familienleben ist keine Rede, mag sie des Tages über in der Fabrik beschäftigt sein, ihre Arbeit in der ein samen Dachkammer verrichten, oder sie von Haus zu Haus aufsuchen. Es ist schwer zu sagen, wer sich in üblerer Lage befindet: die Fabrikarbeiterin, oder die Haus- oder Stückarbeiterin. Die Erstere lebt zwar unter größerm Zwange, aber bei der Arbeit in ge selligem Verkehre und findet bei diesem leichter Ge legenheit zur Heirath. Ihr Erwerb ist zwar mühsam, aber regelmäßig und sicherer. Die Haus- oder Stück arbeiterin dagegen hat fast fortwährend mit Sorge und Noth zu kämpfen; ihr Brod hängt meist von Zufälligkeiten ab und wird heruntergedrückt durch die Loncurrenz von Personen, welche die Arbeit als Nebenerwerb betreiben oder, was namentlich für Berlin zutrifft, als Deckmantel für die Prostitution brauchen. Diese schwache Stellung der Haus- oder Stückarbeiterin wird dann von den Arbeitgebern noch zu unbilliger Ausbeutung benutzt, so daß es ihr fast unmöglich wird, auf anständige Weise sich durchzubringen. In Berlin gilt dies namentlich von den Näherinnen, Schneiderinnen und den Confectionsarbeiterinnen. Es ist kaum glaublich, welche Hungerlöhne von den meist jüdischen Firmen an diese armen Geschöpfe gezahlt werden. So wurde neulich der Fall bekannt, wonach eine Arbeiterin, welche Filzschuhe anfertigt, pro Woche mit Einschluß des Sonntags bei einer Arbeitszeit von 4 Uhr Morgens bis 10 Uhr Abends mit Hilfe ihrer 12jährigen Tochter einen Verdienst von 10 M. 80 Pf. erzielte. Ganz ähnlich sind aber die Verhältnisse auf dem Gebiete der Wäschedranche. Die Fälle sind nicht selten, daß z. B. für das Nähen von einem Dutzend Damenhemden 1U M. gezahlt werden. Nimmt man an, daß eine Arbeiterin pro Tag bei lostündiger Arbeitszeit mindestens 2 M. verdienen muß, um ein menschenwürdiges Dasein zu führen, jo muß dieselbe z. B. in 1 Stunde ein Damenhemde, dessen Preis zu 3 M. pro Dutzend normirt ist, fertig stellen, wobei die Auslagen u. s. w. noch gar nicht eingerechnet sind. Daß unter diesen Verhältnissen die Näherinnen (in Berlin über 25 000) körperlich und geistig zu Grunde gehen und schließlich, im Kampfe ums Dasein unter- Wer sich diese Erkenntniß recht zu eigen gemacht hat, wird dieselbe in der Titelrolle und in den Par tien Eboli und Posa zu segensreicher Verwendung bringen können, denn gerade in diesen Aufgaben liegt ein Hinüberschweifen zum überschwenglichen, aus Stimmkraft sich stützenden Tragiren am verlockendsten nahe und es wäre hier zu der vielfach tüchtigen Leistung noch viel des Guten Hinzuzuthun. O. B Freda. Novelle von E. Lameron AuS dem Englischen von August Frenzel (Fortsetzung.) Er hatte sich, der Länge nach auf den Rücken, neben mich auf den Strand gelegt, jedoch so, daß ich sein Gesicht nicht sehen konnte; die Arme hatte er unter den Kopf gesteckt und den Hut über die Nase gezogen, um seine Augen zu beschatten. Er schien große Nei gung zu haben, einzuschlafen, und ich hoffte sehr, daß er es thun werde. „Ja so," sagte er bald daraus, indem er die Ci garre aus dem Munde nahm und da- glühende Ende derselben mit großer Aufmerksamkeit betrachtete — „unsere Freundin, Bella, befürchtete, Sie möchten sich sehr langweilen und hat mir daher die reizende Auf gabe gestellt, Sie bi» heute Abend acht Uhr zu unter halten." „O! da thut eS mir außerordentlich leid, daß Sie für nöthig gehalten haben, meinetwegen hier zu ver weilen," sagte ich kalt. Er lächelte, aber antwortete nicht. legen, dem Laster in die Hände fallen, ist eine ein fache Folgerung. Wird doch beispielsweise die Zahl der Berliner Prostituirten, welche sich meisten» aus Arbeiterinnen recrutiren, von Polizei wegen auf über 30000 geschätzt, von denen allerdings nur etwa 6000 bei der Sittenpolizei angemeldet sind. ES wäre gut, wenn in den Arbeiterversammlungen auch da- Elend der weiblichen Arbeiterinnen Berlins etwas erörtert würde. Der Jammer dieser weiblichen Proletarier wird nicht in der Presse zur Schau getragen wie bei den männlichen; sie machen keinen Auflauf, bauen keine Barricaden: sie verkommen in der Stille oder fallen der Schande anheim, und ihr Nothschrei stört nicht die behagliche Verdauung Derjenigen, welche sie ausbeuten. Aus dem kürzlich in Karlsruhe abgehaltenen 23. Longreß für innere Mission wurde u. A. auch die bedeutungsvolle sociale Frage über „Frauenarbeit und Familienwohl" erörtert. Ter Secretär des Ausschusses für innere Mission, Prediger Oldenberg (Berlin) hatte in Bezug auf diesen Gegenstand im Auftrage des Ausschusses folgende Thesen aufgestellt: Die Frau Hal nach göttlicher Ordnung ihren Berus vor zugsweise in der Familie. Wie jede Familie, so geht auch die Arbeiterfamilie ihrer Auflösung entgegen, wenn die Frau ihrer ökonomischen und sittlichen Ausgabe nicht gewachsen ist. Da die Industrie in manchem ihrer Zweige die Frauenarbeit nicht entbehren kann, so hat sie die Pflicht, dieselbe so zu gestalten und zu begrenzen, daß mit dem persönlichen Wohje der Arbeiter innen auch das Wohl der Arbeitersamilien durch sie gewahrt und oesördert wird. Diese Pflicht ruht in besonderm Maße aus den Arbeitgebern. Dieselben haben in Bezug aus die arbeitenden Frauen nicht nur die Forderungen der Sewerbe- gesetzgebung mit Erwisienhastigkeit zur Ausführung zu bringen, sondern auch über dieselbe hinaus die Forderungen des christ lichen SittengefetzeS den Arbeiterinnen gegenüber zu erfüllen. ES liegt sotvohl im Interesse der Industrie, wie im Interesse der Arbeitersamilien, daß, soweit irgend möglich, nicht ver- heirathete Frauen sondern nur ledige in Fabriken beschäftigt werden. Für dir Arbeit lediger weiblicher Personen in Fabriken ist im Interesse des Familienwohles geboten: o.) die ihrem Alter und ihrer Leistungskraft entsprechende Beschränkung der Arbeitszeit; v) die Fürsorge für gesunde Arbeitsräume: v) die (möglichste) Trennung von männlichen Arbeitern; a) eine strenge sittliche Haltung der Arbeitgeber und de» Aussichts personals; «) die Darbietung von Gelegenheit zu wirthschast- licher Ausbildung, welche sie zur Führung eine» künftigen eigenen Hausstandes befähigt; k) die Darbietung von heilfamer Erholung in Freistunden und Feierabenden; g) die Freigebung der Sonntagsruhe. Für die industrielle Arbeit verheiratheter Frauen sind folgende Gesichtspunkte als maßgebend anzuerkennen: »> daß ixyabriken verheirathrte Frauen nur arbeiten dürfen, so lange sie kinderlos sind - und Wittwen nur, wenn gleichzeitig sür die Beaufsichtigung und Pflege ihrer Kinder während der Ar beitszeit ausreichend gesorgt ist; b) daß verheirathrte Frauen, welche Kinder haben, nur rn dringendsten Ausnahmefällen und bei gleichzeitig vorhandener Fürsorge sür ihre Kinder zur Arbeit in Fabriken zugelassen werden; v) daß in solchen AuSnahme- sällen Frauen, die einem Wochenbett entgegengehen oder die ein Wochenbett überstanden haben, sür eine enlsprechenee Zeit von der Fabrikarbeit unbedingt auSzuschließen sind (und sür diese Zeit einen entsprechenden Theil des Arbeitslohnes erhal ten). Am heilsamsten ist es, wenn verheirathete Frauen der Arbeiter, die aus Mitarbeit angewiesen sind, dieselbe in der Hausindustrie finden, welche ihnen die dauernde Fürsorge sür ihren Hausstand und die Erziehung ihrer Kinder ermöglicht. An aller Fürsorge sür die in der Industrie beschäftigten Frauen, resp. ihrer Kinder, sällt den Frauen der Arbeitgeber ein wich tiger Aniheil zu. Ebenso hat die bezügliche kirchliche Gemeinde durch sreie Kräfte, resp. Vereine, an der Fürsorge mitzuwirken Der Referent über dieses Verhandlungsthema, Fabrikant Steinheil aus Rothau im Elsaß, war nicht erschienen, hatte aber die Thesen vorgelegt erhalten und sich mit denselben einverstanden erklärt. Sein Referat hatte er eingesandt. Dasselbe betont, daß sowohl das Interesse der Industrie, als auch das der Arbeiter familien ins Auge zu fassen ist. Die Maschinen ver drängen immermehr die Handarbeit; nm so wichtiger ist es, diese zu erhalten, wo es noch möglich ist. Im Kleingewerbe kann die Frau an der Arbeit sich leicht betheiligen; ist aber auch die Großindustrie geeignet, die Haus- und Handarbeit zuzulassen? Die ärmliche Wohnung des Arbeiters wird dadurch „Ich langweile mich nie, ich versichere Sie; und kann mich sehr gut allein unterhalten." Immer noch keine Antwort. Sein Schweigen är gerte mich mehr, als seine Worte; denn nicht» ärgert eine Frau so sehr, als ein Widersacher der nicht sprechen will Ich wollte streiten und mein Gegner nahm sich nicht einmal die Mühe, den Schild aufzu nehmen. Einige Minute vergehen und dann breche ich angreifend heraus: „Ich werde in der That eine schlechte Gesellschaft für Sie sein und muß Sie wirk lich bitten, zu gehen, um anderswo Unterhaltung zu suchen. Im Orte ist ein Billard und — ein Lese zimmer, glaube ich; genug, Alles wird besser sein, als ein „Gänschen", welches vielleicht erwartet, daß man ihm den Hof macht." „Ahal Endlich ist's Herau-I" DieserAusbruch triumphirendenVergnügens schnellte mich thatsächlich empor. Er schleuderte seine Cigarre fort, stützte sein Kum in die Hände und blickte unter meinen Hut, mir geradewegs rn da» Gesicht. „Ich wußte, daß ich es herausbringen würdeI Da haben Sie also meine unvorsichtige Rede aus der Treppe gehört? Ich errieth es in dem Augenblick, als Sie gestern Abend zur Thüre hereintraten." Seine Augen sprühten im Triumph und sein Antlitz, seine Stimme waren voller Leben. Diese totale Um wandelung in seiner Art und Manier erstaunte und verwirrte mich fast mehr al» seine Worte. Ich stammelte und wurde roth. „Wie wußten Sie? Was ließ Sie ecrathen?" „Nun, um damit zu beginnen, die spanische Spitze." Mit äußerstem Erstaunen blickte ich aus. „Ich hatte Sie vorher gesehen. Miß Clifford. zur Werkstätte, und die Unterbrechungen zu häuslicher Arbeit werden hier um so unangenehmer empfunden. Aber doch kann auch die Großindustrie die Arbeit der Frauen nicht entbehren. Unverheirathete Frauen sind jedoch den verheiratheten Frauen als Arbeiterinnen vorzuziehen. Die Fabrik muß sowohl in gesundheitlicher, als auch in sittlicher Beziehung feste Garantien bieten in Bezug auf die Räumlichkeiten wie durch die Wahl de- männ lichen Aufsichtspersonals. Zugleich soll den ledigen Arbeiterinnen Gelegenheit geboten sein, sich zur künf» tigen Führung eine- Haushalte» vorzubereiten Der Lorreferent Rathsherr Sarasin aus Basel schloß seinen Vortrag an die obigen Thesen an, welche er von seinem Standpunkte als (ehemaliger) Seidensabrikant beleuchtete. Er betonte zunächst, daß der Congreß für innere Mission die Verhältnisse der weiblichen Fabrik arbeiter nehmen müsse, wie sie sind. Das Dichter wort: „und drinnen waltet die züchtige Haussrau, die Mutter der Kinder und herrschet messe im häuslichen Kreise", läßt sich heute auf nur einen kleinen Theil der Frauenwelt anwenden. Unsere Zeit verlangt eben auch da» Eintreten der Frau in die Mitarbeit, und eS ist nur noch die Frage: wie sind die hieraus sich ergebenden Uebelstände zu beseitigen? An der Hand der Thesen de» Predigers Oldenberg geht Redner auf diese Frage ein. Der Fabrikant hat auch auf da» häusliche Wohl der Arbeiterinnen Rücksicht zu neh- men, wenngleich er oft nicht die Zeit finden werde, sich mit dem häuslichen Stande seiner Arbeiterinnen eingehend zu beschästigen. Jedenfalls ist von Arbeit gebern ein Herz für, ihre Untergebenen zu erwarten. Allerdings sind ledige Arbeiterinnen vorzuziehen; aber eine tüchtige Arbeiterin wird der Fabrikant nicht aus dem Grunde au- seiner Arbeit entlassen, weil sie sich verheiralhet hat. Das schweizerische Fabrikgesetz hat sür die Arbeiterinnen viel besser gesorgt, als das deutsche; denn in der Schweiz sind nur l1, nicht 12 Stunden Normalarbeitszett, und unter keinen Umstän den darf eine weibliche Person am Sonntage oder des Nachts zur Arbeit verwendet werden. Jede Frau, welche eine Haushaltung zu führen hat, muh eine halbe Stunde früher entlassen werden u. s. w. Es wäre eine schöne Aufgabe des Vereins sür innere Mission, darauf hinzuarbeilen, daß tue deutsche Ge setzgebung in dieser Beziehung verbessert würde. Auch dafür, daß gesund« Fabrrkräume vorhanden sind, hat der Staat Sorge zu tragen. Das große Unglück der Frauenfabrikarbeit ist, daß die Arbeiterinnen da bei nicht einmal die gewöhnlichsten Hausgeschäfte ler nen; daß hierfür Abhilfe geschieht, ist auch des Redners Wunsch. Er schließt mit einem Appell an die an wesenden Damen und mit der Erwartung, daß der Congreß an die Arbeitgeber eine Ermahnung richte, für das irdische Wohl ihrer Arbeiterinnen zu sorgen wie für das ihrer unsterblichen Seele. Der Vorsitzende, Pfarrer Simon, schlug vor, in der Discujsion sich auf Da- zu beschränken, was die innere Mission praktisch anfassen kann. Er machte Mittheilungen aus seiner Gemeinde Bielefeld, welche zur Hätfte mit Fabriken im Zusammenhänge steht. In derselben sind 4 Kieinkinder- schulen errichtet, eine nothmendige» Uebel, aber von größtem Segen Die Einrichtung und Erhaltnng einer solchen Kleinkinderpflege erfordert nur ganz unbedeutende Mittel. Ferner sind rn Bielefeld Fabritschulen errichtet für die noch nicht consirmirten Arbeiterinnen. Auch diese Einrichtung, wie die Kleinkinderichuleu von Diako nissen geleitet, hat sich vortrefflich bewährt. Ebenso sind Sonntagsschulen ernchtet worden, welche ansangs von 30, jetzt von über 700 Schülern besticht sind. Durch nichts komme mau dem Arbeiter so nahe, wie durch DaS, was man an seinen Kindern thue. Der Prediger Oldenberg aus Bertin wollte, daß einmal eine Ver sammlung von Arbeiterinnen, ledigen und verheiratheten, gehalten würde, in welcher sie ihre Seufzer auSseuszen Wenn Sie sich erinnern wollen: Sie kamen zehn Mi nuten vorher schon aus Ihrem Zimmer. Ich stand am andern Ende des Ganges; denn ich hatte gerade in demselben Augenblicke mem Zimmer ebenfalls ver lassen." „Ich bemerkte Sie nicht." „Nein, ich weiß es, Sie konnten es nicht; ich hatte mein Licht ausgelöscht und auf niemer Seite war der Corridor ganz dunkel; aber das Licht der Treppen lampe fiel voll auf Sie. Ich sah Sie genau Sie traten heraus und horchten, Ihr Kleid mit einer Hand zurückziehend. Ihr Gesicht verrieth ein wenig Un entschlossenheit, um den Hals trugen Sie eine weiße Rüsche, die einzige Zierde Ihres Kleide-; Spitzen trugen Sie damals noch nicht. Augenscheinlich be schlossen Sie, noch ein Wenig zu warten, und so wartete ich auch. Als Sie nachher herunter kamen und diese kostbaren Spitzen angelegt hatten, mit so entrüstetem Ausdruck in Ihrem Antlitz, da waren Sie nicht mehr dasselbe Mädchen, welches ich oben an der Treppe gesehen hatte. Ich wußte sosort, daß inzwischen Etwa- geschehen war, das Sie erzürnt hatte. Ihre ersten Worte sagten mir, nm- eS war- Sie waren jo fieberhaft begierig, mich wissen zu lassen, daß Sie verlobt seien und Niemand mehr Ihnen den Hof machen dürfe." „Still, — o, stillI" rief ich und verbarg mein Gesicht in den Händen. „Sie können sich nicht über mich beklagen, Miß Clifford," fuhr mein Quäler fort. „Sie können nicht anders, al» sagen, daß ich Ihren Wink wahrnahm. Ich bade Ihnen meine Aufmerksamkeiten nicht aus- genöthigt, nicht?"