Dresdner Journal : 21.11.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-11-21
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188411211
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18841121
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18841121
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1884
- Monat1884-11
- Tag1884-11-21
- Monat1884-11
- Jahr1884
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- Titel
- Dresdner Journal : 21.11.1884
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Ilvrausxokerr Küvis-I. s!»peüition üe» Oivüner lourual», l)r^«Iva, zu Ämtlichcr Theil. DreSde«, 20. November. Se. Königliche Lohnt Prinz Wilhelm von Preußen ist gestern Abend 7 llhr 45 Mm. nach Berlin zurückgereist. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß der Director des statistischen Bureaus im Ministerium des Innern, Geheimer Re- gierungsrath Or. Böhmert zu Dresden das ihm von Sr. Majestät dem Könige von Italien verliehene Com- mandeurkreuz des Ordens der italienischen Krone an nehme und trage. Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem Obergendarm a. D. Pietz schke in Flöha das Albrechtskreuz zu verleihen. tNchüimtüchkr Theil. Telegraphische Nachrichte». Berlin, Donnerstag, 2V. November, Nach mittags H2 Uhr. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Der Reichstag ist soeben im Weißen Saale des königl. Schloff S durch Se. Majestät den Kaiser mit nachstehender Thronrede eröffnet worden: Geehrte Herren! Ich freue Mich, daß es Mir vergönnt ist, Sie selbst zu begrüßen, und heiße Sie im Namen der verbündeten Regierungen willkommen. Es gereicht Mir zu besonderer Genugthuung, daß die Wünsche, welche Ich in Meiner Botschaft vom 17. November 1881 an dieser Stelle kundgegeben, seitdem aus dem Wege zu ihrer Erfüllung wesentliche Fort- schritte gemacht haben. 'Ich entnehme daraus am Abende Meines Lebens die Zuversicht, daß der stufen weise Ausbau der begonnenen Resorm schließlich ge lingen und für den innern Ftieden im Reiche die Bürgschaften Herstellen werde, welche nach mensch licher Unvollkommenheit erreichbar sind. Unsere nächsten Schritte in dieser Richtung werden in der Ausdehnung der Unfallversicherung auf die Arbeiter der Landwitthschaft und des Transportwesens und in der Erweiterung der Sparcasseneinnchtungen be stehen, wofür die Borlagen Ihnen zugehen werden. Der Entwurf des RelchshaushaltsetatS für das nächste Rechnungsjahr wird Ihnen unverweilt vorgelegt wer den. Die Fortentwickelung der Einrichtungen des Rei ches bedmgl naturgemäß em Anwachsen feiner Ausgaben. Eie werden hierin mit Mir eine Mahnung erkennen, neue Einnahmequellen für das Reich zu erschließen; der Versuch, der Rübenzuckerneuer im Wege der Re form höhere Reinerträge obzugewinnen, wird für jetzt durch die Nothlage der betheiligten Industrie und der in Mitleidenschaft stehenden Landwirthschaft erschwert. Die Herstellung des einheitlichen Zoll- und Handels gebietes im Reiche ist durch Verständigung mit der freien Hansestabt Bremen vorbereitet und es wird die Bewilligung eines Beitrages hierzu Ihnen zur Beschluß- nahme vorgelegt werden. Im Anschlusse an den revidirlen Gesetzentwurf wegen Sudventwuirung unserer Dampf schifffahrt werden Ihnen Mütheilungen über die unter den Schutz des Reiches gestellten überseeischen An siedelungen und die darüber gepflogenen auswärtigen Verhandlungen zugehen. Wenn diese Anfänge colo nialer Bestrebungen nicht alle Erwartungen, die sich daran knüpfen, erfüllen können, so werden sie doch dazu beitragen, durch Entwickelung der Handelsverbin dungen und durch Belebung des Unternehmungsgeistes die Ausfuhr unserer Erzeugnisse dergestalt zu fördern, daß unsere Industrie zu lohnender Beschäftigung ihrer Arbeiter befähigt bleibt. Im Einverständnisse mit der französischen Regierung habe Ich Vertreter der meisten Feuilleton. Kedigitt von Otto Banck. A. Hoftheater. — Neustadt. — Am 19. Novem ber: „Aus der komischen Oper". Einactiger Scherz nach dem Französischen von H. Murger, von Wall. — „Das Gefängniß", Lustspiel in 4 Acten von Benedix. (Beides neu einstudirt. Hr. Ludwig Bar nah als Gast.) Die erste dramatisirte Kleinigkeit, die aus dem burlesken Element und nicht minder aus dem maS- kirten Fond einer eleganten Frivolität ihre Effecte borgt, hat durch die deutsche Bearbeitung viel von ihrer Feinheit, von ihrer leichten scheinbar unbe fangenen Spielerei verloren. Wer sehr häufig fran- zösiicheS Komödienjpiel gesehen hat, ist bei solchen Darstellungen, wenn sie denn einmal durchaus statt- finden müssen, im Vortheil und vermag viel von dem schweren Ton des Textes wieder abzustreifen. Durch diese spirituelle Gewandtheit im Relardiren und Be schleunigen des Tempos, im Fallenlassen und Hervor blitzen des Slnnaccentes, erfreuten die Darsteller der beiden Rollen Gerard und Julietta, Hr. Barnay und Frl. Ulrich, von denen der Gast noch seine ebenso charakteristische wie graziöse Ausbeute der komischen Momente jemer Partie für sich hatte. Hr. Swoboda war als baroler Poltrononkel sehr fleißig, wie er es immer ist, doch viel zu realistisch und breit ausführend für da» flüchtige Verpuffen der südländischen Fanfaro- nade. Der Dubreuil de» französischen Autor» kann sein Unwesen in Paris Jahre lang treiben und immer seefahrenden Nationen hierher eingeladen, um über die Mittel zu berathen, durch welche der Handel mit Afrika gefördert und vor Störungen durch internationale Reibungen gesichert werden kann. Die Bereitwillig keit der betheiligten Regierungen, Meiner Einladung zu entsprechen, ist ein Beweis der freundschaftlichen Gesinnung und des Vertrauens, von welchem alle Staaten des Auslandes dem deutschen Reiche gegen über erfüllt sind Diesem Wohlwollen liegt die An erkennung der Thatfache zu Grunde, daß die kriege rischen Erfolge, die Gott uns verliehen hat, uns nicht verleiten, das Glück der Völker auf anderm Wege, al» durch Pflege des Friedens und seiner Wohl- thaten zu suchen. Ich freue Mich dieser An erkennung und insbesondere darüber, daß die Freundschaft mit den durch die Tradition der Väter, durch die Verwandtschaft der regierenden Häuser und durch die Nachbarschaft der Länder Mir besonders nahestehenden Monarchen von Oesterreich und Ruß land durch Unsere Begegnung in Skierniewice der Art hat besiegelt werden können, daß Ich ihre un gestörte Dauer für lange Zeit gesichert halten darf. Ich danke dem allmächtigen Gott für diese Gewißheit und für die darin beruhende starke Bürgschaft des Friedens. Buda-Pest, Mittwoch, IS. November, Abend». (Corr.-Bur.) Der Ausschuß zur Berathung der Reform des Oberhauses hielt heute Abend» seine erste Sitzung ab. Der Referent Lang führte aus, daß der vor liegende Gesetzentwurf den Forderungen des Parla mentarismus und den an das Oberhaus zu stellenden Ansprüchen entspreche. — Jranyi ist mit dem Ge setzentwürfe nicht zufrieden und bringt einen Be- fchlußantrag ein, wonach an Stelle des Oberhauses ein Staatsrath gebildet werden soll, und zählt die Punkte über Wahl, Zusammensetzung und Wirksamkeit desselben auf. — Der Ministerpräsident v. Tisza führt aus, wenn die Grundprmcipien Jranyi's ange nommen würden, wäre das Oberhaus nichts, als ein durch Wahl gebildeter Körper. — Es fprachen noch Szilagyi, Jokai und Gras Albert Apponyi, welch'Letz terer namentlich aus den Mißbrauch mit dem Pairs- schube aufmerksam machte. Nachdem der Ministerpräsident v. Tisza erklärt halte, daß er kein Freund des Pairs- schubes sei und die projectirte Zusammenstellung des Oberhauses die Garantie dafür biete, daß ein Miß brauch ausgeschlossen sein werde, wurde die Sitzung geschlossen. London, Donnerstag, 20. November. (Tel. d. Dresdn Journ.) Die „Time»" halten es für zwei fellos, daß die Regierung den Bericht des LordS Northdrook nicht annehmen könne. Nortkdrook befinde sich in einem verhängnißvollen Jrrthume, daß er nicht nöthig zu haben glaube, sich an dir Inhaber der ägyptischen Obligationen zu wenden, welche die nothwendigen Opfer zu bringen haben würden. Die „Times" befürworten die Herstellung deS ringestandenrn Protectorates oder die Reduction der Zinsen für die ganze ägyptische Schuld unter Garantie Englands für Zahlung des Zinkmini- mums während der Damr der englischen Occu patio«. Kopenhagen, Mittwoch, IS. November, Abend». (W T. B.) Das LolkSthing hat in seiner heutigen Sitzung die von der gemäßigten Linken vorgrschlagrne Tagesordnung, die Verhandlung aller Regierungsvorlagen zu sistiren, mit 03 gegen 18 Stimmen angenommen. Der ConseilSpräsident Estrup erklärte, wenn die Opposition ihre Wünsche nicht näher darlege, so nöthige sie ihn zum Ver harren auf seinem Posten. wieder gesund nach Hause kommen, der des Hrn. Swoboda würde am ersten Tage todtgeschlagen werden. In dem sorgsam einstudirten und mit gutem Fluß gespielten „Gefängniß" gab der Gast den Doctor Hagen. ES ist eine Partie, welche in Situationen gebracht wird, die eine starke Charge zum beabsichtigten Effect verlangen. Hr. Barnay traf den Grunvton mit außerordentlicher Lebenswahrheit und hatte sichere, fcharftresfende Farben zu seinem Charakterlulde auf gesetzt. Doch spielte er sie in einigen Scenen stärker heraus, als es für den sublimen, ihm sonst eigenen Künstlergeschmack zutreffend war. Aber es ist auch eine Verlegenheit, als gefeierter Gast, von dem das volle Haus befriedigt sein will, einen deutschen Ge lehrten aus der Gegenwart darstellen zu müssen, der zugleich Naturbursche und in seinen Sitten von einer Plumpheit ist, wie sie nur in der Benedix'jchen Fiction, nie aber in der modernen Gesellschaft gelebt hat. Und dazu kommt das Schlimmste: diese naive Rohheit ist mehr oder minder Bedingung für den komischen Eindruck. Dieser Vorgang nöthigt zu einigen Bemerkungen. Im Fall es möglich ist, im Einklang mit dem allge mein gewordenen Wunsch des PublicumS Hrn. Barnay dauernd jetzt oder etwas später an unsere Bühne zu fesseln, so kann sich der Schade auSgleichen, welchen es bringt, wenn der Künstler bei seinem Gastspiel seine den höchsten dramatischen Aufgaben gewachsene und von der Natur besonder» für diese bestimmte Kraft zum Theil in nichtsnutzigen an sich ganz un interessanten Kleinigkeiten verschwendet. Könnte der Gast aber nicht für Dresden zum Besten eines neuen Theateraufschwunge» gewonnen werden, so wäre es Dresden, 20. November. ES ist ein beunruhigendes Zeichen der politischen Zustände der Vereinigten Staaten von Nord amerika, daß bei den Präsidentenwahlen das Geld von Jahr zu Jahr eine bedeutsamere Rolle spielt. Mit der Zunahme der Bevölkerung und der Staaten steigern sich bei den Präsidentenwahlen natür lich die Ausgaben der leitenden Parteiausschüsse, auch wenn diese Ausgaben nur für legitime Zwecke, als da sind der Druck und die Verbreitung von Wahldocu menten, die Anstellung von Wahlrednern, das Miethen von Versammlungslocalen, tue Besorgung von Musik, Transparenten, Uniformen rc. für Paraden, gemacht werden. In den ärmeren Gegenden wird durch Bei steuern aus den wohlhabenderen Landestheilen, na mentlich aus den großen Städten, nachgeholsen, damit die Partei mit ihren Demonstrationen und Recruti- rungsversuchen hinter der Gegenpartei nicht zurückzu stehen braucht, sondern womöglich ihr tonangebend vorangehen kann, und diese Beisteuern gehen gewöhn lich durch die Hand des Nationalcomitus, welches da durch ihatsüchllch den Charakter einer Depositenbank annimmt Aber auch die Localausschüsse sammeln und verausgaben Geld für derartige legitime Zwecke, denn überall heißt es zunächst: „Helft Euch reibst, dann wird auch das Natioualcomit» Euch helfen, sofern nämlich Eure finanziellen Kräfte allein nicht aus- reichen." Im Laufe der Zeit ist man in der Union dahin gelangt, alle Ausgaben der vorbezeichneten Art noch zu den „legitimen" Wahlunkosten zu rechnen, wiewohl sie eine solche Höhe erreichen, daß ein Mann, welcher nicht 7Mo bis 10000 Dollars zu opfern bereit ist, kaum daran denken kann, sich in New-Aork um einen Congreßsitz zu bewerben, und daß einen Mayors- oder Comptrollerscandidaten dieser Stadt die Geschichte eher mehr, denn weniger, als 20000 Dollars kostet Eine Partei zwingt die andere zu immer größeren Wahl ausgaben, und dazu treten nun die während der letz ten Perioden der republikanischen Herrschaft offen in Aufnahme gekommenen Wahlausgaben für ungesetzliche, illegitime Zwecke — für Bestechung und Stimmen- kauf. Mit einer Schamlosigkeit, welche man noch bis zum Jahre 1860 für unmöglich gehalten hätte, wer den jetzt Congreßdistricte und ganze Staaten ausge- kauft; ja, die zu Riesengröße emporgewachjene Cor- ruption, welche in den aus der öffentlichen Krippe ge mästeten Monopolen eine feste Stutze hat, vermißt sich, selbst die Präsidentenwahl, an der sich die ganze Nation betheiligt, mit Geld und Bestechung gegen den Willen des Volkes zu entscheiden. Die Art und Aus dehnung, mit welcher dieser Versuch von Seiten Blaine's und seiner Leute betrieben worden ist, er innert an die Herrschaft jener Prätorianer, welche nicht nur der römischen Republik ein Ende machten, sondern im Jahre 194 n. Chr. sogar den römischen Kaijerthron an den Meistbietenden verkauften. In der Wahl Cleveland's spricht sich erfreulicherweise der Drang des amerikanischen Volkes aus, in eine reinere politstche Atmosphäre zurückzukehren. Ohne Zweifel sind während der 24jährigen republikanischen Herr schaftsperiode jenseits des Oceans sociale Umwälzungen vor sich gegangen, welche eine politische Umgestaltung im Sinne umfassenderer Thätigkeit und größerer Un abhängigkeit der Staatsgewalt von den herrschenden Cliquen und capitalmächtigen „Ringen" unvermeidlich erscheinen lassen. Zwei Dinge, heißt es in einem Artikel des „Ham burgischen Correspondenten", welcher sich mit der neuen Lage in Amerika beschäftigt, haben sich während des letzten Vierteljahrhunderts in Nordamerika vollständig verändert: die Zeiten, in denen jeder länd liche Arbeiter zum Farmer zu werden und dereinst aus eignem Grund und Boden zu sitzen hoffen durfte, ein nahe liegender Vortheil für die gegenwärtigen Kunstdarbietungen, seine Kraft zu sammeln, gleichviel, ob das für Richard II., Macbeth, König Lear, Egmont oder für andere diesen gleichwerthige Schöpfungen der Poesie geschieht. O. B. Freda. Novelle von E. Cameron. Aus dem Englischen von August Frenzel. (Fortsetzung.) Capitel XXII. Ich erhalte eine Stellung. „Diejenige Dame, welche am vergangenen Dienstag Morgen für eine junge Dame, welche ihre Börse ver loren hatte, eine Droschke bezahlte und sie dann nach ihrer Wohnung begleitete, wird dringend gebeten, ihre Adresse in der Expedition der „Times" niederzulegen aber an irend einem Tage dieser Woche sich zwischen zwölf und halb ein Uhr vor der St. Marylebonelirche einzufinden." Diese Anzeige fand ich etwa zwei Tage nach meinem Zusammentreffen mit Ellmor Fairbank zu fällig in einer Nummer des bezeichneten Blattes. Sie war offenbar für mich bestimmt. Ich mochte jedoch in dem Hause meiner Tante Niemand em- psangen und zog e» deshalb vor, nach der Maryle- bonekirche zu wandern So findet man mich denn an einem kalten Wintertage, um 12 Uhr, in dem Theil der Marylebonestraße aus- und niederjchreitend, der auf die Kcrche mündet. Ich war ungehalten über mich selbst, daß ich so sind ebenso vorüber, wie die Tage wesentlicher Gleich heit in den Verhältnissen von Arbeitgebern und Ar beitern. Infolge der Zunahme der Einwanderung und der massenhaflen, großentheils durch Bestechungen bewirkten Landschenlungen an die großen Elseubahn- geselljchasten hat der Umfang verfügbarer und wohl feil zu erwerbender Ländereien sich so vermindert, daß die Begründung kleinerer unabhängiger Landwirth- schaften unvergleichlich viel schwieriger geworden ist, als damals, wo die Erwählung Lincoln's als Sieg des republikanischen Mittelstandes über die Anstokralen der demokratischen Partei und der Sclavenhalter des Südens gefeiert wurde. Der Latisundlenbesitz hat auf Unkosten des kleinen selbstständigen Jarmerlhums Fortschritte von ungeahnten! Umfange gemacht und völlig neue Verhältnisse geschaffen. Die reichsten und fruchtbarsten Ländereien sind aus den Händen des Staates, der sie für geringfügige Preise an Anbauer verkaufte, in die Hande großer Gesellschaften gerathen, welche ihren Vortheil rücksichtslos ausbeulen und dem Fortkommen des kleinen Mannes außerordentliche Schmierigkeiten bereiten. Wenn es sonst der Siolz der Union war, daß fast jeder Landbauer auf eigenem Grund und Boden saß, sind nach einer im Jahre >880 ausgestellten Berechnung mehr, als 40 Procent aller Far mer blose Pachter, Leute, die vielfach unter höchst ungün stigen Verhältnissen wirlhschaflen und bis zu zwei Dritt theilen des Ertrages ihrer Arbeit den Großgrundbesitzern abgeben, die Fortdauer ihres Pachtbesitzes aber durch gehorsame Unterwerfung unter die Interessen und politischen Dictate der Gesellschaft erkaufen müssen, auf deren Eigenthilm sie sitzen. Die dringendste aller Forderungen der Landbewohner ist darum seit einem Jahrzehnte das Verbot weiterer Landjcheukungen an die Eisenbahngesellschaften und Vernichtung des Einflusses, den diese nicht nur als Grundbesitzer, sondern als souveräne Beherrscher der Frach:tarife üben. Ist es doch bekannt, baß der Werth des Grund und Bodens zum Spielball der rivallsirenden Compagnien und Eisenbahnkönige geworden ist, die es m der Hand haben, die eine Landschaft auf Unkosten der andern zu begünstigen und mit Hilse ihrer Tarife hier Absatz stockungen, dort Absatzbedingungen zu schaffen, die jede Concurrenz der Begünstigten mit den Chlcanirten ausschließen. Der Krieg des kleinen und miltlern FarmerstandeS gegen den EisenbahndespotismuS ist zu einer Parteisache geworden, die eine ähnliche Rolle spielt, wie weiland der Kampf zmischrn Sclaverei und freier Arbeit, und deren Beendigung nur mit Hilse wesentlich erweiterter Befugnisse der Staatsgewalt mög lich erscheint. Eine zweite, nicht minder tief greifende Umwälzung hat sich in den Beziehungen zwischen städti schen Arbeitern und Arbeitgebern vollzogen. Zunahme des Angebotes an Arbe-tskrästen und Erhöhung der Schwierigkeiten, welche der Verwandlung des Arbeiters in einen selbstständigen Unternehmer oder Farmer entgegenstehen, haben in Amerika ein Proletariat ge schaffen. das vor 20 Jahren so gut wie völlig fehlte. Da die Beziehungen zwischen Besitzenden und Besitz losen lediglich der freien Vereinbarung überlassen worden sind, und da jede Spur einer Fabrikgesetz gebung fehlt, ist der amerikanische Arbeiter vielfach schlimmer daran, als der europäische. Er entbehrt jedes obrigkeitlichen Schutzes, er ist in einem großen Theile des Landes auf Arbeitslöhne angewiesen, die niedriger, als die englischen sind, und er hat allent halben den Druck einer Armengejetzgebung zu tragen, die der Willkür der Besitzenden bedingungslos preis- gegeben ist. In einem Staate, der seinen Burgern unbeschränkte politische Freiheit gewährt, wird diese Ungunst und Ungleichheit der socialen Existenzbeding ungen der Natur der Sache nach noch härter empfunden, als anderswo. Damit hängt zusammen, daß die Socialdemokratie sich über Amerika mit unaufhaltsamer zur eigenen Beschwerde da umherlief. Wer anders konnte jene Anzeige erlassen haben, als Schwester Bar bara? Und was konnte sie wollen? War sie ebenso excentrisch als ihre Schwester, so hatte ich gar keinen Grund, mich nach ihrer Bekanntschaft zu sehnen. Wahrscheinlich hatte sie nur den Wunsch, mir das Geld zu ersetzen, welches ich für ihre Schwester verausgabt hatte. Aber so arm ich war, das wünschte ich nicht. Es war mir ein Vergnügen, einer anscheinend noch Unglücklichern als ich einen kleinen Dienst der Barm herzigkeit erwiesen zu haben. Bereits ein Viertel nach Zwölf und noch Niemand war ei schienen! Ich blickte nach der Uhr und beschloß mein Wandern und Warten aufzugeben und nach Hause zu gehen, als eine Stimme dicht hinter mir mich plötzlich anredete. „Ich glaube, Sie müssen Miß Clifford sein." Ich wendete mich rasch um, und befand mich einer kleinen dunkeläugigen Dame von ungefähr fünfundzwanzig Jahren gegenüber. Sie war einfach aber hübsch in Schwarz gekleidet und hatte scharfe Züge und ein seines und kluges, ernstes Gesicht. „Ja, mein Name ist Clifford und Sie sind — Miß Fairbank, nicht wahr? ' „Ja, Barbara Fairbank. Ist es Ihnen recht, hier einzutreten, um mit nur zu sprechen?" Sie trat in den Hof der Kirche ein und dort gingen wir auf dem mit eisernem Gitterwecl umgebenen Platz auf und ab. „Ich muß Ihnen für die große Güte danken, die Sie meiner armen Schwester erwiesen haben." Jetzt kommen tue verauslagten sieden Schillinge
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