3. Aufl. / bearb. von Walther Ruge. Mit 153 Abbildungen nach photographischen Aufnahmen und vier Gemälden von Hans Busse, einer Skizze und einer farbigen Karte
MM .77 um Schmiedeberg schon die erz- gebirgische Tracht beginnen sah. Von Sitten und Gebräuchen hat sich hie und da wohl noch einzelnes erhalten, anderes ist von unverständigem Eifer beseitigt, wohl gar von „Polizeiwegen"; anderes hat man neu zu beleben gesucht. Allein man muß befürch ten, daß auf dem Naturboden des Volkstums künstliche Blumen zucht nicht gedeihen kann. Viele dieser Sitten schließen sich oder schlossen sich an den Gang des christlichen Jahres an; allein gleich der erste Brauch scheint durchaus vom Heidentum her überliefert zu sein, wenn um Wintersonnenwende die soge nannte lange Nacht mit Spiel und Gesang und Tanz wie ein altes Julfest gefeiert wurde. Übrigens bergen sich bekanntlich unter man chen Gebräuchen an hohen Fest tagen uralte Gepflogenheiten, die unter christlichem Schutz einen Un terschlupf finden und ihr schwaches Leben fristen. Das Weihnachtsfest bietet nichts Besonderes, Abweichendes; die Poesie, mit der die Bewohner des Erzgebirges dieses Fest umwoben haben, hat hier keinen Anklang, keine Verbreitung gefunden. Dagegen wurde das Fastenbeten früher den drei hohen Kirchfesten gleichgestellt. M. Martin erzählt darüber: „Als bei einer Kircheninspektion der Herr Superintendent einen Jungen nach den drei hohen Festen fragte, gab dieser die klassische Antwort: Fastenbeten, Lobedanz und Schweineschlachten." Das Fastenbeten besteht in einem kleinen Abendgottesdienst in der Schule und daran anschließender sreier Tanzmusik. Vor fünfzig Jahren wurde die Feierlichkeit des Morgens abgehalten, und für das gute Hersagen des sogenannten Beteliedes wurden Fastenbrezel verabreicht. Darauf folgte die Schifferfastnacht, ein, wie es scheint, nur in den Dörfern an der Elbe und in Schandau verbreitetes echtes Volksfest, namentlich für die Jugend. Ursprünglich nur zu Ehren des löblichen Schiffergewerbes entstanden, dessen wir bereits ausführlicher gedacht haben, wurde dieses Fest im Winter vor der eigentlichen Fastnacht gefeiert, ehe die Elbe eisfrei wird und die Schiffahrt wieder beginnen kann. Den Mittelpunkt des Festes bildet ein von Haus zu Haus durchs ganze Dorf führender Masken- oder Kostümaufzug. Die Teilnehmer des Zuges bestanden aus den sogenannten Schwarzen und Weißen. Zu den Weißen gehörte der Schiffsdoktor und seine Frau, der Kapitän und seine Frau, zwei Hanswürste und die Jungen, die das Festschiff tragen, einen Dreimaster mit vielen bunten Bändern und Wimpeln geschmückt, die von den jungen Frauen im Dorfe verehrt werden. Ein solches Ehrenschiff wird alle Jahre wieder hervor geholt und dient oft hundert Jahre lang. Die zweite Abteilung bilden die Schwarzen, das sind die jungen Burschen in oft komischer und abenteuerlicher Tracht als Förster, Nachtwächter, Briefträger und Handwerker aller Art. So