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Dresdner Journal : 22.08.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-08-22
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-190708228
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-19070822
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-19070822
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1907
- Monat1907-08
- Tag1907-08-22
- Monat1907-08
- Jahr1907
- Titel
- Dresdner Journal : 22.08.1907
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wovon schon vorher gt munkelt worden war, war aber selbst bei dem' roten Maire niemand sür möglich gehalten hätte: die drei Deutschen — der Franzose macht in solchen Fällen keinen Unterschied zwischen deutschen Patrioten und Sozialdemokraten, sie sind alle die bis aufs Blut gehaßten Feinde — wurden ins Rathaus, da- altehrwürdige Hotel/de Lille, geleitet, wo dann wohl längere Besprechungen statt- gesunden haben Die Wut und die nationale Begeisterung waren damit aus ihrem Höhepunkte angekommen. ES entspann sich ein Kamps um die Eingänge zum Rathaus, hauptsächlich um den Haupt- eingang, der, wie die anderen auch, von einem starken Polizei- ausgebot besetzt war. Einzudringen vermochten die Studenten und ihr Gefolge zwar nicht, dafür schlugen sie aber die am Rathaus ver sammelte Schar der . Genossen' nach einem heftigen Hand gemenge, bei dem eS viele Verwundungen leichter und schwerer Art gab, in die Flucht. Der Tumult setzte sich durch die Hauptstraßen der Stadt fort und es floß diesen Tag noch viel Blut. Die Polizei war einfach machtlos. Die Studenten hatten inzwischen daS Rat- hauS regelrecht belagert und hegten die Absicht, die drei deutschen Sozialistenführer möglichst zu lynchen. Doch hatten sie ihren Wach dienst zu sehr aus die Hauptportale konzentriert und konnten deshalb nicht verhindern, daß der Maire seine lieben Gäste, bei denen auch die Borsicht der bessere Teil der Tapferkeit war, durch einen Neben- auSgang inS Freie und mit schnellen Pferden nach dem stark be wachten Bahnhose in Sicherheit brachte. Als man sah, daß di« Bögel ausgeflogen waren, stürmte man natürlich in Scharen nach dem Bahnhofe, konnte aber den Berfolgten nichts mehr anhaben. Als sich der Zug dann langsam in Bewegung setzte, schrie Singer im Vollgefühl der nunmehrigen Sicherheit der am Bahnsteig drängenden Menge die denkwürdigen Worte zu: „äo vou« «mmsräv!" ein Aus spruch, der bei den Franzosen erneute Wutausbrüche zur Folge hatte und noch längere Zeit in den Zeitungen einen Widerhall sand. Es dauerte noch geraume Zeit, bis wieder Ruhe in Lille eiutrat, den Herren Bebel und Singer dürften aber jene in Lille verlebten Stunden noch in böser Erinuerung stehen. In welchen Gegensatz von der sozialdemokratischen Gewerkschaftspresse dw Unternehmerorganisationen zu dm Arbeiterorganisationen gebracht werden, beleuchtet der „Textil-Arbeiter" in Nr 31. Am wenigsten wird wohl von der sozialdemokratisch organisierten Arbeiterschaft folgender darin enthaltener Satz unterschrieben werden, der skrupellos allseitig bekannte Tatsachen auf den Kopf stellt. Der „Textil- Arbeiter" schreibt: ,DaS Interest« der Arbeiterorganisatiou unterscheidet sich merk lich von dem der Unternehmerorganisation: zwar haben beide daS Bestreben, den gemeinsamen Gegner zu überwinden, doch können sie sich dabei nicht immer der gleichen Mittel bedienen; die Arbeiter organisatiou oder deren Leitung führt den Willen ihrer Mitglieder auS, dir Unternehmerorganisation oder deren Leitung ihren eigene» Willen Bei der Arbeiterorganisation tritt der Wille der Mitglieder iu den Vordergrund, bei der Unternehmerorganisation ist «S umgekehrt.' Wenn die sozialdemokratische Presse wirklich so überzeugt ist, daß ihre Gewerkschaften von dem Willen der Massen, also der Mitglieder, geleitet werden, verlohnt eS sich schon, aus Zeitungsstimmen und sonstigen bekannten Tatsachen da« Gegen teil zu beweisen Von einer Mastenwirkung der Arbeiterorgani sationen ist nur die Rede, wenn sie Sperren oder Streiks über Betriebe verhängen, die aber nachgewiesenermaßen in dm allerseltensten Fällen von dm Arbeitern angezettelt werden Dm erfolgreichsten Angriff auf die unorganisierte Arbeiterschaft machen die Gewerkschaftsführer durch die Streikhetzen. Wenn nach fulminanter Brandrede ursprünglich zufriedene Arbeiter aufgepeitscht worden sind und sich im Verträum auf den un erschöpflichen Gewerkschaftsgeldsack zum Streik geneigt zeigen, dann blüht der Weizen für die Gewerkschaftskaste. Den Un organisierten, denen von der Gewerkschaftsleitung herauf beschworene Arbeitslosigkeit droht, bleibt nichts übrig, als sich dem Streik anzuschlicßen, zumal auch den neueingetretmen Mitgliedern sofort Streikunterstützung in freilich be scheidenerer Höhe als den alten Mitgliedern angebotm wird Nach wieviel verlorenen Streiks aber die von den Führern betörte Arbeiterschaft zu den alten Bedingungen die Arbeit wieder aufnehmen mußte, kann mit dem Hin weis auf den Crimmitschauer Weberstreik und den Berliner Bauhandwerkerstreik abgetan werden. Interessant sind die an geblich geheimen Abstimmungen, ob ein Streik stattfinden soll oder nicht. Diese sogenannten Urabstimmungen werden nachweislich nur von der Gewerkschaftsleitung inszeniert. Die Arbeiterschaft spielt mehr die Rolle als Stimmvieh Woh kennt der Arbeiter die Stimmungsmache der Streikleitung, ihm bangt auch vor der enlbehrunaSvollen Streikzeit, aber ohn- mächtig steht er der Gewerkschaftsleitung gegenüber Keine geheime, sondern eine namentliche Abstimmung entschied sich am 15. April 1907 im Maurerverband von Berlin für den Streik Man stelle sich vor, daß eine Gruppe professionS- mäßiger Streikhetzer mit Streiklisten auf den einzelnen ein wirken, unbedingt durch „ja" für den Streik zu stimmen, die „Neinschrerber" seien Verräter an der Arbeitersache! E« findet also namentliche Abstimmung mit sanfter Nachhilfe statt, weil die Gewerkschaftsleitungen keinen Widerspruch vertragen. Nicht bester als den Maurern erging eS den Angehörigen de« sozial demokratischen Zimmererverbands, al« über die Eröffnung des Streike- abgestimmt werden sollte. Jedes Mitglied hatte einen Stimmzettel, um in geheimer Abstimmung sich für oder wider den Streik zu entscheiden Al« aber verschiedene Redner eine kampflustige Stimmung in der Versammlung entfacht hatten, benutzte die Streikleitung den günstigen Augenblick und ließ durch Händeerheben abstimmen. Ob freilich die in den sozialdemokratischen Gewerkschaften organisierte Arbeiter schaft bei namentlicher Abstimmung oder durch Hände erheben ihrer ehrlichen Überzeugung Ausdruck verleiht kann angesichlS des sozialdemokratischen TerroriSmu« un erörtert bleiben Also schon die Abstimmungen in den Arbeiter organisationen beweisen, daß der Wille der Mitglieder keines falls in den Vordergrund tritt, wie im sozialdemokratischen „Textilarbeiter" behauptet wird Immer gegen den Willen der interessierten Mitglieder handeln die Gewerkschaftsführer ferner, wenn sie vor dem Streikausbruch die Unverheirateten zum sofortigen Verlasten des Streikgebiets veranlassen und wie in Berlin vor Ausbruch de« Bauarbeiterstreiks den jungen Kollegen den mageren Trost geben, daß sie voraussichtlich für lange Zeit nicht an ihre alte Berliner Arbeitsstelle zurückkehren dürfen Zeigt sich ferner in dem vergeblichen Kampf der organisierten Arbeiterschaft deren Wille gegen die Gewerkschaftsleitungen nicht auch ohnmächtig, wenn sie Streikunterstützungen nie vom ersten, sondern vom dritten oder gar achten Tage an gewährt? Die statutarisch festgelegte Höhe der Unterstützungen bestimmen ebenfalls, unabhängig vom Willen der Mitglieder, die selbst herrlichen Gewerkschaftsleitungen. Nur in einem Falle belieben die Gewerkschaftsleitungen die Beendigung eines Streiks oder einer Sperre dem Willen der Mitglieder anheim zustellen, wenn nämlich die leeren Kasten alle weiteren Unterstützungsmitte verweigern. Deutsches Reich. Der Kaiser auf der Saalburg. (W. T. «) Unter den gestrigen Drahtnachrichten wurde bereits mit- eteilt, daß Se. Majestät der Kaiser gestern vormittag um 1 Uhr, von Schloß Friedrichs:,of kommend, der Saalburg einen Besuch abstattete Der Monarch besichtigte in Begleitung seS Prinzen und der Prinzessin Fftedrich Karl von Hessen )aS Saalburgmuseum, sowie da« neuerrichtete Quästorium und )ie dort befindliche Bibliothek Nach eingehender Besichtigung des Prätorium«, sowie der Umwallung des Kastells und der um dieses neuerbauten port» pr»vtori» und nach einem Besuche des MiträumS begab Sich der Kaiser um '^2 Uhr nach Schloß jombura, woselbst Er das Frühstück einnahm An dem Früh- ück nahmen noch teil Prinz und Prinzessin Eitel Friedrich wn Preußen, Prinz und Prinzessin Friedrich Karl von Hessen, owie der Schloßhauptmann der Wartburg v Cranach. Nach dem Frühstück besichtigte der Kaiser in Begleitung des Prinzen rite! Friedrich unter Führung des Geh BauratS Prof Jacobi, owie des Bauleiters Ritter die Erlöserkirche. Um 5 Uhr fuhr der Kaiser zum Tee beim Regierungspräsidenten vr. v Meister nach dessen Homburger Villa Um 6 Uhr erfolgte die Abreise vom Bahnhof Homburg-Neu nach WilhelmShöhe. Zur Verabschiedung am Bahnhofe erschienen Prinz und Prinzessin Eitel Friedrich, Landrat vr. Ritter v. Marx, Bürgermeister Feigen und Geh Baurat Prof. Jacobi. Der Kaiser in WilhelmShöhe. (W. T B) Cassel, 22. August Der Kaiser ist gestern abend um '»10 Uhr auf dem Bahnhofe WilhelmShöhe eingetroffen und hat Sich nach dem Schlöffe begeben — Da« Kaiserpaar reist am Sonnabend vormittag von WilhelmShöhe ab und begibt Sich nach Schwerin. — Für die Teilnahme des Kaisers an den Herbst- manövern der Flotte ist folgendes Programm aufgestellt worden: Nach der Herbstparade des GardekorpS fährt der Kaiser am 2 September abends nach Wilhelmshaven, wo Er Sich an Bord der „HohenzoUern" begibt, um am 3. September die Parade über die Hochseeflotte abzunehmen. Die Manöver in der Nordsee finden am 4., 5. und 6 September statt Den Schluß bildet ein Angriff auf Wilhelmshaven. Am 7. Sep tember wird die neue Drehbrücke, die Kaiser Wilhelm-Brücke heißt und die größte Drehbrücke Europas ist, in Gegenwart des Kaisers eröffnet. Am Sonntag reist der Kaiser wieder ab. An den Manövern der Flotte, die Prinz Heinrich zum ersten mal kommandieren wird, beteiligen sich 90 Schiffe, darunter 55 Torpedoboote. Zum erstenmal nimmt das aus 22 Booten bestehende Minengeschwader an den Übungen teil vom siebenten internationalen Sozialistenkongretz. Stuttgart, 21 August. In der Kommission über inter nationale Konflikte und Militarismus ist eS zu sehr heftigen Zusammenstößen zwischen französischen Antimilitaristen und den deutschen Delegierten gekommen Zwei französische Delegierte sind infolgedessen bereits gestern abend abgereist. Die Kommission ist mit ihrer Arbeit noch nicht fertig, daher kam in der heutigen Plenarsitzung zuerst die Kolonialfrage zur Be sprechung. Von der Mehrheit der Kommission liegt eine Resolution vor, in der eS heißt: „Der Kongreß stellt fest, daß der Nutzen oder die Notwendigkeit der Kolonien im allgemeinen, besonders aber für die Arbeiterklasse stark übertrieben wirb. Er verwirft aber nicht prinzipiell und für alle Zeiten jede Kolonialpolitik, die aber nur auf sozialistischer Grundlage zivilisatorisch zu wirken vermöchte. Als Feind der Aus beutung des Menschen durch den Menschen und als Freund der Unterdrückten jeder Raffe verurteilt der Kongreß diese Politik deS Raubes und der Verheerung, die nur eine Anwendung des Rechtes deS Stärkeren ist und das Recht der Eingeborenen mit Füßen tritt. Die sozialistischen Abgeordneten aller Länder haben die Pflicht, sür Reformen einzvtreten, um jede Verletzung des Rechtes der Ein geborenen, deren Ausbeutung und Versklavung zu verhindern, und mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln sür die Erziehung der Eingeborenen zur Unabhängigkeit zu arbeiten. Zu diesem Zwecke sollen die sozialistischen Abgeordneten den Regierungen Vorschlägen, ein internationales Kolonialrecht zu schaffen, das die Rechte der Eingeborenen schützt und von allen vertragschließenden Staaten ge währleistet wird.' Die sozialische Arbeiterpartei Hollands schlug vor, den PaffuS betreffend die Schaffung eine« internationalen Kolonial- rechts zu streichen. Von dem Abg. Ledebour wurde eine Ver schärfung der Resolution beantragt. Van Kol (Amsterdam) berichtete alsdann als Vertreter der Mehrheit über die Kolonialfrage Er polemisierte lebhaft gegen die rein negative Haltung der deutschen Sozialdemokratie in kolonialen Fragen, insbesondere gegen den Abg Ledebour. Schon vor 30 Jahren habe man daS Volk auf da« Paradies ver tröstet, das nach einer großen Katastrophe kommen werde. Diese Katastrophentheorie spuke noch immer in einer Zahl von Köpfen und habe sich auch in der Kommission geltend zu machen ge sucht. Die Minderheit bettachte die Kolonialpolitik als ein Übel, da«, solange die kapitalistische Gesellschaft bestehe, nicht zu beseitigen sei. Der Antrag der Minderheit (Ledebour) be schränke sich auf einen bloßen Protest. Damit könne man sich aber auf einem Kongreß, auf den die Augen der ganzen Welt gerichtet seien, nicht begnügen. Die Kolonialpolitik laste sich doch nicht ohne weitere« aufheben, sie sei eine Tatsache, mit der man rechnen müsse Im übrigen seien die Kolonien nicht mehr zu entbehren Wir erhielten aus den Kolonien Tee, Kaffee und andere Waren, die uns dringend nötig seien. ES gebe eben zwei Kolonialsysteme, ein kapitalistische« und ein sozialistisches Für die Arbeiter sei die Kolonialpolitik geradezu eine Lebensfrage. Die Arbeiter seien vielfach au« wirtschaft lichen Gründen genötigt, auszuwandern; dazu bedürfe eS der Kolonien. Man müsse die Kolonien auf eine höhere Kultur stufe heben und sie sozialisieren. Die deutsche Sozialdemokratie habe im Reichstage bezüglich der Kolonialpolitik nicht ihre Pflicht getan, indem sie sich lediglich auf einen Protest be schränkte Hätte sie positive Vorschläge gemacht, dann hätte sie ihren Anhang bei dm letzten Machten um Millionen von Stimmen vermehrt Die Kolonialpolitik sei geeignet, den Wohlstand der Arbeiter zu erhöhen Koloniales. (W T. B) Unter den gestrigen Drahtnachrichten wurde bereits kurz die Ankunft deS Staatssekretärs deS Reichskolonialamts Dernburg inMuansa gemeldet Währmd der Fahrt nach Muansr wurde Entebbe als Hauptstadt des englischen Pro ¬ tektorat« Uganda angelausen und die deutsche Station Bukoba besichtigt Der Besuch zeigte die glänzenden Verhältniste BukobaS, da« unter Hauptmann v Stimmer schnell empor blüht und große Überschüsse abwirft. Der Staatssekretär empfing die Sultane der stark bevölkerten Umgebung dieser Station, die mit großem Gefolge anrückten, und gab ferner einer Einladung de« sechs Stunden von Bukoba ansässigen Sultans Kahim Folge Ursprünglich bestand die Absicht, erst heute nach Tabora aufzubrechen; infolge der Nachrichten über neue Bewegungen MorengaS erfolgte dieser Aufbruch nunmehr jedoch schon gestern Der, Staatssekretär hat auf Grund der Nachricht von der Grenzüberschreitung MorengaS den Oberstleutnant Ouade nach Deutsch-Südwestafrika entsandt. Nach den neuesten Meldungen soll Morenga bei der Gamsibkluft dicht an der Grenze, unbestimmt ob auf deutschem oder englischem Gebiet, sitzen; zuverlässige Nachrichten über die Zahl seiner Gefolgsleute liegen auch jetzt noch nicht vor. Ausland. Einberufung des böhmischen Landtag». (W. T. B) Prag, 21. August. Der Landesausschuß beschloß mit 3 gegen 2 Stimmen, der Regierung die Einberufung des böhmischen Landtags vorzuschlagen Zum Besuche de» italienischen Ministers des Aus wärtigen Tittoni aus dem Semmering. Mit sehr warmen Worten begrüßt das „Neue Wiener Tagblatt" den italienischen Minister des Äußern, Hrn. Tittoni, al« den Gast Lsterreich-UngarnS. DaS Blatt erinnert daran, welche schwere Erbschaft Tittoni nach den Zickzackkursen seiner Vorgänger Prinetti und Morin übernahm, unter denen sich immer mehr Mißverständnisse im Dreibunde aufgetürmt hatten Heute könne man sagen, daß e« in Italien seit Crispi vielleicht keinen Staatsmann gegeben habe, der eS mit der gleichen Konse quenz und der gleichen Überzeugung seinen LanvLleuten dar- gelcgt hätte, daß die Position Italiens im Dreibunde durch nichts anderes ersetzbar sei In der angenehmen politischen Atmosphäre, die Tittoni zu schaffen verstanden habe, begegne er sich mit dem vorurteilslosen neuen Minister de« Auswärtigen Lsterreich-UngarnS, Frhrn. v. Aehrental, der in seinem Wirkungs kreise von allem Anbeginne der Herrschaft der gefährlichen Schlagworte ein Ende gemacht habe, die einen der Hauptgründe de« unberechtigten Mißtrauen« gegen die Balkanpolitik Lsterreich- UngarnS bildeten. Wenn nun die beiden Minister des Äußern sich ehrlich bestrebt zeigten, die gelegentlich noch sich offenbaren den Trübungen ganz zu beseitigen, und wenn insbesondere Hr Tittoni c« erfolgreich verstanden habe, den Kur« der italienischen Politik zu rektifizieren, so daß auch in Lsterreich-Ungarn da« Mißtrauen immer mehr im Schwinden begriffen sei, da« durch die Schachzüge der früheren italienischen Balkanpolitik erzeugt wurde, so werde diese Tendenz in der österreichisch-ungarischen Monarchre sicherlich Genugtuung wachrufen und auch bestens unterstützt werden. Besuch Ves französischen MinisterprLfivenlen Clemenceau beim König von England in Marienbad. (W. T B) Marienbad, 21. August. Ministerpräsident Clemenceau ras, von Karlsbad kommend, heute hier ein und begab sich n da« Hotel Weimar, wo er von König Edward aufs herz- ichste begrüßt wurde. Clemenceau trat nachmittags, nachdem er an dem Frühstück beim König teilgenommen hatte, die Rück reise nach Karlsbad an, da« er morgen verläßt, um über München nach Paris zurückzukehren. Bon der russischen Flotte. Der „Daily Chronicle" erfährt, im Londoner Auswärtigen Amte glaube man zu wissen, daß Rußland mit einer Schiffs baufirma in Nordengland einen Vertrag abgeschlossen habe auf Erbauung von Schlachtschiffen, Kreuzern und Kanonenbooten Die Ausgaben würden 7 Mill. Pfd Sterl, betragen von den russischen Verschwörern. (W. T. B.) St. Petersburg, 21. August In dem Prozesse wegen der Vorbereitungen zu Attentaten gegen den Zaren, den Groß fürsten Nikolaus und Stolypin stellten drei Zeugen fest, daß Beziehungen zwischen dem größten Teile der Angeklagten be standen haben. Andere Zeugen bekunden, daß die Angeklagten nicht Mitglieder einer verbrecherischen Organisation gewesen sein konnten Zur Lage in Persien. Wie in einem Teile der gestrigen Auflage (unter den Drahtnachrichten) bereits mitaeteilt wurde, ist der frühere Bot schafter in Konstantinopel Ala et Mckal zum Justizminister und der Sohn de« früheren Premierministers desselben Namen« Mustemfi Mamalik zum Kriegsminister ernannt worden. Zur Lage in Marokko. (W. T. B.) (Meldung deS Reuterschen Bureau«) Casablanca, 21. August. Der gestrige Tag verlief ruhig, abgesehen von einigen Scharmützeln Am Tage vorher hatten die Araber eine Angriffsbewegung gemacht, sich aber vor dem Feuer der SchiffSgeschütze zurückgezogen Man spricht von Uneinigkeit im arabischen Lager. Die Fanatiker wollen von neuem angreifen, die Mehrheit aber ist dafür, ein Vorrücken der Franzosen ab zuwarten, um einen Angriff außerhalb deS Bereich« der Ge schütze der Kriegsschiffe ausführen zu können. Die Spanier unternahmen gestern eine Rekognoszierung, um einen paffenden Lagerplatz ausfindig zu machen, wobei sie von den Arabern Feuer erhielten Die einheimischen Behörden haben den von dm Eingeborenm bewohnten Stadtteil au« Gesundheits rücksichten niederbrennen lassen, wodurch gleichzeitig den Schützen, die von dort aus dem Hinterhalt auf Europäer schaffen, da« Handwerk gelegt worden ist. (Meldung de« Reuterschen Bureau«) Tanger, 21 August Die letzten Nachrichten au« Fez lauten unbefriedigend E« wird befürchtet, daß die Europäer jeden Augenblick in die Lage kommen können, die Stadt verlaffen zu müssen Denn wenn die Europäer auch gut beschützt sein würden, so dürften sie doch Beschimpfungen ausgesetzt sein — E« heißt, daß Mulcy Hafid in loyaler Gesinnung gegen seinen Bruder sich geweigert habe, die Krone anzu nehmen, er werde sein Beste« tun, um die aufgeregten Gemüter zu beruhigen
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