Deutsche allgemeine Zeitung : 17.10.1854

Dienstag. Nr. 243 .— 17 October 18S4 Die Zeitung erscheint mit Ausnahme be« Montag» täglich und wird Nachmittag« 4 Uhr aus- gegeben. Preis für da» Viertel jahr 1'/, THIr.; jede ein zelne Nummer 2 Ngr. Deutschs Mgtiukiuk Zeitung. -Wahrheit und Stecht, Freiheit und Gesetz!» Zu beziehen durch «Ile Postämter de« In- und Auslandes, sowie durch die Erpediiion in Leipzig (Querstraße Nr. 8). HnsertionSfledühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Ein neues Aktenstück zur orientalischen Frage. Die Allgemeine Zeitung veröffentlicht den französischen Text einer De pesche des königlich sächsischen Ministers des Auswärtigen und des Innern Hrn. v. Beust an den sächsischen Ministerresidenten in London Grafen Vitzthum, in welcher der Minister den Tadel und die Beschuldigungen zu- rückweist, welche Lord Clarendon dem Verfahren der bamberger Regie rungen gemacht hatte. Die Depesche ist vom 9. Juli 1854 und lautet in Uebersetzung wir folgt: Hr. Forbes hat mir eine Depesche de» Grafen Clarendon in Betreff der bam berger Conferenz vorgelesen, welche Sr. Herrlichkeit lebhafte» Misvergnügen verursacht zu haben scheint. Sie kennen, Herr Graf, die Resultate dieser Conferenz. Wir haben bisjetzt keinen Grund sie zu bedauern, und selbst die Zweifel, welche ln Bezug darauf hätten entstehen können, sind infolge der Antwort der Cablnete von Wien und Berlin auf die Note, welche die acht in Bamberg vertretenen Höfe ihnen vorgelegt hatte», gänzlich verschwunden. So befriedigend auch die Lösung der Frage sei» mag, welche zwischen den zwei Großmächten und den andern zum Beitritt de» Vertrag» vom 2l). April aufgefoderten Staaten de» Bunde» zu ordnen übrig blieb, so würden wir nichts destoweniger der Empfindlichkeit de» englischen Cabinets, dessen Urtheil uns nicht gleichgültig sein würde, Rechnung tragen und ihm solche Aufklärungen gewähren, welche e» über die Absichten, welche uns geleitet haben, verständigen würden, wenn die Mittheilnnge», die Hr. Forbes sich beauftragt fand uns zu machen, in Formen ein- gekleidct gewesen wären, die der Würde jeder souveränen Negierung entsprächen, die, welches auch die Größe des Landes sein möge, das sie vertritt, eisersüchtig über ihre Achtung zu wachen hat. Die Sprache, welche Graf Clarendon uns gegenüber an nehmen zu müssen geglaubt hat, ist von der Art, daß alle Rücksichten nöthig find, welche wir vor Ihrer britischen Maj. haben müssen, uni uns zu bestimmen, nicht das Schweigen einer Antwort vorzuziehen. Nur indessen diese Depesche einer gewissenhaften Prüfung zu unterwerfen, batte ich von dem englischen Gesandten eine schriftliche Mit- tbeilung derselben verlangt, Hr. ForbeS aber hat sich dazu nicht für berechtigt gehalten. Cs scheint mir, daß, wenn «ine Negierung sich nicht scheut, einer andern dergleichen Acußerungen zu machen, die sogar so weit gehen, wie ich seitdem erfahren habe — denn die Depesche ist anderwärts durch die englischen Gesandtschaften mitgetheilt worden — ihren Anklagen Widerhall zu geben, so würde cs wenigstens gerecht sein, die Ne gierung, der man so schwere Vorwürfe macht, in den Stand zu setzen, reiflich zu erwägen, um ihnen eine durchdachte Vertheidigung entgegenzusetzen. Ich habe mich mit einer zweiten Vorlesung zufrtedengeben und mir soviel als möglich die Haupt- stellcn des fraglichen Stücks ins Gedächtnis einpräge» müssen. Gras Clarendon schmei chelt sich, das die in Bamberg vertretenen Staaten eine Antwort empfangen werden, welche ihrer übel eingegebenen Einmischung (Intervention mal inspirös) angemessen sein werde („ill-uckvieeä interkerenee", unüberlegte Einmischung). Sie sehen, daß ich durch meine Uebersetzung das Wort zu mildern suche. Diese Antwort ist nun beute Jedermann bekannt. Wir wissen nicht, ob das britannische Cabinct damit zu frieden ist, obgleich wir es aufrichtig hoffen; gewiß aber ist, daß sie uns befriedigt und daß daraus klar hervorgeht, wie die zwei deutschen Großmächte in der Note, welche wir an sie gerichtet hatten, eine übel eingegebene Vinmischung nicht erblickt ha ben. Wenn es indessen statthaft gewesen wäre, uns einen ähnlichen Vorwurf zu ma chen— Graf Clarendon wird so gerecht sei», dies anzuerkennen—, so würde es viel mehr den Cabineten von Wien und Berlin zugestanden sein, uns eine solche zu ma chen. Abgesehen aber, von dem Vorwurfe, der unser Verhalten in London betroffen, habe ich einige Mühe gehabt, mir zu erklären, was Lord Clarendon Lazu bewege» konnte, irgendeine Einmischung darin zu sehen. Die orientalische Frage ist wiederholt in den Conferenzc» behandelt worden, denen der Deutsche Bund fremd geblieben ist, und ich kenne keine deutsche Regierung zweiten Ranges, welche sich erlaubt hätte, sich in diese Verhandlungen zu mischen. Es geschah infolge eines Vertrags zwischen Oester reich und Preußen und infolge einer Einladung, welche diese zwei Mächte an die an dern deutschen Staaten gerichtet haben, daß diese sich zurückhielten, sich über eineBun- deSfrage ausznsprechen.' Jetzt aber galt es, eine Pflicht zu erfüllen und ein Recht in Anwendung zu bringen, bei dessen Ausübung wir keiner fremden Macht zugestehen würden, uns Grenzen zn setzen, noch eine Einmischung einer solchen zuzulassen, wäre sie auch die beftberathenste. Ich kann hier nicht mit Stillschweigen übergehe», daß auch der Gesandte Frankreichs mir eine auf die bamberger Conferenzen bezügliche De pesche seiner Regierung mitgetheilt hat, und ich freue mich, sagen zu können, daß in dieser Depesche, welche den Stempel einer ausgezeichneten Höflichkeit trägt, Hr. Drouin de Lhuys sich jedes Commentars über die Beschließungen i» Bamberg enthält und sich nur auf einen einzigen Punkt beschränkt, nämlich auf die Befugnitz, welche wir beansprucht hatten, durch den Bundestag bei den letzten Verhandlungen vertreten zu sein. Das ist eine Frage, die wir nicht für zweifelhaft halten, deren vorherige Be sprechung uns aber ganz geeignet erscheinen mußte- Indem ich die Depesche des Herrn Grafen Clarendon weiter verfolge, gelange ich an den Tadel, der aber mehr an Raßland als an uns selbst gerichtet ist. Diese Macht wird beschuldigt, in Deutschland immer Zwietracht gesäet und die deutschen Regierun gen durch das Gespenst der Revolution erschreckt zu haben. Ohne der Advocat Ruß lands sein zu wollen, wie uns die Depesche an einer andern Stelle beschuldigt, ist es mix schwer, die erstere dieser Anschuldigungen gerechtfertigt zu finden, wenn ich an die Art und Weise denke, in welcher Rußland während der Jahre dazwischentrat, als innere Verwickelungen die Einheit und de» Frieden Deutschlands bedrohten und -wo alle Bemühungen Rußlands darauf gerichtet waren, die Verwickelungen zu löse», welche sich zwischen den zwei Großmächten Deutschlands erhoben hatten. Was die Revolution betrifft, deren Rußland sich als eines Schreckmittels gegen uns bedient haben soll, so kann Niemand besser als ich deren Bedeutung keimen. Anfangs 1849 un die Geschäfte berufen, befand ich mich im Angesicht des Gespenstes, dessen Formen sich rings um mich sehr klar abzeichneten und zwei Monate später sah ich es sechs Tage hintereinander die Straßen Dresdens mit Blut bedecken. Ich habe auch gelernt, wie Man sich gegen das Gespenst benehmen muß; und die Erinnerung an diese Zeit berechtigt mich, Lord Clarendon zu sagen, daß man sehr wohl an das Dasein des Ge spenstes glauben kann, ohne im Verdacht zu sein, es zu fürchten. Es ist wahr, daß Lord Elarendon in derselben Depesche uns sagt, daß beute, wo Oesterreich im Bünd nis; mit England und Frankreich ist, die Revolutivu nicht zu fürchten ist und ich würde der Erste sein, übelwollende Schlüsse, welche man aus dieser Vereinigung ziehen möchte, zurückzuwcise»; Das aber kann ich nur mit einem gewissen Vorbehalt zngestehcn, daß, wie uns Lord Clarendon gleichzeitig sagt, die Revolution entwaffnet sei durch die po puläre Politik der großen Cabinete.' Die Erfahrung der Jabre 1848 und 1849 bat uns zu ernste Lehren und zu guten Grund zum Mistrauen hinterlassen. Nach der De pesche Lord Clarendon s ist eS Rußland, welches, nachdem es die Furcht vor der Re volution gepredigt, sic jetzt selbst begünstigt, denn schon durchzögen seine Agenten Grie chenland und Ungarn, um Unruhen zu erregen. Ich bin nicht von Len Einzelheiten Dessen unterrichtet, was in diesen beiden Ländern vorgeht, aber durch das Vertrauen des Königs an die Spitze des Ministeriums des Innern und der Polizeiverwaltung gestellt, habe ich das Kommen und Gehe» revolutionärer Agenten in Deutschland beob achten können und ich muß sagen, daß das Land, au» dem sie kamen, nicht Rußland war, und daß die Pässe, welche sic hatten, keine russischen Pässe waren. Und noch eins: wenn es wahr ist, daß Rußland es ist, welches die Revolution beschützt, wie kommt cs, daß die Parteien, die nur dabei gewinnen können und die geheim und offen seit Jahren daran arbeiten, nicht aufhören, Krieg gegen diese Macht zu predigen? Man verzeihe mir diese Abschweifungen; ich gebe zu, daß sie in geringem Bezug zu der großen Frage der Gegenwart stehen und auch nicht in Bezug zwischen unserer bamberger Note und unserer angeblichen Furcht vor Ler Revolution. Leider bleibt mir noch übrig, mehr directen und schwerern Beschuldigungen zu begegnen. Lord Clarendon beschuldigt uns buchstäblich: „verblendet zu sein. Laß wir' nicht begriffen, wie in einer großen Krisis die kleinen Eifer süchteleien schweigen müßten und daß man die Interessen Deutsch lands den russischen Jntrigucn opfere." Ich möchte wirklich wissen, was Lord Clarendon berechtigen konnte, uns kleinlicher Eifersüchteleien zu beschul digen und unsere Anschauungsweise deutscher Interessen — ein Gegenstand, in dem übrigens wir die letzte der deutschen Regierungen für einen bessern Beurtheiler halten al» den Fremdling — durch die Jntrigucn zn erklären, deren DupeS oder Mitschuldige wir wären. Lord Clarendon hat zur Unterstützung solcher Voraus setzungen nicht eine einzige That odcr Vorkommnis; anfübren können, uud in der That. eS würde ihm schwer gewesen sein, eine solche zu finden. Eine so leichtser- tig hingcworfene Anklage macht jede Vertheidigung unnütz; wir können nichts, als sie tief bedauern. Man tadelt uns ferner, daß wir Europa das Beispiel eines ent zweiten Deutschland gegeben habe». Die Tbatsachen selbst antworten besser hierauf, als es eine beredte Vertheidigung könnte. Die Einigkeit Deutschlands war nie gesicherter als jetzt und niemals hat das föderative Princip bessere Proben abgelegt. Die zwei gro ßen deutschen Mächte haben durch ihre Erklärung vom 16. Juni gezeigt, wie sie be strebt seien, den Bund zu erhalten und die unabhängige Stellung der andern ver bündeten Staaten zu achten ; und diese hinwiederum haben, indem sie sich den zwei Mächten anschlossen, »ach ei»er ernste» und gewissenhaften Prüfung ihrer Vorschläge und mit Lem offen ausgesprochene» Strebe», die deutsche Einheit jeder andern Be trachtung unterzuorduen, ihre Aufgabe würdig gelöst wie unabhängige und ver bündete Staaten. Wir fürchten die Erinnerung an Bamberg nicht, wenn auch die Depesche Lord Clarendon's damit endigt, un» einigermaßen zu drohen. Wir haben niemals etwas Anderes gewollt als einen deutschen Act zu vollbringen. Wir find es nicht, die wir uns auf das europäische Gebiet stelle». Wenn man uns dahin ruft, so haben wir die feste Hoffnung, daß derselbe Geist der Gerechtigkeit und Ler Billigkeit, welcher bereit» Lie Entscheidung Deutschlands dictirt hat, auch in den Rathen Europas walten wird. Ich will Lurch eine letzte Betrachtung schließen. Sie wissen, daß die bamberger Note durch acht deutsche Regierungen verabredet und angenommen war; Lie Depesche aber, welche mir Hr. Forbes mitgetheilt bat, war nur an die Regierung des Königs gerichtet. Ich verlange keine Erklärung dieses Vorgangs. Das Voranstehende wird Ihnen beweisen, Laß wir vor der Verantwortlichkeit eines Acts nicht zurückschrecken, zu dem wir uns solida risch verhalten. L>ie wissen, Hei-r Graf, welchen Werth die Regierung des Königs auf di« freundlichen Gesinnungen der Regierung der Königin legt; Eie begreifen, wie peinlich mir diese Erklärungen sein mußten; aber ich bin gewiß, daß sie dem Cabinet Ihrer Maj. der Kö nigin von Großbritannien nicht misfallen werden, Lie englische Regierung, so bestrebt, daß das Recht überall in Achtung gehalten werde, wird uns kein Verbrechen daraus machen, daß wir an unserm Rechte halten, und Lord Clarendon mit seinem klaren und un parteiischen Geiste wird, weit entfernt, durch unsern Freimuth verletzt zu sein, nur den Ausdruck der Wahrheit darin erblicken und wird, deffen sind wir sicher, bedauern, uns Beweggründe untergeschoben zu haben, denen wir fremd find. Sie werden diese Depesche Lem Hrn. Grafen v. Clarendon vorlesen und find ermächtigt, eine Abschrift davon zu gebe», wenn eine solche von Ihnen verlangt werden sollte. Empfange» Sie rc. Beust. Deutschland. Der Magdeburger Zeitung schreibt man aus Berlin vom 12. Oct.: „Den sieben österreichischen stellt man hier sieben deutsche Fragen gegenüber und formulirt sie etwa in folgender Weise: 1) Verpflichtet der Bundesbcschluß vom 17. Sept. 1846 nicht Deutschland, seine Interessen ebenso kräftig an der Elbe und Eider wie an der Donau wahrzunrhmen? 2) Betrachtet der Bund die in dem genannten Beschluß ausgesprochenen Grundsätze nicht noch heute für verpflichtend? 3) Liegt die Wahrung der Rechte der Hcrzogthümer und Deutschlands gegen Dänemark nicht im deut schen Interesse, und sind die vier Punkte: Abschaffung des SundzollS, Er hebung Rendsburgs zur Bundesfestung, Herstellung der Rechte der Her- zogthümer und die Abänderung der 1852 zu Gunsten Rußlands einge- führlen Erbfolgeordnung, nicht von der Art, daß gerade Deutschland am meisten Ursache hat, in denselben Garantien für die Zukunft zu erblicken? 4) Vorausgesetzt, daß sie es sind, würde der Deutsche Bund nicht seine Stellung am richtigsten wahrnehmen, wenn er sich diese vier Punkte voll kommen aneignrte? 5) Tritt, im Fall Preußen bei Vertheidigung der