Deutsche allgemeine Zeitung : 24.10.1858

Sonntag. — Nr. 24S. — S4. October 1858. Lriprig. D>c Zeitung er scheint mit Au«nabme de« Sonntag« ttglich nachmittag« sur den folgenden Tag. Prtt» für da« Vierteljahr IThlr. j jede einzelne Nummer r Ngr. Deutsche Allgemem Zeiimg. «Wahrheit uud Recht, Freiheit und Gesetz!» Zu beziehen durch alle Post ämter de« In- und Auslandes, sowie durch die tirpedttivn in Leipjig tOüirstraße !>!r. 8). Lnsrrtionsgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Deutschland. Preußen. ScrUn, 22. Oct. Die Commisflon beider Häuser deS Landtags zur Berathung der allerhöchsten Botschaft hat, wie die «Zeit» vernimmt, in'ihrer gestrigen Sitzung den Beschluß gefaßt, folgenden Antrag zu stellen: „Die vereinigten Häuser des Landtags der Monarchie wollen be schließen: die Nothwcndigkeit der Regentschaft anzuerkennen." Die Mitglieder der Kommission werden sich noch heute zur Unterzeichnung des CommissionS- berichtS versammeln, der. dann unverzüglich gedruckt und an die Landtags Mitglieder verthcilt werden soll, sodaß zum 25. Oct. wiederuni eine Ple narsitzung beider Häuser des Landtags wird anberaumt werden können. Es wird als höchst wahrscheinlich bezeichnet, daß der Act der Eidesleistung des Prinz-Regenten nicht im Nittersaale, sondern im Weißen Saale des königlichen Schlosses stattfinden wird. Die heutige Sitzung deS Herrenhauses wurde vom Präsidenten Prin zen zu Hohenlohe eröffnet. Der einzige Gegenstand der Tagesordnung be stand in dem hinlänglich unterstützten Anträge folgender Mitglieder des Her renhauses: deS Grafen v. Arnim-Boitzenburg, v. Below, v. Frankenbcrg- Ludwigsdorf, Frhr. v. Gaffron, 0r. Götze, v. Plötz, Graf v. Nittberg, Stahl, E. Grctf zu Stolberg, v. Zander, Graf Zech v. Burkersroda, in Betreff einer an den König und den Prinz-Regenten zu richtenden Adresse. Dieser Antrag lautete: „DaS Herrenhaus wolle beschließen: «Sr. Maj. dem Könige und Sr. königl. Hoh. dem Prinzen von Preußen Regenten unter- thänigst seine Gefühle in Adressen auszudrücken.» Motive: «Zu besonderer Dankbarkeit ist das Herrenhaus Sr. Maj. dem Könige verpflichtet, und sind gewiß sämmtlichc Mitglieder des hohen Hauses in diesem ernsten Augen blick sich deö festen Willens bewußt, Sr. königl. Hoh. Regentschaft mit der Hingebung loyaler Treue dienstbar sein zu wollen.»" Die Frage, ob über haupt eine Adresse erlassen werden soll, ward von 80 Mitgliedern verneint, von 76 bejaht, sodaß die Adresse abgclehnt ist. -j- Berkin, 22. Oct. Zu der Ablehnung des im Herrenhause auf eine Adresse an den König und den Regenten gestellten Antrags war wahr scheinlich das Motiv maßgebend, zu keiner politischen Debatte, die von einer Adreffenbevathung doch nicht gut zu trennen ist und die namentlich in dem vorliegenden Fall nach einer gewissen Seite hin leicht eine etwas demonstra tive Färbung hätte erhalten können, Veranlassung zu geben. Vielleicht steht es hiermit auch in einiger Verbindung, daß die städtischen Vertreter und andere liberale Mitglieder des Hauses, wie z. B. Freiherr v. Bunsen, gegen den Erlaß der beantragten Adresse gestimmt haben. Das Resultat der Abstim mung befriedigte darum auch durchaus. — Die vereinigte Commission der beiden Hä.user, welcher die Vorprüfung der allerhöchsten Botschaft ob liegt, hat bereits gestern Abend eine Sitzung gehalten und in derselben ihre Arbeiten schon sehr weit gefördert. Morgen Vormittag wird ebenfalls eine Sitzung stattfinden. Wie wir vernehmen, dürfte in derselben bereits der zu druckende Bericht zur Genehmigung vorgclegt werden, sodaß derselbe schon am 24. Oct. vertheilt und die entscheidende gemeinsame Sitzung der verei nigten Häuser auf den 25. Oct mittags anberaumt werden dürfte. Wenn die vereinigten Häuser, wie zu erwarten steht, die Angelegenheit schon in derselben Sitzung vom 25. Oct. zur Erledigung bringen, so dürfte die Ei desleistung dos Prinz-Regenten auf die Verfassung auf 26. Oct. mittags erfolgen. — Die Neue Preußische Zeitung sagt: „Die Verfügung, betreffend die Ausschreibung der Wahlen, wird bereits in den nächsten Tagen er wartet. Uebrigens hören wir, daß die neuliche Nachricht der Spener'schen Zeitung über das bereits erlassene Circular deö Ministers Flottwell (Nr. 248) ungenau war. Es schreibt den Beamten nichts weniger als eine Enthal tung von der Einwirkung auf die Wahlen, natürlich innerhalb der legalen Befugniß, vor." — Die Mitglieder de,r liberalen Partei im Regierungsbezirk Gum binnen haben eine Ansprache an die Wähler erlassen, in der cs heißt: „Wir legen allen unsern Mitbürgern dringend ans Herz, mit allen, gesetz lichen Mitteln, in, Gemeinschaft mit uns, dahin zu streben und zu wirken, daß nur solche Männer zu Abgeordneten gewählt werden, welche frei und unabhängig dastehen, für sich nichts erstreben und nichts fürchten, das Recht des Ganzen und des Einzelnen achten, die Vorenthaltung des Rechts und das Unrecht, wem gegenüber sie auch geübt werden, verabscheuen, -mit Ei nem Worte, welche die lebendige und feste Ueberzeugung hegen von der Gerechtigkeit, Nothwendigkeit und Heilsamkeit der Ausführung der in der Verfaffungsurkunde gewährleisteten Rechte. Nur der verdient die Freiheit, det sein Recht auszuüben und zu wahren den ernsten Willen hat." N Berlin, 21. Oct. Es steht zu hoffen, daß, der Thronrede des Prinz- Regenten zufolge, „ernsten Willens dasjenige zu thun, waS die Landesver fassung und die Gesetze von ihm erheischen", in allernächster Zeit das Mi nisterium die Bedeutung solcher Erklärung begreifen und auf ein längeres Verbleiben im Nath des Regenten freiwillig verzichten wird. Denn nicht die Thronrede schon, wenngleich der Ausdruck eines ernste», entschlossenen Charakters, hat die Gemüther beruhigt — erst mit dem Abtreten der Mi nister wird es möglich sein, an eine gedeihliche Entwickelung deö Preußi schen Staatö zu glauben. In den Köpfen der Leute cristiren ste schon nicht mehr, und wenn flch auch niemand darüber klar ist, wer mit ihren Ge schäften betraut werden wird, so steht, doch so viel fest, daß die demnächsti- gen Nachfolger andern Principie» huldigen werden, und das ist die Haupt sache! Unpopulärer können die HH. v. Manteuffel und v. Raumer nicht mehr werden, als dies bereits der Fall, dieselben Minister, denen eö treff lich gelungen ist, daß die Masse des Volks daö Interesse für Politik ver loren hat. Diese Gleichgültigkeit gegen daS öffentliche Leben jedoch, die bis auf den heutigen Tag noch weithin zu spüren ist und erst mit dem par lamentarischen Kampf einer volksthümlichen Kammervertretung enden wird, muß als ein großer Fehler der Negierung angesehen werden. Je mehr nun die Herren ihren Rücktritt beschleunigen, um so mehr Sympathien werden sie sich noch bei vielen bewahren und um so schonender wird das öffentliche Urtheil über sie auSfallen. Bald genug werden sie sich überzeu gen, daß nicht blos die Entscheidung d.cs Prinz-Regenten, sondern das Ur theil des gesammten Polks sie entlassen hat, das ihren Negierungsmaßre geln bei weitem entwachsen ist, bessere, gesündere, haltbarere Zustände als die jetzigen erwartend. Stillstand oder gar Rückschritt ist nur eine Zeit lang durch künstliche Mittel scheinbar zu erreichen. Mögen die später» Mi nister des Regenten von ihren Vorgängern lernen, wie sie nicht zu regie ren haben; dann werden sie in Anwendung der entgegengesetzten Maßre geln Preußen, wenn auch mühselig und ganz allmählich, glücklicher» Zeiten cntgegenführen. — Man erzählt sich, die Kirchenvisitationen in Preußen seien ihrer Auflösung nahe. Daß niemand ihnen nachweincn wird, weiß ich genauer, und daß sie eine Erweckung kirchlichen und christlichen Le bens nicht erzielt haben, ist außer allem Zweifel. Nur wenigen wird der Verlauf einer solchen Visitation bekannt geworden sein, denn die Betheili gung der Gemeinden ist eine überaus klägliche gewesen, weil — ja weil die Visitatoren eö nicht verstanden haben, die Leute für sich zu gewinnen; im Gegentheil hat sich eine Erbitterung gegen die Visitationen herauSgestcllt, die wahrhaft überraschend ist. Man erkläre sie sich auS den Fällen wie dem folgenden, der nicht vereinzelt dastehen wird. Der Gencralsuperintcndent alö Präses der übrigen geistlichen Herren, die vor einiger Zeit die Landgemein den um Berlin herum iuspicirten, sprach in einer Konferenz mit den Pa storen sein Bedauern darüber aus, daß sich ein Lurus in den Häusern der Prediger vorfinde, der sich auch in die Wohnungen der Bauern eingeschlichen habe. Er drang auf Vereinfachung der Umgebung, mit dem Bemerken, daß ihm durchgesessene Rohrstühle und harte SofaS, wie man sft früher wol in den Pfarren gefunden, ein erwünschterer Anblick wären als die weiche» Kissen und die Tapeten an den Wänden, die heute an der Tagesordnung wären. Man sollte gar nicht glauben, zu welcher Naivetät sich ein „hö herer" Geistlicher zu versteigen wagt; es wird ihm wie andern Menschen bekannt sein, daß man heutzutage Möbel und Tapeten mit leidlichem Aus sehen zu einem geringen Preis ersteht; daß es ferner Pflicht jedes einiger maßen anständigen Menschen ist, Ordnung und Sauberkeit im Hause auf recht ru erhalten; aber abgesehen von alledem, worüber jeder Schuhmacher und Schneider aufgeklärter urtheilt als ein berliner Generalsuperintendent — wenn man ihn selbst nun fragt, wie er sein Haus bestellt habe? er muß doch, solche Nathschläge andern crtheilend, selbst mit gutem Beispiel vor angegangen sein? Denn anders kann ja die Lehre keinen Sinn haben. Aber man weiß schon, was es mit solchen Redensarten auf sich hat, und man staunt nur über den Muth, verständigen Leuten mit solchen Dingen zu kommen. Das ist ein Stück Kirchenvisitation, die gewöhnlich mit sehr ein dringlichen Worten schließt, daß das nächste mal, wenn man wiederkomme, der Segen sich schon werde bemerkbar gemacht haben. Ich halte dafür, daß man lieber alles Vifitiren aufgibt und die Leute in Ruhe läßt, welche bei solchen Vorkommnissen das bischen Christenthum, daS sie noch haben, von solchen Aposteln ihnen entgegengcbracht, vollends über Bord werfen. '— Aus Berlin wird dem Nürnberger Korrespondent geschrieben: „Der 10. November, der Geburtstag Luther's, wird diesmal in Wittenberg besonders feierlich begangen werden. Man will an diesem Tage auch die kunstvollen Thürcn, welche der König für die dortige Schloßkirche ausfüh- ren ließ, einweihcn. Professor Schmieder vom dortigen Prcdigerseminar be findet flch jetzt hier, um mehrere hohe Personen dazu cinzuladen und auch allerhöchsten Orts zu erwirken, daß ein Theil des königlichen DomchorS diese Feier durch Kirchengesänge erhöhe. — Großes Aufsehen macht hier eine — Tischrede, welche der Kriegsminister Graf v. Waldersee bei ei nem Festmahle in den letzten Tagen in seinem Hötel gehalten hat. Dkl- Minister brachte dem König ein Hoch und schloß ein zweites auf die Ko nigin an. Diese hohe Frau, meinte der Redner, sei nicht nur die sorgsame Pflegerin des königlichen Gattens sondern ihr allein wäre die Lösung der