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Lichtenstein-Callnberger Tageblatt : 13.11.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-11-13
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1776437853-191011132
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1776437853-19101113
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1776437853-19101113
- Sammlungen
- LDP: SLUB
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLichtenstein-Callnberger Tageblatt
- Jahr1910
- Monat1910-11
- Tag1910-11-13
- Monat1910-11
- Jahr1910
- Titel
- Lichtenstein-Callnberger Tageblatt : 13.11.1910
- Autor
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LichtensteinLallnbergerTageblatt —.... —— so. AchrWM«. .... i .. 2. Beilage zu Nr. 264 Sonntag, den 13. November 19lO. Ein LiebttngsdMer des dentscheu Volkes. Am 7. November waren es 100 Jahre, daß im Wirgermeisterhause des Mecklenburger Städtchens Sta- venhogen Fritz Reuter geboren wurde, der Dich ter der plattdeutschen Sprache, dessen Werke heute in Wehr als vier Millionen Bänden verbreitet sind. Wir können hier kein Bild des Lebens und Schaffens dieses Leidgeprüften Mannes geben, der als Student der Rechte in Berlin wegen Zugehörigkeit zur Burschenschaft 1833 Verhaftet, 1836 zum Tode verurteilt, und dann aber Kn dreißigjährigem Gefängnis begnadigt und schließ- tich nach siebenjähriger Haft der Freiheit wiederge- schenkt wurde: nur ein Wort dankbaren Gedächtnisses wollen wir ihm weihen, dem Liebling des deutschen Kolkes. Daß er das wurde, verdankt er vor allem feinem frischem, unversieglichen Humor, der in Ge stalten wie „Unkel BrLsig" und „Triddelfitz" unver gänglich fortlebt und fortwirkt. Das Köstlichste an diesem Humor ist, daß er nie schlüpfrig oder lüstern, sondern immer unschuldig und unbefangen ist, nicht Nur erheitert, sondern zugleich erhebt und das Auge selbst unter Tränen lachen macht. Und fragen wir nach dem Geheimnis dieser herz erfassenden Kraft der Reuterschen Dichtungen, so findet es seine Erklärung in Reuters tief religiösem Charakter. Wäg der Dichter auch kein kirchlich rechtgläubiger Mann im gewöhnlichen Sinne des Wortes gewesen sein: es weht doch in seinen Dichtungen der Geist frommer Ehr furcht vor dem Heiligen. Und wenn dieser schwer geprüfte Mann sich durch die härtesten Schicksalsschläge nicht verbittern ließ, so erkennt man auch daraus, daß in ihm eine starke Religiosität lebte. Nie verließ ihn der Glaube an einen persönlichen Gott und ein ewiges Leben, nie das Vertrauen aus das göttliche Erbarmen, mit dem der himmlische Vater sich zu den Seinen neigt. Darum auch war er ein fleißiger Beter, daher auch stammte seine reiche Liebe zur Menschheit In diesem Glauben an Gott und die Menschheit liegen gerade die starken Wurzeln seines schöpferischen Idealismus. Das macht ihn uns so wert- — Dazu war Reuter ein kernig deutscher Mann, der schon in der Zeit, da „Deutschland" nur ein geographischer Begriff roar, ersehnte und hoffte, aussprach und andeutete, was 1870 Wirtlichkeit werden sollte. Wie gesund sein soziales Empfinden "war, beweist er in der Novelle „Kein Hüsung", von der er sagt, daß er sie mit seinem Herzblut geschrieben habe. So trat er auf den Plan in einer Zeit, die von Idealen recht wenig hielt- Und da geschah das Wunder, daß dieses anscheinend übersättige Geschlecht, von der gesunden Einfachheit und schlichten Schönheit seiner Dichtungen ergriffen, ilm mit Frohlocken zufiel und sich oon ihm erheben und begeistern ließ. — Ais aber Mes treue Herz am l2. Juli 1874 im Tove brach, da ging ein Wehklagen durch das ganze Volk und Klaus Groth schrieb tief bewegt: „Se hebbt Fritz Reuter begravt op den Karkhos bi de Warrbvrg: een nun de grötstcn Dichter is hin un singt ni mehr. . . Nu is he hin den Weg lank, den Jeder allein zeit, un von wo he nich wcdder kumt." — Er ging von uns. Aber seine Schriften hat er uns gelassen: die „Lauschen und Riemels" und „Olle Kamellen", „Ut mine Festungstio", „Ut mine Stromtid" und andere mehr. — Wenn doch an ihnen unsre vielfach verbildete Zeit wieder herz liches Gefallen finden und durch sie sich erziehen lassen wollte zum Geschmack an Einfachheit und gemütvol ler Tiese. Das wäre der beste Dank des deutschen Vol kes an seinen Lieblingsdichier. Vermißt. Roman von Ewald August König. 68 (Nachdruck verboten.) Die Straßen begannen sich schon zu beleben, Türen und Fenster wurden geöffnet, Bäcker und Milchhändler Heigten sich bereits in eifriger Tätigkeit. Jean Garnier hatte ball»' seine Wohnung erreicht, fle bestand aus drei elegant eingerichteten Stuben im ersten Stock eines hübschen Hauses. Er fühlte kein BSürfnis, den versäumten Schlaf nachzuholen, solche Nachtsitzungen griffen ihn in keiner Weise an. Er ent kleidete sich, blieb in seinem Badeschrank eine geraume Weile, machte dann mit großer Sorgfalt Toilette und war nun wieder zu allen Strapazen bereit und ge- Mhlt. Das erste, was er jetzt unternahm, roar, daß er seinen Gewinn und das Geld sortierte. Dann öffnete er eine eiserne Kassette und legte das Geld und die Banknoten hinein; darauf las er noch einmal den Schuldschein Ungers. „Treißigtausend Francs!" murmelte er mit Be friedigung. „Ich begreife «S wohl, daß Henry Didier seine habgierige Hand darnach ausstreckt, er kann nicht genug bekommen. Oder sollte er wirklich so große Ver luste gehabt haben, daß er, wie «S damals der Fall War, das Geld nötig hätte? Bah/was kümmern eS mich? ich' bin nicht verpflichtet, ihm ausi der Patsche zu helfen und was ich mir selbst sauer erworben habe, das halte ich fest." Er verschloß die Kassette und trug sie wieder fort, dann trat er vor den Spiegel, um seine Toilette noch einmal zu mustern. " „Angreifen kann er mich nicht, denn ich habe ihn in der Hand," nahm er sein Selbstgespräch wieder aus. „Er muß tanzen, wie ich geige und durch Drohungen würde er sich nur lächerlich machen. Der Rentier Unger aber soll noch mehr bluten; eine solche Gele genheit kommt sobald nicht wieder." Er lachte leise vor sich hin und zog dann die Handschuhe an; die Stunde war gekommen, in der er in einem. Kaffee hause zu frühstücken Pflegte. Das wäre in der eige nen Wohnung bequemer gewesen, aber im Kaffeehaufe tonnte er mit Muße die neuesten Zeitungen durchstö bern und gelegentlich Bekanntschaften anknüpfen; er hätte hier schon manches Opfer gefunden, das sich im Spielklub plündern, ließ. In so großartigem Maßstabe, wie in der vergangenen Nacht, hatte er freilich die Plünderung bisher noch nicht betriebe»', indessen war das ja der Wille Ungers gewesen. Er hatte eben seinen Hut ergriffen, um das ^Zim mer zu verlassen, als ein leises Pochen ihn aus sei nem Sinnen weckte. Mathieu erschien mit der Posttasche Didiers. „Ich war gestern abend schon hier und traf Sie nicht zu Hause," sagte er. „Deshalb komme ich heute so früh." „Und was bringen Sie mir?" fragte Garnier. „Sie befahlen mir, Herrn Renard zu beobachten." „Und was haben Sie entdeckt?" „Wir find Freunde geworden und kommen jeden Abend zusammen," erwiderte Mathieu mit einem ver schmitzten Lächeln. „Ich vermute, daß Renard mich aushorchen will." „Sprach er von seinem Landsmanne?" „Ja, aber er nahm ihn nicht in Schutz und das siel mir auf. Er hatte auch mit den jungen Damen aus unserem Hause eine lange geheime Unterredung." „In Eurem Hause?" „Nein, sie suchten ihn in seiner Wohnung auf; ich mußte sie hinbegleiten, weil es Abend war und auf dem Rückrvege bot Renard mir seine Freundschaft an." „Worin besteht diese Freundschaft?" >,Na, ich besuche ihn abends und wir spielen dann Karten. Das Spiel, das der Kellner uns gab, war ihm zu schmutzig, er kaufte sogleich ein neues." Jean Garnier stand in Gedanken versunken, mit seinem dünnen Spazierstöckchen zeichnete er die Figu ren des Teppichs nach. „Und dieses neue Spiel nahm er mit?" fragte er. „Natürlich, es ist ja sein Eigentum." „Können Sie mir ein gleiches Kartenspiel be sorgen ?" „Ich kann's von dem Wirt kaufen." „Nicht doch, es muß an einem anderen Orte ge kauft werden," sagte Garnier rasch mit einer abweh renden .Handbewegung. „Es muß demjenigen, Ivelch.s Renard besitzt, so ähnlich sein, daß ein Umtausch der beiden Spiele nicht bemerkt werden kann." „Das wird so schwer nicht sein," erwiderte Ma thieu, dessen forschender Blick bekundete, daß er noch nicht wußte, wo hinaus Garnier wollte. „Die Kar tenspiele gleichen einander, wie ein Wasiertropsen dem andern, und wenn ich das neue Spiel einige Stunden benutzt habe, so. . ." „Gut, das ist Ihre Sache," unterbrach Garnier ihn. „Kaufen Sie das Kartenspiel und bringen Sie es mir, das weitere werde ich Ihnen dann noch sagen. Renard ist ein gefährlicher Bursche, er muß unschädlich gemacht werden: überdies habe ich auch noch persön liche Ursache, Vergeltung an ihm zu üben." „Ich weiß, ich kenne die Ursache." In den Augen Garniers blitzte es auf, das scha denfrohe Lächeln Mathieus erweckte seinen Zorn. „Was wissen Sie?" fuhr Garnier auf. „Was hat Renard Ihnen gesagt?" '„Parbleu, ich wiederhol's nicht gern." „Sprach er von unserer Begegnung in einem deut schen Wirtshause?" „Ja." Garnier stampfte zornig mit dcm Fuße; eine Weile wanderte er dann ruhelos auf und nieder. „Was würden Sie tun, wenn Ihnen das begegnet wäre?" fragte er endlich mit heiserer Stimme. „Ich hätte den Kerl niedergeschlagen." „Mit solcher Rache gefährdet man nur sich selbst; uh kenne ein besseres Mittel, ich bringe ihn ins Zucht haus und ich erwarte, daß Sie mir dabei hilfreiche Hand leisten. Sie erzeigen nicht nur mir, sondern auch Herrn Didier einen Dienst, und gelingt die Ge schichte, fo dürfen Sie auf guten Lohn rechnen." ,Mqen Sic mir nur waS ich tun soll!" „Später, wenn Sie mir daS Kartenspiel brin gen. Etwas Mut müssen Sie- haben, wenigstens dcn Mut, als Ankläger aufzutreten und die Arcklage durch zufechten, die Schuldbeweise, sür die ich sorgen werde, erleichtern Ihnen das." . „Wenn nur auch keine Gefahr für miZ dabei ist ?" „Durchaus keine." „Gut,' dann bin ich bereit. Heute abend bringe ich Ihnen das Kartenspiel." < Gedankenvoll blickte Garnier ihm nach. „So wird's gehen," sagte er leise, „alles Leugnen wird ihm nichts helfen, wenn die Karten in seinem Besitz ge funden werden. Die Aussagen des Hausdieners wer« den vollen Glauben finden, da Henry Didier diesem treuen Diener selbstverständlich das beste Zeugnis auA- stellt." Er nahm feinen Hut und ging, um beim Frühstück über den Racheplan noch weiter nachzudenken. Henry Didier hatte bei seiner Heimkunft sich iq sein Schlafgemach begeben, um einige Stunden der Kühe zu pflegen, aber keinen Schlaf gefunden. Die große Summe, die Garnier gewonnen hatte, reizte seine Habsucht; er sah voraus, daß dieser Gewinn sich in den nächsten Tagen verdoppeln würde, und es ärgerte ihn gewaltig, daß Garnier die von ihm gefor derte Teilung so schroff abgelehnt hatte. Dazu wurden nun auch die Verhältnisse in sei nem eigenen Hause immer unerquicklicher. Tante Jea« nette kam aus ihrem Zimmer nicht heraus und besuchte sie nun der Bruder, so hörte er nur Klagen und Be schwerden über die Fremden, die jetzt in ihrem Hause das große Wort führten. Cäcilie war auch nicht mehr das heitere, lebens frohe Mädchen, das früher ihm so oft die düsteren Schat ten von der Stirn gescherzt hatte und Leontine Renard schien seit der Verhaftung Weimars ihm absichtlich auszuweichen. Das alles mußte anders werden; er wollte Klar heit und Gewißheit haben und während er sich ruhe los auf seinem Lager wälzte, entwarf er Pläne, dir er heute noch auszuführen beschloß. Nach dem Frühstück lieh er Leontine um eine Un« terredung bitten. Er empfing sie im Salon, führte sie zum Divan und nahm ihr gegenüber Platz. „Sie werden sich erinnern, daß ich Ihnen eine gute Stelle zu verschaffen versprach," begann er. „Nun habe ich ein solches Unterkommen gefunden und hoffe, Sie werden es auch annehmen." „Mit dem größten Dank!" Leontine gab sich den Anschein, als habe diese Eröffnung sie angenehm über rascht. „Darf ich fragen, in welchem Hause?" „In meinem eigenen Haufe," unterbrach er sie, indem er sich ihrer Haird bemächtigte und dieselbe sü fest hielt, daß Leontine sie ihm nicht entziehen tonnte. Bleiben Sic hier bei mir, Leontine, ich lege Ihnen alles zu Füßen, ivas ich mein eigen nenne." Sie schlug die Augen nicht nieder, aber sie wandte das Antlitz ab, damit er den Zornesblitz nicht sah, der aus ihren Augen sprühte. „Ich bin kein junger Mann mehr, Leontine," fuhr er leidenschaftlich fort, „was ich Ihnen sage, das sind keine Phrasen, sondern die Äußerung eines tiefen Gefühls, das bei Ihrem Anblick fchon meine Seele erweckte. Unterbrechen Sie mich' nicht, hören Sie mich' ruhig an, dann treffen Sie Ihre Entscheidung. Ne wissen, ich bin ein vermögender Mann und wenn Sie sich in Brüssel umhören wollen, so werden Sie ersah« ren, daß jedermann mir die Achtung zollt, auf die ich Anspruch machen dars. Sie würden an meiner Seite eine durchaus sorgenfreie Existenz finden, und nicht das allein, ich bin auch mit Freuden bereit, Ihrem Bruder vorwärts zu helfen und den Lebensabend Ihrer Mutter so angenehm zu gestalten, wie das Alter ihn nur wünschen kann. Meine Schwester würde mit dieser Heirat nicht ganz einverstanden sein, ick sage das of fen, aber wäre sie es auch, so ist sie doch unter diesem Dache die alleinige Herrscherin gewesen, als daß ich meiner Gattin zumuten darf, ihren Launen sich zu fügen. Überlassen Sie cs ruhig mir, hier ein Abkom men zu (ressen, das alle Teile zufrieden stellt. Cäcilie wird ebenfalls heiraten und ihrem Gatten an den eige nen Herd folgen, so bleibt Ihnen das Reich hier allein, und ich werde alles tun, was ich vermag, um Sie glück lich zu machen. Und nun antworten Sie mir, ein kleines Wort gcnügt, unser beider Glück zu begründen.^ Leontine wiegte das blonde Haupt. Nun konnte sie nicht länger in seinem Hause bleiben und doch war cs ihr heißer Wunsch, um dem Manne zu dienen, dem ihr Herz gehörte. Denn sie hoffte noch immer imrch' einen günstigen Zufall unter diesem Dache eine Ent deckung zu machen, die Theobalds Unschuld an dm Tag brachte. „Sie werden begreifen, wie sehr mich dieser Antrag überraschen muß, aus den ich unmöglich vorbereitet sein konnte," sagi^ie leise, aber fest und ruhig, „wollte ich Ihnen Won jetzt eine Antwort geben, so könnte diese nur verneinend lauten."
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