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Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger : 14.07.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-07-14
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1786999250-192807143
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1786999250-19280714
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1786999250-19280714
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungFrankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger
- Jahr1928
- Monat1928-07
- Tag1928-07-14
- Monat1928-07
- Jahr1928
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Privater, der heutzutage turut, ein solches Risiko eingeht, daß man ihm keine Unterstützung ver sagen darf. Es ist zweifellos nicht richtig, daß den Ge meinden die letzte Entscheidung in der Raufrage überlassen ist, nne das Beispiel Berlins zeigt, hoffentlich wird hier der Oberpräsident der Pro vinz Brandenburg bald einmal nach dem Rechten sei en und einer Stadtverwaltung, die offenbar nicht allein Ordnung halten kann, beweisen, das; sie doch noch nicht ganz souverän ist. Wamberlain üb« MiWehMg der AlMSrkontrvMoiMWsn London, 14. 7. (Funlspruch.) Chamberlain erklärt in der schriftlichen Beantwortung einer Anfrage im Unterhause, daß die interalliierten Militärkontrollkommifsionsn in Deutschland, Oesterreich Ungarn und Bulgarien nunmehr sämt lich zurückgezogen worden seien, da der Abschluß ihrer Arbeiten die Zufriedenheit der interalliierten Negienmgen gefunden hätte. Mit Ausnahme Oesterreichs seien die endgültigen Berichte aus diesen Ländern dem Völkerbundsrat unterbreitet worden, der nach der Zurückziehung dec Kom missionen gemäß den Friedonsverträgen nunmehr verantwortlich sei für die Durchführung der Ab rüstungsklauseln. In Oesterreich seien -roch ge wisse Punkte hinsichtlich der Umstellung der Muni tionsfabriken für industrielle Zwecke zu regeln. Was Deutschland anbetreffe, so seien dort be reits beträchtliche Fortschritte bei der Regelung der noch ausstehenden Punkte, die u. a. auch die Neuordnung der Polizei betreffen, erzielt worden. Schleiersorgm MMilchs London, 14. 7. (Funkspruch.) Nach Mel dungen aus Kabul hat eine Abordnung von fana tischen Mullahs bei.König Amanullah Vorgesprä chen, um sich auf Grund der Verfassung dagegen zu verwahren, daß die Königin und andere Damen des Hofes vor der Oeffcntlichkeit, wie auf ihrer europäischen Reise, ohne den landesüblichen Schleier erschienen sind. Das Nichttragen des Schleiers sei ein- Beleidigung des Islams. Der König wies darauf hin, daß die Landbevölkerung in Afghani stan keine Schleier trage. Die Abordnung ant wortete darauf, daß der Schleier die Landbevöl kerung an der Arbeit hindere. Der König er widerte, daß, wenn die Landbevölkerung sich da zu entschließen sollte, das Tragen des Schleiers wieder crnzuführen, er dieses am Hofe auch an ordnen werde. Grohe MerfchlagMM in SoWlmWnd Brandstifter, Banditen nnd Säufer? Berlin, 13. 7. (Funkspruch.) Der „Lokal anizeiger" berichtet aus Moskau: Aus Murmansk wird gemeldet, daß im dortigen Gouvernement ein ganzes Nest von Brandstiftern, Banditen und Säufern aufgedeckt wurde, zu dem auch mehrere Kommunisten gehörten. Wie die Zeitung „Rabotschaja Moskwa" meldet, haben die Mitglieder der kommunistischen Parteöerekutive dort große Saufgelage abgehalten, von Geldern in Höhe von mehreren tausend Rubeln, die für Ausbesserung der Schulen und zur Unterstützung der Annen bestimmt waren. Um weitere Gelder aufzutreiben, wurden dort die Wälder ohne jede Segnung abgeholzt. Der kommunistische Direk tor einer Darmfabrik in Kiew hat seit längerer Zeit Arbeiterinnen gezwungen, mit ihm zusammen zu leben und auch versucht, sie im Kabinett des Fabnkverwalters zu vergewaltigen. Diese Schänd taten wurden vom Leiter der kommunistischen Parteizelle mrtuscht. Beförderungen wurden bei Sckmapsgelagen verfügt. Die Angelegenheit ist jetzt dem Stnatsamvalt übergeben worden. In Dnjeprowsk steht der frühere Chef der Miliz vor Gericht, weil er einen Verhafteten ermordet hatte. Zurzeit schrvebt eine Reih- von Prozessen gegen Volksrichter und Justizbeamte. Wie der Untersuchungsrichter mitteilt, haben diese Richter in Gesellschaft ganz dunkler Eristenzen wilde Or gien gefeiert, schwere Verbrechen begangen und Bcstechrmgsgelder angenommen. Ferner wurden 18 Gerichtsbeamte des Justizkommissariats der Tartarenrcpublik und ein stellvertretender Staats anwalt wegen Trinkereien und falscher Gerichts beschlüsse verhaftet. Ein Strafverfahren wurde gegen sie eingeleitet. In Datum wurden 4 An gestellte des Zollamtes urit dem Leiter an der Spitze wegen systematischer Fälschung und Be stechung laut Todesurteil erschossen. Die Bozener Riesenblamage Was ein Minister in der toten Stadt erzählt Bozen, 13. 7. In seiner Festrede bei der Denkmalseinweihung in Bozon wies der italie nische ArbeitsMinister Eiuriati zunächst darauf hin, daß die Stadt Bozen, von Drusus gegründet, wieder ihren alten italienischen Charakter, dcn fi< die Jahrhunderte hindurch bis zum Beginn des vorigen Jahrhunderts gewahrt hätte, annehme. Auf die Düsten der im Weltkriege Hingerichteten Märtyrer zeigend, rief der Minister aus, der Strang, der- den Hals eines Battisti nmschnürt hätte, müsse für die, die jenseits der Alpen noch imnier die Sache de- ungerechten Eroberers von einst vertreten, eins unumstößliche Antwort sein. In Ewigkeit werde dieser Strang verkünden, daß Geographie und Geschichte das territoriale Recht bestimmen. Ein Volk, das durch den Sieg seine Einheit wieder hergestellt habe, könne es nicht dulden, daß seine von Gott errichtete Grenze auch nur angetastet werde. Dieses Volk könne es auch nicht zulassen, daß eine unendlich kleine Minderheit, die inr vorigen Jahrhundert in eini gen italienischen Provinzen eingewandert sei, für kühne Ansprüche herhalte. Das Bozener Sie- gssdenkmal sei ein Meilenstein auf dem Wege des italienischen Volkes. An dem Umzug durch die Stadt nahmen 6000 Italiener teil, van denen 90 Prozent von aus wärts gekommen waren. Und da die „unendlich kleine Minderheft" sich von dem großen Spek takelstück fernhielt, war die ganze Stadt wie ausgestorben. Politische Nachrichten Die Lohnftencrsenlung inr Reichsrat. Der Reichsrat wird sich mit der von der Reichsregie- rung angenommenen Vorlage zur Senkung der Lohnsteuer in seiner Vollsitzung am Donnerstag, den 19. Juli, beschäftigen. Kein Eintritt der tschechischen Nationalsozialisten in die Negierung. Der Vorsitzende des Abgeord netenklubs der tschechischen Nationalsozialisten Dr. Franke stellte einem Pressevertreter gegenüber fest, daß sämtliche Meldungen über den Eintritt der Nationalsozialisten in die tschechoslowakische Re gierung falsch seien. Sieg der Arbeiterpartei bei Nachwahlen in Eng land. Die Nachwahl für Halifar, die durch den Rücktritt des ehemaligen Sprechers des Unter hauses Whitley notwendig geworden war, hat am Freitag mit einem arbeiterparteilichen Siege geendet. Der Anwärter der Arbeiterpartei erhielt 17 536 Stimmen, der Anwärter der Liberalen 12 585 und der Vertreter der Konservativen 10 804 Stimmen. Die arbeitcrparteiliche Mehrheit beträgt somit 4951 Stimmen. Insgesamt haben 52 013 Wahlberechtigte gewählt. Ao» Krim«? und Baterland Frankenberg, den 14. Juli 1928. Vie ««»darümsorfthung in Sachse», über deren Beainn wir letzthin berichteten, macht, wie uns da« Germanistische Institut der Universität mlttetlt, rüstige Fortschritte. Auf diese Notiz haben sich nicht weniger als 300 freiwillig« Mitarbeiter ans allen Schichten der Bevölkerung gemeldet. Sie haben ebenso wie die gesamte sächsische Volke- schullehrerschast den verausgabten Fragebogen 1 erhalten und ihn größtenteils bereits ausgefüllt wieder eingeschickt. Die nebenher betriebene freie Sammlung von Wörtern aller Sachgebiete hat sich außerordentlich günstig angclassen. Diele tausend Zettel mit unschätzbarem, zum Teil sehr seltenem Worlmatertal sind eingelansen und werden augen- blicklia) bearbeitet. Das Institut wird in aller nächster Zeit ausführlicher über den Stand der Arbeit und die Auswertung des Materials be richten. Für eine gedeihliche Weiterarbeit ist es allerdings unbedingt erforderlich, daß sich die Zahl der Helfer noch steigert. Wer sich an der verdienst lichen Arbeit als freiwilliger Mitarbeiter beteiligen will, sende seine Anschrift dem Germanistischen In stitut Leipzig, Universitätsstraße 7—9, ein. Er er hält dann Merkblätter, Fragebogen und Zettelblocks nach Wunsch; Portoauslagen werden vergütet. Aus dem Pfarramt Das städtische Steueramt hat dem unterzeichneten ^«ramt mitgeteilt, daß eine Anzahl Steuer- » j^Ahtiger mit ihrer Kirchensteuer auf 1927 noch ins Rückstände sind und nach den gesetzlichen Bor schristen die zwangsmäßige Beitreibung dieser Rück stände nunmehr erfolgen muß. Der Kirchenvorstand hat das Steueramt ersucht, zuvor noch eine Frist von 10 Tagen zu sehen, während deren die be treffenden Zahlungen geleistet werden können. Es werden daher hiermit all« Zahlung-säumigen auf gefordert, bis zum S5. Juli ihren Verpflichtungen in, Stadtsteueramt, Aindenburgstr., nachzukommen. t Die Preise für die Sieger der Sternfahrt des Motorradklubs Frankenberg, die bekanntlich morgen Sonntag ftattfindeh sind im Schaufenster der Firma Bernhard Haste. Chemnitzer Straße, ausgestellt. 1 Ein Steuersprechtag des Finanzamtes findet am kommenden Montag in Meyers Restaurant statt. (Siehe Anzeige im heutigen Blatt.) 1 Billiger Sonderzng an die Ostsee! 6 Tage Ostseettrand sür nur 73.60 RM. einschl. Wohnung, Verpflegung, Hin- und Rückfahrt, Hochseesahrt nach Dänemark (kein Paßzwangl und sonstiger Dampfer fahrten vom 11. bis 17. August. Veranstalter ist der Verkehrs-Verein »Fischland", Geschäftsstelle Dresden-A, Ammonstr. 16, Erdg., Tel. 18570 Nbst. Siehe heutige Anzeige. t Svarkaslenverkehr. Bei den Sparkasten und Sparkastengeschäftsstellen Altenhain, Auerswald«, Augustusburg, Börnichen, Borstendorf, Brauns dorf, Dittersdorf. Dittmannsdorf. Eppendorf, Erd mannsdorf, Falkenau, Flöha, Gahlenz, Gornau, Grünhainichen, Lohenfichte, Krumdermersdorf, Leubsdorf, Lichtenwalde. Marbach, Niederwiesa, Maue-Bernsdorf, Schellenberg, Schlößchen-Por- schendorf, Waldkirchen-Zschopenthal, Weißbach und Witzschdorf wurden im Monat Juni 1928 insge samt 200901,02 RM. ein- und 93991,40 RM. zurück gezahlt. Opfer des Verkehrs Olbernhau. Auf dem Wege vom Schwartenberg nach Sayda fuhr während der Nacht ein hiesiges Mietsauio gegen einen Baum und wurde schwer beschädigt. Während der Chauffeur mit dem Schrecken davonkam, erlitten ein Herr und zwei Damen so schwere Verletzungen, daß sie in das Krankenhaus gebracht werden mußten. — Chemnitz. In den letzten Tagen sind wieder holt in hiesige Schankstäiten nächtliche Einbrüche verübt wordcn, bei denen die Einbrecher nach Ein schlagen der Fensterscheibe vom Hofe aus in die Räume eindrangen, die verschloßenen Behältnisse erbrachen und vornehmlich Geld nnd Zigarren stahlen. Der Polizei ist bisher die Ermittlung der Diebe noch nicht gelungen. — Hohenstein-Ernstthal. Als im b«rochbätchtL Reichenbach der 58 jährige Gutsbesitzer VNkkKarH' mit seiner Tochter auf einem leichten WageA.atzf^ Feld fahren wollte, scheuten plötzlich die vor- den Wagen gespannten junaen Pferde vor der Musik, einer Schützenkapelle nnd gingen durch. Burlharot wurde von dem schleudernden Wagen geworfen, und erlitt einen so schweren Schädelbruch, dH er, nach einigen Tagen im Glauchauer Krankenhaus verschied, während leine Tochter mit dem Schrecken davonkam. — Lichtenst«in-C. Im hiesigen städt. Sommer» Oed wurde der aus Hobudors gebürtige 17jährige Friedrich von einem Herzschlag überrascht und ging unter. Er kannte nur als Leiche geborgen werden. — Olbernhau. Im hiesigen Dörselteich wurde etn als guter Schwimmer bekannter ISjähriaer, junger Mensch, der seinen etwas jünger-n Brno er »m Schwimmen unterrichten wollt«, plötzlich von einem Herzlchlag getroffen und versank. Erst nach längerem Bemühen gelang es, .den Unglücklichen als Leich« zu bergen. — Bärenstein. In den hiesigen Fichtenwäldern tritt die Fichtenblattwespe massenhaft auf. Die Tiere nähren sich von den neuen Trieben der Bäume, so daß der betreffende Baum In seinem Wachstum um ein Jahr zurückgeworfen wird. — D utscheinsttdel. Da hier in einer Klasse de; ersten Schuljahres 50 v. H. der Kinder an Masern erkrankt sind, wurde der Unterricht für diese Klasse bereits am 9. Juli geschlossen. — Pirna. Die 28jährige ledige Frieda Meschke in Lauterbach wurde unter dem dringenden Ver dachte, das Anwesen ihres Vaters, des Wirt schaftsbesitzers Emil Meschke, kürzlich in Brand gesteckt zu haben, verhaftet. Das Mädchen hat bereits ein Geständnis abgelegt. — Dresden. Schon oft hat die Unsitte man cher Radfahrer, sich an fahrende Lastkraftwagen anzuhängen, oder unmittelbar hinter ihnen Her zufahren, schlimme Folgen gezeitigt. Am Don nerstag nachmittag hinge» sich mehrere auf ihren Nädern fahrende Arbeiter auf der Königsbrücker Straße an einen Lastkraftwagen, der nach Klotzsche zu fuhr. Als der Wagon unverhofft nach links in den Moritzburger Weg einbog, um nach Hellerau weiterzufahren, ließen die Radfahrer kos. Es entstand eine Verwirrung, wobei ein 40 Jahre alter Tischler aus Lausa zum Stürzen und unter die Räder eines nachfolgenden Last autos zu liegen kam. Er erlitt einen Bruch der Wirbelsäule und Kopfverletzungen und wurde in hoffnungslosem Zustand nach dem Krankeirhaus gebracht. — Bautzen. In der letzten Sitzung des Vautz- ner Volksschulausschusses wurde festgestellt, daß, die Neigung zur Kropfbilduirg, die bereits seit einigen Jahren in der Lausitz beobachtet werden konnte, weiter zunimmt. Von rund 2000 unter suchten Schulkindern wurden bei 158 Kropferfchep imngon festgestellt. In einer Mädchenklasse des katholischen Seminars leiden 90 Prozent der Mäd chen an Schilddrüsen«rweiterung. Der Stadtarzt führt die Erscheinung auf den Jodmangel der Luft hin und schlug eine Behandlung der Kinder mit Jodtabketten vor. Aus der Filmwelt Der Phoebue-Film „Leichte KavaUsrie', der bis Montag abend im Welt-Theater läuft, zeichnet sick durch hervorragend schöne Bilder und eine nicht phantastisch gesuchte Handlung aus, d^r Kunst- lerinnen und Künstler Vivian Gibson, Elizza la, Porta, Alfons Fryland und Fritz Kampers ihr großes Können liehen. Der Gang der Handlung, der eine Episode aus den ersten Kriegsmonaten 1914 veranschaulicht, ist so sesselnd, daß das Auge' gar nicht loskommen will von den Vorgängen an der weißen Wand. Teuflischer Verrat, raffinierte! Koketterie und daneben auch selbstlos«, opferbereite Liebe geben dem Werke einen Inhalt, der nicht ohne lebhafte Anteilnahme an dem Zuschauer vorübergeht. Ein angenehm unterhaltendes Bei programm gestaltet den Besuch des Welt-Theaiers auch in diesen warmen Tagen zu einem gediegenen Tagesabschluß. L. «oWonaden im Hvlarelse Von M. Granow Von de» unsäglichen Mühen einer Wanderung über das wildaufgetärmte Packeis, wobei man Proviant, Zelte und alles Notwendige selber schleppen muß, erzählen alle Polarforscher. Im mer in das weiße, weglos« Ungewisse, über star rende Eisgebirge hinweg, über endlose unberührte Schnceslächen, die sich heimtückisch plötzlich in einem breiten Spalt auftun, zu einer Rinne öffnen, in dem das lebendige Meer vunkel und lauernd aufblinzelt. Denn immer ist das ewige Eis dort oben in Bewegung. Die riesitzen Scholle» mahle» und knirschen gegeneinander, sie türme» sich übereinander, von Gezeiten und Stürme» getrieben, nnd bersten und klaffen plötzlich auseinander mit dumpfem Knall, um den ahnungslosen Eiswanderer zu verschlingen. Zur Zeit der Frühlingsstürme ist das Packeis am ge- führlichston. Die Sonne steht Tag und Nacht am Himmel, wandert von Osten nach Westen und wieder noch Oste», ohne unter dein Hori zont zu verschwinden. Sie spiegelt sich in Milli onen und Abcrmillionen von Eiskristallen. Das Licht ist für das menschliche, ungeschützte Auge schier unerträglich. Das ist gutes Wetter, am Pol weit seltener als bei uns. Ziehen aber die schweren Stürme herauf, mit undurchdringlichem Schnee- und Hagelgestöber, so bleibt den einsamen und mit den Eisregionen wenig vertrauten Schol- kcnwonderern nichts übrig, als sich in hoffentlich mitgeführten Zelten zu bergen oder Schnee-Iglus, wie der Eskimo sie erfunden, anfzubaucn und sich darin zu verkriechen. Dle Gewalt der Stürme ist so groß, daß weder Mensch noch Tier da gegen ankämpfen kann. Solche Stürme aber, so lehren Nansen, Sverdrup und Mikkelsen, halten ost zehn bis vierzehn Tage mi. Betrachten wir dergleichen Nobinsonaden auf dem Treibeis historisch; an die hundert solcher Nciseschilderungen liegen ja vor. Von den Wal fängern, die vom Ende des 16. Jahrhunderts a» mit über 200 Schiffen alljährlich an Spitz bergens Westküste Jagd auf die vorsintflut lichen Niesenttere der Arktis, auf Walfisch, Wal roß und Robbe/wachten, verschwanden in jedem Jahre etwa zwamzig Fahrzeuge; selten gelang es den kühnen Gtticksrittern, sich aus ihrem vom Eis zerpreßteir Schiff über die Packeisscholle» zu andern Seglern zu retten. Wie viele bei diesen Eiswanderungen in den Schneestürmen umkamen oder spurlos versanken, meldet kein Lied, kein Heldcnbuch. Als Mister Phips 1773 mit zwei stolzen Seg lern, reichlich mit Kanonen gespickt, une es einem Königlich Englischen Dreimaster zukam, den Nord pol von der Westküste Spitzbergens aus erobern wollte, mußte die Besatzung die eingefrorenen Schiffe verlassen und rettete sich in Boote, die — auf Schlittenkufen gestellt — von den Menschen selber über die Preßeisrückcn gezogen wurden. Nachdem die Engländer sich wochenlang damit abgcmüht hatte», waren sie heilfroh, als ein Sturm ihre Schiffe aus der Eisumklammerung befreite und sie ihnen — liebenswürdiger weise nachsandte. Die Polfahrer bestiegen ihre Fahrzeuge unter allerlei Schwierigkeiten und kamen glücklich nach Hause. Die vierzehn Mann der Besatzung des deutsche» Entdeckerschiffes „Hansa" waren die erste Eis- schollenbewohnerschast für 200 Tage. 1869 sandten Preußen und die Hansastädte 2 Schiffe, die „Germania" und die „Hansa", an der -noch völlig unbekannten Ostküste van Grönland nord wärts — -natürlich mit dem Pol als Ziel. Wäh rend die „Germania" bis zum 73. Breitengrad vordrang und mancher deutsche Name an dortigen Inseln und Buchten von jener erfolgreichen Fahrt des Kapitäns Koldewey Kund« gibt, geriet die „Hansa" schon km Juli in mächtiges Treibeis, aus dem sie sich nicht mehr besreien sollte, Kapi ¬ tän Hegemann erkannte bald, daß sein Schiff bei den -nächsten Herbststürmen unfehlbar zer malmt werden müsse. Er ließ daher auf einer mächtigen Eisscholle von über siebe» Meilen Umfang eine bequeme Hütte aus Preßkohlen, die sie reichlich mit sich führten, bauen. Tie Ritzen wurden mit Wasser begossen, das sofort lust dicht gefror. Alle Vorräte wurden auf der Scholle sorglich verteilt. Am 22. Oktober ver sank die „Hansa" in den empörten Fluten, und die Eisscholle wurde den vierzehn wackeren Deutschen Heimat und Floß zugleich. Denn sehr bald spürten sie mit Freude daß die Scholle mit ihnen bedächtig nach Süden schwamm. Schon am zweiten Weihnachtstage aber war es Mit der Zuversicht zu ihrer „Mutter Eis" zu Ende: direkt unter ihrem Kohlenhaus hörten sie ein gräßliches Schurren, Knistern und Glucksen. Die entsetzten Schiffer spürte», daß ihr eisiger Bau grund unsicher wurde. Und nirgends zeigte sich Land, wohin sie sich retten konnten, oder offenes Wasser, dem sie sich ru ihren Boote» anoertrauon durften. Immer unheimlicher wurde das knir schende Geräusch, bis sich am 14. Januar 1870 die Scholle direkt unter dem Kohlonhaus spaltete. In aller Eil« brachten sie sich selber und das unersetzlich« Material in Sicherheit und bauten sich aus den Resten der Briketts und Eisschollen eine neue Hütte. Die Unsicherheit wurde immer größer, je südlicher sie kamen. Vis zu den Ostertagen dauerte die abenteuerliche Schollen- sahrt; denn konnten sie in ihren« Boot in offener Küstonrinne den Heiimveg fortsetzen und er reicht«» im Juli die Missionsstation Friedrichs- Hall auf Grönland. Im gleichen Winter trieb der größere Teil der „Poloris"-Besatzung an der Westküste Grön lands uitter weit verzweifeltere» Umständen auf einer Eisscholle nach Süden. Kapitän HM war ein Jahr zuvor mit der „Polaris" von Amerika aufgebrochen, um ..das offene Meer um den Nordpol" — davon sprach eine damals weit verbreitete irrige Meinung von der Nordspitze der Erde — zu suchen. Er erlag den Strapazen. Das Schiff wurde im folgenden Frühjahr leck und tn'eb, zwischen Treibeis eing ekelst, «ach Süden. Ma» fürchtete seinen Untergang, ver täute sich an einer große» Eisscholle nnd begann sich auszuschiffen. Eben waren neunzehn Per sonen der Besatzung, darunter zwei Eskimos mit ihren Frauen und vier Kindern, und ein Teil, des Proviants und Gepäcks auf dem Eis, als ein Orkan die Taue sprengte. Die „Polaris" wurde bei den Littleton-Inseln auf Strand gv» worfo». Die neunzehn Unglücklichen dagegen tri^ bsn -ohne Schutz vor Sturm und Kälte durch den heulenden Schneesturm ins Ungewisse. Di»' Eskimos, beherzt und an solche Heimtücke de» Eises gewöhnt, bauten Schneehütte», jagten unte« Todesverachtung in dunkler Winternacht Rob be», und es gelang ihrer Tapferkeit, ihr Häuf lein Schutzbefohlener während einer Schollen-, fahrt von 196 Tagen durch Nacht und Finster nis, durch endlose Gefahren des Verhungern» durchzubringen, bis das schon halb zerbröckelte, Eisflaß von einem "Schiff gesichtet und die er schöpfte Bewohnerschaft gerettet wurde. Das sind abenteuerliche Stücklein, die aus den unendlich vielen Bänden Reisefchllderungc-n in der Polaris ergänzt werden können. Man nehme nur die grandiosen Erzählungen von Cook und Peary über ihre Wanderungen zum Nordpol zur Hand, oder Nansens „Nacht »ml» Eis", die Fahrt der „Stella Polaris" des Her zogs der Abruzzen, oder die Schilderungen d« Südpol-Entdeckers Amundsen, der jetzt verschollen ist imd abermals mit den weiß«n Mächten der Arktis ringen mutz. Immer ist das Eis ein höchst unsicherer Wandergrund, nnd der Gefah ren durch Schneestürme, durch Kälte und Hun ger sind gar mancherlei, di« sich nie voran« berechnen lassen.
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