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Wilsdruffer Tageblatt : 04.02.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-02-04
- Sprache
- German
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192202041
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19220204
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19220204
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungWilsdruffer Tageblatt
- Jahr1922
- Monat1922-02
- Tag1922-02-04
- Monat1922-02
- Jahr1922
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 04.02.1922
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Sitzung des Bezirksausschusses der Amtshauptmannschaft Meißen am 30. Januar 1922. Die erste Bezirkscrusschußsitzung ein neuen Jahre eröffnet llmtshauptmann Tr. Sievert mit der Wiederholung dei rm Schlüsse der letzten Sitzung rm alten Jahre aus der Mitt les Bezirksausschusses zum Ausdruck gebrachten Wunsches, das Hch die Beratungen des Bezirksausschusses und das Zusammen »beiten mit ihm auch im neuen Jahre so harmonisch gestalte, Nächte, wie im vergangenen, und datz es mit Hilfe der Mit glieder des Bezirksausschusses gelingen möge, den Meitzner Bo sirk auch im Jahre 1922 durch alle Klippen und FährnW Mcklich hindurchzuführen. Nach Eintritt in die Tagesordnung gab Amtshauptmam hr. Sievert zunächst eine Antwort des Verwaltungsrate ier Kinderheilanstalt Dresden bekannt, dem die Anregung d« Bezirksausschusses, der Frage der Uebergabe der Kinderheil Mstalt in die öffentliche Unterhaltung ev. näherzutreten, mit geteilt worden war. Der Derwaltungsrat ist der Ansicht, das sie Uebernahme der Kinderheilanstalt in die öffentliche Bev valtung nicht im Interesse des Hauptbeteiligten an der Anstal ser Stadt Dresden läge, da die Anstalt jetzt weit billiger ar feiten könne, als unter städtischer Verwaltung. Zudem wider präche eine solche Umstellung der Anstalt den Stiftungsbestim pingen. Der Bezirksausschutz nahm von dieser Mitteilung stenntnis. Weiter gab der Amtshauptmann bekannt, datz die Ge treides ammlung für die oberschlesischen Flucht singe im Bezirk der Amtshauptmannschaft beendet sei uni in erfreuliches Ergebnis gezeitigt habe. Es seien unter Bo eiligung einer grotzen Anzahl von Gemeinden und Gutsbezirkei psammen 240 Ztr. Weizen, Roggen oder Mehl unentgeltliä Abgegeben worden. In Geld umgesetzt, bedeute dies nach dei Marktpreisen eine Spende der Meitzner Landwirt! n Höhe von etwa 80 000 Mark. Der Amtshaupt nannschaft snid von der Ortsgruppe Meißen der Bereinigte, verbände heimattreuer Oberschlesier Frachtbriefe und Bestäti langen der zuständigen Empfangsstelle über den richtigen Ein lang des Getreides vorgelegt worden. Der Bezirksausschus rahm mit Befriedigung von dem Ergebnis der Sammluni Kenntnis. Ter Amtshauptmann berichtete fenrer über eine Anregung »er Landesstelle für öffentliche Gesundheitspflege, die die Am tellung eines gemeinschaftlichen Milchkontrol ieurs für die Stadt Dresden, sowie die Bezirke der Amts sauptmannschaften Dresden-A., Dresden-R- und Meitzen uni eine Bezahlung aus Bezirksmitteln vorgeschlagen habe. De ilmtshauptmann gab hierzu der Meinung Ausdruck, datz ein Beteiligung an den Kosten der Anstellung eines Milchkontrol jeurs nicht Sache dieser Bezirke, überhaupt nicht Bezirks, rufgabe sei, so sehr ein Ausbau der Milchkontrolle an sich z, begrüßen wäre. Für di« Lebensmittelüberwachung entrichtete! die Gemeinden zurzeit Beiträge nach der Kopfzahl ihrer Be vohner an dis Landesstelle für öffentliche Gesundheitspflege Wenn die Landesstelle die Milchkontrolle weiter ausbauen uiü iür sie einen besonderen Beamten anstelle» wolle, zu dessen Be joldung die jetzigen Mittel nicht reichten, so gäbe es nur de) Kien Weg, die Kosten durch Erhöhung der bisherigen Bei wäge ,der Gemeinden aufzubringen und deshalb beim, Ministermn les Innern vorstellig zu werden. Der Bezirksausschus; nah» Mimmend Kenntnis und lehnte die von der Landesstelle er »etenen Beiträge zur Besoldung des Milchkonttolleurs ab. Ter Bezirksverband der Amtshauptmannschaft Meitzen be chfichtigte, ein Grundstück in Coswig, das die Üandesversichr üngsanstalt vom sächs. Staatsfiskus angekaust hatte, zur Er, oeiterung des für die Bezirksanstalt nötige, Virtschaftsbetriebes zu erwerben, erhielt aber, wii lmtshauptmann Tr. Sievert mitteilte, kürzlich die Nachricht laß dis Landesversicherungsanstalt auf das forstfiskalifche Flur iück nicht verzichte, dagegen aber bereit sei, das Flurstück den Zezirksverbande pachtweise zu überlassen. Die Verhandlungen »egen pachtweiser Ueberlassung seien noch im Gange. An der bezirk trete nun die Frage heran, zu versuchen, den Grund- »sitz der Bezirksanstalt nach einer anderen Richtung hin zr rweitern. Auch für die hier in Frage kommenden Flurstück, n schnelle Entschließung nötig, da sich bereits eine Kriegs- iedelungsgesellschaft mit dem Gedanken trage, dort Gelände zr rwerben. Der Bezirksverband habe ein lebhaftes Interess, >aran, den wirtschaftlichen Betrieb des Verpflegheims „Wei- rnstfft" auszubauen. Der Amtshauptnimm hielt es für zweck- hätzig, recht bald die bereits begonnenen Verhandlungen mit len Beteiligten abzuschlietzem Der Bezirksausschuß nahn, Kenntnis und erklärte sich mit den von der Amtshauptmann- chaft beabsichtigten Maßnahmen allenthalben einverstanden. Amtshauptmann Dr. Sievert gab alsdann das Ergeb- «s der Umfrage bei den Bezirksverbänden über die Anstel- Una von Bezirksobstbaumwarten oder Ve- f'trrsvvlrvaumgartnern bekmmt. swch der Umfrag jaben nur 8 Bezirks verbände in Sachsen Bezirksobstbaumwari mgestellt. Bon den 11 Bezirksobstbauvereinen im Bezirke d< llmtshauptmannschast Meißen haben sich 5 Vereine für Anste! ung eines Obstbaumwartes ausgesprochen. Der Amtshaup! nann wies im Anschluß hieran auf die Schwierigkeiten hin, di >ei dem ausgedehnten Bezirke Meißen einem Bezirksobstbaun varte bei der Bewältigung seiner Aufgaben entgegentrets oürden und auf die finanzielle Belastung des Bezirkes, die b< Anstellung eines Obstbaumwartes als Bezirksbeamten mit etw ,0 000 Atark Besoldung jährlich entstehen würden. So syni »ethisch ihm an sich im Interesse der weiteren Förderung de ür die Ernährung und Gesundheit des Volkes so wichtige! Obstbaues der Gedanke der Anstellung eines Byirksobstbaum vartes sei, so glaube er doch vorschlagen zu müssen, die Frag »er Anstellung eines solchen auf Bezirkskosten zunächst zurück »stellen und abzuwarten, wie sich die finanziellen Verhältnis! »es Bezirkes weiter entwickeln und wie die Erfahrungen mi »en B^irksobstbaumwarten in anderen Bezirken sein werden Geschäftsführer Schmidt und Rittergutspachter Steige? ledauerten auch im Interesse der Bekämpfung der Obstbaum chädlinge, datz die Möglichkeit der Anstellung eines Bezirks «bstbaumwartes wieder in die Ferne gerückt sei, und stellt« ur Erwägung, ob dis Kosten der Besoldung nicht im Weg ines Umlageverfahrens durch Plantagenbesitzer un! mdere Interessenten aufgebracht werden könnten. Die betrej enden Obstbaumbesitzer müßten natürlich die Gewähr habe« ien Rat des Obstbaumwartes in Mrspruch nehmen zu könne« lmtshauptmann Dr. Sievert erklärte sich bereit, der Anregung äherzutreten, um ev. so zu dem gewünschten Ziele zu gelange« her Bezirksausschuß nahm zustimmend Kenntnis und beschloß vn der Anstellung eines Bezirksobstbaumwartes aus Bezirks osten vorläufig abzusehen. Im Anschluß daran nahm er voi er Mitteilung des Ämtshauptmanns Kenntnis, datz für dem Zchst in mehreren Teilen des Bezirks für die Wegewärts er Gemeinden und ev. andere Personen zu deren weitere! lusbildung in der Ob st pflege kurze Kurse geplan :ien, zu deren Abhaltung sich auf Ersuchen der Amtshaupt manschest der Obstbauwanderlehrer Pfeiffer bereit er Art habe. De, Sächsische Verkehrsverband, der seinen Sis m Leipzig hat und Werkehrsangelegenheiten Sachsens und de mglenzenden Gebiete zu fördern, die gemeinsamen Verkehrs Interessen seiner Mitglieder wahrzunehmen und zu vertrete, »ezweckt, hat an die Bezirksverbände das Ersuchen gerichtet, ihn rls körperschaftliche Mitglieder mit einem Jahresbeiträge voi lOO Mari beizutreten. Der Bezirksausschuß beschloß de, Seitntt. . Infolge Wechsels in der Verwaltung der Volks, »rbliothek zu Constappel ist von dieser für das laufend Rechnungsjahr 1921/22 nicht rechtzeitig um Gewährung eine staatsbeihilfe nachgesucht worden, so datz sie für dieses Rech lungsjahr leer ausgehen würde. Der jetzige Verwalter richte >aher ein Gesuch an den Bezirksverband um Bewilligung iiner Unter st ützung aus Bezirksmitteln. Amtshaupttnaw Qr. Sievert befürwortete eine Bezirksunterstützung in Höh oon 60 Mark, die der Bezirksausschuß bewilligte. In den Steuerausschutz des 14., die Gemeinden Alt vmmatzsch, Mltsattel usw. umfassenden Steuerbezirkes des Wer mlagungsbezirkes Riesa macht sich die Wahl eines Mitglied« md eines Stellvertreters in den Steuerausschutz nötig. De« Ausschuß gehörten bisher Mitglieder oder Vertreter an, di nom landwirtschaftlichen Bezirksverband, vom Gewerkschafts ärtell in Meißen und vom Bezirksausschuß des Handwerk rorgeschlagen worden waren. Nicht vertreten waren bishs Mitglieder des Bezirksausschusses des Einzel fandels. Um auch diesem eine Vertretung zu sichern, wurd ruf Vorschlag des Ämtshauptmanns Kolonialwarenhändle Mar Karte in Niederstaucha als Mitglied gewählt. Di Wahl des Stellvertreters fiel auf den Arbeiter Oskau Möbius in Nied-erstaucha, der vom Eewerkschaftskartell Meißei unpfohlen worden war. Auf Wortrag des Regierungsrats Dr. Falck genehmigt oer Bezirksausschuß den 8. Nachtrag zum revidierten Statut dei Wasserwerkes des Gemeindsverbandes Coswig und Kötitz oer Bestimmungen über die Erhöhung des Wasserzinses, di Zusammensetzung des die Verwaltung des Wasserwerkes führen sen Ausschusses und die Verteilung etwaiger Zuschüsse und Heber chüsse enthält. Einstimmig genehmigt wurde ferner aus Vorschlag des Be cichterstatters Referendar Dr. Richter ein Nachtrag zum Orts zesetz der Gemeinde Brockwitz über die Wahlen v-oi Gemein de Vertretern. Nach 88 17 und 40 des Ge iverbesteuergeseßes vom 6. Oktober 1921 können die Gemeinde! und Bezirksverbände Zuschläge zur staatlichen Gewerbe steuer bis zu 25 Prozent dieser Steuer erheben. Zur iWer rinfachung der Beschlußfassung hat das Ministerium des Inner, rmxfohlen. den Na ch trägen zu den Steuerordnungei nne einheitliche Fassung zu geben. Der Bezirksausschuß beschick ruf. Vorschlag, die Amtshauptmannschaft zu ermächtigen, w MMs m fernem Namen alle Gemrrndesteuerordnungsnachträgl über Zuschläge zur staatlichen Gewerbesteuer zu genehmigen die der vom Ministerium vorgescblagensn Fassung entsprechen — In gleicher Weise sNd die Gemeinden gemäß 8 9 d« Nrundfteuergesetzes vom 7. Oktober 1921 berechtigt, Zuschlag! mr Landesgrundsteuer bis zu 25 v. H. zu erheben Auch für diese Fälle ermächtigte der Bezirksausschuß die Amts Hauptmannschaft, in seinem Namen Gemeindesteuerordnungs rachträge über die Erhebung von Zuschlägen zur Landesgrund teuer zu genehmigen, wenn sie die von der Amtshauptmann chaft vorgeschlagene Fassung haben. — Der Bezirksausschus zenehmigte weiter den 9. Nachtrag zur Eemeindestsuerordnun für die Gemeinde Meisatal über die Einführung einer G e per besteu er für das Rechnungsjahr 1921/22. — Ein 2. Nach trag zum Ortsgrundgesetz für die Stadt Siebenlehn enthiel Bestimmungen über die Wahlen der Stadträte. Seine Ge rehmigung wurde einstimmig befürwortet. Der Gemeinderat zu Brockwitz hatte die Aufstellun- rines Nachtrages zum Ortsgesstz über dis kostenloseToten Gestaltung in der Gemeinde Brockwitz beschlossen und darii bestimmt, daß die Gemeinde die Bestattungskosten nur insowei kragen soll, als diese das hinterlassene Vermögen des Wer storbenen übersteigen. Der Nachtrag soll keine Anwendum finden auf Erben der 1. und 2. Ordnung. In ihm ist rückwir kende Kraft bis 1. Oktober 1921 vorgesehen. Der Bericht »statter Referendar Dr. Richter schlug vor, den Nachtra, mit der Maßgabe zu genehmigen, daß er nicht rückwirkende Kraj erhält, sondern erst am 1. Februar 1922 in Kraft tritt. Semei Ausführungen, daß die Verleihung rückwirkender Kraft an gs sehlichen Bestimmungen für die Allgemeinheit eine größere Rechts Unsicherheit schaffe und nur in ganz besonders begründete, Ausnahmefällen als zulässig angesehen werden könne, trat Land lagsabgeordneter Gutsbesitzer Schreiber bei. Er verwis mbe, aus die kürzlichen Beratungen im Landtag über dm »oft eingebrachte Nachtragsgesetz über die Vereinigung der Guts bezirke, in dem bekanntlich auch rückwirkende Kraft vorgesehen ei. Die Zulässigkeit derartiger rückwirkender Bestimmung« verde von namhaften Rechtsgelehrten angezweifelt, deshalb st ruch das Nachtragsgesetz an den Rechtsausschutz zurückverwies« vordem wo die Bestimmungen über die rückwirkende Kraft wahr cheinlich eine kostenlose Totenbestattung erhalten würden. De Bezirksausschuß trat den Ausführungen über die Schwierigkeiten ne sich ergeben können, wenn einem ortsgesetzlichen Beschlus ückwirkende Kraft verliehen wird, bei und genehmigte au llmstblaa des """—eir - Brockwitz. der darau Mores, saß dec Gememoerar den Nachttag bereits im Ds dmber beschlossen habe, den Nachttag in der vom Referent« »mgeschlagenen Fassung mit Wirkung vom 1. Januar 1922 an Nach Genehmigung des Ortsgesetzes der Gemeinde Cow Happel über das öffentliche Anschlagwesen in der Gemeind »teilte der Bezirksausschuß seine Zustimmung zu einer Grund hückszergliederung in der Gemeinde Taubenheim. Der Be pksausschuß genehmigte weiter einstimmig auf /Vorschlag des Direktors Schaufuß die Satzungen des die Gemeinde, Karnitz, Krögis usw. umfassenden Gemeindeverbandes zw UnUellung einer Landpflegerin mit dem Sitze ii strögis. Neber einen vom Ministenum des Innern mitgeteilte, Kachttag zur Satzung des ^Verbandes der im Gemeindebesis befindlichen Elektrizitätswerke Sachsens berichtete Bürgermeister Benndorf in Lommatzsch. Der Bezirksausschuß beschick, d» Genehmigung des Nachtrages zu befürworte». (Schluß folgt.) Oie gefräßige Nordsee. Vorgeschobene, bedrohte Posten unseres Landes. In den letzten Wochen sind unsere Nordseeküsten vons schweren Stürmen heimgesucht worden. Besonders? schlimme Nachrichten kamen von der Insel Sylt, wo vielH Baulichkeiten zerstört worden sind. Aber auf den kleinem, ganz vom Verkehr abgefchnittenen Halligen dürfte es noch Wimmer zugegangen sein. Die Westküste Schleswig-Hol steins ist ein Schmerzenskind unseres Vaterlandes. Seil Jahrtausenden nagen dort unermüdlich die Wogen des Meeres und tragen fruchtbaren Boden davon. Die Inseln werden kleiner und kleiner und verschwinden schließlich ganz, auch die Küste der schleswigschen Halbinsel selbst wird! angegriffen. Allerdings schwemmt dann das Meer ani anderer Stelle den Sand und Schlick wieder an, aber es ist zunächst unfruchtbare Masse. Verfolgt man die ganze Küste, so ergibt sich, datz etwa auf eine Länge von 152 Kilometern daS Land in! Abnahme ist; das Meer reißt Scholle für Scholle ab und schleppt das Erdreich fort. Eine Anspülung von Sand und Schlick findet dagegen auf 134 Kilometern statt, Das ergäbe im ganzen einen Verlust, aber in der Tat ist es nicht so trost los. An manchen Stellen ist die Anspülung recht ergiebig, Die Grafen von Freydeck. 58s Roman von A. Ostland. ^egr sprach er ge oieuman, oogietch auch otes kaum glaublich war. Aber sprach er sie immer? Vermied er nicht bei den Aussagen über vieles andere direkt den Blick des Sohnes? Ein Stöhnen brach über Erichs Lippen, und sein Kopf sank schwer auf die Brust. Als nun Hilda den Saal betrat, erhob er sich jäh und verließ, ein plötzliches Unwohlsein vorschützend, den Raum. Er konnte nicht mehr! Er konnte nicht mit anhören, wie dieses Mädchen, welches behauptete, seinen Bruder zu lieben, auch hier diese Behauptung wiederholen würde, während er sie doch selbst in tiefer Nacht auf der Schwelle des einsamen Forsthauses in den Armen eines anderen gesehen hatte, erschauernd unter den heißen Küssen eines fremden Mannes. Er hatte seit jener Stunde Hilda Wentheim nicht mehr gesehen und auch keine Nachricht von ihr erhalten. Durch Käthe Gerlach hörte er auch nur, daß Baron von Ullmingen am nächsten Tage das Schloß Freydeck verlassen hatte, und daß Hilda sowie die Baronin Berghaus vollkommen unsichtbar blieben. Georg hatte ihn unzählige Male nach der Gespielin seiner Kindheit, seiner ersten reinsten Jugendliebe ge« fragt. Er hatte den Brief, welchen Hilda ihrem Vater zur Beförderung übergab, durch einen Dienstmann zugestellt erhalten, der jede Auskunft verweigerte, als Georg ihn fragte, wer ihm den Brief übergeben habe. Wieofthatte Georg Günther die innigen, von rührendster Liebe und Treue erfüllten Zeilen gelesen und das weiße Blatt an die Lippen gedrückt l Wie ost hatte er aus diesen schlichten, innigen Worten neuen Mut und neue Hoffnung geschöpft! Er hatte auf alle seine Fragen von Erich nur die Antwort erhalten, er wisse nichts von Hilda Wentheim. Dem Bruder die Wahrheit einzugestehen, das hatte Erich nicht über das Herz gebracht. Er wollte nun vor allem das Ende des Prozesses abwarten, und jetzt schon graute ihm vor dem Augenblick, wo Georg die volle Wahrheit erfahren mußte. Doktor Gerlach und Käthe standen Erichs Erzählungen vollkommen ratlos gegenüber. Aber obgleich Doktor Gerlach stets zur Ruhe riet und immer noch hoffte, die Ereignisse jener Nacht im Forst- hauic würden lick in iraend einer Weise aufklären lassen — sein Glaube an das Mädchen war doch auch erschüttert. Ihm tat dies fast weh. Denn obgleich er vieles ge sehen und erlebt hatte, obwohl er das Leben mit allen seinen Schattenseiten kennengelernt und durchgekostet hatte, eins hatte dieser Mann sehr bewahrt trotz alledem: den Glauben an die Menschen, den Glauben an die Liebe, welche Raum und Zeit überdauert, an eine Treue, die auch in den schwersten Tagen besteht. . Als er in Hildas liebliches, blumenhaftes Gesicht chen blickte, da meinte er, nie etwas Reineres gesehen zu haben. Aber Erichs Bericht hatte doch auch ihn stutzig ge- macht. Mit desto stärkerem Interesse sah er dem Auf treten Hilda Wentheims entgegen, und als sie nun den Saal betrat, empsai 'sn von einem Gemurmel der Sym pathie, da wendete er den Blick nicht für eine Sekunde ab von ihrem Gesichtchen, welches sich in fast gespensterhafter Blässe aus dem dunklen Spitzengekräusel des Trauer kleides hob. Georg Günther war emporgefahren. .Hilda!' Wie ein Iubelruf flog das Wort durch den Saal. Ein Zittern rann durch ihre Glieder; für einen Mo ment hob sie die breiten Lider, und ein einziger Blick voll Liebe flog hinüber zu ihm, ein Blick, der ihn erbeben ließ in einem Glücksgefühl ohnegleichen. Und nun sprach der Vorsitzende Hilda Wentheim gab ihre Aussagen mit ruhiger^ deutlich vernehmbarer Stimme ab. Sie zauderte keine Sekunde, sie verwickelte sich nicht in Widersprüche, und alles, was sie erzählte, trug, so seltsam auch ihre Erlebnisse erschienen, den Stempel der größten Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit. Der Eindruck auf die Geschworenen war unzweifelhaft ein außerordentlich günstiger und wurde auch nicht abge schwächt durch die Aussagen der Baronin von Berghaus und jene der alten Schloßbediensteten. Daß die Baronin dem Liebesverhältnis zwischen Ge org und Hilda nicht günstig gesinnt war, fand man immer hin entschuldbar, wenn man die Ansichten der alten Frau im allgemeinen in Betracht zog. Im übrigen beschränkte sie sich darauf, immer wieder zu beteuern, daß sie von nichts gewußt habe, was ja auch der Wahrheit entsprach; den Zustand ihres Neffen schrieb sie voll und ganz den furchtbaren Aufregungen zu, welche der Vorabend seiner Hochzeit ihm brachte. Das Fehlen des Absatzes am Schuh Hugos suchte sie gar nicht zu leugnen. Er war ja auch tatsächlich an jenem Unglückstage mehrmals über die Brücke im Frev- oecker Forst gegangen. Weshalb konnten jene Spuren nicht von früher herrühren? Einer der Geschworenen warf ein, daß die gleiche Annahme dann auch von den Spuren der Iagdstiefeln gelten könne. Aber der Gerichtssachverständige widerlegte dies. — Die Eindrücke der schweren Stiefel waren tief und frisch. Sie mußten vom Abend vorher herrühren. Die Abdrücke der Salonschuhe waren selbstverständlich leichter gewesen. Sie waren, als die Kommission sie in Augenschein nahm, schon völlig ausgetrocknet, meist halb verwischt. Ob sie vom Nachmittag oder Abend stammten, das konnte niemand mehr bestimmen. — Und wieder hob sich ein Murmeln und Flüstern im Saale. Max Günthers Wage sank tiefer — immer tiefer. Der Mann, welcher dort neben seinem Sohne auf der Anklagebank saß, hörte das Flüstern und Raunen ringsum, und sein schönes, männliches Gesicht wurde noch um einen Schatten blasser. Aber den Blick senkte er nicht. Und nun hatte Hilda Wentheim alles gesagt, was sie wußte, nun hatte dis Baronin gesprochen. Andere Zeugen waren vorgeführt worden. Das Verhör näherte sich seinem Ende. Georg Günther sah immer wieder hinüber zu seinem Vater. Und immer wieder fiel es ihm auf, wie fremd ihm dieses Gesicht geworden war in dieser letzten Zeit. Da brachte ein Amtsdiener einen Brief an den Vor- jitzenden. Das Publikum wurde neugierig, unruhig und mußte ermahnt werden. Unter allgemeinem Interesse öffnete der Vorsitzende das Schreiben und überflog den Inhalt. Auf den scharf markierten Zügen des ältlichen Herrn malte sich ein unverkennbares Erstaunen, und als er schon längst mit dem Lesen zu Ende war, schien er immer noch in tiefes Nachdenken versunken. Und wieder erhob sich im Saale das Raunen und Flüstern. Die Spannung wuchs. Mitten in das halbunterdrückte Gewisper klang scharf das Zeichen der elektrischen Glocke, und gleich darauf die Stimme des Präsidenten: „Ich bitte die Zeugin Hilda Wentheim, nochmals vor zutreten; ebenso Frau Baronin Berghaus und Herrn Doktor Stegmann I" Hilda fühlte, wie ihre Knie zitterten, wie ein jäher Schwindel sie befiel. In wildem Chaos stürmten die Gedanken durch ihren Kopf. (Fortsetzung nächste Seite.)
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