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Wilsdruffer Tageblatt : 31.08.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-08-31
- Sprache
- German
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192208315
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19220831
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19220831
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungWilsdruffer Tageblatt
- Jahr1922
- Monat1922-08
- Tag1922-08-31
- Monat1922-08
- Jahr1922
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 31.08.1922
- Autor
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Kriegsminisler berechnete die für die nächsten zehn Jahre zu erwartenden Ersparnisse bei den Ausgaben für die Armee auf 400 Millionen Yen. Das bedeute eine Ver ringerung der Heeresstärke um 1800 Offiziere und 56 000 Mann sowie 13 000 Pferde. Die Dienstzeit soll um drei Monate durch das zu schaffende Gesetz verkürzt werden. Am 16. August sind 400 Offiziere und 56 000 Mann entlassen evorden. werden gefordert für September 700 000 bis 750 000 Mark „Die Zertrümmerung der presse." Ein Waggon Z eitun g s p a p ie r 750000 Mark. Unter dem Titel: „Die Zertrümmerung der Presse" verbreitet sich ein bekannter Berliner Zeitungsfachmann, Dr. jur. Martin Carbe, über die dem Zeitungs wesen durch die überwältigende Papierpreiserhöhung drohende Gefahr und führt die Erhöhung der Preise seit 1914 anschaulich vor Augen. Der Waggon Papier kostete: im August 1914 - 2 000M. Farmar 1922 69 975 , Februar 1922 72 975 „ März 1922 82 475 , April 1922 127 750 , Mai 1922 158 975 „ Juni 1922 166 000 " Juli 1922 200 000 , August 1922- . -279 500 , Ein mitlerer ZeittmgArerlag, der etwa 10 Waggons kn Monat braucht» würde also 7)4 Millionen Mark, ein Großverlag, der 65 bis 70 Waggons im Monat braucht, etwa 50 000 000 Mark im Monat für Zei- Lungspapier ausgeben müßen. — Wie soll dabei die Zeitung weiterbestehen können? Die Kaffeetrinker in Ängsten. Preissteigerung ins Aschgraue. Die Kaffeetrinker befinden sich in großer Aufregung: man will ibnen das belebende schwarze Getränk, das köst liche „Schälchen Heißen", vom Munde wegnehmen und sie auf den während des Krieges mit Recht so beliebt gewor denen „Ersatz" verweisen. „Man" ist in diesem Falle die Reichsregierung, die den Kaffee für Luxus zu erklären und durch ein Einfuhrverbot unmöglich zu machen gedenkt. Die berühmten Hintertürchen, durch die er sich heimlich einschleichen kann, werden allerdings auch dann wohl noch zu finden sein, natürlich nur für zahlungsfähige, aber schon sehr zahlungsfähige Leute. Mutz man doch schon jetzt, wo der Kaffee noch erlaubt ist, wem er gefällt, in den größeren Städten — und in den kleineren ist es sicher nicht viel anders — für ein Pfünd- chen einigermaßen genießbaren Kaffees im Kleinhandel 400 bis 500 Mark bezahlen, und es ist damit zu rechnen, . daß in ganz kurzer Zeit der Preis auf 750 Mark für das Pfund emporgeschnellt sein wird. Die Ware, die jetzt noch „billig" verkauft wird, rührt nämlich fast durchweg noch aus alten Beständen her, und wenn diese Bestände aufge- braucht sein werden, was, sicherem Vernehmen nach, nur noch eine Frage von Tagen ist, beginnt die neue Tonart, auf die sich dann nur noch Milliardäre werden einstellen können. Den Tee als Esatz für den verschwindenden Kaffee heranzuziehen, dürfte nicht gut «gehen, denn erstens wer den die geschworenen Kaffeetrinker nicht so rasch umlernen wollen — Tee ist aber nicht jedermanns Sachs —, und zweitens klettermr die Teepreise den Kaffeepreisen sehr ge schickt nach, so daß die Brieftasche unter der „TeM-Vergif- tung" bald ebenso empfindlich leiden dürste, wie sie jetzt unter der „Koffein-Vergiftung" zu leiden hat. Welt- uns BolkEirtschafL. Was kosten fremde Werte? Berlin, 29. August. Stand der Polenmark: 16,15 Pf. , * Deutsch-französische Kaliverhandlungen. Eine amtliche französische Abordnung unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Hüttenausschusses, Louis Mercier, befindet sich gegenwärtig im Haag, um ein Zusammenarbeiten der elsässischen Kaliberg werke mit dem deutschen Kalisyndikat anzubahnen. * Erhöhung der österreichischen Gütertarife. Vom 1. Sep tember ab werden die Frachtsätze des Gütertarifs der öster reichischen Bundesbahnen um 150, für Koks um 130 Prozent hinaufgesetzt. Aah und Fern. O Einstellung des Verkaufs von Vordrucken mit Ger mania-Wertstempel. Gleich dem Verkauf der Germania marlen wird auch der Verkauf der Postkarten, Karten- briefe und Postanweisungen mit dem Germania-Wert stempel mit dem 30. September eingestellt. Nach diesem Zeitpunkt in den Händen des Publikums befindliche Vor drucke dieser Art sowie Briefumschläge und Streifbänder mit eingedrucktem Germania-Wertstempel sollen mit Rück- sicht aus ihren hohen Herstellungswert noch aufgebraucht werden dürfen. Ein Umtausch kommt bei den genannten Vordrucken nicht in Frage. O Ein Denkmal beiseite geschasst. Das Schleswig-Hol stein-Denkmal in Hadersleben ist in der Nacht vom 26. zum 27. August durch Einbruch aus einem Schuppen gestohlen und wahrscheinlich in den Haderslebener Hafen geworfen worden Es wird vermutet, daß die Tat auf Hetzereien dänischer Zeitungen gegen die bevorstehende Wiederanf- richtung des Denkmals zurückzuführen ist. O Tragijcher Tod eines berühmten Lebensretters. Bei dem Rettuugswerk im brennenden Schacht der Zeche „Ver einigte Welheim" bei Bochum hat eine Anzahl von Gru- bcnbeamtcn den Tod gesunden. Unter ihnen befindet sich Heinrich Middendorf, der sich um die Entwicklung des deutschen Grubenrettungswesens ganz besondere Verdienste erworben hat. Middendorf wurde besonders bekannt ge legentlich der furchtbaren Brandkatastrophe auf den Gru ben von Courrieres in Frankreich. Damals erschien er als Leiter der Shamrock-Nettnngstruppe auf den brennenden Gruben. Seitdem hat Middendorf in zahlreichen Fällen Gelegenheit gehabt, deutschen Bergleuten in den Stunden höchster Lebensgefahr Hilse aus Todesnot zu bringen. Für sein Wirken auf den Courrieres-Gruben wurde ihm von Frankreich die goldene Rettungsmedaille verliehen. O Gegen die Butter- und Zuckerwucherer. In Hamburg sind gegen mehrere Butterhändler wegen übermäßig hoher Butterpreise Strafverfahren eingeleitet und der Staats anwaltschaft übemittelt worden. Auch darüber, ob die in Hamburg abgehaltenen Butterauktionen als preissteigernd anzusehen sind, schwebt zurzeit bei der Hamburger Staats- auwasisckmit ein Verfahren. — Die Wucherpolizei nahm in Börsenplätze L». 8. 28. 8. Stand t.8.14 gcmcht anaev. gesucht angeb. Solland lOOGuld. 55430,60 55569,40 55430,60 55569,40 170 Mk. Dänemark 100 Kron. .30032,35 30137,66 30461,85 30538,50 112 , Schweden 100 Kron. 37053,60 67148,40 37952,50 38047,50 112 ' Ncrwegen lOOKron. 23670,35 23729,65 23970,00 24630,00 112 , Schwell 100 Frank 27815,15 27884,85 27765,25 27834,75 72 , Amerika 1 Dollar 1423,21 1426,79 1148,18 1451,82 4,40, England 1 Vfd. 6342,05 6357,95 6392,00 6408,00 20.20, Frankreich 100 Frank 11285,85 11314,15 11186,00 11214,00 80 . Belgien IVOFrank 10536,80 10563,20 10486,85 10513,15 80 , Italien 100 Lire 6242,05 6257,85 6292 10 6307,90 80 , D.-Osterr. lOOKron. 1,95 V- 1,99 V- 1,93 1,97 86 . Ungarn lOOKron. 78,40 78,60 79,80 80,10 85 , Tschechien lOOKron. 4694,10 4705,90 6243,40 5256,60 W Ave Maria. Roman von Felix Neumann. Die Tür wurde hastig aufgerissen und — Maria stand vor ihm. Sie war im Begriff, ihr Jackett anzuziehen, und mutzte die ihr bekannten Schritte Farniers vernommen haben. Fast fremd blickten sich beide in die Augen. Maria sah sofort, datz sich Farnier nur mit Mühe aufrecht hielt, während der Meister sich vergeblich bemühte, in des jungen Mädchens Zügen, die plötzlich so starr und eigenartig erschienen, nach einer Erklärung zu suchen. Etwas Unbegreifliches stand plötzlich zwischen ihnen. Jean Farnier lehnte sich an die Wand des Flures, Maria stützte ihn. „Um Gottes willen, Meister, warum sind Sie auf gestanden, Sie können sich den Tod holen — warum " Stammelnd und verwirrt antwortete der Geiger, während seine Augen unruhevoll durch das Zimmer irrten. „Wo — ist — Walter, ich — ich — wollte nur —" Sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn. „Kommen Sie, lieber Meister, ich bringe Sie sofort in Ihr Zimmer. Dann mutz ich gehen. Ich habe keine Zeit wehr zu verlieren." Hastig und stotzweise kamen diese Worte aus Marias Munde, während sie Farnier umfaßte und den Schwankenden über den Flur zurückgeleitete. In des Geigers Kopf ging alles wirr durcheinander. Müde und gebrochen sank er in seiner Klause auf den Stuhl. „Nun kommt es also, wie wir es uns dachten. Sie gehen von uns." Wieder flog ein eigenartiger Blick zu Maria, die vor ihm stand. Sie reichte ihm mit abgewandtem Antlitze die Hand. „Vergessen Sie mich nicht, Meister! Ich mutz fort." Fieberhaft glänzten Marias Augen, sie wanderten ruhelos durch den kleinen ärmlichen Raum. Und dann setzte sie verwirrt hinzu: „Sie werden noch von mir hören! Nur heute habe ich keine Zeit mehr " Ehe es sich Jean Farnier versah, hatte sie ihre Hand aus der seinigen gezogen und stand an der Tür. Mühsam erhob sich der Geiger. „Ich danke Ihnen, Fräulein Maria, für alles, was Sie uns schenkten; seit ich Sie kennen lernte, wurde ich ein anderer Mensch — ja — das wurde ich. Nun wird wieder alles werden wie früher, und — das ist vielleicht — ganz gut so, ja!" Farnier stützte sich schwer auf den Stuhl. „Nur — nur — hätte ich — gewünscht, — daß — daß Walter " Maria wehrte mit der Hand ab. Es war, als ob ihr der Boden unter den Füßen brenne. „Ach " sagte sie nur, aber es lag soviel Schmerz in diesem kurzen Worte, daß der Meister zusammenzuckte. „Sehen wir, was uns die Zukunft bringt — —" Sie drückte auf die Klinke der Flurtür. Da trat Farnier i plötzlich einen Schritt vor. „Sie — Sie scheiden so — so — s herbe — Sie ". Da warf Maria den Kopf zurück. „Ich ! werde immer an Sie denken, Meister! Leben Sie wohl!" Aber als sie die Tür öffnete, prallte sie zurück und schloß sie sofort wieder. „Was ist Ihnen, Fräulein Maria?" Der Geiger hörte draußen Schritte und Stimmen, und er sah, wie das junge Mädchen mit weit aufgerissenen Augen zu Boden blickte. „Nichts! — Lassen Sie mich hier warten, ich kann jetzt nicht fort.? Schweigend horchte Farnier nach dem Geräusch auf dem Flur. Der Wagen des Grafen Titus Seckendorf hielt vor Walters Wohnung. Monsignore hatte den Befehl zum Halten gegeben, da er das Quartier des Malers kannte. Man stieg aus, und Frau von Kronach musterte die Um gebung. Sie kannte diese ärmlichen Viertel, denn bei ihren Wohltätigkeitsbestrebungen kam sie oft in Gegenden, wo der Mangel ständiger Gast war. Trotzdem war sie nicht erbaut, als sie die knarrenden Stiegen Hinaufstieg. Sie vermißte heute den moralischen An trieb, der sie sonst den Widerwillen gegen den „Armeleutegeruch" überwinden lehrte. Da ließ, während sie aus dem Treppenabsätze ausruhten, Monsignore wieder ein Wort von dem Madonnen bilde. fallen, und das beruhigte sie. Es handelte sich doch um eine Angelegenheit, die die Heilige Kirche anging, da konnte man schon ein Uebriges tun. Monsignore klopfte. Niemand antwortete. Er schüttelte das lockige Haupt. „Sollten wir den Weg umsonst gemacht haben, dann würde ich das um Ihretwillen, verehrte gnädige Frau, sehr bedauern." Aber man konnte ja einmal den Versuch machen. Er drückte auf die Klinke, die Tür ging auf. Die Herrschaften traten neugierig und interessiert ein. Graf Titus blieb sofort vor einem Bilde stehen, das an der Wand hing, und betrachtete es mit sichtlichem Interesse. Monsignore, als Kenner des Schlachtfeldes, steuerte auf die Staffelei zu, während Frau von Kronach in vornehmer Zurück haltung im Türrahmen verharrte. Sie musterte kopfschüttelnd die Zimmereinrichtung. „Mein Gott," sagte sie, „datz man in solcher Umgebung arbeiten kann." „Talent und Geist Helsen über solche Mängel hinweg," sprach Titus, während er das Bild vorsichtig von der Wand hob und dicht an die Augen führte. „Wir scheinen hier in eine Gold grube geraten zu sein!" Da ertönte von der Staffelei her ein Ruf höchster Bewun- l derung. Monsignore stand vor dem Bilde, hatte die Hände ge- ' fallet und rief: „Ein Wunder! — Ein Wunderwerk! Ich bitte j Köln eine Nachprüfung vor, um sestzustelleu, wo der ^n- landszucker geblieben war. Das Ergebnis war über raschend. In einigen Geschäften wurde der Zucker, den die Geschäftsleute zu 17 Mark eingekauft hatten, zu 50 bis 65 Mark als Auslandszucker angebotey. In allen anderen Geschäften dagegen wurde gesagt, Jnlandszucker sei nicht vorhanden. Erst durch eine Durchsuchung konnte der Zucker zutage gefördert werden. Von 24 nachgeprüften Ge schäften hat nicht ein einziges den Jnlandszucker zu ange messenen Preisen abgegeben. Der Zucker Wurde beschlag nahmt und die Geschäftsinhaber zur Anzeige gebracht. O Blutiges Erntefest. In dem Dorfe Lohe bei Breslau kam es bei einem von der Domimalverwaltung veranstalte ten Erntefest zu Tätlichkeiten zwischen Privatgüsten und Arbeitern des Dominiums. Die Beteiligten zogen Waffen hervor und drangen aufeinander ein. Bei dem Zusammen stoß wurden zwei Arbeiter getötet und vier weitere Per sonen schwer verletzt. Die Erregung richtete sich besonders gegen den 23jährigen Hilfsförster Müller, der in Schutzhaft genommen wurde O Eine eigenartige Krankheit. In der Staßfurter Gegend wurde eine Anzahl Frauen, die mit Erntearbeit beschäftigt waren, von einer eigenartigen Krankheit be fallen. Nach dem Zusammenraffen des auf Schwaden ge legten Hafers schwollen ihnen die Arme stark an, die zudem einen Blasenausschlag zeigten. Ein Pilz an den Ähren des Getreides ruft bei Berührung mit der feuchten Haut diese Erscheinung hervor. Die Frauen mußten sich in ärzt liche Behandlung begeben. O Werbetätigkeit für Bayreuth. Siegfried Wagner wird sich demnächst nach Amerika begeben, um durch Fühlung nahme mit Gönnern der Bayreuther Sache die Werbetätig keit für Bayreuth anzuspornen. O Schließung der Hamburger Lichtspieltheater. Nach dem der Hamburger Senat das Gesuch des Verbandes Nordd. Lichtspieltheater auf Ermäßigung der 50proz. Lust barkeitssteuer erneut abgelehnt hat, beschloß eine General versammlung des Verbandes, sämtliche Lichtspieltheater in Hamburg am 1. September zu schließen. O Wildwest Greueltaten. In der mittelamerikanischen Republik San Salvador tobt der Bürgerkrieg. Die Trup pen der Negierung haben die Städte und Dörfer wieder genommen, die vor kurzem von Revolutionären besetzt wur den. Die Revolutionäre hätten, wie gemeldet wird, 22 Erwachsene und 2 Kinder niedergemetzelt und die Leichen in den Kasernen zurückgelassen. 12 Rebellen seien summarisch hingerichtet worden. Ihre Köpfe wurden zur Warnung der Bevölkerung öffenttich ausgestellt. O Vom elektrischen Strom getötet. Ein schweres Unglück, bei dem zwei junge Menschen das Leben einbüßten, er eignete sich bei Kloster Schäftlarn. Der 2l Fahre alte Elektromonteur Georg Schindler und der 20 Jahre alte Student Julius Willst adt aus München waren mit dem - Legen von Leitungsdrähten beschäftigt; plötzlich schnellte ein Draht, an dem sie eben arbeiteten, in die Höhe und kam mit der Hochspannungsleitung inBersthrung. Der elektrische Strom tötete die beiden. O Der Brief aus Rußland. Eine englische Familie er hielt dieser Tage von Verwandten in Rußland einen Brief, der mit 400 000 Rubel frankiert war. 54 Briefmarken waren notwendig, um dieses Vermögen zu Papier zu brin gen. Der Umschlag bestand aus einem endlos langen, viel fach zusammengefalteten Stück Papier, das umfangreicher war als der kleine einliegende Bries, in dem die hungern den Absender dringend um Übersendung von Lebensmitteln baten. O Folgenschweres Gruoenunglück. Fünsundsiebzig Berg leute, die ganze Nachtschicht einer Grube, wurden in Jack son in Kalifornien infolge eines Brandes verschüttet. Eine Rettmigsabteilung will versuchen, die verschütteten Berg leute zu retten. Sie, Herr Graf, sehen Sie sich bitte diese Madonna an. Ver ehrte gnädige Frau, treten Sie doch ein, hier ist das Herrlichste zu sehen, was je meine Augen erblickten." Frau von Kronach hielt es nun für angezeigt, die Tür hinter sich zu schließen und den Raum vollends zu betreten, über den sie die Nase ge rümpft hatte. Graf Titus war der erste, der an Monsignores Seite stand. Der Eindruck, den das Bild auf ihn machte, war ein ganz eigenartiger. Ein Ausruf des Entzückens entschlüpfte ihm, dann aber beugte er sich tief auf das Bild, riß ein Brillenetui aus der Tasche, dem er eine besonders scharfe Hornbrille entnahm, stülpte sie auf die Nase und starrte bald das Bild, bald — Monsignore an. Ganz verwirrt murmelte er: „In der Tat herrlich, einzig artig, aber um Gottes willen — Monsignore —" er beugte sich zu des Geistlichen Ohr — „wer hat denn dem jungen Meister zu diesem Bilde Modell gestanden?" Der blickte erstaunt den Grasen an. Da trat Frau von Kronach näher. Sie nestelte von ihrer Hüfte die Lorgnete los, und während die Herren ihr Platz machten, beugte sie sich über das Bild. Es war einen Augenblick ganz still. Monsignore, der noch immer im Rausche der ersten Freude befangen war, sah zu seinem Erstaunen, datz Graf Titus bleich wurde und die Zähne aufeinander bitz. Frau von Kronach trat einen Schritt zurück, die Lorgnette entfiel ihr, auf ihren Zügen spiegelten sich alle Anzeichen steigen der Bestürzung, und während ihre Hand krampfhaft des Geist lichen Arm pcutte, stöhnte sie: „Das ist ja Maria, mein Kind!" Da öffnete sich die Tür zur Kammer, Walter trat heraus und schloß sie wieder hinter sich. Die drei Ankömmlinge blickten verwirrt den jungen Künstler an, der wie eine Geistererscheinung plötzlich im Zimmer stand. Monsignore war der erste, der ein Wort der Aufklärung und Entschuldigung fand. „Ich muß in meinem und dieser Herrschaften Namen um Verzeihung bitten, mein junger Freund, daß wir unangesagt und ungebeten hier eingedrungen sind. Aber" — er versuchte durch ein mühsames Lächeln die Angelegenheit in ein freundliches Licht zu rücken, — „der Drang, Ihr Werk zu bewundern, ließ uns ein treten. Wir nahmen an, datz Sie ausgegangen seien, und ich wollte den Herrschaften — Frau von Kronach und Graf Secken dorf — ersparen, den weiten Weg umsonst gemacht zu haben." Mit der Nennung der Namen wollte Monsignore eine Art Vor stellung herbeiführen. Graf Titus neigte dann auch den Ee- lehrtenkopf, während Frau von Kronach steif wie ein Götterbild verharrte. Walter trat einen Schritt näher. Er sah elend aus. Sein Blick flackerte, er musterte die Anwesenden, als ob feine Gedanken fern in einer anderen Welt weilten.
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