Delete Search...
Frankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger : 19.09.1942
- Erscheinungsdatum
- 1942-09-19
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1786999250-194209191
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1786999250-19420919
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1786999250-19420919
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungFrankenberger Tageblatt, Bezirks-Anzeiger
- Jahr1942
- Monat1942-09
- Tag1942-09-19
- Monat1942-09
- Jahr1942
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
Feierstunden naey dem AMag ?^/ern Dett^§c/t!a»c^ Do- Zka»u» 6o/<,c/<a/jc Wen» ich heimkomm, m«i« Deutschland, dringt ich dir ein Liebe» mit. Wenn ich heimkomm, mein Deutschland, sag« ich dir, wie dein Bester stritt. Wenn der Tag kommt, mein Deutschlands schreibt ich'« auf mit goldentm Kiel. W«nn dtr Tag kommt, mein Deutschland, sage Ich dir, «le dein Bester siel. Fall« auch ich, m«»n D«utschland, g«ht nicht der Letzte und Beste mit mi». In di« Stille, mein Deutschland, sagt dl« Kunde ein Besserer dir. Und die Mütter, mein Deutschland, singen sie lei« in die Wiegen hinein. Und die Wiegen, mein Deutschland, werd«» wi« Blumen in Gärt«» sei«. lernpo H Alv Ar/eßvl» aus ^evl /(rleg»»!j/ag, «rrä/i/t vo» ^v»i« 5>»vv<er/ei» Im Bruchteil einer Sekunde ist es geschehen. Die äußere Strahenbahnschiebetür fliegt krachend nach rück- wärts, und ein Mädchen hat den Mittelfinger der linken Hand hineingebracht. Es ist 23 Uhr. Ente, hilfreiche Menschen führen Lene Frank in die nächste Apotheke, di« zufällig Nachtdienst hat. Auf dem Wege dahin foltert Lene neben rasenden Schmerzen die angsterfüllte Frage, ob die Fingerspitze nicht viel leicht vollkommen abgezwickt ist, sie fühlt sie ja nicht mehr und kann in der stockdunklen Nacht auch nichts erkennen. Nur das warme Blut rieselt über ihre Hand. Grell sticht das Licht in der Apotheke in die dunkel- gewohnten Augen. Das Mädchen wagt einen scheuen Blick, nein, ganz ist die Fingerspitze nicht abgezwickt, aber sehr, sehr böse sieht es aus. Ein Notverband wird angelegt, und dann geht es in die Klinik. Dort wird der geschlitzte Nagel entfernt und die Fingerspitze wieder angenäht. „Ihr Beruf?" fragt der Arzt. „Sekretärin!" „Da müssen Sie ja Maschineschreiben. Da« geht aber denn doch nicht!" „Natürlich yicht. Ich werde nur mit einer Hand schreiben und zum Stenographieren brauche ich doch meine linke Hand überhaupt nicht." „Es ist vollkommen ausgeschlossen, daß Sie Dienst machen können. Ich schreibe Sie krank, Sie bleiben daheim!" „Nein! Nein!" Ein Wort hämmert im Gleichtakt mit Lenes Herzen: „Krieg! Krieg!" „Seien Sie vernünftig!" mahnt die Schwester. Einen Augenblick lang versetzt sich Lene Frank in die Lage ihres Thefs: Unmassen von Arbeit und viel zu wenig Hände, wenn auch fleißigste Hände. Eine Hand weniger auf lange Wochen, das hat das Schicksal gewollt. Aber nur eine! Und nun verlangt man, sie solle auch die zweite Hand, die gesunde, zurückziehen. „Es ist Krieg. Da kapn ich doch nicht zu Hause bleiben —" Len« denkt an ihren Arbeitsraum. Verlassen würde «r daliegen, ihre lustige Maschine würde nicht mehr klappern, ihre Blumen würden trauern. „Nein, Herr Doktor, ich kann nicht fortbleiben —" Das Diktat kann sie aufnehmen. Ein Briefbeschwe rer muh helfen, das Stenogrammheft festzuhalten. Dann diktiert sie das Aufgenommene einer Kollegin in die Maschine wieder ab, es geht ausgezeichnet! Aber nur noch heute. Morgen wird diese Kollegin in Urlaub sein. Auf vierzehn Tag«. Und von den anderen kann Av von Stockschwarz« Nacht liegt über dem Ruhrland. In feinen Fäden fällt der Regen. Ohne Halt braust der Urlauberzug den eisernen Steg entlang, vorbei an Halde und Hochofen, von Köln nach Hamm. „Zehn Minuten zu spät kn Hamm!" knurrt der verantwort liche Maim am Steuer der Maschine. Zehn Minuten, eine lächerliche Angelegenheit für Menschen, die nach holen können, was sie versäumt haben. Tin Lok führer aber kann keine versäumte Sekunde wieder out machen, wenn er den Zielpunkt erreicht hat. Tau send Menschen sitzen — im übertragenen Sinns — auf den heißen Kohlen, die leine Maschine im Hundert- Kilometer-Tempo vorwärtsreiht. Biele müssen viel- leicht «inen anderen Anschluhgug erreichen... „Franz, gib Zunder, hau rein in die Kiste!" Der breitschultrige Junge mit dem langen Blondschopf, der den Lokführer Dortmann als Heizer begleitet, krempelt sich die Hemdärmel auf, bis an die Ellenbogen, und begrünt Schippe um Schippe voll Kohlen in den lohenden Rachen der Feuerbüchse zu schleudern. D«r Schornstein wackelt, wenn es durch die Kurven geht. Trotzdem macht der alte Dortmann, der neben den Signalen keine der Kontrolluhren aus den Augen läßt, ein sorgenvolles Gesicht. Der Junge knallt in die Büchse, was die Schaufel saht, und den noch sinkt der Druck im Kessel. Hinter Essen nimmt er, zwischen zwei weit auseinanderstehenden Signalen, das Fahrt buch und trägt ein: ,;Auf Fahrt Köln- Hamm bei Station Essen Unregelmäßigkeit am Dampf festgestellt. Sicherheitsventil scheint undicht zu sein." Dann drosselt er die Wasserpumpe ab, uni so zu ver- suchen, den Dampf höher zu treiben. Aber vergeb lich, der Zeiger des Geschwindigkeitsmessers sackt ab. und an den'weniger heftigen Erschütterungen merkt er deutlich, dah der Zug erheblich an Fahrt verliert. Auch Franz, der Heizer, hat dis Schaufel hknge- worfen und blickt zum Fenster hinaus, denn da vorn, auf dem Rücken des schnaubenden Dampfrosses, stimmt was nicht. Weihe Schwaden, die der Zugwind nach unten treibt, entströmen dem Sicherheitsventil. Keiner spricht ein Wort. D-ke beiden Männer wissen zu gut, was ein Defekt am Dampf auf offener Strecke bedeutet. Aber kn Franz Leibmann, dem Heizer, arbeitet es fieberhaft. Wenn das so weiter geht mit dem Dampfverlust, dann werden sie in Bochum mit 40 Kilometer durchfahren und kn Dortmund wohl ganz liegen bleiben. Verflucht, das fehlt auch noch, wo der planmäßige D-Zug hinter ihnen liegt! Der ganze Fahrplan kommt aus dem Lot! ihr keine etwas abnehmen, sie haben alle selbst zu viel Arbeit. Man kann mit der rechten .Hand allein Maschine schreiben. Lene kann es mit einemmal. Aber es ist ihr unmöglich, die linke Hand dabei in der Schlinge zu tragen. Sie legt sie also auf den Schreibmaschinen tisch. In dieser Lage sind die Schmerzen unvergleich lich stärker. „Krieg! Krieg!" hämmert die tobende Wunde am Finger, die nun auch eitert. Doch während die Finger von Lenes rechter Hand mühsam die Tasten zusammensuchen, die sie beim Blindschreiben, wenn die linke Hand mit von der Partie gewesen ist, so spielend gegriffen, will ihr ein Rechenerempel nicht aus dem Kopf. Sie findet keine Lösung. Es gibt wohl auch keine. Tempo 7 hat sie geschrieben und ist eben in achtstündiger Arbeitszeit immer gerade fertig ge worden. Jetzt schreibt sie Tempo 8 und acht Sünden Arbeitszeit sind ihr fast schon zuviel . . . Eine Adresse fehlt ihr. Sie geht nach vorne, um sie bei ihrem Chef zu erfragen. Vor seinem Arbeits zimmer bleibt sie stehen, sie mutz stehenbleiben. Da drinnen klappert eine Maschine, genau so fir und lustig wie früher die ihre. Sollte wirklich her Chef o»«z, »ov /?oZ>erZ Nach draußen und nachsehen, was eigentlich los ist, denkt Leißmann, und zieht sich den Rock über. „Dortmann ick versuch mal ans Ventil zu kommen, vielleicht lägt sich was machen!" sagt der blonde Junge zum Lokführer und zieht sich die Kappe tief in» Gesicht. Dortmann macht Einwendungen. „Junge, der Regen haut dir in fünf Minuten durch's Zeug was meinst du, wie das zieht bei achtzig. Holst dir am Ende noch 'ne Lungenentzündung, und viel zu reparieren ist doch nicht. Und die Ueberführungen können dir den Bart rasieren und den Hals dazu!" Der Junge überlegt — Dortmann hat recht. Gefährlich und nahe zu aussichtslos ist es, während der hohen Fahrt bei diesem Sauwetter auf den Kessel zu steigen, wobei man vielleicht noch von dem heißen Dampf verbrannt wird. Franz Leißmann nimmt wieder die Schaufel zur Hand. Nur sie kann uns retten, denkt er. Wieder fliegt es mit Ungestüm in die Feuerung hinein. Ein blanker Bach von Schweißperlen rinnt dem Heizer vom Gesicht. Aber er achtet dessen nicht. Tausend Urlauber hängen an seiner Maschine. Tausend tapfere Männer kommen vom Einsatz und träumen sich schon zu Hause. Frauen, Mütter, Bräute, Väter, Prüder und Schwestern stehen am Bahnhof, bereit, sie in Empfang zu nehmen, um den seit Monaten alle Ge danken der Sehnsucht kreifm. — Und jetzt müssen sie mitten auf der Fahrt liegen bleiben, wenn die Ma schine schlapp macht! Monoton dröhnt das Gestampf der Räder. Dazwi schen zischt es vom ausströmrnden Dampf des defek ten Ventils. Die Maschine läuft auf halber Fahrt. Alles, was der Heizer mit Macht in den roten Schlund schaufelt, fliegt kn weihen Schwaden in die schwarze Nacht über'm Bahndamm hinaus. Da springt ein Gedanke im Hirn des Heizers auf. Sind es nur Menschen, die zur Heimat wollen, um auszuruhen, die seine Lokomotive fährt? Nein, auch solche sind unter ihnen, deren Tage des Ausruhens in der Heimat ein Ende haben. Sie müssen wieder zur Front, wo neue Taten auf sie warten. In diesem Augenblick spürt der Heizer Franz Leißmann wie nie zuvor die Wich tigkeit seines Amtes. Er und sein Tun sind wesentlich in diesem gewaltigen Ringen des Volkes. Der Ge danke ergreift ihn, löscht alle anderen Gedanken in ihm aus. „Dortmann, ich geh' raus!" ruft er dem Kameraden zu. Und ohne auf den besorgten Blick des alten Lokomotivführers zu achten, verläßt er das tzebelhaus und klemmt sich über den schmalen Lauf steg bis an den Kessel. selbst —? Sie klopft an und im nächsten Augenblick weiß sie es ganz bestimmt. Ihr Ehef sitzt selbst an einer Maschine, neben ihm liegen strahlend saubere Geschäftsbriefe, die er bereits geschrieben. Er sieht sie ruhig an, als hätte er noch nie etwas anderes getan, als selber Post geschrieben. Sie würgt ihre Frage her aus und erhält die gewünschte Auskunft. Mit leisem Dank entfernt sie sich wieder, ohne zu der Tatsache, daß ihr Chef persönlich einen sehr großen Teil ihrer Ar beit übernommen hat, etwas gefaxt zu haben, denn Hier wäre jedes Wort zu arm gewesen. Keine ihrer Kol leginnen konnte für sie einspringen, ohne daß man auch nur einer einzigen daraus hätte einen Vorwurf machen können. Sie haben eben alle selbst genug zu tun. Aber mehr Arbeit als jede einzelne Bürokraft hat der Ches. Trotzdem macht er das Unmöglich« möglich. Ganz still seht sich Lene Frank an ihre Schreib maschine. Ein warmer, goldener Sonnenstrahl liegt jetzt auf ihrer Arbeit. Und sie weih, dah ihre rechte Hand bald Tempo 3 erreicht haben wird, damit her Chef wenigstens ihren guten Willen sieht. Herr Dok tor, gute Schwester, denkt Lene, würden Sie beide Weiht du», «I« einst nm heimatlich«« H«rd« Dich in d«n Schlaf d«r Mutt«eschoh g«»iegt? Granat«» pflüge» nun de« Leid der Erde, An die du dich ,«m Schlaf — zum Schlaf? — geschmiegt. Birgt nicht die bräutlich bonge Ackerkrume Dich wie «kn Bett, dem Erntefest bereitet? E» rauscht im Weh'n der goldenen Sommerblum« Wie Sensenschnitt — der große Mäher schreitet. Es ist gut, daß der Regen in Strömen sein Gesicht kühlt, denn der Dampf, der über ihm zusammenschlägt, ist heiß. Schnell bewegt er sich vorwärts, drückt und duckt sich so hinter das Ventil an den Mantel des Kessels, daß er den Wind von rücklings hat, und beleuchtet den schadhaften Apparat. Sofort erkennt er den Grund des Ausströnrens. Die Maschine war in Reparatur, und der Schlosser scheint einer jener Neulinge gewesen zu sein, die der Krieg mit seinem Mangel an Kräften aus einem anderen Betrieb in den Lokschuppen gestellt hat. Tie Steuerklappen schrauben des Ventils sind mangelhaft angezogen wor den und haben sich während der Reise gelockert. S» ähnlich Hatto er es sich gedacht. Der Junge zieht den Schlüssel aus der Hosentasche, schlägt sich den mit genommenen nassen Lappen ums Gelenk und rückt den Schrauben zu Leibe. Einfach ist das zwar nicht. Hin und wieder schlägt eine glühende Dampfwolk« um ihn. Schon fühlt er, wie der Regen aus seinem Rücken Rock, Kittel und Hemd durchdringt. Aber was heißt das schon. Wenn ske nur den Dampf halten und planmäßig einlaufen. Mit zäher Verbissenheit schafft er «s. Das Aus strömen läßt nach und Höft schließlich vollkommen auf. Dann zurück an die Schaufel! Tausend Soldaten müssen vorwärts gebracht werden, die einen zur Hei mat und die anderen zur Front! „Komm, Junges zieh' meine Jacke an", sagt der alte Dortmann und streift seinen Rock ab. „Quatsch!" sagt der Junge. „Räder müssen rollen für den Sieg, erst müssen wir Dampf haben, und dann den Pinn los, sonst schimp fen dis Landser über den schlechten Fuhrmann aus der Maschine —!" Und in Hemdsärmeln pfeffert er die Kohlenbrocken in den unersättlichen Bauch de« Lokomotive. Wo die Signale wieder etwas wette« ausetnanderstehen, nimmt der Lokführer zum zweiten mal sein Fahrtbuch und trägt ein. „Ventilschrauben auf Fahrt vom Hefter angezogen." Und in Hamm setzt er himm: „Verspätung infolge Dentildefett bis aus zwei Minuten ekngeholt." —— » . . »-— nun auch noch sagen, ich solle daheim bleibens Und sonderbar: die Wunde tut ihr plötzlich gar nicht mehr weh. Das kommt davon, weil sie jetzt ein neues, ein anderes Wort hämmert: „Arbeit, Arbeit — Sieg, Sieg — an unsere 2er1 Wer zwelfe», oerjweifett, Angst oerwnbig« b«n ge zückt«» Donnerfchlaq über dem Haupte. Wer hofftz hat schon gesiegt und siegt weiter. * Jed«, Volk »ergeht wie «i« faulend«« Schwa«««, ztrflitß««d, w«nn «, keine« Mut mehr hat. * . , Wer gerechter «nd tapferer Gesi«nu«g ist, muß sich freuen, an einer erfolgreich«« Zeit Mitwirken zu h«!feu, es sei durch Leiden oder durch Tu». * Wtr mit seinem Volke nicht Not uud Tod teil«« will, der ist nicht wert, daß er mit ihm leb«. „KI«»»«» »» N««8«M» X«»!" Roman »o« Erika Wille Urheberrechtsschutz: Deutscher Koman-Verlag foorm. L. Unverrichts Klotzsche (vez. Dresdens 26 , "Nachdruck vcrwken) Vock nach einer weil« ist sie er, die sich auf. atmend losmacht. Ls ist zuviel, was unter seinen Küssen auf sie einstürmt, auf sie, das kleine Mädchen Ilsabe, das bis eben doch noch nicht ganz gewußt hat, was bas ist: Liebel Und die nun davon bis in ihr innerstes Herz auf. gewühlt wird und geschüttelt von einem Sturm, den sie nie erahnt hat. Leise läßt sie sich neben dem Stuhl auf die Knie gleiten und legt dann die Ürme um den Mann, der ihr die Liebe geschenkt hat. Um den Mann, von dem sie jetzt erst erkannt hat, wie sehr er «in Mann ist, und nicht mehr «in kranker Schützling —. Ihr weißes Gesicht hebt sie zu ihm auf, ihre Blicke suchen seine üugen und dann drückt sie den Kopf gegen seine Vrust. So kann sie sein Herz schlagen hären — so ist sie ihm ganz nahe. Kann Glück so groß, so übermächtig schön sein? Sie hat es nie gewußt. Sie muß sich ausruhen von dem Sturm, -er si« überfallen hat, an seinem Kerzen. Jörg Wernicke sieht auf ihren gesenkten Kopf her unter und streichelt mit beiden Händen ihr weiche» schöner Haar. „Meine — meine Ilsabe." Minuten vergehen, dann sieht Ilsabe auf, und nun wohnt das Glück ganz fest und sicher in ihren Rügen. Langsam erhebt sie sich: Doch Iörg Wernicke greift fast «rschreckt nach ihrer Hand: „Bleib da, IlsabeI Lauf mir nicht schon wieder davon, wie sonst. Koch kann ich dir ja nicht nach laufen. Und Mutter, ach, Mutter wird sich freuen, wenn sie dich kennenlernt — wie spät ist es eigent lich. kleine Liebste? Mutter müßte bald da sein —" „wenn sie mit dem Nachmitiagszug aiigekommen ist, bald, Iörg. vu, wenn sie noch kein Guartier hat: unser Gastzimmer ist doch frei und überhaupt — nun ist deine Mutter doch auch mein« zweite Mutter, nicht wahr? Sie muß einfach zu uns kommen, Iörg!" „Sie wird gern kommen und ich armer, allrinae» lassen«» Mann werd« «ifersüchtig sein, weil si« mein« klein« Braut sicher furchtbar verwöhnt." Nach einer weile klopft es an die Tür. Vie Schwe- ster steckt den Kopf herein —: „Besuch für den Herrn Rsssttenzarzt." Ilsabe steht schnell von dem Stuhl aus, den sie Iörg Wernicke gegenüber an; Zensier gerückt hatte und tritt soweit wie möglich zurück. Vie ersten Minuten müssen Iörg und seiner Mutt«r ganz allein gehören. was ist das für eine entzückende Frau, die da her. ein kommt. Lin schneller Blick streift Ilsabe und leich ter Lrröten geht über das feine Gesicht, doch dann steht sie nur ihren Iunge»! ihren kranken, verwun deten Iungen, den das Ungeheuer Tod ihr gelassen hat, den es nur gestreift hat, der noch lebt, wieder gesund werden wird. Iörg Wernicke will aufstehen, aber schon halten ihn ihre Ürme fest so, wie eben noch Ilsabe Ghlen ihn gehalten hat. „Bleib sitzen, mein Iunge. Und sag mir, wt« er dir geht — Haft du Schmerzen?" „Mutter! Nein, Schmerzen nicht mehr, fetzt nicht mehr. DH Mutter, wie gut, daß du da bist! Liebe Mutter." va greifen ihre Hände nach seinen Schultern und rütteln ihn ein wenig: „Bengel, was machst du mir nur für Sachen. Tut man so was, läßt man sich das halbe Vein weg- schießen und schreibt dann an sein« Mutter erst, wenn die Sache schon fast vorbei und wieder gut ist? Junge, hab ich mich erschreckt!" „ürme liebe Musch l Du, ich hab aber noch viel tollere Sachen gemacht und sag sie dir erst hinter her — ich habe mich verlobt! Ilsab«, komm und gib Mutter einen Kuß!" Mit einer Hand greift «r nach Ilsab«, mit der an. deren hält er die Rechte seiner Mutter umfaßt: „Habt euch lieb — ich habe euch ja auch b«i§« so lieb!" Ilsabe Ghlen sieht Iörg wernick«» Mutter offen in dar Gesicht. Vie macht ihr« Hand frei und umfaßt ganz sacht Ilsabe» Schlafen, so schaut sie dem Mäd- chen in die Rügen, dann seufzt sie leise auf und lä. ch«lt: „Nun habe ich al^o zwei Kinder!" Lr ist gegen zehn Uhr abends. Ilsabe hat eben den neuen, nun schon so geliebten Gast der Hause» Ghlen zu seinem Schlafzimmer h«rauf geführt. Frau Helene Ghlen sitzt noch mit «iner Handarbeit auf der Terrasse, aber ihr« sonst so fleißigen Hände lieg«» still in ihrem Schoß. L» ist auch schon zu dunkel, um di« feine Stickerei noch erkennen zu können. Nun ist Ilsabe also verlobt, ihr« lieb« jung« Toch» t«r Ilsab«. Sie hat sich «in«m frrmd«n Mann v«r. sprach«« «nd will sich ihm ganz zu «igen g«b«n, so wie sie, Frau Helene, es auch einmal getan hat. va. mals als der Major Ghlen noch ein Leutnant war, einer von denen, die bei der zusammengeschrumpf- etn Reichswehr bleiben durften, einer der Männer, die ihr Leben der Rusgabe widmeten, mit fast unzu- länglichen Mitteln dem Reich wenigstens den Stamm seiner Wehrmacht zu erhalten, aus dem einmal wieder ein kräftiger Baum emporwachsen könnte. Vann, als dies Ziel erreicht war, als der Führer die neue Wehrmacht «mporgsrufen hatte und zu «iner starken, scharf geschliffenen Waffe machte, hat der Major Ghlen, der nun nicht mehr zu den Jüngsten ge» Härte, ein Wehrmeldeamt übernommen. Und dann ist er mit in den Krieg gezogen und in Polen gefallen. Lin Leben soldatischer Pflichterfüllung hat seine Krö nung gefunden. Frau Helene faltet leise die Hände im Schoß, vrei Söhn« stehen nun noch im Feld, sie ist eine rechte Soldatenfrau gewesen. Si« trägt auch ihren Schmerz, wie es sich für «ine Soldatenfrau ge ziemt, ganz für sich allein und tief in ihrem Her zen unverbrüchlich geborgen, nach außen stolz und mit erhobenem Köpft für Deutschland, für die Söhne — für Ilsabe. Für ihre Tochter Ilsabe, die so jung, so blond, so süß ist und die sich nun auch einen Mann erwählte, den der Krieg schon gestreift hat. Ilsabe hat das richtige Soldatenblut in den Rdern. Rls sie gegen Übend aus dem Lazarett zurückkam, mit seltsam versonnenen Rügen, in denen da» Glück wohnte, da hat sie der Mutt»r di« Ürme um den Hal; gelegt und gesagt: „Mutter, er ist aufgestanden. Lr braucht noch Krük» ken, aber bald ist «r wieder ganr gesund. Gh Mut- ter, und er hat mich gefragt, ob ich sein« Frau wen den wolle." Scheu und leis« hat si« den letzten Satz gesprochen und Frau Ghlen spürte, wie es ihrem Kind nun auf. gegangen ist, wa; das bedeutet: eine; geliebten Mann«; Frau zu werden. Sie ist aber im selben Rugenblick stolz gewesen auf Ilsabe, denn die Tochter hat zuerst von dem Mann gesprochen, von seinem Lrgehen —- und dann erst von sich und ihrem Glück. So muß es nach Frau Helenes Lmpfinden sein, immer und überall muß zuerst der andere geliebte Mensch kommen, und dann erst da; eigene Ich. Und wichtiger muß es für Ilsabe Ghlen fein, baß der Mann, den sie liebt, gesund durch sein Leben gehen wi?d, al» daß si« dieses Leben teilen darf, üuf sol cher Grundlage muß «in« LH« glücklich werden. Ilsab«. Nun gehört ske nicht mehr der Mutter allein, nun gibt e» «inen fremden Menschen, d«r da» größer« Recht an ihr hat. Und nun gibt «, auch «in« ander« Frau, die Mutter dieses Mannes, die an Ilsabe Mut terrechte gewonnen hat. Ilsabe tst schon ganz vertraut mit ihr. Frau Helene horchte in sich hinein: ist sie eifer» flichtig auf dies« fremde Frau, zu der ihr Kind leicht und ganz ohne Hemmung auch „Mutter" sagt, als habe sie sie von jeher gekannt? Ihre Ilsabe, die zwar für jeden Menschen ein freundliches Lächeln hat, aber sich nur schwer an einen einzelnen Menschen anschließt? Ueber sich selber lächelnd schüttelt Frau Helens leis« ihren Kopf. / Lifersüchtlg? Nein, froh muß sie sein, wenn dies« zarte schöne Frau, die Ilsab« ihr vorhin ins Hau« gebracht hat, in Zukunft auch sorgend neben 1hr«ml Kind stehen wird. Üuch für ihr, Helene Ghlen, Lo ben, wird dies eine Bereicherung bedeuten. „Mutter, Iörgs Mutter ist heute angekommen, si« ist so eine entzückende Frau, über ihre Üugen können nicht lachen, Mutter, sie tit mir so leid und man muß sie sehr lieb haben deshalb. Iörg sagt, sie hab« Schweres durchmachen müssen. Mutter, nicht wahr, sie kann bei uns wohnen? Ich habe sie darum ge beten, ich wußte, es würde dir recht sein. Vie Mutter von Iörg darf doch nicht bei fremden Menschen blei ben — und wir wollen sie sehr verwöhnen, ja? Sie ist noch bei Iörg geblieben, er mußte wieder in, Bett und sie durfte noch mit ihm zu Übend «ssen, hat die Stationsschwester erlaubt, hinterher kommt sie zu uns. Ls ist doch recht, Mutter?" Üuch darüber hat sich Frau Ghlen gefreut, baß Ilsabe sich so warm für ihre zukünftig« Schwiegen» mutter einsetzt«. Schwiegermutter — Frau Ghlen denkt hinter den, Wort her. Nun wird sie auch eine Schwiegermutter. Sie fühlt sich noch so jung. Und sie hat «igentttch im. mer geglaubt, daß einer ihrer Söhne ihr da; erst« Schwiegerkind bringen würde. Nun bekommt sie all« noch einen Sohn dazu. Und Ilsabe bleibt weiter di« einzige Tochter. wo sic übrigen; nur bleibt? Sie wird doch nicht schon selber schlafen gegangen sein, sie hat ihrer Mutter ja noch gar nicht „Gut« Nacht" gewünscht. Und die beiden, Mutter und Tochter, lieben doch sonst auch diese frühen Nachtstunden so, di« sie meist zusammen auf der Terrasse verbringen, ohne Licht, au;ruh«nd vom vergangenen Tag und leise seinen Üb. lauf und ihre Gedanken und wünjche besprechend. Gerade heute hat sich Frau Heien« auf diese Stund« gefreut, die Ilsabe immer sehr aufgeschlossen sei» läßt. Im Dunkel spricht sie leichter einmal von sich selbst. Zrau Ghlen klammert plötzlich ihre Hände zi— sammen. jZortsetzung solgt^
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- Thumbnail Preview