476 riges Nachdenken, mäßisk Affekten, Herr- schäft der Vernunft über die Sinnlichkeit, Ließ ist das Gemahlde eines wahrhaft und vollkommen gefunden Mannes. Freilich ist sie in diesem Grade ein nur seltenes Ge schenk, womit die schaffende Kraft nur we nige Auserwählte beglückte. Wenige haben sich einer ganz reinen Gesundheit zu erfreuen, die ganz ungetrübt von verfinsternden Wölk chen, eine ganze Lebensdauer hindurch aus hielte. Mancher würde sich für ganz gesund halten, wenn nicht z, B. eine schwächere Verdauungskraft ihm fo manche Augenblicke seines Lebens vergällte. Ein anderer beklagt sich über eine« Fehler seiner Lungen; ein dritter über die Reizbarkeit seiner Nerven, ein vierter wähnt, daß die in seinem Körper sich vorfindende Dlutmasse für seine Bedürf nisse viel zu groß sei und ihn belästige. Was soll ich endlich von jenen Unglücklichen sagen, Lie blos zu leben scheinen, um sich und an dere zu quälen, die sich mit eingebildeten Uebeln ängstigen? Nenne ihnen jede beliebi ge Krankheit, beschreibe ihnen die Zeichen und den Verlauf derselben, und mit Schre cken werden sie dich unterbrechen, daß sie alle diese fruchtbaren Verhältnisse an sich wahr- genommen hätten. Und doch kommt von dem ganzen Heer der Krankheiten, von de nen'sie sich gepeinigt glauben, ihnen vielleicht keine bedeutende zu. Nur die einzige Krank heit, in deren wirklichen Besitz, sie sind, ent geht ihnen, nämlich die falsche Stimmung ihrer Nerven, die, weil sie anders empfin den, als sie empfinden sollten, die Seele durch falsche Vorspiegelungen täuschen und sie über den Zustand ihres Körpers irre füh- vrn. So wird das ächte Ideal der Gesund ¬ heit durch manche Umstände verfälscht. Wenn sich die obengenannte hypochondrische Men schenklasse darin irrte, daß sie Krankheiten in ihrem Körper zu finden glaubte, dir dem selben fremd sind, so giebt es dagegen Men schen von entgegengesetzter Stimmung, dir sich für gesund halten, wahrend sie es in der That am wenigsten sind. Es giebt Measchen von heroischer Denkungsart, von einer Stär ke des Geistes, (vielleicht aus grober Ner venbildung) die sie gegen alle körperliche Em pfindungen abstumpft; die Pfeile des körper lichen Schmerzes gleiten an ihrem Smne von Stahl fruchtlos ab, ohne zu verletzen, ohne zu durchdringen ihre undurchdringliche Brust. Die Ursache dieser Unempfindlichkeit des Gei stes können verschiedene feyn, entweder wah re Seelengröße, die sie die Leiden des Kör pers, die sie wohl beurtheilen können, ver achten lehn, weil sie diese körperliche Hülle selbst gering schätzen, weil sie es nicht der Mühe werth halten, den unangenehmen Zu ständen derselben Aufmerksamkeit zu schenken, zu tief versenkt in ein Streben nach geistigen Anstrengungen, sinnend auf Handlungen, die das Universum umfassen, die Nachwelt mit Staunen erfüllen sollen. So hat unsre Seele eine Herrschaft über die krankhaften körperlichen Gefühle, wenn sie ernstlich diese Herrschaft will, wovon ein an dermal mehr. Indessen erhellet doch hieraus, daß nicht immer das mangelnde Schmerzge fühl auch wirkliche Gesundheit des Körpers bezeichne. Andere unempfindliche Gemächer erlangen diese Eigenschaft durch eins krank hafte Gemüthsstimmung. Die melancholi schen Menschen empfinden keinen Schmerz (so wie äussere Gewalt ihre nach aussen wir»