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Naunhofer Nachrichten : 10.08.1904
- Erscheinungsdatum
- 1904-08-10
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1787848183-190408105
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1787848183-19040810
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1787848183-19040810
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungNaunhofer Nachrichten
- Jahr1904
- Monat1904-08
- Tag1904-08-10
- Monat1904-08
- Jahr1904
- Titel
- Naunhofer Nachrichten : 10.08.1904
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immer verschlossen -u halten, und die Be wohner werden dringend ersucht, mit der Wasserentnahme recht sparsam zu verfahren. In Leisnig macht sich der Wassermangel bemerkbar, die Behörde mahnt zur Sparsam« keit, da der Wasserzufluß zum städtischen Wasserwerk sehr zurückgegangen ist. Wermsdorf. Infolge der anhaltenden tropischen Warn«, find im Horstsee viele Fische gestorben. Daz« hat sich dort noch ein sehr schlimmer Gast eingestellt; im Horst see ist die Wasserpest aufgetreten. Um den bösen Feind wieder loszuwerden, wird man, wie vor einigen Jahren schon einmal den See wieder trocken legen müssen. Dadurch verliert auf ein Jahr unser herrlicher Wald eine reizende Naturschinheit. Im Ofehecher Stadtwalde find am Freitag durch Brand etwa zwei Acker junge Anpflanzungen vernichtet worden. Meißen. Da» hiesige Stadtverordneten« Kollegium nahm einen Antrag aus seiner Mitte an, sich wegen der Verunreinigung der Elbe durch die Dresdener Fäkalien und die Abwässer der KStttzer Strohfadrik schleunigst beschwerdeführend an das Ministerium zu wenden. Ein Bild trostloser Vernachlässigung boten in Meißen zwei drei und zwei Jahre alte Kinder, die von ihrer Mutter, einer in der Rosengaffe wohnenden polnischen Arbeiterin, während diese in die Fabrik aus Arbeit ging, den ganzen Tag lang in einer unterm Ziegel« dach grlegenen und deshalb besonders heißen Stube eingeschloffen worden waren. Oft stundenlang hatten Nachbarn die armen Ge schöpfe schreien hören, worauf Anzeige bei der Polizei erfolgte. Wie ekelerregend der Ramu aussah, kann man sich denken, da ganze Tage lang die Kinder sich allein über lassen worden waren. Die Kinder wurden alsbald im Bersorgungshause untergebracht, doch hat daS älteste später muffen im Kranken- Hause ausgenommen werden, da es ganz ver kommen ist und die englische Krankheit hat. Auch Spuren von Mißhandlungen find an dem armen Geschöpfe wahrzunehmen gewesen. Die herzlose Mutter hat in der Regel jeden Abend ein halbes Liter Schnaps gekauft, und e» ist gar nicht unwahrscheinlich, daß sie ihren Kindern, damit sie schlafen sollten, Schnaps zu trinken gegeben hat. Sie soll selbst einmal gesagt haben, daß sie und ihre Kinder den Schnaps brauchten. Die Not der Zeit drückt auch auf die Dresdner Vogelwiese. Obwohl sich der Verkehr äußerst lebhaft gestaltete und am Sonntag allein sieben Extrazüge eintrafen, so find doch die Schonkzelte verhältnismäßig wenig besucht. Auch hatten am Sonntag die Extrazügr nicht die übliche bedeutende Be setzung aufzuweisen, wie in früheren Jahren. ES dürfte hierzu wesentlich die Erhöhung der Fahrpreise für die Züge beitragen. So kamen aus Leipzig nur 2 Züge, während es im Vorjahre 4 waren, in denen etwa 600 Besucher mehr mitfuhren, da der Fahrpreis nur 3 Mark betrug statt der jetzigen 4,50 Mark. — Die meisten Vogelwiesenbesucher kommen, sehen und gehen gelangweilt wieder. Die Baumwollspinnerei Mittweida kann mit ihrem letzten Geschäftsjahr zufrieden sein. Der Aufsichtsrat beschloß, die Verteilung einer Dividende von 26 Prozent (gegen 18 Prozent im Vorjahre) nach sehr reichlichen Abschreibungen vorzuichlagen. Chemnitz. Gin Kaufmann hier hatte infolge eines ungewöhnlich guten Geschäfts das Bedürfnis, seinen inneren Menschen einmal mit edlen Flüssigkeiten anzufeuchten und war zu diesem Zwecke in ein Wein restaurant gegangen. Dort tat er aber des guten etwa» zu viel. Als er die Bekanntschaft zweier Automobtlfahrer machte und von diesen eingeladen wurde, da» vor der Tür stehende Vehikel zu besichtigen, wünschte er plötzlich ein Stück spazieren gefahren zu werden. Die Automänner taten ihm den Gefallen, und während im Weinrestaurant Kellnerin und ein Männerhut auf die Rück kehr des seßhaften Gastes warteten, autelte dieser barhäuptig in die dunkle Nacht hinaus. Am anderen Morgen saß in einem Straßen- graben bei Hainichen ein Mann, der sich absolut nicht erklären konnte, wie er aus der molligen Weinstube in das taufeuchte Gras eines Chauffeegraben» gekommen war. Tas Unangenehmste an der Sache war aber, daß ihm das Portemonnaie fehlte, und daß er sich in Hainichen erst Hut und Geld ver schaffen mußte, um nach Chemnitz zurück- kehren zu können. Durch einen bei Zeißholz entstandenen Brand wurden zirka 50 Morgen Waldbestand, dem Staudesherrn Naumann auf Königs brück gehörig, vernichtet. In Schöna sind die Teiche derart ein getrocknet, daß man dieser Tage tote Fische fässerweise herausschaffte. Zittau. Gestern Nachmittag 2 Uhr stießen zwei Personenzüge der Zittau-Oydin- JonSdorfer Eisenbahn unweit Bahnhof Berts« darf zusammen. 15 Personen wurden teils schwer, teils leicht verletzt. Der Material schaden ist groß. Galanteriewarenhändler Muenich starb auf dem Transport. Die Schuld trägt zweifellos der BertSdorfer StattonSvorstand, welcher, wie verlautet, den Zug zu zeitig ablteß. Schöna«. Eine anscheinend ermordete weibliche Person wurde am Donnerstag nach- mittag in einem fast vertrockneten Sumps- loche in den auf der Berzdorfer Flur ge legenen, Gutsbesitzer Queißer hier gehörigen Sträuchern aufgesunden. Die Tote hatte den Kopf fest mit einem Tuche verbunden und war mit einer schwarzen Trikottaille und einem geflickten Rocke bekleidet. Die Leiche konnte höchstens 14 Tage gelegen haben; der Kopf war schon stark in Fäulnis übergegangen. Jedenfalls lassen die Lage der Leiche und einige andere Umstände darauf schließen, daß ein Mord vorliegt. Eine seltene Mißgeburt ist am Donners tag im Stalle des Gutsbesitzer- Dittrich in Rttsdorf in der Lausitz lebend zur Welt gekommen. Es ist ein Kalb mit zwei Köpfen, vier Augen und zwei Mäulern. Das Tier ist sonst gut entwickelt. Pirna. Von dem Verbände deutscher Arbeitsnachweise war jetzt der hiesige Rat ersucht worden, in Pirna einen kommunalen Arbeitsnachweis zu errichten. Es wurden hierauf die hier bestehenden Innungen und sonstigen gewerblichen Bereinigungen um ihre Meinungsäußerung ersucht. Lie meisten derselben haben sich aber im ablehnenden Sinne ausgesprochen. Der Rat beschloß da her, auf die Angelegenheit vorläufig nicht weiter zurückzukommen. Berga a. E. In hiesiger Stadt ist der Typhus in bedenklicher Weise aufgetreten; in 9 Hausern sollen sich Typhuskranke be finden. Aerztliche Vorsichtsmaßregeln find bereit» angeordnet worden. Crimmitschau. Zwei Aufsehen er regende Verhaftungen erfolgten Sonnabend Nachmittag, welche in Verbindung mit dem großen Textilarbeiter-Ausstande stehen. Die beiden Führer desselben, der Geschäftsführer der Filiale des Textilarbeiterverbandes Albin Hecht und der Vorstand derselben Max Schiller, gegen welche bekanntlich seit einiger Zett eine Untersuchung wegen Ver« leituug zum Meineide schwebte und über welche beide die Briessperre verhängt war, sind heute nachmittag verhaftet und in das König!. Amtsgericht übergeführt worden. Zur Ausführung soll das Verbrechen in einem Prozeß gekommen sein, welchen der Vor sitzende de» Fabrikantenvereins Lukas Schmidt gegen Hecht wegen Beleidigung angestrengt hatte und in welchem Hecht zu 3 Wochen Gefängnis verurteilt wurde. Die hiergegen eingelegte Berufung wurde vom Landgericht Zwickau verworfen. Die schwere Beleidigung war in einer Aeußerung enthalten, welche Hecht mit Bezug auf Schmidt einem Arbeiter gegenüber getan, welcher seine Frau als Mitglied des Textilarbeiterverbandes ab meldete. Aus aller Welt. * Weshalb der Monat August wie der Monat Juli 31 Tage hat, ist vielen unbekannt. Der Monat August, nach der jetzigen Zeitrechnung der achte Monat im Jahre, war bei den alten Römern, bei denen das Jahr mit dem März ansing, der sechste Monat, er hieß daher SextiliS Diese Be zeichnung behielt der Monat indes nur so lange, bi» Kaiser Augustus zum Andenken an mehrere glückliche Ereignisse, die ihm in diesem Monat widerfahren waren, demselben seinen eigenen Namen beilegte oder vielmehr vom Senat beilegen ließ. Schon früher war dem Julius Cäsar zu Ehren dem Monat Quimilius der Name Julius (Juli) beigelegt worden. Ta aber der SextiliuS, unser August, nur 30, der Julius aber 31 Tage zählte, so verordnete der Senat, um Augustus nicht zurückstehen zu lassen, daß auch sein Monat 31 Tage haben solle, wofür man einen Tag d m Februar wegnahm. Diese Anordnung hat sich ins auf den heutigen Tag erhalten. * Ein tollkühner Liebesbeweis. Nordamerika ist und bleibt das Land der exzentrischen Taten und Vorkommnisse. Als Held des Tages wird in der texanischen Stadt Fort Clark gegenwärtig ein junger Mann gefeiert, der auf höchst absonderliche Weise die Tiefe seiner Gefühle für eine schöne Maid des Orter zu beweisen sich erkühnte. Mit mehreren Bekannten, unter denen sich auch seine Angebetete befand, hatte Mr. Darmom einen Ausflug in die reizvolle Um gegend unternommen. Man lagerte sich zu einem Picknick am Ufer des Rivers Pecos in unmittelbarer Nähe der Eisenbahnbrücke, die sich in einer Höhe von 110 Metern über den Fluß spannt. Wie immer bei solchen Gelegenheiten war Mr. Darmon» Platz zu Füßen seiner Herzenskönigin Miß Lena Riners. Die junge Dame schien nicht gerade rosiger Laune zu sein und wehrte die Schmeicheleien und Galanterien ihrers Ver« ehrers ungeduldig ab. Verzweifelt fragte schließlich der Liebhaber, was er denn tun solle, um sie davon zu überzeugen, daß er sie grenzenlos liebe. „Nun, wilde Bestien oder gar Drachen find hier ja nicht zu er legen," meinte spöttelnd die grausame Schone, „aber vielleicht springen Sie mal von der Brücke dort oben. Das wäre doch etwas außergewöhnliches nicht wahr?" Niemand achtete darauf, daß Fred Darmon wenige Minuten später verschwunden war. Plötzlich stieß einer der Herren einen Laut der Ueber- raschung aus und deutete zu der Brücken - struktur empor, die von der Sonne bestrahlt in der schwindelten Höhe einem Spinngewebe aus glänzender Seide glich. Ganz oben be merkten nun alle eine winzig erscheinende männliche Figur. Entsetzt sprang Miß Riner» auf. Da« im ironischen Scherz an den Anbeter gestellte Ansinnen fiel ihr ein. Flehend die Hände erhebend, schrie sie hinauf, daß er um Gottes willen nicht springen solle. Nur undeutlich konnte man sehen, wie die Miniaturfigur eine Geste machte und sich dann über den Brückenrand beugte. Im nächsten Moment schwebte ein dunkler Punkt frei in der Luft. Es vergingen höchstens vier bi» fünf Sekunden, ehe der rasend schnell herabsausende Körper mit furchtbarer Geryait auf die Oberfläche des Wassers aufschlug. Ohne Zögern stürzten zwei Freunde des toll kühnen Mannes ihm nach in die Flut und brachten den anscheinend leblos bald Auf tauchenden ans Ufer. Obwohl man kaum hoffte, daß noch Leben in dem braun und blau gefärbten Körper sein könne, benetzte man die blaffen Lippen mit Brandy und massierte die schlaffen Glieder. Niemand beachtete die im kritischen Moment ohnmächtig gewordene Miß Riners. Als sie endlich wieder von selbst zu sich kam, begann Darmon gerade wieder schwach zu atmen. Eine Stunde später lagen sich beide weinend und lachend in den Armen. Die Pecos-River-Bridge ist zweimal so hoch vom Wasserspiegel entfernt als die Brooklyner Brücke, von der schon so mancher den TodeSsprung getan. * Vor einigen Tagen erging an die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank in München der Auftrag, 8VVVG Mk. umgehend an die konigl. Hofkaffe zu übersenden. Als der Bankdiener mit der Summe in der Residenz eintraf, trat ihm in einem Flur ein gut ge kleideter Herr mit den Worten entgegen: „Ah, Sie bringen da» Geld von der Hypotheken- und Wechselbank, aber Sie kommen zu früh, die Kaffe ist noch nicht ge öffnet. Geben Sie mir daS Geld und über bringen Sie diese» Schreiben inzwischen in die Geheimkanzlei." Damit übergab er dem Kaffenboten ein mit amtlichen Siegel ver schlossenes Kouvert und wollte nach dem Gelbe greifen. Der Kaffendiener aber über gab das Geld nicht, nahm dagegen das Schreiben und brachte es in die Geheim kanzlei. Beim Oeffnen fand sich nur ein leeres Blatt Papier darinnen. Al» der Kaffenbote an die Stelle zurückkam, wo ihm der Herr das Schreiben übergeben hatte, war dieser verschwunden. In der königlichen Hoskaffe aber erklärte man dem Kassenboten, von einem Auftrag an die Hypotheken- und Wechselbank zur Auszahlung von 80 000 Mark nichts zu wissen. Der Kaffenboote erhielt von der Bank, weil er sie vor großem Schaden bewahrt hatte, eine nahmhafte Be lohnung. Der KoLteriekönig. Roman von F. Wüstefeld. 46 - „Statt sie an Dein Herz zu nehmen, stößt Du sie in die kalte, erbarmungslose Welt! Aber sie hat e» selbst gewollt!" redete er dagegen, als sei e» ein anderer, der sich mit ihm auf einen Streit eingelaffen habe. „Nicht Du hast sie verlassen, sondern sie hat in der richtigen Erkenntnis, daß sie Deine Frau nicht werden könne, Di* Deinen Ring zurückgegeben. Und Du hast ihn sehr gern genommen!" lachte er in bitterer Selbstironie, um gleich darauf die Hände vor da» Gesicht zu schlagen und jammernd hinzuzusügen: „Nein, nein, daS habe ich nicht getan! O Angela! Angela! mir bricht da» Herz, daß ich Dich lassen muß. An meinem Lebenshimmel ist die Sonne untergegangen. Wie soll ich ohne Dich da» Leben ertragen ? Muß ich sie lassen?" fragte er sich dann. „So viele Männer arbeiten und erhaltet! ihre Frauen und Familien! Könnte ich das nicht auch tun? Aber wie? Ach, ich habe ja nichts anderes gelernt, als das Handwerk de» Soldaten, bin von früher Jugend dazu erzogen. Mr. Farlow denkt ander»!" fuhr er mit spöttischem Lächeln fort. „Ich brauche nur seine Anerbietungen anzunehmen, und ich habe einen Beruf, der wahrscheinlich ganz interessant ist, mich bin nen kurzer Zeit-zum Millionär machen und dem alten Europa mit seinen Vorurteilen weit entrücken würde. Tauseude wür- den sich nicht bedenken, in die dargebotene Hand einzuschlagen; man wird mich verspotten, daß ich e» nicht tue, wird mich einen Don Quixote Nennen, aber ich vermag e» nicht! Mit Farlow, mit FarkaS gehen, hieße für mich teil haben an seinem Ver brechen. Und Angela wäre für mich doch verloren. Sie hat sich von den Pflegeeltern, die sie nur zu sich genommen, um sie ein Verbrechen verüben zu lasten, getrennt. Sie hat sie vielleicht schon verlasten. Sie irrt umher. Ich muß sie aufsuchen." Er hob den Fuß, al» wolle er in einer bestimmten Rich tung vorwärt» gehen, ließ ihn jedoch wieder sinken und seufzte stillstehend: „Wo soll ich sie suchen? Und wenn ich sie gefunden hätte, war könnte ich, der Unbehauste, ihr bieten? Das beste, da» einzige, wa» ich für sie tun kann, ist, daß ich ihren Weg uie wieder kreuze, daß ich ihr behilflich bin, mich zu vergessen." Im harten, aufreibenden Kampfe mit sich eilte er immer vorwärts und wußte zuletzt gar nicht, wohin er geraten war. Er erkannt« «ndltch, daß er sich weit von der Stßdt entfernt hatte, und daß er einer geraumen Zeit bedurfte, um nach dem Stadtteil, wo er seine Wohnung hatte, zurückzukehren. Die Zeit, in der er mit einigen Kameraden sich zum Frühstück in einem in der Nähe de» GeneralstabSgebäudes gelegenen Restaurant zu sammenzufinden pflegte, war lange vorüber, das war ihm aber gerade recht. Er verspürte keinen Hunger, obschon er seit frühem Morgen nichts zu sich genommen, er mochte niemand sehen, nicht in den Blicken der ihm Begegnenden Neugierde oder Teil- nähme lesen. Vom Turme der Stadtkirche schlug e» zwei Uhr, als er in die Derffliugerstraße einbog. In der Nähe seiner Wohnung be gegnete ihm der Bursche seine» Obersten, der ihm einen Brief von diesem übergab und sich entschuldigte, daß er es auf der Straße tue. Der Herr Oberst habe bemerkt, e» sei eilig, und er erspare vielleicht dem Herrn Hauptmann einen Weg. Düskow zwang sich zu einem freundlichen Lächeln, sagte, der Bursche habe ganz recht getan, nahm den Brief und eilte nach dem von ihm bewohnten Hause, besten Tür er durch einen Schlüssel, den er au» der Tasche zog, öffnete. Auf dem ersten Treppenabsatz blieb er stehen, öffnete den Brief und überflog bei dem durch die bunten Fensterscheiben fallenden Lichte besten Inhalt. Es war ein in recht warmen, freundschaftlichen Worten ge haltenes Schreiben des Obersten, in dem dieser zuerst den Wunsch aussprach, eS möchte dem Hauptmann gelingen, die An gelegenheit, in der sie heute morgen miteinander verhandelt, so aufzuklären, daß an den Amerikanern nicht der kleinste Anstoß genommen werden könne. Sollte dies jedoch nicht der Fall sein, so müsse er ihm nach reiflicher Ueberlegung als Freund raten, sofort um seinen Abschied einznkommen und nicht abznwarten, daß er dazu aufgefordert werde, denn er könne dann auf kei nen Fall Offizier bleiben Heirate er seine Braut, so sei dies, wie er wohl wisse, unmöglich, löse er das Verhältnis, so würde ihm da» hinwieder zum Vorwurf gemacht werden. Mit einem tiefen Seufzer und einem recht bitteren Lachen ließ DüSkow das Blatt sinken. „Auf jeden Fall werde ich für Dinge bestraft, die ich nicht begangen habe," murmelte er. „Es ist wie beim Duell. Schlägt man sich, so mächt man sich straf fällig, tut man eS nicht, so macht man sich unwürdig, noch lau- ger Offizier zu sein. Ich weiß, was ich zu tun habe " Er stieg die Treppe zu seiner Wohnung hinan, aber sein Gang wurde immer schleppender, sein Schritt immer müder; er mußte sich an das Treppengeländer halten, um nicht umzusinken. Mit Aufbietung seiner ganzen Willenskraft überwand er für den Augenblick die Schwäche; sein Bursche durfte ihn so nicht sehen, er konnte vielleicht Verdacht schöpfen. In seiner Woh nung entledigte er sich schnell der Paradeuniform, zog die Li tewka, die er im Hause zu tragen Pflegte, an und gebot dem Burschen, ihn allein zu lassen und jeden, der kommen würde, abzuweisen. Er sei todmüde und wolle schlafen Letzteres war keine bloße Redensart Er fühlte sich wie zer schlagen, sank auf das Sofa nieder und verfiel kaum, daß sich die Tür hinter dem Burschen geschloffen hatte, in einen bleier nen, unerquicklichen Schlaf. Schwere Träume ängstigten ihn, fratzenhafte Gesichter grinsten ihn an, die Krallen wilder Tiere streckten sich nach ihm aus, um ihn zu zerreißen, und er war allen diesen Qualen wehrlos preisgegeben. Er vermochte sich dem Schlafe, vermochte sich den fieberhaften Träumen nicht zu entreißen. So oft er sich aufzuraffen versuchte, immer sank er wieder zurück. Da hörte er draußen die Korridortür öffnen und Schritte und Stimmen. Schobert klopfte zum erstenmal, derHauptmann rührte sich nicht. „Soll ich ihm antworten?" überlegte er und erhob sich vom Sofa, ließ sich aber wieder sinken, denn schon erklang von der Tür her erneutes Pochen und Rufen. „Ich will," murmelte Düskow; „mich ganz still verhalten, bi» der Störenfried sich wieder entfernt hat," aber Schobert wich und wankte nicht und drohte sogar, einen Schlosser herbeizuho- i len und die Tür öffnen zu lasten, dem mochte sich der Hauptmann nicht attssetzen. „Was kann der VerlagSbuchhändler Schobert von mir wol len?" fragte er sich. „Es kann nur etwa» Geschäftliches sein und wird sich bald erledigen lasten." 116,20 Er stand endlich auf, ging nach der Tür und schloß mit dem von innen steckenden Schlüssel auf. Mit ziemlich gut gespielter Unbefangenheit trat er dem VerlagSbuchhändler entgegen und reichte ihm die Hand, während er sagte: „Verzeihen Sie, Herr Schobert, daß ich Siewarten ließ; ich habe am Vormittag einen recht anstrengenden Dienst gehabt, hatte mich auf dem Sosa anS- gestreckt und war fest eingeschlafen. Bitte, treten Sie ein und lassen Sie mich erfahren, was mir die Ehre Ihres Besuches verschafft." «SILL«". lLWLÄÄSMMMMSNWMM
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