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Naunhofer Nachrichten : 08.01.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-01-08
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1787848183-190901082
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1787848183-19090108
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1787848183-19090108
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungNaunhofer Nachrichten
- Jahr1909
- Monat1909-01
- Tag1909-01-08
- Monat1909-01
- Jahr1909
- Titel
- Naunhofer Nachrichten : 08.01.1909
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^Nv' ' ^X?' Xb^WW'^ -X":'rX'- DMM'? "1« - * 24 Geätscht Kriegsschiffe sollen nach d« R. N." «ir dem neuen Turbinenbe- trleb »ersehen werden und zwar 9 Kreuzer und 15 Torpedoboote. * Der ArbeitSlofigkeit kann vorgebeugt' werden, so etwa sagt die Essener Handels kammer in ihrem Jahresbericht, wenn Reich, Staat und Kommunen in ihrer Eigenschaft al» Arbeitgeber ihre Aufträge mehr der wirt schaftlichen Konjunktur anpassen wollten. Ist das gewerbliche Leben in reger Tätigkeit, so können die genannten öffentlichen Arbeitgeber iHv» Aufträge etwas zurückhalten, schon um zu verhüten, daß dieser oder jener Industrielle zu einer ungesunden Erweiterung seiner An lagen gezwungen wird. Dafür sollen die fiskalischen Arbeiten nach Möglichkeit dann vergeben werden, wenn der Gemerbetätigkcit ein Mehr von Aufträgen erwünscht ist. Für die Wahl des Termin» fiskalischer Aufträge sprechen natürlich noch andere Gründe als bloß die wirtschaftliche Lage. Immerhin ließe sich bei gutem Willen vielleicht ein besserer Ausgleich schaffen. — Die Anregung sollte erwogen werden. * Berlin. Herr Professor Dr. James Israel, hat in feiner Privatklinik an dein venezolanischen Ex-Präsidenten Castro eine Operation vollzogen, er bittet den Berl. Lok.- Anz. in Castros Namen um Aufnahme folgen der Mitteilung: ,.An Herrn General Castro ist von Professor Israel eine schwere Operation in der Bauchhöhle vollzogen worden. Der General ist froh darüber, daß die Notwendig keit dieser Operation zeigen wird, wie unbe gründet die mehrfach geäußerte Meinung war, er sei nach Europa gekommen, um sich ent weder der Verantwortlichkeit zu entziehen, oder weil er di« Ereignisse voraussah, die sich in zwischen in Venezuela vollzogen haben. Hätte er diese voraussehen können, so wäre er lieber seinem Leiden erlegen, als sein Land zu ver lassen." * Hamburg. In Dahlenburg an der Oberelbe wurde der Bürgermeister Kampf verhaftet unter dem Verdacht, der Urheber zahlreicher in Dahlenburg und Umgebung seit mehreren Jahren stattgefundener Brände zu sein. * Oldenburg. Al» Mittwoch früh ein Automobil bei der Hoyerschen Brauerei einem Bierwagen begegnete, scheuten die Pferde, wo durch der Kutscher unter das Automobil ge schleudert wurde. Er wurde völlig zermalmt. Di« Deichsel de» Wagen» stieß in da» In nere der mit 20 Personen besetzten Automobils und verletzte einen der Insassen ziemlich schwer. Aus Stadt und Land. Naunhof, 7. Januar 1909. -s Zur Wetterlage. Fast auf dem ganzen Kontinente sind die Kältegrade ver schwunden, selbst in Rußland zeigt das Ther mometer über Null-Grad. Bei uns stieg cs im Laufe der letzten Tage auf mehr als sechs Grad und dazu sprühte ein leichter Regen hernieder. Der Bereich des nordöstlichen Tiefs erstreckte sich heute noch bis nach Sachsen herein, trotzdem das Barometer Hochstand, neigte die Wetterlage zu Niederschlägen. Es scheint, als ob das zentrale Hoch erneut an Ausdehnung gewinnt. Tritt die angekündigte Aenderung in der Verteilung des Druckes ein, so stehen Aufheiterung und Abkühlung in Aussicht. Das AuSscheidraltcr der fttchfische» BolkSschMllehrer au» dem Amte behandelt erst malig eine geuaue Zusammenstellung der stati stischen Hauptstelle de» Sächsischen Lehnrv«reins und führt zu folgendem Ergebnis: Im Jahr zehnt Michaeli» 1898 bi» dahin 1908 schieden durch Emeritierung 875 Lehrer aus dem Amte. Ihr Durchschnittsalter betrug 59 Jahre 4 Mon. In der gleichen Berichtszeit traten 48 Lehrer innen in den Ruhestand. Ihr Durchschnitts alter betrug 53 Jahre 5 Mon. Zusammen traten also 923 Lehrkräfte der sächsischen Volks schule in diesem Jahrzehnt in den Ruhestand mit einem Durchschnittsalter von 59 Jahren. Im letzten Berichtsjahre 1907/08 gingen 78 Lehrer und 5 Lehrerinnen in den Ruhestand. Ihr Durchschnittsalter betrug 60 Jahre I Mon. bezw. 54 Jahre 11 Mon. Durch den Tod schieden im verflossenen Jahrzehnt 694 Lehrer aus dem Amte. Da» Durchschnittsalter betrug 45 Jahre 6 Mon. Lehrerinnen schieden 23 in der gleichen BerichtSzeit aus. Ihr Durch schnittsalter betrug 41 Jahre 8 Mon. Das sind insgesamt 717 Slerbefälle mit einem Durchschnittsalter von 45 Jahren 4 Mon. Im letzten Berichtsjahre schieden durch Tod 76 Lehrer und 4 Lehrerinnen aus. Das Durch schnittsalter betrug 44 Jahre 6 Mon. bezw. 45 Jahre 6 Mon. Durch Emeritierung und Tod schieden im letzten Jahrzehnt 1569 Lehrer und 71 Lehrerinnen aus. Das Durchschnitts alter der Lehrer betrug 53. Jahre 2 Mon., das der Lehrerinnen 49 Jahre 7 Mon. Wenn im Hinblick auf diese Durchschnittsalter, deren Berechnung ausschließlich auf amtlichen Material beruht, ein möglichst früher Bezug des End- gehaltes gefordert wird, so ist dies wohl er klärlich. -f In der unterm 27. vorigen Monats stattgefundcnen Be zir ksa usschußii tzu ng wurde di^ Bestimmung, wonach Mehl nicht mehr in Säcken aufbewahrt werden darf, auf gehoben. Die Zahl der Inhaber de s eisernen Kreuzes 1. Klasse ist seit dem Jahre 1992 von 21 aus 11 zurückgegangen. Roch am Leben befinden sich die Generäle der Infanterie v. Mombö, v. Treilschke, v. Reyher, Wilhelm und Hans Erwin v. Minckwitz, General der Kavallerie v. Kirchbach, General leutnant Eduard Karl Georg Friedrich Kirch hoff, die Generalmajore Freiherr v. Friesen, Bartcky, Oberst von Engel, Oberstleutnant v. Wurmb. Sämtliche Herren sind aus dem aktiven Dienste geschieden, zuletzt General der Infanterie o. Treilschke ä I« saito des Schützcn-Rgts. Nr. 108 und kommandierender General de» 19. j2. K. S.) Armeekorps der am 22. April 1904 seinen Abschied nahm. -f-Die ältesten Zeitungen Sachsens. Inner halb des Königreichs Sachsen erscheinen mehr fach Tageszeitungen, die sich einer Lebens dauer von 100 Jahren und darüber zu er freuen haben. Unter den alten sächsischen Zeitungen steht die Leipziger Zeitung mit dein Jahrgang 1660 obenan. Das zweitälteste Blatt ist der Dresdener Anzeiger aus dem Jahre 1730, sodann folgen die Bautzener Nachrichten, die erstmalig 1780 auflagen und der Vogtländische Anzeiger und Tageblatt mit dem Jahre 1789. Ueber die 100 hinaus gehen noch die Zwickauer Zeitung und dos Meißner Tageblatt mit je 106, das Großen hainer Tageblatt mit 103, das Leipziger mit 102 und das Annaberger Wochenblatt mit 101 Jahren. Am 1. Januar 1909 war auch der Pirnaer Anzeiger 100 Jahr« alt. — Althen. ^Am frühen Morgen de» NeujahrStage« wurde bei Herrn Gutsbesitzer Hilbert, al» die Insassen bereits ihrer Arbeit nachgingen, ein Einbruch verübt. Der Dieb drang von der Straße au» durch ein Doppelfenster in die Stube ein, erbrach den Schreibtisch und erbeutete gegen 300 Mark bar. Zum Glück ließ er eine größere Summe Papiergeld un beachtet. — Wurzen. Buchführungskursu» für Landwirte. Jeder Kaufmann weiß den Wert einer geordneten Buchführung hoch zu schätzen, während man eine solche in landwirtschaft lichen Betrieben verhältnismäßig selten findet, obwohl die Vermögensobjekte in denselben oft recht bedeutend sind. Der landwirtfchaftliche Kreditverein im Königreiche Sachsen sucht des halb bas landwirtschaftliche Buchführungswesen zu heben, indem er au» den Mitteln der Mehnertstiftung jährlich 4000—5000 Mark zur Abhaltung von BuchführungSkursen an den landwirtschaftlichen Schulen spendet. Auch an der landwirtschaftlichen Kreirschule zu Wurzen wird nun zum 14. Male ein solcher Kursus abgehalten. An den bisherigen Kursen haben 176 Herren im Alter von 22—56 Jahren teilgenommen. Unterricht und For mulare sind frei, außerdem wird für die lOlägige Kursusdauer eine Auslösung von 25 Mark gewährt. Baldigste Anmeldung bei dem Direktor der landw. Kreisschule Prof. Dr. Weineck ist erwünscht. — Leipzig. Ein gemeiner Denunziant, der 30 Jahre alte Barbier Burckhardt aus Karlsruhe fand den verdienten Lohn. Er hatte unter dem Namen eines Barbiergehilfen E. der Kgl. Staatsanwaltschaft zwei Schreiben übersandt, in welchen er einen Barbier, dessen Geschäft er gepachtet hatic, beschuldigte, Ver sicherungsbeträge unterschlagen und Verbrechen nach § 218 St.-G.-B 's verübt zu haben. Das alles war falsch, und mit Rücksicht auf die bewiesene gemeine Gesinnung verurteilte ihn das Landgericht zu 1 Jahr 3 Monaten Zucht haus. — — Leipzig. Bekanntlich haben zwischen den Aerzten und den LebensversicherungSgesell- schaften nach langem Kampfe Verhandlungen stattgefunden, die jetzt für die beiden Parteien bindend geworden sind. Die Vertragsdauer ist eine zehnjährige. Die endgültige Festlegung des Vertrags erfolgt durch einen demnächst in Tätigkeit tretenden Ausschuß, dtr bis spätestens 1. Mai 1909 den Vertrag fertigzustellen hat. Für die verschiedenen Leben-versicherungSatteste sind bestimmt« Honorarsätze festgelegt worden. Bei Versicherungen bis zu 6000 Mk. werden für die vertrauensärztliche Untersuchung 12 M. bezahlt, bei Versicherungen über 6000 Mark 15 Mk. Bei hausärztlichen Attesten fällt der bisherige Staffeltarif von 5—10 Mk. fort, dafür tritt ein Einheitssatz von 7.50 Mk. ein. Bei sog. kleinen Attesten werden 6 Mk. bez«hlt. — Leipzig. Der Rückgang in der privaten Bautätigkeit in der Stadt Leipzig, der in den Jahren 1905 und 1906 begann, war in den beiden letztvergangenen Jahren noch größer al» bisher. Während in den Jahren 1904: 1129, 1905: 936, 1906: 886 Neu- und Anbauten fertiggestelll wurden, belief sich der«n Zahl im Jahre 1907 auf 752 und im Jahr« 1908 auf 724.1 Die Ursache dieses übrigens nicht nur in Leipzig, sondern allerorten beobachteten Rück ganges ist nicht mehr in der übermäßigen, mit den Bedürfnissen nicht SchrWhaltenben Bau tätigkeit der Jahre 1894 bi» W04 z» erblicken, sondern liegtmielmehr in der großenSckwierig- keit der Beschaffung von Baugeldern und der Erlangung von Hypotheken. — Leipzig. Bauernfänger! Ein hier zugereister Handlun-rgehilfe wurde nach einem Lokal der inneren Stadt verschleppt und ihm dort von zwei Unbekannten im Kümmel- blättchenspiel seine Barschaft in Höhe von 75 Mk. abgenommen, worauf die Gauner verschwanden. Einer von ihnen war etwa 24 Jahre alt, übermittelgroß, schlank, hat hageres Gesicht und blonden Schnurrbart; sein Komplize etwa 30 Jahre alt, mittelgroß, breitschulterig und hat dunklen Schnurrbart. — Taucha. In einer hiesigen größeren Werkstelle hatte ein Geselle B aus Leipzig co. 60 Pfd. Löthzinn gestohlen und nach Leipzig verschleppt. Auf Ersuchen der hiesigen Polizei wurde am Sylvefteraber.d eine Durchsuchung der Wohnung vorgenommen und Diebesgut vorgefunden. Die Verhaftung des Diebe» er folgte und verdarb dem ungetreuen Gesellen die Syloesterfeier. — Etwa fünfzig Bahnarbeiter in Schneide- mühl sind des Diebstahl» aus Eisenbahngütern verdächtig. Sie haben Spiritus, Eßmaren, Getränke, Toiletten-, Waschseifen und andere Gegenstände gestohlen, von welchen große Vorräte beschlagnahmt wurden. Ertappt wur den mehrere Diebe dabei, wie sie ein Spiritus faß an bohrten. X Halle a. S. Am letztverstossenen 1. Dezember ist an der Pauluskirche ein« dritte Psarrerstelle begründet worden. Auf deren Aurschreibung haben sich 112 Geistliche aus fast allen preußischen Provinzen und dem Auslande gemeldet. Fünf sind von: Ge meindekirchenrat zu Gastpredigten aufgefordert worden. In der ersten Hälfte des Februar wird die Wahi durch die kirchlichen Körper schaften stattfinden. X Eine Submissionsblüte, die geradezu als erstaunlich genannt werden muß, hat sich in Gera bei der Eröffnung d«r Bewerbungen uni die Glaserarbeiten für die neue Kaserne ergeben. Die Arbeiten sind in 4 Lose geteilt. Bei Lor I verlangt al» mindestfordernde Firma K. in Greiz 3986 Mark und al» höchstfordernd die Firma R- in Erfurt 17 813 Mark, also den fast vierundeinhalbmal so hohen Betrag! Bei Los 2 ist die niedrigste Forderung 7954 Mk., die höchste Forderung 15 723 Mark, bei Los 3 die niedrigste Forderung 3156 Mark und die höchste Forderung 6165 Mark^ bei Los 4 die niedrigste Forderung 2381 Mk. und die höchste Forderung 5272 Mark. / Auch in den drei letzten Losen sind die beiden Griizer und Erfurter Firmen die niedrigsten und höchst fordernden Bewerber wie bei Los 1. Die übrigen 11 Bewerber find mit ihren Preisen 90 bis 250 Prozent höher als die Greizer Firma. Die Ueberz«tg«ng daß die Eltern ihren Kindern yicht» Bessere» ins Leben mitgeben können, als eine gute Erziehung und eine gute Schulbildung bricht sich immer mehr Bahn. . Darum wächst auch die Zahl der Städte, die,, wenn auch unter schweren Opfern, höhere Schulen einrichten, und die BesuchSziffer dieser Schulen steigt von Jahr zu Jahr. Man sieht eben immer deut- Im GtfenschlHchen. Roman von Margarete Bronstein. 23 Und da er widersprechen wollte, setzte sie schnell hinzu: „Sie meinen wohl, die Eitelkeit sei meine Triebfeder gewesen?" „Nicht Eitelkeit, aber die natürliche Freude an Ihrem Er folge. Und rechnen Sie es für nichts, daß Sie Ihre Existenz verdienen, Ihren Vater erhalten, ohne Sorgen leben können? Ihre Auffassung erscheint mir überspannt." „Verzeihen Sie mein offenes Wort, aber es schmerzt mich, einen solchen Zwiespalt in Ihnen zu entdecken, der Sie mit der Zeit unglücklich machen und Ihnen die Befriedigung mit Ihrem Berufe nehmen muß." Sie sah eine Weile still vor sich hin. Die Wärme und In nigkeit seines Tones bewegte ihr Herz unbeschreiblich. „Im Greifensteinschen Hause wäre mir der Gedanke an eine Stel lung, wie sie Ihnen jetzt für mich erfreulich erscheint, beinahe als ein Unrecht vorgekommen. Man nannte mich gleichwohl dort in Rastenbeck bis zuletzt das Komödiantenkind, zu Grei fensteins Entsetzen. Hätte ich es nur selbst nicht zu vergessen gesucht. Die Strafe kam bald und liegt noch auf mir." Sie hielt ihm die Hand hin, ein schwermütiges Lächeln irrte am ihren Mund. „Seien Sie nicht böse! Aber ich kenne ja die allgemein verbreiteten Ansichten. Wer traut einem jungen Mäd chen zu, bei den: Beifallsklatschen des Publikums gleichgültig zu bleiben. Wer setzt bei ihr hinreichend klaren, nüchternen Blick voraus, um den schwankenden Boden zu erkennen, auf dem sol ches Wohlgefallen ruht. Tritt morgen eine andere auf, die mich mit mehr Geschick nachahmt, so bin ich vergessen und abge tan. Und dann geht die alte Sorge für die Zukunft und die ge genwärtige Not wieder an, bis uh etwas anderes gefunden habe. Denn," Ellenbach sah eine leichte Röte ihr Antlitz über ziehen, „für das gewöhnliche Leben meiner Berufsgenossinnen hat mich die einmal erhaltene Erziehung denn doch verdorben. Ich kann mich nicht fallen lassen, ich mache Ansprüche an mich selbst und kann es nun einmal nicht vergessen, daß ich einst an ders gelebt und gedacht habe, wie man in Ihrem Stande lebt und denkt. Und der stete Drang, das festzuhalten, verläßt mich nicht. Ich verstehe dann meinen Großvater, der seiner Toch ter verzeihen konnte, nicht aber dem Manne, der sie zu solchem Leben herunlergezogen; ich fühle mich seiner Familie zugehö rig, und es schaudert mich vor allem, was mich an den Schmutz des Lebens erinnert." Sie sah auf und ihre Augen begegneten seinem ans sie gehef teten Blick. Ellenbach war es, als sinke ein Schleier nach dem anderen nieder, der die Sennortta bisher verhüllt. Sein Herz pochte leidenschaftlich, er achtete ihrer Worte kaum, seine Au gen hingen wie festgebannt an ihren Zügen, dem wechselvol len Ausdruck ihres reizenden Gesichtes, das ihm noch meso be zaubernd, so hinreißend schön erschienen mar. Sie sagte ihm nichts Neues, aber wie sie es sagte, das entzückte ihn. Sie er kannte ihm heute eine andere Stellung zu, eine besondere, und er bedurfte seiner ganzen Selbstbeherrschung, um seine äußere Ruhe zu wahren, sie nicht zu erschrecken und das kaum er wachte Vertrauen wieder zu verscheuchen. Die Arme fest über die Brust verschränkt, saß er vor ihr. 4 „Sie übertreiben, Nelly. Es gibt auch in Ihrem Kreise, wie in jedem Künstlerberufe .. Sie hob hastig die Hand, indes ihre Augen aufblitzten und ihr Kopf sich stolz hob. „Das ist die andere Sette, die ich gut kenne und fühle. O, ich weiß, es lebt etwas in mir, das über all den anerzogenen und ererbten Formen steht. Es gibt Stun den, wo ich darüber lachen kann und mir sage, kein Lehrer und keine Schule der ganzen Welt hätte mich das lehren, mir das geben können, was in mir liegt und mich beglückt. Sie mit Ih rem Studium, Ihrer Arbeit zum Besten des Staates oder der guten Bürger, die sich Ihren Anordnungen gern oder ungern fugen, kennen das Wogen und Wallen nicht, das im Künstler blüte steckt. Urteilen Sie aber nicht nach der schwachen Flamme meiner Künstlerschaft, die Ihr Auge trifft: die Hauptsache ist, was sie nährt! Und das könnte und möchte ich nicht eintauschen für alles ruhige Glück der Welt. Es steht hoch darüber, es hebt und trägt uns empor, es ist etwas Großes, Göttliches!" Sie sah mit begeistertem Blick empor. Aber dann kam ein unruhiger Schein in ihre Augen und ein Schatten flog über ihr soeben noch strahlendes Antlitz. Langsam entfaltete,sie oieHände und blickte darauf nieder. DieFalte zwischen ihren Brauen ver tiefte sich, der Zug um ihren Mund ward schärfer und strenger. ! Sie lehnte sich gegen den Tisch, und die Blumen in dem Kelch glase zitterten leise. .Daß ich mich so selbst zu beachten verstehe und meine Empfindungen so zergliedere, verdanke ich wieder nur der Er ziehung, der ich durch mein törichtes Geschwätz keine Ehre mache. Ohne jene lebe ich vergnügt und unbefangen dahin, mache meine Sprünge, wäre vielleicht Seiltänzerin, Kunstrei terin oder so etwas, nnd keinerlei Bedenken beunruhigten mich. So lauge ich Kräfte und Gewandtheit besäße, spränge oder ritte ich und irgend ein barmherziger Unfall machte meinem fo ungemein nützlichen und für die Welt so wichtigen Dasein ein Ende. Dann stände mein Tod mit ein paar bedauernden Wor ten in der Zeitung und es wäre weiter nichts, als daß ein klei nes Geschöpf das Leben glücklich überwanden hätte. Stattdessen sitze ich da und quäle mich, weil ich das Häßliche rings um mich her empfinde, grabe nach versunkener Schönheit, nach deren Anblick ich mich sehne und warte auf den barmherzigen Zufall, der.. der .." Einzelne Tränen rollten über ihr« Wangen. Ellenbach war aufgesprungen und hatte ihre Hände ergriffen. „Nelly, Nelly, wohin verirren sich Ihre Gedanken ?" Mit Mühe hielt er sich zurück, sie an seittejBrust zu reißen, sie dort zu bergen. Seine Teilnahme fiel auf ihre Erregung wie warmer Re gen auf trockenes Erdreich: sie wurde ruhiger und das Ent setzen in seinen Augen brachte sie zu sich. „Für jemanden, der die Wege kennt, ist es kein Verirren. Labyrinthe sind, wie Sir wissen, nur Fremden, Uneingeweihten gefährlich." „Mir ist der Gedanke vertraut, erschreckt mich nicht. Aber seien Sie gewiß, ich werde nie etwas tun, mich Ihres Ge denkens unwert zu machen.Aus einen barmherzigen Zufall hoffen, ist doch kein Unrecht, oder doch? Nun, sagen wir statt dessen: darauf vorbereitet sein." Gesicht und Stimme waren wieder ganz ruhig, und lächelnd blickte sie an ihm vorbei durch das Fenster auf vorüberfliegende Tauben, deren weiße Flügel im Sonnenlichte schimmerten. Er setzte sich wieder und stützte die Stirne mit der Hand. „Sprechen Sie nicht so. Ich kann eS nicht ertragen, Sie so hoff nungslos in die Zukunft blicken zu sehen." Sie schüttelte oen Kopf, daß die krausen Locken zitterten. „Wie könnte es anders sein ? Für das Leben bin ich unbrauch bar, halb, unfertig . „Sie sind so jung, daß Sie alles nachholen und sich ver schaffen können, was die Ungunst des Geschicks verhindert." Ellenbach sah Nelly mit einem Blick, einen, Lächeln an, die ihr sagten, er meine es ernst, er selbst glaube daran. 153,20
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