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Erzgebirgischer Volksfreund : 03.08.1934
- Erscheinungsdatum
- 1934-08-03
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735709689-193408038
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735709689-19340803
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735709689-19340803
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungErzgebirgischer Volksfreund
- Jahr1934
- Monat1934-08
- Tag1934-08-03
- Monat1934-08
- Jahr1934
- Titel
- Erzgebirgischer Volksfreund : 03.08.1934
- Autor
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»Christa wird vermißt/ sagte Grude tonlos und hob oa- entfärbte Gesicht zu ihm ans. „Montrey hat mit ihr die Uebersahrt auf dem „Moltke" gemacht und ist seit gestern nacht zurück. Die Christa fehlt." Wellenberg mutzte sich in einen Stuhl setzen, so zitter« ken ihm plötzlich die Knie. Dann ritz er sich wieder zu« sammen. „Das hat natürlich gar nichts zu sagen — ich meine, daß Montrey schon zurück ist und meine Schwester noch nicht." Er mutzte unbedingt seine Nerven be ruhigen, nahm eine Zigarette aus dem Behälter und reichte ihn dann Grude hinüber. „Ich habe eS gelesen, -ah der „Moltke" gesunken ist. Es stand auch m den Telegrammen angeschlagen. Aber ich wußte nicht, daß Christa Passagier darauf war." Er zog den Rauch nach denklich ein und ließ ihn langsam zwischen den festen weißen Zähnen wieder heransströmen. „Montrey sagt, Christa sei von einem Rettungsboot ausgenommen worden." „Hat Montrey gesehen, daß Christa wirklich in einem Ler Boote war?" Grude sah ihn entgeistert an. „Du nimmst mir iede Hoffnung!" „Durchaus nicht. Ich will nur eine Gewißheit haben, Lie wenigstens einigermaßen eine Gewißheit ist." Wellenberg blieb vor Grude stehen und sah auf dessen gesenkten Kopf. „Was hat daS für einen Zweck, wenn du dich fetzt derart erregst! AIS Arzt braucht man seine Nerven. Du darfst dich ebensowenig gehen lassen, wie ich. Wir müssen eben abwarten." „Warten! Warten!" schrie Grude. „Immer wieder warten! Wißt ihr denn sonst nichts? Als ob ich damit Ruhe finden könnte! Als ob mir damit geholfen wäre! AIS ob mir das auch nur eine Minute Schlaf brächte!" Wellenberg erschrak über diesen unerwarteten Aus- Lrnch. „Der Schlaf kommt ganz von selbst, mein Lieber. Man macht einfach die Augen zu —" „Und nimmt eine tüchtige Dosts Morphium!" Wellenbergs Faust schlug auf die Platte des Tisches. „Und wenn dann die Christa kommt?" „Glaubst du noch, daß sie zurttckkommt, Rolf?" Grudes Gesicht war zwar leichenblaß, aber doch wieder von einem Hoffen erhellt. Mit fragenden Augen sah er zu dem Schwager aus. „Ja, das glaube ich." „Dann will ich also warten, Rolf." „Ja, mein Alter? Er reichte ihm die Hand. „Du vergißt, Felix, daß du nicht der einzige bist, der sich um Christa sorgt. Da sind die Eltern, da ist Madien, da bin ich —" Grude nickte. „Dn mußt entschuldigen, daß ich mich gehen ließ. Aber ich liebe sie über alle Maßen." Wellenbergs Augen glänzten. „Sie ist eS wert, Felitsche! Und ihr paßt gut zueinander. Ihr werdet sehr glücklich sein? Er legte, wie beruhigend, sie,Rechte- ans feine Schulter. Morgen vielleicht schön bist du ge nau in demselben Grade glücklich, wie dn heute unglück lich bist. Aber ich will heute abend noch zn den Eltern fahren und sie trösten. Wenn es um die Madien ginge, hätte ich weniger Bange." Auf Grudes verwunderten Blick gestand er: „Sie ist anders. Wir verstehen uns weniger. Sie ist auch viel jünger als ich. — Und mir liegen nun einmal die burschikosen Frauen nicht. Selbst wenn es die eigene Schwester ist, stoßen sie mich ab. In Christa war alles weiche Erde. Madien aber ist ein Kiesel, der gleich Funken gibt." Grude nickte nur und preßte Wellenbergs Hand. Wenige Minuten später fuhr sein Wagen in eiligstem Tempo der Stadt zu. An dem Tage, an dein von Calais die Nachricht ein traf, daß man nun — es waren beinahe sechs Wochen seit dem Untergang des „Moltke" verflossen — mit einer Auffindung der fehlenden Passagiere nicht mehr rechnen dürfe, trug man den Geheimrat Wellenberg zu Grabe. Er war tags zuvor von Hamburg gekommen und batte so etwas wie ein scheues Hoffen mitgebracht. Auf Ler Reederei hatte man ihm nämlich gesagt, eS wäre schon mehrmals -er Fall gewesen, das von Schiff, brüchigen noch nach Monaten Nachricht eingetroffe» sei, wenn daS Rettungsboot, wie zum Beispiel «ach dem Untergang der „Grönland", auf irgendeine Insel ver- schlagen wurde, von der ans cs keine Verbindung gab. Und mit diesem winzigen, aber immerhin lebendigen Hoffen, hatte der Geheimrat seine letzte große Reife an getreten. Er war am Morgen ein bißchen unpäßlich ge« wesen, hatte sich wieder zu Bett gelegt und es sich streng, stens verbeten, daß man Sohn oder Schwiegersohn zu Rate ziehe. Es wäre lächerlich, wegen des kleinen „Schwindels," batte er sagen wollen und hatte sich zur Seite gedreht und die Augen nicht mehr geöffnet. Nun schritt die Familie hinter feinem Sarge. DaS Haar der Geheimrätin leuchtete schneeweiß unter dem Schleier hervor. Der Sohn hatte ihr den Arm geboten, auf der anderen Seite führte Madien'die Mutter. Grude ging neben Montrey und verspürte taufend Nadeln in seinem Gehirn bohren. Bor sich sah er Mad- lens knabenhafte Gestalt. Ihr Schritt wippte. Gott, dachte er, senkte das Gesicht und hob eS wieder, nm den Blick neuerdings auf ihr ruhen zu lassen. Christa war größer gewesen und zart und frauenhafter. Alles, was an ihr in Erscheinung getreten war, hatte Schmiegsam- keit und Weiche verraten. Er sah über die junge Schwägerin hinweg nach deu Trauerkränzen, die in der Mittagssonne schon zu wel> ken begannen. Die Schleifen schaukelten, dre Inschriften glänzten golden auf. Er hörte kaum, daß am Grabe gesprochen wurde und erschrak, als Montrey ihm die Hand auf die Schulter legte. „Ich möchte mich ver abschieden, Felix? Rolf Wellenberg brachte Mutter und Schwester nach Hause. Die Geheimrätin mußte sofort zu Bett gehen. Er saß noch eine Weile bei ihr und hielt ihre Finger zwischen den seinen. Mit dem ihm eigenen gleich mäßigen Tonfall, den alle seine Patienten so wohltuend empfanden, tröstete er sie in den Schlaf. — Auf dem Gang traf er Madien, die ihn aus verwein ten Augen ansah. „Wird das nun immer so fortgehen bei uns?" Sie tat ihm leid. „Es kommen auch wieder andere Tage," begütigte er. „Du mußt jetzt der Mama eine Stütze sein, mußt immer denken, wie würde es Christa machen, wenn sie da wäre?" „Mein Gott, immer sie," weinte Madien auf. „Wenn ich ertrunken wäre, kein Mensch hätte sich groß darüber aufgeregt." „Madlen!" Sie stieß seine Hand, die er unter ihr Kinn geschoben hatte, zurück. „Du bist genau so, wie die anderen: Christa! Christa! Und wieder Christa! — Warum habt ihr sie überhaupt fortgelassen, wenn sie euer Alles war?" „Schweig!" befahl der Bruder und umspannte ihr Handgelenk, daß sie zornig aufschrie. „Schäm' dich!" „Nein! — Schämt ihr euch! Immer wurde ich zurück gesetzt! Immer stand sie im Vordergrund! Immer wurde sie bevorzugt! Immer —" „Ich hätte nie gedacht, daß du so schlecht sein könntest!" „Schlecht? Das kannst du ja noch erleben, daß ich schlecht werde!" Ein krampfartiges Weinen schüttelte ihren Körper, daß sie an der Mauer Halt suchen mußte. Nun war es wieder Mitleid, das er mit ihr empfand. Er legte de» Arm um sie und zog sie in den Raum, den früher Christa bewohnt hatte. „Sei doch vernünftig!" bat er, drückte sie auf einen Stuhl, setzte sich neben sie und legte ihren Kopf be- schnnchtigend gegen seine Schulter. „Sei doch vernünftig! Das ist ja alles gar nicht wahr, was du da sagst, Madl! Das hast du dir alles nur eingebildet!" DSSMäLchell wurbi^rüMek uüb' sah Len Bruder ar«. »Jeder hat um sie geworben." „Jeder?" — Er versuchte ein Lächeln. „Grude war der einzige. Neidest du ihr etwa seine Liebe?" Sie er widerte nicht- und wollte aufsteherr. „Sag', Madlen!" „Ach!" „Glaub' mir, Kind," tröstete er, „auch für -ich kommt einmal die Stunde, da ein Mann von seiner Liebe zu dir sprechen wird. Du wirst -och neunzeh» Jahre, Madlen." Er fuhr liebkosend über ihr Blondhaar. Sie weinte leise vor sich hin. „Jetzt, wo Papa tot ist, gibt eS noch viel weniger Gelegenheit. Wir müssen unS sicher mehr etnschränken." Ihre HilfloMkeit stimmte ihn weich. „Ich bin doch auch noch da. WaS nicht von MamaS Pension bestritten werben kann, daS lege ich drauf. Ich gebe dir monatlich ein Taschengeld, sagen wir hundert Schilling. Davon kaufst du dir, was du gerne haben möchtest — ja, Madlen?" Ihre Arme legten sich uw seinen Hals. „Warum seid ihr alle so gut? Du, Christa, die Mama, Montrey — nur ich, warum bin ich so schlecht, Rolf?" „Bist dn denn schlecht?" fragte er erschrocken. Immer hatte er geglaubt, sie ganz genau zu kennen. „Wir können »licht alle gleich sein, Kind," lächelte er. „Viel leicht bist du besser, als wir alle." „Nein! — Ich habe dir ja gesagt, -atz ich schlecht bin. Und ich bin'S auch! — Schlag' mich doch nieder, Rolf!" Er versuchte sie zu halten, aber sie lag schon vor ihm auf den Knien. „Ich bin die einzige, die sich freut, daß Christa nicht wiederkommt? „Madlen! „Weil," wimmerte sie. „Sprich!" „Weil ich Felix liebe." Ihr Kopf schlug gegen seine Knie, die Achseln zuckten, ihr ganzer Körper krümmte sich unter der Scham. In Wellenberg hallten ihre Worte nach wie ein Donnerschlag. Blitzartig hatte dieses GeställdniS de»» letzten Winkel ihrer Seele beleuchtet. Madlen richtete sich langsam auf. „Dl» verdammst mich?" Er strich ihren verwirrten Scheitel entlang. „Be trachtest du es als Schuld?" Sie nickte. „Weiß Grude?" „Nein." „Wir können uns schuldig fühlen und eS doch nicht sein!" meinte der Bruder. „Nur weil wir lieben, Mad len, deshalb sind wir noch nicht schlecht. Man muß nur die Kraft haben, diese Liebe in sich niederzuringe»»." „Das kann ich aber nicht, Rolf!" „Das darfst du nicht sagen. Es gibt kein „ich kann nicht!" Denke dir, Felix wäre schon verheiratet, dann bliebe er dir auch unerreichbar. Und steh, Madlen," Rolf zögerte etwas, „er paßt nicht zn dir! Glaube mir — er paßt wirklich nicht! Ihr würdet euch wund an einander schlagen? Und ganz erfüllt, ihr das Entsagen zu erleichtere zergliederte er Grudes Psyche, die er kannte, wie kein zweiter. „Ihm wird alles zur Not, Madlen! Was einem anderen kaum die Haut ritzt, da- geht bei ihm in die Tiefe. Was d»» nach einer Stunde chon wieder vergessen hast, das spinnt er des Nachts in einen Träumen fort und zerfasert es noch anderntags, »m Wranszuklügeln, wie cs gemeint war. Du, würdest »Hy nie begreifen. Er ist eiste ganz' andere Wesensart wie du? „Und die Christa?" „Die war von seiner Art! Ein Teil seines Selbst. Jede Regung seiner Seele griff wie eine Welle auf sie über und zog dort ihre Kreise weiter. Sie brauchte ihn nur anzusehen, der kleinste Druck, der auf ihm lag, teilte sich ihr mit. Darum liebte er sie auch über alles. Weil sie eben ganz eins war mit ihm." Madlen begann zn weinen. „Armes Kind!" Rolf grübelte nach, was er ihr Lieber tun könnte. Nun auch der Vater nicht mehr war, blieben sie und die Mutter die einzigen, die ihm nahe standen. „Wie wäre es, Madlen, wenn du für einige Zeit zu mir kämst? Es ist doch immerhin eine Ab lenkung." „Ich kann doch die Mama nicht allein lassen." „Die Mama schicken wir für einige Wochen in eil» Bad. Sie hat es wirklich nötig und ist schon so lange nicht mehr auf Reisen gewesen. — Willst du, Madlen?" (Fortsetzung folgt.) Ei« Berliner Ausstellung „Sommerblumen am Fnnlturm". Ein Bild aus der grüßten Blumenschau, die die Reichs hauptstadt je gesehen hat. Die Ausstellung hält 5 Wochen lang ihre Pforten geöffnet. Der Entwurf eines Denkmals, das al» 5 Meter hoher Granitpfeiler für da» deutsche U-Boot U E 57 in Hamn«- kär in Finnland errichtet wurde und am 12. August enthüllt werden solle. Da» U-Boot hatte Teil an Finnland» FreiheitSkampf, indem, e» finnländische Jäger, die in Deutsch land ausgebildet worden wären, sbwie Waffen nach Finnland brachte. Seit der Erfüllung diese» Auftrage» blieb «» verschollen. Deranlworlttck iür den Tert: Sauptschrtitleiter Sam» Oden Au«. - Verantwortlich iür dl, Anzetaen: Albert Georgi Zschorlau. - Druck u. Derlag: L. M. Gärtner Aue. D. A. 1. Di. 34: 4VÜ0 lb ar g« g° Le S h« m stl VI Ir kr R kc F m L di st ir ei m b> R u Li ei m i» ei tu be V W de da li s-i di fi - de Li di G d« D m B rc sr R P de w B se A M Kl rr ar be so
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