100 Neuerscheinungen zur Dresden-Literatur Götz Bergander Dresden im Luftkrieg. Vorgeschichte — Zerstörung — Folgen Böhlau Verlag Weimar, Köln, Wien, 1994. 435 Seiten, 44,- DM Dies ist kein Buch, das man gelassen lesen wird, doch es ist ein nützliches. Es kann nun erst, in seiner zweiten, erweiterten Auflage dort erscheinen, wo es hingehört. Es handelt von den Ereignissen zwischen dem ersten Fliegeralarm am 28./29. August 1940 und dem letzten Großangriff vom 17. April 1945. Es beschreibt den Untergang der alten Stadt und nennt ihn eine der »Jahrhundertkatastrophen«. Vieles hat der Verfasser als sechzehnjähriger Flakhelfer und als Siebzehnjähriger, der im Luftschutzkeller überlebt hat, erfahren, das meiste aus einer Fülle von Archivmaterialien, Berichten, Literatur recherchiert. So verbinden sich die trauma tischen Erlebnisse der Jugend mit dem Willen, die Wahrheit zu suchen. Sein Diskurs ist frei von Emotionen, geschweige Sentimentalitäten. Er schreibt als Historiker. Doch eben jene Sachlichkeit schafft eine Spannung, die noch in den 60 Seiten der Anmerkungen zu spüren ist, in den Tabellen, den Skizzen und vor allem den bislang kaum bekannten Fotos. - Ich sehe das Luftbild vom 7. Oktober 1944; es ist 12.35 Uhr: Die bislang unberührte Stadt. Nun Rauchpilze am Verschiebebahnhof Friedrichstadt; ich sehe die Sedanstraße, die Techni sche Hochschule. Das Haus, in dem meine Mutter im Keller zitterte, ist vom weißen Rauchmarkierer überdeckt. Er führt über den Hauptbahnhof und geht etwa an der Annen- straße nieder. In wenigen Sekunden werden 270 Menschen sterben. - Das war der Anfang vom Ende. Ich habe dieses Buch in einem Zug gelesen und weiß, daß ich mich ihm anvertrauen kann: Nicht mehr allein David Irving »Der Untergang Dresdens«; auch dies genau und stilistisch noch wirkungsvoller. Doch Irving wurde ein widerlicher Apologet von Faschismus und Auschwitzlüge und hat sich als Historiker damit selbst zurückgenommen. Sachlich überholt ist auch der redlichere Versuch von Axel Rodenberger, mit journalistischen Mitteln - leider oft kolportagehaft und sachlich vielfach falsch — den »Tod von Dresden« 1951 einer Welt öffentlichkeit ins Bewußtsein zu bringen. Entbehrlich wird Walter Weidauers »Inferno Dres den« vor allem dort sein, wo es eine zänkische und rechthaberische Propagandaschrift des Kalten Krieges ist, und von Max Seydewitz’ »Zerstörung und Wiederaufbau von Dresden« bleiben wohl nur die Berichte der Betroffenen. Unsäglich sind jene zahlreichen kompilieren den Darstellungen, die den Luftkrieg im frisch-fröhlichen Stil der Kriegsberichterstatter noch einmal gewinnen oder verlieren und sich dabei auf Abschüsse und Tapferkeitsauszeichnun gen konzentrieren - als ob es um Ritterkreuze oder Victoria Crosses gehen kann, wo Frauen und Kinder sich dem Tod mit ebensoviel Furcht und Tapferkeit zu stellen hatten wie die Bomberbesatzungen und die Jagdflieger. (Franz Kurowski, »Der Luftkrieg über Deutsch-