B E RLIN i n So Jan r e n Perspektiven einer eltstadt Vo n Karl Scheffle r V or dem Krieg suchten Realuto pisten zu beweisen, daß Berlin in wenigen Jahrzehnten zwölf Millionen Einwohner haben würde. Straßen, die von hohen Stockwerkhäusern gesäumt werden sollten, waren kilometerweit schon abgesteckt, waren zum Teil schon asphaltiert und kanalisiert. Allen schien es, als würde die Stadt weiterwachsen wie seit der Reichsgründung. Jetzt, nach der Katastrophe des Krieges, sieht es anders aus. Nicht nur in Berlin, sondern überall. Eine anders geartete Entwick lung setzt in allen Großstädten ein. Sie mag in Berlin noch verzögert werden, weil es in Deutschland an Geld und wirt schaftlicher Bewegungsfreiheit fehlt; ganz unterdrückt kann sie aber selbst von den unnatürlichen Verhältnissen unserer Wirtschaft nicht werden. Das Großstadtproblem hat in ganz Europa, und auch in Amerika, mit denselben Ur sachen und Wirklingen zu rechnen. Was sich grundsätzlich geändert hat, ist dieses: die Entwicklung zielt nicht län ger auf Zusammenballung ab, nicht auf eine Hypertrophie auf Kosten des Lan des und der Kleinstadt, sondern es geht die Tendenz unverkennbar dahin, die Großstädte aufzulockern, den Geist der Stadt aufs Land hinauszutragen, Stadt und Land zur Einheit zu machen und die ganze Landschaft gewissermaßen in eine aufgelöste Großstadt zu verwan deln. Die jungen Architekten inter essieren sich nicht so sehr für Stadt erweiterungspläne, als vielmehr für Ge- neralsiedelungspläne, wodurch ganze Länder und Provinzen regionenweise aufgeteilt werden. Die Neigung der In dustrie, die Großstadt zu verlassen und ihre Arbeiter und Beamten neben den Fabriken auf dem Lande anzusiedeln, die zugleich machtvoll einsetzende Sied lungsbewegung, die im Gegensatz zur Landflucht auf einer bestimmten Art von Stadtflucht beruht, die sich langsam ver wirklichenden Bestrebungen, dem Ar beiter so viel Land zu überlassen, daß er zur Not in Zeiten der Arbeitslosig keit von dem Ertrag leben kann, die konsequente Aufteilung der großen Güter in Kleinbauerstellen, die Demo kratisierung der Landbevölkerung, die 48