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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 10.08.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-08-10
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189008105
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18900810
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18900810
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Bemerkung
- Fehlende Seiten in der Vorlage.
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungFreiberger Anzeiger und Tageblatt
- Jahr1890
- Monat1890-08
- Tag1890-08-10
- Monat1890-08
- Jahr1890
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 10.08.1890
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1»4. Freiberger Anzeiger und Tageblatt. Seite 2. Wahlkampfe hervorgehen würde. Dieser Kampf mußte auch vom politischen Standpunkte für bedeutsam erachtet werden, weil die Kandidatur des Triestiners Barzilai einen Protest gegen die unlängst in Oesterreich angeordnete Aufhebung des italie nischen Schulvereins „Pro Patria" darstellen sollte. Bei der Wahl erhielt Antonelli 1715, Barzilai 1565, Ricciotti Garibaldi 535 Stimmen. Es muß ein zweiter Wahlgang stattfinden, dessen Ergebniß sich nicht mit Bestimmtheit vorhersehen läßt, obgleich Ricciotti Garibaldi seine Anhänger auffordert, für Barzilai zu stimmen. Vielmehr wird es darauf ankommen, ob die Wähler das nächste Mal zahlreicher erscheinen, um für Antonelli zu stimmen. Frankreich hat für einige Monate Ruhe, um sich aus schließlich mit einigen sensationellen Schwurgerichtsprozcffen, interessanten Mördern und Mörderinnen beschäftigen zu könne». Die Ässion der Kammer ist am Donnerstag geschloffen worden, nachdem sich Senat und Kammer noch über das Gesetz betreffs der direkten Steuern geeinigt. Der „Figaro" stellt den schei denden Abgeordneten das Zeugniß aus, daß es ihnen nicht an gutem Willen gefehlt habe, daß sie aber ihr Dasein durch keine einzige besonders bemerkenswerthe Handlung bekundet hätten. Die erläuternden und viel begehrten Reformen seien in der Luft hängen geblieben, so die Beschränkung der Arbeitszeit, die Arbeiterversorgungskaffen, die gleichmäßige Vertheilung der Steuerlasten u. s. w. Nach dem „Rappel" gilt es fast für sicher, daß die Kammern schon um den 15. Oktober wieder zu sammentreten, da sie noch das Budget vor Ende des Jahres zu erledigen und die wichtigsten Vorlagen zu erledigen haben, um so im Beginn des nächsten Jahres die große Arbeit der Feststellung des allgemeinen Zolltarifs in Angriff nehmen zu können. Dazu komme noch der Umstand, daß im Januar 1891 die Drittelerneuerung des Senats stattfindet, und daß die 80 Senatoren, welche sich einer Neuwahl zu unterziehen haben, in der zweiten Hälfte des Dezember in ihre Departements zurückkehren werden, um ihre Wiederwahl vorzubereiten. Da die Regierung unmöglich die Budgetberathung im Senat vor einem zur Hälfte gefüllten Hause durchführen lassen wolle, so werde sie das Parlament frühzeitig einberufen, um das Budget für 1891 noch vor dem 15. Dezember erledigt zu sehen. Beunruhigend klingen die Nachrichten aus Spanien. Dort hat, jedenfalls in Folge der unmenschlichen Hitze der letzten Tage, die Choleraepidemie bedeutend an Ausdehnung gewonnen. Aus der Provinz Valencia ist die bösartige Krankheit bis in die Provinzen Toledo und Almeria vorgedrungen, und auch in Madrid sind vereinzelte Erkrankungsfälle festgestellt worden. Frankreich hat infolgedessen seine Vorsichtsmaßregeln vermehrt und auch Portugal sucht sich durch energische Vorkehrungen zu schützen. Der beste Schutz freilich wäre eine kühlere Witterung. Zu einer bemerkenswerthe» Auslassung des Kaisers von Russland hat das in diesen Tagen stattgehabte fünfzigjährige Osfiziersjubiläum des russischen Kriegsministers Wannowski Veranlassung gegeben. Ein sehr gnädiges Handschreiben des Zaren an den Minister enthielt u. A. die folgende Stelle: „Unser Vaterland bedarf zweifellos einer starken und wohlor- ganisirten Armee, welche auf der Höhe der zeitgenössischen Ent wickelung des Militärwesens steht; jedoch nicht für Zwecke des Angriffs, sondern einzig zur Wahrung der Integrität und Ehre des russischen Staates. Die unschätzbaren Güter des Friedens schützend, welche ich mit Gottes Hilfe Rußland »och lange zu erhalten hoffe, sollen die Wehrkräfte des Landes sich in gleicher Weise entwickeln und vervollkommnen, wie die anderen Zweige des Staatslebens, ohne die Grenzen der Mittel zu überschreiten, welche die wachsende Bevölkerung und die sich bessernden öko nomischen Verhältnisse des Staates gewähren." Man wird aus dem Schreiben des Zaren gewiß allseitig mit Genugthuung entnehmen, daß nach dem Willen dieses Herrschers die Ausgestal tung der russischen Wehrkraft ganz in demselben Geiste und mit derselben Zurückhaltung der vorhandenen Mittel erfolgt, wie im deutschen Reiche und in den mit demselben zur Auf rechterhaltung des Friedens Verbündeten Ländern. Wie sich der Ausdruck der friedlichen Gesinnung des Zaren freilich mit den fortwährenden Kriegshetzereien ver panslavistischen Presse verträgt? Erkläret mir, Graf Oerindur, diesen Zwiespalt der Natur! Aus Mittel- und Südamerika liegen Meldungen vor, welche die Wiederherstellung geordneter Zustände etwas in die Nähe zu rücken scheinen. Die sich bekämpfenden Republiken Guatemala und San Salvador haben sich bereit erklärt, die Vermittelung der Auswärtigen Vertreter anzunehme», und zwar ist eine friedliche Austragung der streitigen Ange legenheiten um so eher zu erhoffen, als General Ezeta, der Präsident der siegreichen Republik San Salvador, als einzige Bedingung des Friedensschlusses die Anerkennung seiner Regierung verlangt. Im Innern von San Salvador ist die Ruhe völlig wieder hergestellt, und in Guatemala hat der Bruder des Präsidenten, General Pedro Barillas, die Aufrührer gänzlich geschlagen. — Auch in Argentinien scheinen wieder geordnete Verhältnisse einkehren zu wollen. Der von allen Seilen angefeindete Präsident Celman hat endlich seine Entlassung gegeben, die Volksvertretung hat sie angenommen und zu seinem Nachfolger den bisherigen Vize-, Präsidenten Pellegrini ernannt. Darob großer Jubel iw Buenos-Ayres. Die Stadt hat geflaggt und jubende Menschcn- massen durchziehen die Straßen. Sie bauen Häuser auf die Versprechungen des neuen Präsidenten: das Motto der neuen Regierung werde Gerechtigkeit und Freiheit, und die einzige Macht, worauf die Regierung sich stütze, die öffentliche Meinung sein. Aehnlich haben auch die Versprechungen Cel- mans gelautet. Auch ihm hat das Volk zugejubelt, und heute verfolgt ihn das „steiniget ihn" der Menge! Doch wer kann wissen. Vielleicht gelingt es Pellegrini, was dem vr. Celman mißlungen, den Augiasstall der Korruption zu reinigen. Tagesschau. Freiberg, den 9. August. Ueber die beiden letzte» Tage des Aufenthalts des deutschen Kaisers in England wird noch berichtet: Der unermüdliche Kaiser widmete den Donnerstag einer eingehenden Besichtigung der Marinewerste in Portsmouth. Dann wohnte er auf der Whale-Insel, unweit Portsmouth, interessanten Schießübungen mit schweren Geschützen, Martinigewehren und Rcvolvertorpedos, bei. Der Kaiser selbst richtete und feuerte eine große Schiffs kanone ab und machte mit einem Enfieldrevolver auf 25 Meter Entfernung einen Treffer. Der Kaiser war von dem Prinzen von Wales unv dem Herzog von Connaught begleitet und trug die Jnterimsuniforni eines britischen Admirals. Abends kehrte der Kaiser nach Osborne zurück, wo Familientafel stattfand, an welcher auch Lord Salisbury theilnahm. Bald nach 11 Uhr wurde auf der Rhede von West-Cowes zu Ehren des Kaisers und in dessen Beisein ein großartiges Feuerwerk abgebrannt. Die Schiffe auf der Rhede illuminirten, die „Hohenzollern", „Osborne", „Victoria and Albert" strahlten in einem elek trischen Lichtmeer, „Irene" prangte in farbigem Lichtcrglanz. Den Schlußeffekt bildete ein Bildniß des Kaisers, das unter Raketenhagel langsam zerfloß. Freitag Vormittag verhandelte der Kaiser mit Lord Salisbury. Hierauf traf der Kaiser zu Wagen in Cowes ein und besuchte den Prinzen von Wales an Bord der Aacht „Osborne". Später begab sich Se. Majestät mit dem Prinzen von Wales und dem Herzog von Connaught an Bord der „Hohenzollern" und „Irene". Um 7 Uhr verab schiedete sich der Kaiser in Osborne von der Königin und dinirte alsdann mit dem Prinzen von Wales an Bord der „Osborne". Die Abreise mit der „Hohenzollern" erfolgte gegen 10 Uhr Abends. — Ein interessantes Detail zur Kaiserreise wird aus Hamburg berichtet. Dort waren am Sonntag zwei Beamte von der Militär-Briestaubenstation aus Spandau, welche in Wilhelmshaven eine Filiale für die Marine eingerichtet hatten, auf der Rückreise nach Spandau anwesend. Verschiedene der besten prämiirten Tauben sind an Bord der „Hohenzollern" in Wilhelmshaven für den Kaiser gebracht worden, um auf dessen Reise nach Ostende, bezw. der Insel Wigh auf hoher See aufgelassen zu werden. Etwa 18 Meilen von Wilhelmshaven entfernt, ließ der Kaiser in der Nordsee die erste Taube fliegen und diese traf nach kaum zweiStunden in Wilhelmshaven ein. Sie trug eine vom Kaiser geschriebene und an Bord der „Hohenzollern" photographirte Depesche bei sich, die für die Kaiserin bestimmt war. Das Telegramm wurde sofort nach dem Eintreffen der Taube entziffert und dem Kaiserlichen Tele graphenamt zur Weiterbeförderung an die Adressatin über geben. Es sei dies die erste Depesche, die von einem deutschen Kriegsschiffe und auf diesem vom Kaiser mittelst Brieftaube abgelassen worden ist. — Wie die „Köln. Ztg." mittheilt, lud Kaiser Wilhelm bei seinem Besuch in Ostende den König der Belgier zu den deutschen Herbstmanövern ein. Der König nahm die Einladung mit Dank an und wird an den, an der chleswig-holsteinischen Küste stattfindende» Manöver» rheil- iehmen. Der König von Schweden und der Prinz von Wales agten ihr Erscheinen ebenfalls zu. — Ihre Majestät die Laiserin ist Freitag 12^ Uhr in Stralsund eingetroffen und am Bahnhofe von einer zahllosen Menge enthusiastisch begrüßt worden. Die Schiffe im Hafen, sowie viele öffentliche und private Gebäude hatten reichen Flaggenschmuck angelegt. )!ach halbstündigem Aufenthalte setzte Ihre Majestät die Reise ort. — Der siebenzigste Geburtstag des Prinz-Regenten Luitpold von Bayern (12. März 1891) - wird in München mit größeren Festlichkeiten begangen werden. Es hat sich bereits eine aus Mitgliedern des Magistrats und des Kollegiums der Gemeindebevollmächtigten bestehende Kommission, die noch aus angesehenen Bürgern, Vertretern der Presse und der Künstlerkreise ergänzt werden soll, gebildet, um die Vorbe reitungen für eine würdige Feier des Tages zu treffen. Der „Post" wird aus Helgoland berichtet: Hier herrscht reges Leben und Treiben. Schon Donnerstag früh uni 7 Uhr war die Landungsbrücke voll besetzt; «Heils von Fremden, die zum Segeln oder zur Düne wollten, zum größten Theile aber von englischen Matrose», die von dem englischen Marineschiff „Kalypso" stammten. Der Gouverneur erschien an den beiden letzten Abenden mit seiner Familie im Kursaal während der Musik und wurde von der großen Menge der anwesenden Femdcn mit sichtlichem Interesse und Enthusiasmus begrüßt, welcher sich auch im Bravorufen und Klatschen nach dem Spiel der englischen Nationalhymne kundgab. Darauf ließ der Gou verneur „Deutschland, Deutschland über Alles" spielen. Bald näherten sich ihm Geh. Rath von Wermuth, der hier überall einen außerordentlich günstigen Eindruck hervor gerufen hat, Kapitän zur See Geisler, und nach und nach kam durcheinan der eine Anzahl deutscher und englischer Persönlichkeiten, dem Gouverneur vor dein Weggang ihre Aufwartung zu »lachen — eine Szene, die sich vor der endgiltigen Uebcrgabe wohl noch mehrmals ereignen wird. Am 8. früh schon werden uns die Küstenwächter verlassen. In, Stillen wird auch eifrig an den Vorbereitungen zum Empfang Sr. Majestät gearbeitet. Die „weißgekleideten Jungfrauen" suchen sich die schönsten alten Helgoländer Kostüme zusammen, um darin dem Kaiser zu huldigen; Fahnen, natürlich deutsche, sind zu Hunderten vom Festlande bestellt, desgleichen Guirlanden, die Brücke, Straßen und Treppe damit zu schmücken. Man spricht von einem Kaiserdiner im Konversationshause von 60 Gedecken, von einer Ansprache Sr. Majestät an die Helgoländer und vielen Ein zelheiten ^mehr. Sonntag morgens wird die deutsche Flagge allein gehißt. Der Kaiser wird, so weit sich die Tauer einer Seefahrt überhaupt berechnen läßt, zwischen 10 und 11 Uhr Vormittags erwartet und wird voraussichtlich bis gegen 4 Uhr bleiben; dann ersolgt die Abfahrt nach Wilhelmshaven. Der Kaiser wird auf der Insel mit zahlreicherer Umgebung als am englischen Hofe erscheinen; zu diesem Zwecke begeben sich mehrere Herren aus der Umgebung des Kaisers nach der Insel. Von größeren Festlichkeiten bei der Anwesenheit des Kaisers kann freilich aus mehreren Gründen nicht die Rede sein; der öffentliche Hauptakt wird in einem Gottesdienst bestehen, den der deutsche Marinepfarrer vor dem Kaiser und seinem Ge folge auf der Insel hält. Voraussichtlich wird gleichzeitig mit dem Kaiser auch das Manövergeschwader vor der Insel an wesend sein. — Nach einer Zeitungsmeldung würde für Hel goland seitens der deutschen Negierung bis zu der Zeit, wo der preußische Landtag zur Einverleibung der Insel in die Provinz Schleswig-Holstein seine Zustimmung giebt, ein Gou verneur ernannt werden, dem ein Marineoffizier beigegeben werden foll. Später würde die Insel wahrscheinlich einen „Amtsvorsteher" erhalten. Die Mittheilnng ist in dieser Forni schwerlich ganz genau, wenn sie im Allgemeinen auch nur wiederholt, was über die bestehenden Absichten schon bekannt ist. Daß indeß der Kommissar des Reichsamts des Innern, welcher die Insel einstweilen in Verwaltung nimmt, den Titel „Gouverneur" führen werde, ist schon deshalb nicht wahrschein lich, weil damit eine Parallele zu den überseeischen Schutzge bieten gezogen würde, die man nicht beabsichtigt. Ein Gou verneur würde zwar vom Auswärtigen Amte, nicht aber vom Reichsamt des Innern bestellt werden können und in seiner Person größere Machtbefugnisse vereinigen, als sie dem jetzigen Kommissar des Reiches anscheinend zugedacht sind. Derselbe wird seine Direktion in allen wichtigen Fragen unzweifelhaft von Berlin empfangen und bei aller Selbständigkeit und eigenen Direktion in enger Verbindung mit der Zentralstelle bleiben. Daß ein Marineoffizier für die Wahrnehmung der nautischen Geschäfte einstweilen auf der Insel Wohnsitz nehmen wird, ist schon durch die daselbst zu treffenden Anstalten, von denen auch die Denkschrift der Regierungen bereits Andeutungen machte, bedingt. Freitag Nachmittag fand im Neuen Palais bei Potsdam aus Anlaß des zur Zeit in Berlin tagenden internationalen medizinischen Kongresses ein größeres Gartenkonzert statt, zu welchem 600 Kongreßmitglieder mit Einladungen beehrt worden waren. Mit der Vertretung des Kaisers war Prinz Friedlich Leopold von Preußen beauftragt. Dem Gartenkonzert wohnten der Reichskanzler General v. Caprivi, die Minister v. Goß ler, v. Herrfurth, vr. Miquel, v. Wedell und die Staatssekretäre von Maltzahn und Oelschlägel bei. Das Konzert wurde von den Musikchören des 1. Garde-Regiments, des Leib-Garde- Husaren-Regiments und des Regiments der Gardes du Corps ausgeführt. Für die geladenen Gäste stand auf dem Potsdamer Bahnhofe in Berlin um 4 Uhr 40 Min. ein Sonderzug be reit, um dieselben bis zur Wildparkstation zu befördern, wo selbst um 5 Uhr 20 Min. die Ankunft erfolgte. Nach Schluß des Gartenkonzertes fuhren die von Berlin aus geladenen Gäste auch mittelst Sonderzugcs um 8 Uhr 5 Min. von der Wild parkstation wieder nach Berlin zurück. — Der „Saale-Ztg." wird aus Berlin geschrieben: „Diezwischen Geh. Rath Hintz- peter und den westfälischen Eisenbaronen ausgebrochene Preß- sehde erregt besonders in den hiesigen Hofkreisen großes Auf sehen. Auf die Gefahr hin, durch nachfolgende Meldung nach gewisser Seite anzustoßen, darf ich auf Grund guter Infor mationen behaupten, daß sich Herr Hintzpeter in diesen Kreisen keineswegs allzugroßer Beliebtheit erfreut. Gerade bei Hofe finden daher jene Anfeindungen ein aufmunterndes Echo, und in den betheiligten Kreisen wird vielfach angenommen, daß das „System Hintzpeter" durch solche unverblümten Klarstellungen seinem Ende wesentlich näher gerückt sei. Unzweifelhaft zielen dieselben darauf ab, den alten Herrn an höchster Stelle min destens .... lächerlich zu machen. Ob das aber auf diesem Wege des publizistischen Anreißerthums gelingen wird, scheint mit Rücksicht auf die obwaltenden Verhältnisse doch mehr als fragwürdig, wenn schon andererseits nicht verschwiegen werden kann, daß Herr Hintzpeter sich seiner Mission als „moderner Fenelon" nicht immer so entledigt hat, daß man ihm dafür un bedingt Beifall zollen würde. Auch bei Hofe erhebt man — ob mit Recht oder Unrecht, sei dahin gestellt — den Vorwurf, er pflege sich, auf gut Deutsch ausgedrückt .... „viel zu sehr um ungelegte Eier zu bekümmern", weswegen man denn auch aus der Befriedigung über die Funke'schen Anfeindungen dort gar kein Hehl macht". — Eine hochinteressante militärische Uebung wird demnächst seitens der Eisenbahnbrigade abge halten werden. Es handelt sich um Anlage einer Schmalspur bahn, wie solche im Kriegsfälle zur Heranschaffung von Ver pflegungsmitteln, Geschützen nebst Munition u. s. w. für Be lagerungen zur Verwendung kommen. Die zu erbauende Strecke wird ihren Anfangspunkt bei der Station Sperenberg der Militäreisenbahn haben und ihren Endpunkt bei dem Militär bahnhof am Schießplatz bei Jüterbogk erreichen, nachdem sie in südlicher Richtung einen Bogen von etwa 50 bis 60 Kilomtr. Länge beschrieben hat, der Bau selbst wird am 18. d. Mts. durch vier zusammengesetzte Kompagnien beider Eisenbahn- Regimenter in Angriff genommen werden. Zur Heranschasfung der erforderlichen Baumaterialen sind in Zossen etwa 400 Pferde gemicthet worden. Besonders erschwerende Verhältnisse bei )er Uebung sind dadurch geschaffen, daß auch eine Sumpf trecke überbaut werden muß. Nachdem die Bahn in etwa« 4—5 Tagen sertiggestellt ist, werden Transportversuche un gefähr 6—8 Tage lang ausgeführt werden, denen die Spitzen der betheiligten Militärbehörden beiwohnen werden. Nachdem auch diese Versuche beendet sind, wird der Abbau der Strecke etwa in der gleichen Zeit wie der Ausbau ausgeführt werden. — Das „B- Volks-Bl." veröffentlicht den „Organisationsentwurf sür die sozialdemokratische Partei Deutschlands", der wahrscheinlich den Berathungen aus dem Parteitage in Halle zu Grunde gelegt werden soll. Nach K 1 ist jede Person Parteigenosse, die das Programm der Partei anerkennt und die Partei dauernd materiell unterstützt. Nach K 3 werden in den einzelnen Wahlkreisen zur Wahrnehmung der Partei interessen ein oder mehrere Vertrauensmänner gewählt, und zwar, soforn der Wahlkreis durch einen Ort oder durch Theile eines Ortes gebildet wird, nur einer; während, falls der Wahlkreis aus mehreren Orten besteht, für jeden Ort ein Vertrauensmann gewählt werden kann. Nach A 6 findet alljährlich ei» Parteitag statt. Derselbe bildet nach Z 8 die oberste Vertretung der Partei. Zur Theilnahme sind be rechtigt: 1) Die Delegirten der Partei aus den einzelnen Wahlkreisen, mit der Einschränkung, daß kein Wahlkreis durch mehr als drei Personen vertreten sein darf. 2) Die Mit glieder der Reichstagsfraktion. 3) Die Mitglieder des Parteivor standes. Der Parteitag hat die Wahl des Parteivorstandes vorzunehmen, den Bericht über die Geschäftsthätigkeit des Parteivorstandes und über die parlamentarische Thätigkeit der Abgeordneten entgegenzunehmen rc. Die Rcichstagsfraktion kann einen außerordentlichen Parteitag einberufen. Der Partei vorstand besteht aus fünf Personen. Derselbe leitet die Partei geschäfte und kontrolirt die prinzipielle Haltung der Partei organe. Nach Z 16 wird er von der Reichstagsfraktion über wacht, die das Recht hat, jederzeit Einsicht in die Akten und Geschäftsbücher des Parteivorstandes zu nehmen und Auskunft über seine Handlungen zu verlangen. Die Fraktion kann Vor standsmitglieder, welche sich grobe Pflichtwidrigkeiten zu Schulden kommen lassen, ihrer Stellung entheben. Zum offiziellen Parteiorgan wird das „Berl. Volksbl." bestimmt. Der Wahlkampf für die in Rom bevorstehende Stichwahl nimmt einen großen Umfang an. Die Radikalen und Repu blikaner aller Provinzen Italiens empfehlen die Kandidatur Barzilai's als Protest gegen das Verhalten Oesterreichs. Die hervorragendsten Persönlichkeiten Noms, Senatoren und Abge ordnete, sowie die bedeutendsten Industriellen und Künstler em pfehlen dagegen den Grafen Antonelli. Die französischen Zeitungen „Figaro", „Matin", „Temps" und „Journal des Debats" lassen in ihren Berichten über den Berliner medizinischen Kongreß deutlich erkennen, daß ihre Vertreter in Berlin sich angenehm überrascht finden von der Freundlichkeit, mit der ihnen überall entgegen gekommen wird. Die Organisation des Kongresses, seine Einrichtungen und der glückliche Verlaus der Festlichkeiten finden bei ihnen rückhaltlose
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