Das Magazin

4714 MÄNNER, VON DENEN MAN SPRICHT EINE NEUE AR VON JOHNNY SINGER HENRI LETELLIER BIS vor wenigen Monaten umgab Henri Letellier der sensationelle Nimbus des , Mannes, der nie schlafen geht“. Seitdem verblaßte — unter den erstaunten Augen der Pariser Lebewelt — dieser Glorienschein zur bürgerlichen Aureole eines Milliardärs, der manchmal abends zu Hause bleibt. Trotz dem er noch der prominenteste Premieren tiger des Kontinents ist, spielt er im mitter nächtigen Leben von Paris nicht mehr die dominierende Rolle, die er während des letzten Jahrzehnts agierte. Die jeunesse doree der Seine-Metropole erwartet nun manchmal ver geblich — und enttäuscht — das Erscheinen von Letelliers gigantischer Cyrano-Nase und seines Großkreuzes der Ehrenlegion, ohne deren Gegenwart im Laufe der letzten fünf zehn Jahre keine Premiere aufgeführt, kein Kasino eröffnet wurde, kein Nachtlokal Europas sich „erstklassig“ nennen konnte Sein phantastischer Ruf, seine überlegene Ausnahmestellung in der Welt, in der man sich angeblich nicht langweilt, dieses Renommee zehrt mehr von der Vergangen heit als von der Gegenwart. In den Titelseiten der amerikanischen Presse figurierte er jahrelang als „The world’s most expert Connaisseur of feminine beauty“. Zeitungs reporter diesseits und jenseits des Ozeans versuchten ohne Erfolg Letelliers Sekretäre zu bestechen, um von ihnen die Adresse seines Schneiders oder Schusters zu erfahren; wenn er über die Bondstreet ging — zuweilen geht er inkognito zu Fuß, trotzdem er in seinen Garagen 29 Autos hält — oder in einem der exklusiven Klubs von Mayfair oder Manhattan erschien, folgen ihm die neidischen Blicke aller Dandies. Das Rätsel von Letelliers Eleganz ist bis heute ungelöst. Hier sei im Vertrauen mitgeteilt, daß Henri Letellier, der „Dandy-Cäsar“, seine eigenen Schneider, Schuster, Hemden-, Hut-, Handschuh- und Krawattenmacher hat, die ausschließlich für ihn arbeiten. Ein exzellenter Stab von Künstlern ihres Faches, die ihm selbst der Prinz von Wales bis dato nicht abtrünnig machen konnte. * Was weiß die Welt von Letellier? Zunächst kennen wir ihn als den romantischen Helden unzähliger Liebesaffären, als den mächtigsten und geheimnisvollsten Finanzier Europas; wir wissen, daß er ständig von schönen Frauen umgeben ist — ewig ihnen entschwindend in einer Motorkade von Super-Automobilen —, wir kennen ihn als das geniale Gehirn hinter den Vorhängen von Deauville, Cannes, La Baule, Ostende usw. Was ist Wahrheit, was ist Gerücht? Zunächst stimmt, daß Henri Letellier die schönsten Frauen den schönen vorzieht. Es stimmt, daß er es unkomfortabel findet, weniger als zwei Dutzend Autos zu halten, und obwohl er seit einigen Jahren nicht mehr aktiv in die Geschicke obenerwähnter Kasinos eingreift, so waren es doch sein Geld und seine Architektenphantasie, die die schönsten Kasinos und die besten Hotels Frankreichs planten, bauten und ausgestalteten. * Henri hat es nie im Leben schwer gehabt. Sein Vater, Eugen Letellier, war der größte Bauunternehmer seiner Zeit, der fast alle Häfen Südamerikas und des Orients errichtete, die Delafon-Werke und die französische Zeitung „Le Journal“ gründete. \4 „The Boulevardicr “ Henri Letellier, wie Garrette ihn sieht