Erzgebirge mit Einschluss der böhmischen Bäder Teplitz, Karlsbad, Franzensbad und Marienbad, des Voigtlandes und des Granulitgebietes an den unteren Mulden
Titel
Erzgebirge mit Einschluss der böhmischen Bäder Teplitz, Karlsbad, Franzensbad und Marienbad, des Voigtlandes und des Granulitgebietes an den unteren Mulden
Untertitel
ein Reisehandbuch mit Reiskarte von Rudolf Henke und einer Routenkarte
Alternativtitel
Gampe's Erzgebirge mit Einschluss der böhmischen Bäder Teplitz
10 Es darf nicht auffallen, wenn sich der Fremde schon nach einer einzigen Frage an den Wirth mit allen übrigen Gästen in ein Gespräch verwickelt sieht. Man drängt sich ein, man überbietet sich, um dem Fremden zu dienen. Die Neugier spielt dabei eine sehr untergeordnete Rolle. Für Scherzworte ist der Erzgbirger äusserst empfänglich und meist reagirt er sofort. Man kann in erz- gebirgisehen Schenken scherzhafte, schlagkräftige Wortgefechte sehr oft zu Gehör bekommen. Die Frauen und Mädchen singen gem. Leider sind sie schwer zu bewegen, ihre Volksgesänge vor dem Fremden anzustimmen, sie lachen der Aufforderung und achten ihre Kunst wirklich für zu gering. Aus den oft sehr ungenirten Scherz-Reden zwischen beiden Geschlechtern wolle der Fremde ja nicht auf sittliche Missstände sehliessen, er würde irren, wenigstens stellt sich der anzüg liche Proeentsafz nicht höher, als anderswo. Gefälligkeiten erweist der Erzgebirger sehr gern und er kennt dabei keinen egoistischen Hintergrund; Trinkgelder werden zwar nicht verschmäht, doch nimmt er sie selten ohne einige Verlegenheit. Knaben, die uns stunden weit begleiten, freuen sich über wenige Groschen von Herzen, Er wachsene übernehmen Führungen mit Vergnügen für 2 bis 3 Mark per Tag. Desselben Stammes ist die Bevölkerung auf böhmischer Seite, sie lebt unter gleichen Verhältnissen, treibt vielfach dieselben Ge werbe, nur bekennt sie sieh zu einer anderen Kirche. Doch herrscht an der Grenze der tiefste Religionsfriede unter den Gebirglern; gegen Fremde ist der Böhme neuerdings etwas misstrauischer. Der Grund hiervon mag sein, dass viele Reisende über den Kamm her über kommen und ohne bösliehe Absichten, nur aufgeregt durch Freiheit, Natur und Wanderlust in iibermüthiger Stimmung den alten Spruch nicht beachten: Landesbrauch ist Landesehr’. — Fall nicht grob darüber her. Noch sei hier erwähnt, dass in stillen Thälern, auf einsamen Höhen, in Gehöften und Mühlen oft seltsame Käuze zu linden sind, die mit gutem Erzähltalent haarsträubende Geschichten zum Besten geben. Die Einsamkeit, die Wildheit der Natur, die Unbill des