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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.12.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-12-30
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011230028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901123002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901123002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-12
- Tag1901-12-30
- Monat1901-12
- Jahr1901
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Bezug-. Preis der Hauptexpeditton oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus- aabestellen abgeholt: vierteljährlich L.SV, bet zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau« 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: vterteljährl. S. Man abonnirt ferner mit entsprechendem Postausschlag bei den Postaustaltea in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaatrn, der Europäischen Türket, Egypten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition diese« Blatte« möglich. Die Morgen-Ausgabe erscheint um V,7 Uhr, die Abend-AuSgabe Wochentag« um 8 Uhr. Ne-action und Expedition: Johannisgasse 8. Filialen: Alfred Sahn vorm. v. Klemm'« Sortim. Umversitätsstraße 3 (Paulinum), Loui« Lösche, Aatharinenstr. 14, Port, uud KSniqSplatz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. ÄmtMatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes «nd Notizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Nr. 863. Montag den 30. December 1901. Anzeige«. Prei- die 6 gespaltene Petitzeile LS Reklame« unter dem Redactiou«strich («gespalten) 75 H, vor den Familiennach richt«« (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenaanayme LS (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbesörderung SV.—, mit Postbeförderung 70.—. Junahmelchluß fir Anzeigen: Abend-Au-gabe: vormittag« 10 Uhr. Morgeu-LuSgabr: Nachmittag« 4 Uhr. Bei de« Filialen uud Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Dir Expedition ist Wochentag« «nnntrrbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol» tu Leipzig. 95. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Sämmtliche englische Blätter besprechen die Niederlage bet Tweefontein eingehend und kritisiren sie scharf. „Daily Graphic" schließt seine Betrachtung darüber mit folgenden Worten: „Abgesehen davon, daß der Verlust an Menschenleben bellagenswerth ist, ist der Vor fall auch deshalb "bedauerlich, weil er de Wet zwei Geschütze in die Hände liefert, mit denen er den Blockhäusern sehr unangenehm werden kann, und eine bedeutende Quantität von Kleidungsstücken und Munition, die er aufs Beste auszunützen verstehen wird. E» ist kaum zu begreifen, wie man eine Truppe von etwa 400 Mann auf einen isolirten Posten in eine Gegend vorschieben konnte, in der, wie man wußte, sich vor Wochenfrist de Wet mit wenigstens 800 Mann aufhielt. Wahrscheinlich ist hier «in Fehler gemacht worden, den man hoffentlich untersucht. Keine englische Truppe darf sich erlauben, Fehler zu machen, wenn sie gegen einen so gewandten und gewitzten Führer operirt, wie de Wet eS ist." * Lsntzo«, 29. Deoember. Lord Kitchener meldet aus Jo hannesburg von heute: Die bei Tweefontein von den Boeren gefangen genommenen Engländer sind wieder freigelassen wotden und heute in Bethlehem ein getroffen. „Central News" bringt aus Pretoria einen einigermaßen zu sammenhängenden Bericht über die Schlappe beim Taselttp. Der Berichterstatter vernahm Hergang und Einzelheiten aus dem Munde der in Heilbrvn «ingebrachten Verwundeten: Am 19. De cember brachen die Colonnen unter Oberst Damant und Oberst Rimington von Frankfort auf in der Richtung nach Vwde, also von Westen nach Osten. Sie marschirten die ganze Nacht durch in einem schweren Gewitter daher, drei Mann wurden dabei vom Blitze erschlagen. In der Nähe des TafklkopS überrumpelte Damant «ine Boevenfeldwache, von der ein Mann fiel. Komman dant Cyter fiel als Gefangener in die Hände der Engländer. Bei Tagesanbruch wurden die großen Wogen der Tvansport- colonne zu einem landesüblichen Lager aufgefahren und unter kleiner Bedeckung zurückgelassen, während Oberst Damant mit zwei Geschützen >der Batterie 39, einem Pompom und 95 Mann eiligst vordrang. Di« kleine Abtheilung bog nach links ab auf einen Punct zu, wo bei der Aufklärung Boeren entdeckt worden waren. Als sie einen Höhenzug erreichen, bemerkt« Damant eine Abtheilung von 70 Mann in britischen Uniformen, die eine Heerde Vieh ihm entgegentrieb. Man hielt diese Mtheilung anfänglich denn auch für Engländer, und zwar von Rimington's Colonn«, die sich irgendwo auf dem rechten Flügel befand. Es bestand also unbegreiflicher Weise keine Fühlung zwischen beiden Colonnen. Bald indessen wurde man den Jrrthum gewahr, und gleichzeitig wurde auch eine weiter« Abthrilung der Boeren noch mehr links vom britischen Lager ermittelt. Die Geschütze protzten schleunigst ab und traten auch alsbald ins Gefecht. Sie hatten aber kaum zwei Schuss« abgegeben, als die Boeren bei der Vkhheerde ihr« gehörnten Schützlinge im Stiche ließen und schnurstracks auf die britische Stellung angaloppirten. Sie eröffneten auf 200 Schritte dann ein mörderisches Feuer auf die englischen Kano niere, und um dieselbe Zeit bestrich auch eine andere Bocren- abtheilung von 150 Mann, die bis dahin still im hohen Grase ver steckt im Hinterhalt gelegen hatte, die Stellung der Engländer wirksam in der Flanke. Gleich bei den ersten Salven stürzte eine ganze Anzahl Engländer getroffen nieder, doch die Ueber- lebenden setzten mit Zähigkeit das Gefecht fort. Ueberhaupt waren die Boeren nicht eher im Stande, sich "der Stellung zu bemächtigen, bis sämmtliche Leute bis auf drei todt oder verivundet waren. Vorher aber waren einige der Kanoniere im Stande, trotz des wüthenden Feuers die Protzen in Sicherheit zu bringen. Darauf zerstörte der einzige unverwundete Kanonier ine Verschlußstücke der Geschütze und mochte si« vollkommen unbrauchbar. Von 95 Mann tvurden 75 getödtet oder verwundet, während von den 3 Officieren und 42 Mann der 91. Compagnie Peomanry 1 Offi- cier und 14 Mann getödtet und 1 Officier und 16 Mann ver wundet wurden. Die Boeren hatten ebenfalls schwere Verluste, den Kommandanten van der Mrrv« und 30 Mann todt. Drei davon wurden von den Engländern begraben, die übrigen von den Boeren sortgrschafft. Später stellte sich «in Parlamentär ein und ersuchte um einen Waffenstillstand, um den Verwundeten Pflege zu gewähren und die Tobten zu begraben. Mehrere der Boeren schossen noch auf dir Verwundeten, beraubten sie ihrer Kleider und plünderten sic, bis die Kommandanten mit der Nilpferbpeitsche dazwischen fuhr«». (?) Rittmeister Scott und Rimington trieben im weiteren Verlaufe den Feind über den Wilgebach zurück. Politische Tagesschau. * Leipzig, 30. Drcember. Am 23. d. M. wurde au« Köln aemeldet, der Erzbischof Sim ar habe am Tage vorher die Professoren der knlho- lischen Facultit in B«»« empfangen, um ihnen mitzuthrilen, daß auf seinen Antrag der Papst der genannten Facultät das Recht der Doctorpromotion ertbrrlt habe. Anfangs glaubte man in dieser Meldung lediglich eine thatsächliche Bestätigung dafür zu finden, daß die altkatholischen Professuren an der Bonner Facultät nicht wieder besetzt werden würden; die „Nal.-Ztg." bemerkt« daher: „Damit wird eine Angelegenheit berührt, die noch al« «in Rest de« kirchenpolitischrn Kampfe« anzusehen ist. Wir erinnern »»nächst daran, daß nach Beendigung de« kirchenpolitischrn Kampfe« in der katholisch-thrologischen Facultät zu Bonn für die altkothvlischrn Mit glieder derselben etatsmäßlg „Ersatzprofrssnrrn" geschaffen wurden, die mit römisch-katholischen Gelehrten besetzt wurdrn. Da« letzte altkatholische Mitglied der Bonner Facultät, der Kirchen historiker uud neutestamrnUiche Exegrt vr. Laugen, ist in diesem Sommer gestorben. Mit dem Ableben diese« letzten Alt- katholilen in der katholisch-thrologischen Facultät zu Bonn hängt eS wohl auch zusammen, daß der Papst jetzt daS lange Jahre hindurch angefochtene PromotionSrecht der nunmehr „altkatholikenrciueu" Bonner Facultät anerkannt hat. Es fragt sich nunmehr, iu welcher Weis« für die Ausbildung der «ltkatholischen Theo logen gesorgt werden soll. Innerhalb der katholisch-theo- logischen Facultät ist dafür, nachdem die bisherigen alt« katholischen Professuren fortgefallen sind, kein Platz mehr vorhanden. Die Regierung hat früher den bescheidenen Betrog von 6000 zur Begründung eines alttatholischen Seminars in Bonn verlangt, aber er ist von einer couservativ-klerikaleu Mehrheit deS Abgeordneten hauses verweigert worden. Durch den Tod de« letzten altkatholischen Mitgliedes der Bonner katholischen Facultät ist die Sachlage noch eine viel dringlichere geworden. Man muß daher der Frage, ob und in welcher Weise dieselbe in dem neuen EtatSentwurf für 1902 berücksichtigt ist, mit einiger Spannung entgegensetzen." Heute berichtet die officiös« Wiener „Pol. Corr.": „Wie man uns au« Rom meldrt, glaubt man in vatlcanischrn Kreisen, Freiherr v. Hertling werde im Laufe des Winter« von Neuem dahin kommen, um die Verhandlungen über die Errichtung einer katholischen Facultät an der Uni versität Straßburg wieder aufzunehmen. Seit der Stockung dieser Verhandlungen sind Vorgänge eiugetreten, welche für diese Frage von eminenter Bedeutung sind. Die Studien- congregation hat nämlich zwei deutschen theologischen FacultLten, an den Universitäten Bonn und BreSla«, die eine gleiche Ber- sassung wie jene haben, welche die Regierung der theologischen Facultät in Straßburg verleihen will, das Recht eiugerüumt, theo logische Grade zu gewähren. Die Professoren dieser Universitäten werden vom Staat« ernannt, wie eS auch in Straßburg geschehen soll. Durch das von der Studiencongregation gemachte Zuge st and- »iß wird di« tzauvteinwendung deS Cardinal- Rampolla entkräftet, die sich eben dagegen richtete, daß die Professoren an der Straßburger katholischen Facultät von der Regierung ernannt werden sollen, so daß die Controle über deren orthodoxe Gesinnung der kirchlichen Autorität entzogen würde. Wie verlautet, ist di« drutsch« R«gi«rung, um dies« Einwendung vollend« zu beheb«», bereit, dem Bischof von Straßburg bezüglich der vom Staat« zu ,rn»an«nd«n Professoresn «in Vetorecht zuzug«st«hen." Hiernach würde dem der katholischen Facultät in Bonn verliehenen Rechte noch eine andere Bedeutung als die einer völligen Au-schtteßurig altkatbolischer Lehrer von dieser Facul tät zukommen. Cardinal Rampolla hätte hiernach, ohne seinerseits das Geringste zuzugestehen, einen doppelten Erfolg zu verzeichnen: ein Versprechen der preußischen Regierung, Bonn und BreSlan „allkatbolikenrein" zu halten, und eine Zusaae der „deutschen Regierung", dem Bischof von Straßburg ein Vetorecht bezüglich der von ihr dort anzu stellenden Professoren einzuräumen. Und ein weiterer Erfolg würde ihm in Aussicht stehen, denn was dem Bischof von Straßburg zugrstandrn würde, könnte auf die Dauer dem Erzbischof von Köln und dem Fürstbischof von Breslau nicht vorrntbalten bleiben. Vor der Hand freilich vermögen wir au die Meldung, soweit sie Straßburg betrifft, nicht zu glauben. Unmittelbar nachdem der Kaiser dieser Universität einen katholischen Geschicht«profrffor gegeben hat, von dem angenommen werden muß, daß er dem Bischof von Straßburg nickt willkommen sei, ist dock nicht anzunehmea, daß die deutsche Regierung diesem Bischof ein Vetorecht zugestehen werde, das die Ernennung von Männern wie Spahn unmöglich machen würde. Immer hin wird eS angebracht sein, wenn im Reichstage die römische Meldung der „Polit. Corr." zum Gegenstand einer Anfrage gemacht wird. Was Bonn und BrcSlau betrifft, so hat selbstverständlich da- preußische Abgeordneten haus die Pflicht, sich das angebliche „Zugeständnis;" der römischen Srudiencongregation mit seinen Folgen für die Altkatholiken etwas näher zu besehen. Die „»«tisuale» Aufaabrn -er prrutzischen Pulen" er örtert die „Allpolnische Rundschau" in einem längeren Artikel. Diese polnische Monatsschrift ist al« daS Organ der politischen Führer des gesannnten PolentbumS zu be trachten; ihre Ausführungen sind daher gewissermaßen als officielle Bekundungen der polnischen Gesauimtheit zu betrachten. E« heißt in diesem Artikel: „Der Kampf zwischen den Deutschen und den Polen ist ein Kampf, der jede Möglichkeit gegenseitiger An näherung ausschließt, ein Kampf auf Leben und Tod. Betrachtet man ihn auS einer bestimmten Entfernung, so ist leicht zu erkennen, daß eS sich hier nicht um gewöhnliche Eroberungen, um irgend eine kleine Landslrecke handelt, sondern um Millionen Menschen, die Polen oder Deutsche werden sollen. DaS ist ein Kampf um die Herrschaft über eine riesenhafte Fläche, um die deutschen Aussichten auf dem baltischen Meere, um die Frage, ob Berlin die Hauptstadt Deutschlands bleiben, ob den Preußen die Hegemonie im Reiche erhalten werden soll. Wenn die Polen aus diesem Kampfe siegreich hervor« gehen sollten, werden die Deutschen nicht nur das „Großherzogthum" Posen, sondern auch daS ganze polnisch sprechende Schlesien und das baltische Pommern verlieren: eine Fläche, auf der heute sieben Millionen Menschen leben. Gleichzeitig werden sie all« ihre Macht auf der Ostsee und alle ihre Aussichten auf die jemaltge Besitz ergreifung der baltischen Provinz«» Rußlands vrrlirren. Dann wird das Uebergewicht Preußens im Reich« sehr sinken und Berlin, daS an der Grenze deS Staates liegt, kann nicht dir Hauptstadt bleiben. Wenn abrr die Polen unterliegen, werden sie nicht nur die erwähnten Flächen verlieren, sondern auch den Deutschen ein neues EroberungSseld öffne», aus dem sie freilich ihre germanisa- torische» Anstrengungen werde» steigern müsse», um sich die dauernde Herrschaft über »das östliche Preußen und die Möglichkeit einer weiteren Machtentsaltung auf der Ostsee zu sichern. DaS ist «tu Kampf darum, ob di« Polru al« ei« politisches Volk, al- ein Reich rxtsttren, ob Deutschland unter Preußens Führung behalten soll, was r« besitzt, und sich rin wittere- EntwickelungSfeld in Europa sichert. Da« ist eine Frage der gegenseitigen Vernichtung aus der gegebenen Fläche, eine Frage, die nur durch de» gänzlichen Sieg der einen oder anderen Seit« gelöst werden kann." Die perfide Unterstellung, als ob e« Deutschland nach den baltische» Provinzen Rußlands gelüste, bedarf keiner Wider legung. Im Urbrigeu abrr kann man der „Allpolnischen Rundschau" nur dankbar sein, daß sie die staatsfeindlichen revolutionären Ziele de« „Polens von Meer zu Meer" so offen prvclamirt. In der Eröffnungs-Sitzung deS böhmischen L«udtagS erklärte bekanntlich der Statthalter, die Regierung werde, un verändert bei den Grundsätzen der Gerechtigkeit und Unparteilich keit beharrend, an beide VolkSstämmr herantretrn, damit sie unter einander FriedenSbevingungen, oder doch einen die Friedensbedingungen vorbereitenden Waffenstillstand verein baren. Er setze voraus, daß die Besonnenheit obfiegen, und man auf beiden Seiten den Muth zur Abschließung eines Friedens finden werde, der dem Landendem Reiche und der Re gierung zum Vortheil gereiche. Der Statthalter werde mit Freuden dabei mitwirken. Die Erklärung wurde von der Ver sammlung mit Beifall ausgenommen. Leider ist, wie die „Verl. N. N." zutreffend bemerken, die Bereitwilligkeit des Statt halters, die Verständigungs-Versuche zu fördern, noch keine LUü- reichende Bürgschaft für ihren Erfolg. 1895 und 1897 sind bei Eröffnung des Landtages ähnliche Erklärungen ergangen; mit welchem Erfolge, ist nur zu gut bekannt. Ob die Tschechen cs mit dem Unternehmen, einen Ausgleich zwischen den Grund forderungen der beiden Nationalitäten hcrbeizuführen, ehrlich meinen, wird sich bald Herausstellen. Sollten sic in der Thal, wie angekündigt wird, im Landtage eine Adresse an die Krone beschließen, in der die Anerkennung des sogenannten böhmischen Staatsrechts verlangt wird, so wäre schon damit allein erwiesen, daß es ihnen mit der Verständigung nicht Ernst ist. Ein Zweifel darüber, daß die Deutschen sich niemals mit der Her stellung eines selbstständigen böhmischen Königreiches einver standen erklären werden, kann auf tschechischer Seite nicht auf kommen. Halten sie daher an der Absicht fest, ihre staats rechtlichen Wünsche jetzt abermals zu Gehör zu bringen, so er schüttern sie von vornherein den Boden, auf dem die Verständi gung mit den Deutschen herbeigeführt werden könnte. Die Athener Ttu-enten sind mit dem Erfolg in der Bibelübersehungsfrage noch nicht zufrieden. Die Verdammung genügt ihnen nicht, sie wünschen, daß die Polizei alle 25 000 Exemplare aufspüre, um sie zu verbrennen. Anlaß zu diesem neuen Aufbegehren trägt rin Vorkommniß im Amts gericht zu Athen, wo ein Zeuge den Eid verweigerte, da ihm zum Schwur ein Evangelium in der verdammten Uebersetzung hin gehalten wuroe. Ferner verlangen die Studenten Bestrafung und Auffindung der „Mörder" vom 8. November, in denen sie Frrrilletsn. Gräfin Leszek. 11s Roman von Heinrich Lee. Nachdruck verbotcn. Neuntes Capitel. Auf das Alexander-Hospital in Petersburg leuchtete ein blauer, sonniger Märzmorgen hernieder. Aber die Gärten deS Hospitals, die cs mit seinen Mauern umschloß, und der prächtige Newski-Prospect, der dicht daran vorüberfllhrte, waren noch in Schnee gehüllt. Von dem Frühling, der in Deutschland schon eingezogen war, war in Petersburg noch nichts zu spüren. In der Frauenabtheilung deS Hospital-, aber in einem be vorzugten besonderen Zimmer, einem sehr freundlichen und lichten Raum lag Sisi. Daß sie nicht auf der Stelle todt geblieben war, darüber wunderte sich ganz Petersburg — nur nicht die Leute im Circus Ciniselli. Wie war eS zum Beispiel dem alten Schwiegerling gegangen? Zweimal in seiner Jugend fiel er vom Thurmseil. Einmal hielt ihn der Wipfel eines Birnbaum« auf, da« andere Mal landete er, indem er sich bei der Berührung mit dem Erdboden auf die Balancirstange stemmte. Die Stange brach in Splitter, aber Schwiegerling verlebte sich kein Glied. Solche Beispiele gab es eine Masse. Nicht nur über Kinder und Betrunkene, sondern auch über dem Artisten wacht sein guter Engel. Sisi hatte ein leichtes Körpergewicht und sie fiel nicht auf den Erdboden, sondern auf die Lohe. Sie war aus den Füßen gelandet, und da« war ihr Glück und ihr Unglück. Ihr Glück — denn wäre sie im ersten Anprall auf Brust oder Rücken gefallen, so wäre es trotz ihres guten Engel« wohl mit ihr vorbei gewesen. Ihr Unglück — denn zeitlebens blteb sie auf dem rechten Fuße nun lahm und von einer ferneren Aus übung ihres Berufes konnte keine Rede sein. Zehn ganze Wochen lag sie nun schon. Gepflegt wurde sie von den Schwestern und von Camilla. Das Geld für die Pflege hatte Camilla zu- aeschickt bekommen — in einem Couvert, ohne daß der Absender seinen Namen genannt hatte. „Morgen", hatte der Professor gesagt, „wollen wir den ersten Gehversuch machen." Sie dachten eS ihr zu verheimlichen, daß sie zeitlebens nun lahm bleiben und nie mehr zu ihrer Kunst zurückkehren würde, aber sie hatte es dennoch erfahren. Camilla saß am Fenster und la«. Camilla dachte von ihr, daß sie schlief — aber sie schlief nicht, sie sann. Leonard hatte sie verlassen. Nicht einmal Lebewohl hatte er ihr gesagt, denn sie hatte Tage lang ohne Besinnung gelegen. Nur wieder einen Brief hatte er ihr geschickt. Darin schrieb er, waS ihm der Arzt ge sagt hatte — daß sie lahm bleiben würde, daß eS mit dem Geschäft für sie vorbei sei und daß er für sich selbst genug zu sorgen Hütte. Allein wollte ihn die Direktion nicht be halten, darum mußte er gehen. Zum zweiten Male hatte er sie verlassen — für immer. Warum war ihr da« so lieb? Und warum wünschte sie, daß sie ihn niemals, niemals wieder sah. Küssen hatte er sie wollen, und immer, wenn sie an die „Arbeit" gingen und er seine Arme um sie spannte, kam ein Grauen über sie, di« Furcht, daß er es noch einmal wiederholen könnte. Denn der sie vor ihm schützte, der, nach dem sich ihr Herz verzehrte, war nicht da — Misko. MiSko! Er war bekommen — an jenem Abend war er gekommen. Genau so, wie sie eS von ihm geträumt hatte. Morden batte er sie wollen mit seinem Schrei — so sagte Camilla. Aber das war wieder von ihr eine Lüge. Er hatte sie ja noch lieb — noch immer. Seine aanze Liebe war kn diesem Schrei gewesen. Nicht Schreck und Entsetzen war es, was sie mitten in dem Sprunge traf und ihre Ginne schwinden machte, sondern plötzliche Wonne. Wo war er hin? Nein er siebte sie nicht mehr. Hatte sie nicht gebüßt? Ein Krüppel war sie jetzt — jetzt und für alle Zeit. Die Armuih und der Hunger kamen nun — auch über Camilla. Nun waren sie nicht« Wehr, al« die Alten und Armen, die mit dem Hute in dex Hand im Stalhange an der Wand standen und darauf warteten, daß man ihnen ein Almosen gab. Bettler! Aber nicht, daß sie betteln gehen würden, nicht der auf geopferte Beruf, nicht das war eS, was ihr jetzt das Herz ab drückte — sein« verlorene Liebe war's. An der Wand, dem Fußende des Bettes gegenüber, hing ein Spiegel. Sisi starrte hinein. Es war nicht mehr die Sisi von früher, die sie daraus ansaH. ES war «ine Andere. Aus dem Kinde war ein Weib geworden. Und Sisi dachte an den Tag zurück, wo MiSko sein Leben für si« hatte hingeben wollen. Wie gerne wär' sie jetzt für ihn ge storben. Warum war sie bei dem Sturz nicht todt geblieben? Warum lebt« sie noch? An jenen Morgen dachte sie — damals auf der Probe, als sie die Kaskaden ritt, als sie mit dem Pferde dreimal hinunter stürzte und unverletzt geblieben war. Nun hatte sie sich zum ersten Male „wehgethan". „Du bist wach!" sagte eine Stimm« über ihr. Camilla stand vor ihrem Bett. Frau Camilla sah noch genau so aus, wie sonst. Das Un glück hatte sie keineswegs kleiner gemacht und auf ihrem Gesichte thronte noch der Ausdruck der Entschlossenheit und Energie, wie je. „Morgen also", fuhr sie fort — „wirst Du zum ersten Male aufstehen. In drei, vier Wochen, denk' ich. lassen sie Dich raus. Dann haben wir am längsten gewartet." „Gewartet? Auf waS?" fragte Sisi. Frau Camilla schwieg. Sie merkte, daß sie zu viel gesprochen hatte. Der Arzt hatte ihr auf die Seele gebunden, Alles, waS Sisi seelisch erregen konnte, von ihr fern zu halten. WaS e« war, worauf Frau Camilla wartete? Abrechnung zu halten — mit Sisi'S Mann. Er war an ihrem Unglücke schuld. Und wenn er sich auch von ihr loksagte — so hatte er doch jetzt die Pflicht, für sie zu sorgen. Er schien davon nichts wissen zu wollen, cr schien zu glauben, daß mit den paar Hundert- rubelnoten, die in dem Couvert gesteckt hatten, die Sache für ihn abgethan war. Dann kannte er aber Frau Camilla noch immer nicht. Wenn Sisi nur erst so weit War, um die Abreise anireten zu können. Dann wollte sich Frau Camilla an die nöthigen Schritte machen. „Auf was, Camilla, gewartet? fragte Sisi noch einmal. „Darauf, daß wir endlich aus dem verdammten Kranken hause fortkommen. Der ewige Carbolgeruch hier bringt Einen um!" Vor der Thür wurde Geräusch vernehmbar. Es war die Zeit, wo der Professor kam. Gegen Abend, als Sisi wieder emgeschlafen war, begab sich Camilla nach ihrer m der Nähe befindlichen Wohnung — sie hatte sich ein kleine- Stübchen dort gemicthet, weil man sie im Krankenhaus« nicht aufnehmen wollte — um sich etwas Essen zu kochen und dann wieder zurückzukommen. Als si« auf die Straß: trat, sah sie im Scheine des großen Kandelabers, der drüben vor der beschneiten, an den Strom anstoßenden Parkanlage stand, eine männliche Gestalt. Wie angewurzelt blieb Camilla stehen- Plötz lich aber war die Gestalt im Park verschwunden. Er war es. Ganz deutlich hatte sie ibn erkannt! Hier in Petersburg war er also noch! Gut — dann batte man ihn also nicht weit zu suchen. Und Camilla eilte durch die leere Straß« ihrer Wohnung zu. — Misko hatte Petersburg noch nicht verlassen. Als da- Unglück geschähen Ivar, als Sisi'S Körper vor ihm hingestrrckt auf dem Boden lag, — in diesem Augenblick ver gingen ihm die Sinn«. Man hob ihn auf. Der Billeteur, jener Mann, der ihn auf seinen Platz gewiesen hatte, bezeichnete ihn als Denjenigen, der den vcrhängnißvollen Schrei ausgestoßen hatte, und man brachte den Ohnmächtigen auf das nächste Polizerbureau. „Sie ist todt!" stammelte er, als eS endlich gelang, ihn zum Lebe» wieder zu bringen. „Todt ist sie nicht", erwiderte der Kommissar, ein geborener Deutscher — „aber ich muß Sie fragen, wer Sie sind." „Sisi ist mein Weib", sagte Misko. Noch an demselben Abende wurde ec entlassen. Hilfreich gab ihm der mitleidige Poli-eibeamte das Geleit. „Soll ich Sie zu ihr führen?" fragte er ihn.
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