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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.12.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-12-20
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021220017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902122001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902122001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-12
- Tag1902-12-20
- Monat1902-12
- Jahr1902
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Anzeigen-Preis die Ogesvaltene Petitzetie 25 Reklamen uiUer dem Redaktiousstrub (4gespalten) 75 vor den Familiennach- richten («gespalten) SO Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend hoher. — Gebühren sür Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (rxcl. Porto). Grtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ./L SO.—, mit Postbesörderung .4! 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Erpedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Str «M. Sk. Jahrgang. Sonnabend den 20. Dezember 1902. Die Einstellung -es Verfahrens gegen -en „vorwärts". Durch das Vekanntwcrdcn des Einstelliiugöbeschlusses des Ersten Staatsanwaltes am König!. Landgerichte I Berlin, gegen den „Vorwärts" in Sachen »trupp iverdeu einige prozessuale fragen angeregt und auch schon disku tiert. Für deu Juristen bleibt dabei nnr ein Zweifel, obgleich der prozessuale Stand der Sache fast unbekannt ist und man nur auf Vermutungen und Rückschlmsse an gewiesen ist. 1) Der EinstellungSvcschlust stellt fest, dass der verlebte Wirkl. Geh. Nat Krupp telegraphisch und schriftlich Straf antrag gestellt hatte. Es handelte sich also nicht nm eine Privatklage, sondern um das ^Ansinnen an die Staats anwaltschaft, die Verfolgung eines strafbaren Prestartikcls vonamtswegen zu übernehmen. Dazu war Krupp be rechtigt,' die Staatsanwaltschaft war aber nach 8 416 der Straf-Prozeß-Ordnung nur dann berechtigt, auf den An trag einzugehen, wenn sie fand, daß die Verfolgung der Sache durch öffentliche Klage im öffentlichen Interesse liege. Diese Frage scheint die Staatsanwaltschaft bejaht zu Haven, weil sie Krupp sonst einen ablehnenden Bescheid hätte zugehen lassen müssen. Auch ist die Bejahung als vorliegend im Einstellungsbeschlusse angedeutet, da dort als Ergänzung angeführt ist, bei der dargestclltcn Sachlage liege die weitere Verfolgung nichtme h r im öffentlichen Interesse. 2) Hieraus ergibt sich die Frage: Durfte der Staats ¬ anwalt seine Meinung hierin ändern? In konstanter Praxis hat bas Reichsgericht diese Frage verneint, wenn öffentliche Klage erhoben war «Entscheidung des Reichsgerichts in Strafsachen, Bd. VI, S. 810, Bd. XI, S. 128). Allein, öffentliche Klage war offenbar noch nicht erhoben: sondern der Staatsanwalt hatte nur im Wege der Vor erhebungen Anträge an den Amtsrichter gestellt und sich damit die Entschließung Vorbehalten, ob er durch Antrag auf Einleitung einer Voruntersuchung oder durch Ein reichung einer Anklageschrift bei Gericht öffentliche Klage erheben wolle (8 188 Ltr.-Pr.-O.j. Eine Meinungs änderung über das öffentliche Interesse war ihm also noch gestattet. Daß die Sachlage so sich verhält, dafür spricht, daß der Staatsanwalt darüber beschloß, dem Anträge auf Erhebung der öffentlichen Klage keine weitere Folge zu geben (8 169 Str.-Pr.-O.). 8) Eigentümlich ist das Gewicht, welches die staats- anwaltschaftliche Vertilgung auf die Erklärung der Fran Krupp legt, cs sei ihr an der Bestrafung der Urheber nnd Verbreiter der die Ehre Krupps verletzenden Gerüchte nichts mehr -gelegen. Der Strafantrag ist ein höchst per sönliches Recht und deshalb durfte zwar Krupp den Antrag stellen, ihn auch bis zur Verkündung eines Strafurteils zuvlicknehmen (88 64, 194 Str.-G.-B.): aber weder das Recht, Antrag zu stellen, noch das, ihn zn- rückzunehmen, vererbt sich. Der Antrag war zwar Vorbedingung des staatsanwaltlichen Ein schreitens und verlor seine Wirksamkeit nnr durch Zurücknahme, nicht durch den Tod des Antrag stellers, der ihn nicht znrückgcnommen hatte. In der Er klärung der Frau Krupp konnte man eine Zurücknahme- finden,' aber sie war zu derselben nicht legitimiert. Man wir- also den Einstellungsbeschluß des Staatsanwaltes nicht dahin anffassen zu dürfen, baß er infolge wirksamer Zurücknahme des Strafantrages geboten war. 4) Vielmehr muß er dahin verstanden werden, daß der Staatsanwalt das öffentliche Interesse, welches er ur sprünglich gegeben fand, nicht mehr gegeben findet nnd deshalb nach 8 416 Ztr.-Pr.-O. die Stellung der öffent lichen Klage ablehnt. Da das Ermessen der Staats anwaltschaft hierin ein unbeschränktes ist, so ist damit formell die Sache abgeschlossen und ordnungsgemäß er ledigt. Dennoch ergibt sich hierbei ein nicht rechtlicher, wohl aber ein erheblicher tatsächlicher Zweifel: Wenn das öffentliche Interesse an Erhebung der öffentlichen Klage gegeben war zu Lebzeiten Krupps, wie kann die Privat erklärung der Fran Krupp dieses öffentliche Interesse be seitigen? DaS sogenannte Lcgalitätsprinzip, d. h. die Verpflichtung des Staatsanwalts, wegen aller gerichtlich strafbaren und verfolgbaren Hand lungen cinzuschreitcn, sofern zureichende tatsäch liche Anhaltspunkte vorltcgcn <8 1.'>2 Abs. 2 Str.-Pr.-O.) ist dabei nicht berührt: denn 8416 Str.-Pr.-O. bildet eben eine Ausnahme vom Lcgalitätsprinzip: es be gründet also leinen Unterschied, daß die strafbare Hand lung deS „Vorwärts" mindestens nach 8 186 Ltr.-G.-B., mehr und mehr nachgewiesen und derselbe auch verfolg bar war. Wie aber ein menschlich verständlicher Wunsch der Fran Krnpp das öffentliche Interesse beseitigen soll, bleibt unverständlich. Eine französische Uebenregiernng in Wien. Das Dczemberhest der „Deutschen Monatschrift" hat über französisch-slawische Treibereien eine Enthüllung veröffentlicht, die in der Tagespresse nicht nach Gebühr gewürdigt wunde. Nachdem diese Ent hüllung auf französischer und auf tschechischer Seite eiu Echo geweckt hat, das als Bestätigung derselben ansgesaßt werden muß, ist cs unerläßlich, sich mit der Enthüllung eingehend zu beschäftigen. Der Gedankcngang des be treffenden Artikels der „Deutschen Mvnatschrift" ist fol gender. Die nationalistisch gesinnten Vertreter Frankreichs an den Hosen von Petersburg und Berlin wurden abberusen. Der französische Botschafter in Wien dagegen, M a r g u i s de Reverseanr, blieb ans seinem Posten. War er weniger nationalistisch? Rein: denn er ist klerikal, und gerade deswegen in manchen Wiener Kreisen beliebt und einflußreich. Wenn seine Stellung nucrschüttcrt blieb, so hat das seine besonderen Gründe: Marquis de Reverscaux hat cs nämlich verstanden, sich in Wien zum Mittel punkt der sogenannten katholisch-slawi schen Bestrebungen zu machen. Tschechenftthrcr gehe» bei ihm ein nnd ans, sic sowohl wie Polen nnd Kroaten hören auf sein Wort. Tie Tätigkeit des Bot schafters blieb der russischen Diplomatie nicht verborgen, aber letztere wurde dadurch gcwvuneu, daß die Führer der pvluischeu Bewegung die Zusage unbedingter Scho nung Rußlands machten, alles gehe nur wider das deutsche Reich. Die Verwirrung in den inneren Zu ständen Oesterreichs begünstigte diese Intrige, und so konnte sich in Wien eine Art Rebeurcgieruug für die katholisch-slawischen Völker einrichten, eine Nebenregic- rnug, die schlagend dartnt, wein die Liebe der von Oester reich gehätschelten Slawen eigentlich gehört, wohin sic neigen nnd wie leichtherzig sie sich gegebenenfalls von Oesterreich trennen würden. Dieser französischen Ex positur in Wien wurde die G c h c i m p v l i t i k Fra n k- r cichs im O st c u zugewieseu. Während Paris „korrekt" blieb, intrigierte Wien, und während Paris die ihm von ritterlicher Artigkeit erwiesenen Aufmerksamkeiten mit klug gespieltem Anschein allmählich geminderter Rach sucht cntgcgennahm, bereitete die Erpositur in Wien den künftigen Krieg vor. Es war ein allerliebstes kleines Doppelspiel, das Herr Delcassö sich znrcchtgelegt hatte nnd dessen Entwickelung in den verschiedenen Bot- schastspalästcn Wiens Mit steigendem Interesse beobachtet wurde. Ein leichter Duft von Demimonbe-Politik haftet allerdings diesen Lchachzügcn an, aber wie weit bringt heute nicht die Demimonde vor! Das amtliche Wien hat sich schließlich bewogen gesunden, die französische Botschaft daran zn erinnern, daß in Oesterreich-Ungarn der amt liche Verkehr mit den Botschaften nur durch das Aus wärtige Amt vermittelt werden könne. Dies ungefähr ist der Gedankcngang in der Ent hüllung der „Deutschen Mvnatschrift". Die französische Presse hat nunmehr Zeit genug gehabt, sich über die Extra tour, die Herr Dcl.asso in Wien tanzen ließ, zu äußern. Bezeichnenderweise hat aber, so viel wir sahen, die gesamte tonangebende Pariser Presse dem S ch w eige n vor dem Reden den Vorzug gegeben. Der mittelbaren Bestäti gung, die das Schweigen in solchem Falle bedeutet, ist im tschechischen Lager ein vollkommeil verunglückter Ab- lcugnnngsversuch an die Seite getreten. Und zwar ist es die Prager „Politik", die hierfür dem Tschcchentnm als Mundstück dient. Dieses tschechische Blatt behauptet schlankweg, daß der Artikel der „Deutschen Mvnatschrift" ans der deutschen Botschaft in Wien stamme, nennt es eine bewußte Unwahrheit, daß bei Marquis de Reverseanr die Tschechenführer aus- nnd eingingen, nnd schreibt end lich: „Es ist geradezu widersinnig, was da alles zusammen fabuliert wird: aber es ist bezeichnend dafür, mit welchen Mitteln man vom Wiener Mcttcrnichplatze aus tdamit ist die deutsche Botschaft in Wien gemeint. Red.) arbeitet, nm in der weiteren Ocffentlichkcit die Tatsache zn ver decken, daß gerade hier und nirgend anderswo die Fäden jenes NänkcspicleS zusammcnlausen, welche Oesterreich in Wahrheit zum Brntneste fremder Machenschaften stempeln wollen." Mit dieser Panschalverdächtigung verrät daS tschechische Blatt lediglich, wie tief man sich auf tschechischer Seite durch die Enthüllung der „Deutschen Monatschrift" ge troffen fühlt. Gerade von Prag ans einen solchen Ab- lcugnungsversnch in die Welt zu schicken, ist doppelt un geschickt. Denn in Prag ist cs allgemein bekannt, daß Herr Marquis de Reverscaux die Rolle eines Beschützers des „unterdrückten" Tschcchcutums zu spielen liebt, daß er sowohl direkt als auch durch Vermittelung des franzö sischen Konsuls in Prag, Herrn de Valois, lebhafte Beziehungen zn maßgebenden tschechischen Parteiführern Prags unterhält, daß er seiner Zeit in der Prager In- dnstrm - Ausstellung, nnd besonders im tschechischen Rativnaltheatcr, von den Tschechen sehr gefeiert worden ist'und daß er selbst von radikalen Agitatoren, wie dem ehemaligen Bürgermeister I)r. Pvdlipnu, die wärmsten Ovationen cntgegengcnvmmcn hat. Angesichts dieser Sachlage kann niemand über den Wert des Ab- lengnnngsvcrsucbcs der „Politik" im Zweifel sein. Deutsches Reich. * Berlin, 19. Dezember. (Der Triumphgesang RampollaS.) Unter dieser Cpiymarke wird der „Mgdb. Ztg." von hier geschrieben: Von verschiedenen Seiten kommen Andeutungen, die darauf schließen lassen, daß die Veröffent lichung der Vereinbarung, die mit der Kurie wegen der in Straßburg zu errichtenden katholischen theologischen Fakultät getroffen worden ist, nnmittelbar bevorsteht. Nach nnS selbst zugebendcn Nachrichten würde dieser Schritt schon an diesem Sonnabend zu erwarten sein und gleichzeitig hier, in Straßburg und in Rom er folgen. Inzwischen sind uns an zwei Stellen, wie eS scheint unabhängig von einander, aber dem Inhalt nach überein stimmend, Mitteilungen Über den Inhalt des Ab kommens begegnet, die darauf berechnet zu sein scheinen, die Entrüstung zu beseitigen, die es in Universitäts kreisen, aber wahrlich nicht in ihnen allein, hervorgerufen batte. ES wird darauf hingewiesen, daß der Straßburger Bischof auf das ihm aus dem Konkordat zusiebende Recht verzichtet babe, den ihm unterstellten Klerus nur vom theo logischen Seminar ausbilden zu lassen, dessen Professoren von ihm allein ernannt seien und dessen Unterricht von ihm allein geleitet worden ist. Nach diesem Verzichte könne daS Zugeständnis, daß in Betreff der Anstellung der Professoren gemacht worden sei, nicht zu schwer ins Gewicht fallen. Sie soll in Straßburg erfolgen, nachdem man sich vorher der Zustimmung des Bischofs versichert habe. Zn BreSlau und Bonn stehe dagegen den Bischöfen das Recht zu, einen Professor, der vom Staate er nannt worden, abzulebnen. In seiner Wirkung komme also das bischöfliche Veto aus dasselbe hinaus. Was die Mög lichkeit betrifft, einen Professor aus seinem Lehramt zu entfernen, der gegen die Glaubens- und Sittenlehre der katholischen Kirche verstößt, so gilt, wie betont wird, in BreSlau und Bonn der Satz, daß vaS Ministerium in diesem Falle Abbilfe zu schaffen habe, und ebenso soll eS in Zukunft in Straßburg gehalten sein. Man will aber den Einwand nicht gelten lassen, daß damit dem Bischof ein Absetzung-recht gegenüber einem mißliebigen Professor eingeräumt werde. Allerdings, so argumentiert man, könne der Bischof dem Professor seine Lehrtätigkeit ab schneiden; aber dieser bleibe unbehindert in seiner staatlichen Stellung und behalte auch nach dem bischöflichen Interdikt Stellung, Rang, Titel und Gehalt eine- Universitäts professors. Wir wissen nicht, ob mit diesen Andeutungen auch nur die wesentlichsten Punkte der Vereinbarung getroffen sind. Aber schon die letzte wird in der Tat die Einwendungen, die gegen sie erhoben sind, nicht unberechtigt erscheinen lassen, und c- ist unö begreiflich, wenn auf sie, wie versichert wird, von der Kurie besondere- Gewicht gelegt uns der Befriedigung Uber deren Durchsetzung auch dadurch Ausdruck verliehen worden ist, daß man den Vermittler in dieser Angelegenheit, den Professor vr. v. HerNing, mit einem der höchsten päpstlichen Orten ausgezeichnet bat. WaS nützt eS dem mit dem bischöflichen Interdikt belegten Professor, wenn er auch trotz desselben weiter in seinem Amte obnr Amtstätigkeit bleiben kann? Er wird in dieselbe unglückliche Lage kommen wie die Staat-- geistlichen in der Kulturkampszeit. Der Fortbezug seines Einkommens wird den Makel, mit dem er durch das Interdikt behaftet erscheint, noch vergrößern, und die ultramontane Presse wird ihn, wie s. Zt. die Staatsgeisi- lichen, so lange drangsalieren, bi« er endlich seinen Frieden mit dem Bischof gemacht oder mit der Lehrtätigkeit auch auf seine Stellung, Titel und Einkommen verzichtet hat. Ram- polla bat einen Sieg davongetragen und brüstet sich nicht wenig, indem er in seinem Schreiben, das er dem Freiherr» von Hertling zugleich mit dem Großkreuz des GeorgiuS-OrtenS übersandt hat, triumphierend betont: „Im Verlauft der Verhandlungen bin ich es gewesen, der besser als irgend ein anderer den Eifer und die gute Absicht konsta tieren konnte, die Sie dabei an den Tag gelegt haben, und besitze somit gleichsam ein Anrecht aus das Vergnügen, mit- zmvirken, daß daS Andenken an jene Verhandlungen nicht verwischt werde." * Berlin, 19. Dezember. (Zentrum und Bund der Landwirte.) Die „Germania" macht wiederholt auf den Versuch der Bündler aufmerksam, in die Wahlkreise des Zentrums einzudringen und vor allem die Mitglieder des rheinischen Bauernvereins zu revolutionieren, womit am Sonn tag in einer Versammlung drS Bunde- der Landwirte zu Köln der Anfang gemacht werden solle, auch die Zentrums wahlkreise in Westfalen sollen nicht verschont bleiben. Einem Mitglieds der Zentrumsfraltion ist von einem Vorsland-mit- gliede deS Bundes der Landwirte bereits anzekündlgt worden, daß der Bund den im vorigen Winter verunglückten Ein bruch in diesem Winter oder Frühjahr wiederholen werde, weil der Westfälische Bauernverein sich noch immer Nicht der „Leitung" — richtiger Diktatur — des engeren Vor standes des Bundes der Landwirte unterwerfen will. Das Zentrumsblatt ist ohne Sorge: „Wir glauben rechtzeitig darauf aufmerksam machen zu sollen, damit man, wie es in Westfalen heißt, „die Augen offen und die Ohren steif" halten kann. Jin übrigen haben wir in dieser Be ziehung keine Besorgnis. Wir sind gerüstet, den Kampf mit dem Häuflein von BundeSagitaloren, die als die Trümmer der „großen Armee" noch übrig geblieben sind, aufzunehmrn und sortzusühren; wir erwarten aber auch. Laß man im Lande der Rührigkeit der BundcSagila- toren die gleiche Rührigkeit entgegensetzt. Und wo mau jeweils den Bündlern entgegenzutreten hat, auch die Ab stimmung über daS Zolllanfgesetz seitens der Mitglieder deS Bundes der Landwirte im Reichstage nicht außer Acht läßt." — Der Bund der Landwirte zieht, nach bayerischen Blättern, mit Rücksicht auf die bevorstehenden ReichStagS- wahlen im kommenden Jahre den doppelten satzung-gemäßen Beitrag von seinen Mitgliedern ein. Weihnachten und -ie Märchenwelt. Von vr. Kurt Rudolf Kreuschner. Nachdruck verboten. Zwei Zeiten gibt es im Jahre, wo das Märchen, das sich vor den rauhen Gewalten, die im Alltagsdasein herr schen, scheu in das Land der Träume und Phantasien zu rückgezogen hat, in holdseligster Gestalt wieder vor uns hintritt und auch unö Erwachsene, die wir längst den Glauben an -ie wundersamen Geschehnisse seine- Zauber« reiches verloren haben, wenigstens sür eine kurze Weile wieder in seinen Bannkreis lockt. Die eine dieser Zeiten ist der Frühling, wenn es im Walde blüht und duftet, wenn die Natur ein neues grünes Kleid anlegt, ans dem wie zagend der Blumen Köpfchen sich hervorstreckcn. Dann reitet ans seinem Märchcnrosse der Lenz als schönheit prangender Jüngling durch den lichten Hain, die Gestalten Titanias und der Elfen werben wieder lebendig, und die jenigen, die selber in des Lebens Lenze stehen, werden zu Märchendichtern, die sich die eigene Zukunft mit Bil dern des Glückes ausmalen, denen — ach nur allzu oft — niemals die Verwirklichung zu teil wird. Die andere Märchenzeit des Jahres sind die Tage um Weihnachten. Wenn'- winterlich draußen schneit und reift, der Eissturm über die Dächer pfeift, auch daun träumt sich aus dem wärmenden Haus die Sehnsucht zum brausenden Walde hinaus. Und der Mensch, den Kälte nnd Schnee mehr als sonst an sein trautes Heim fesseln, holt aus dem schnecvergrabenen Walde den immergrünen Banm in seine Wohnungen und schmückt ihn mit brennen den Kerzen, mit goldenem und silbernem Flitteriverk und süßem Zuckerzeug, das dem Kindermunde herrlicher schmeckt als die auserlesensten Delikatessen aller Länder. Für die andächtig zum Wunderbaume aufbltckcnde jugend liche Schar thront unter dem seine Spitze schmückenden Stern von Bethlehem aber nicht nur das Christkind. In -em Gezweigc hat auch die Märchenfee Platz genommen und lächelt mit freundlichem Blick auf unsere Lieblinge hernieder, die mit dem leichten Glauben der Jugend und voll frohen Staunens den Erzählungen der Wunderdinge lauschen, die an ihr Ohr dringen. Weihnachten und das Märchen sind in der Tat un trennbar miteinander verbunden und werfen, wie alle großen Ereignisse, nicht ihre Schatten, sondern ihr Licht weit vorans. Davon wissen besonders die Buchhändler zu erzählen: denn während von Neujahr bis in den Spät sommer hinein nur liier und da einmal nach den Märchen büchern Nachfrage gehalten wird, die trotz ihrer bunten, bilbgeschmückten Einbände auf Winkelregalen ein un beachtetes Dasein führen, stellt sie schon der frühe Herbst wieder in den Vordergrund des Interesses. Zunächst frei lich nur für die Buchhändler, die zu dem aus dem ver gangenen Jahre stammenden Vorrat all das Neue fügen, was die MLrchenbichter inzwischen au-gefonnen Haven. Und bald darauf beginne« aus den Auslagen der Schau fenster die anderen Bücher zu verschwinden, um jenen Platz zu machen, die bald im Prachtgewanbe, bald im ein fachen Einband, bald mit schlichten Holzschnitten, bald mit von Künstlerhanb ausgeführten Illustrationen, in kleinen und großen Formaten, mit altem nikd neuem, mit schlech tem und gutem Inhalt, außen und innen von einander verschieden, wie der schlichte Bürgersmann vom anspruchs vollen Aristokraten, doch das eine miteinander gemein haben, daß sic durch ihre mannigfachen Gestalten nicht nur die Phantasie unserer Kinder spielend beschäftigen, son dern auch deren Gemüt anregen und bilden wollen. Fast alle Märchen fangen mit dem bekannten „Es war einmal" an, mit dem der Erzähler das Recht für sich in Anspruch nimmt, daß auch das Unglaublichste nicht mit Zweifeln ausgenommen wird. Aber was dann folgt, sind nicht immer echte Goldkörner, aus deren Aussaat auch ein golbncr Weizen f»ir die KtndeSseele keimt. Nur das jenige, was in seinen Gestalten und Geschehnissen dem natürlichen Fluge kindlicher Phantasie sich weise anzu passen weiß, und ohne aufdringliche Schulmeisterei in all gemein gültigen Formen des Denkens einem die junge Seele veredelnden Ziele zustrebt, so daß eS unmittelbar verständlich ist und die Alltagspädagogik nicht allzu deut lich durchschimmern läßt, ist ein wirkliches Märchen. Wo aber die Einbildungskraft einer scharf ausgeprägten In dividualität bas lustige Phantasiegebäubc airftürmt, da ent steht, selbst wenn die Gedanken aus dem Kovfe eines Genies hcrvorguellen, vielleicht eine wertvolle didaktische Ltteraturschöpfung, aber nimmermehr ein Märchen von höherem ästhetischen Werte. Das Märchen ist eben für Kinder und solche Erwachsene bestimmt, die sich die Fähig keit bewahrt haben, sich in die Naivetät eines Kindes zu- rückzuversetzen, und der Erzähler, der die Welt nicht selbst mit den Augen eines Kindes auznschancn vermag, tut besser daran, Phantasien im Jules Verneschcn Stile und Welt vcrbesseruugspläne zu schmieden: vom Märchenschreiben aber lasse er die Finger. Denn nimmermehr wird es ihm gelingen, den Weg zum Herzen der Kinder zn finden, die mit glücklichem Instinkte hier das echte Gold vom betrüge rischen Talmi zu unterscheiden wissen. Eine Märchenfigur im echten Sinne des Wortes ist cs schon, die der heilige Christ fast drei Wochen vor dem Weih- nachtsfcst den Kindern in der Gestalt von Sankt Nikolaus in das Haus sendet. Mit bischöflichem Gewände, mit Stab und Mitra angetan, tritt er in die Wohnungen, um sich berichten zu lassen, ob die Kinder gut getan und einer Be lohnung würdig sind, oder sich als böse Rangen betragen haben. Und hinter ihm drein schreitet Knecht Ruprecht, der Krampus in grauscr Teufelsmaske mit lang herauö- hängender roter Zunge, mit klirrender Kette und der Rute aus Birkenreista. mit der er die ungezogenen Kinder bedroht, während er in der anderen Hand einen Sack voll Nüsse, Pfefferkuchen und sonstigen köstlichen Dingen trägt, aus welchen der gütige Heilige den braven Kindern Gaben als Vorgeschmack größerer Herrlichkeiten austeilt, die ihrer am Weihnachtsabend harren. Nun hat -er schlimme, unbändige Bub und das fanle Lieschen noch Zeit, sich zu bessern, und wenn es aut geht, bann findet eö. sofern es schon die Kunst des Lesen» er»
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