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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 10.03.1907
- Erscheinungsdatum
- 1907-03-10
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190703106
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19070310
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19070310
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-03
- Tag1907-03-10
- Monat1907-03
- Jahr1907
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Bezuas.Preis für Leipzig »d Vororte: I» der Honpt- Ervedirioo oder deren An«gadeslellen ab- flrdolt monatlich: N»«gabe T (1 mal tätlich) 70 Ps., «»«gab» L >L mal tüglich) 80 Pf., bei Anstellung in« baut Äo«gabe 80 Pf., Ausgabe ö I Mark. Durch unsere au«. wLrligen Ausgabestellen und durch die Polt bezogen (I mal tSglich)taaerdalb Deutschland« monatlich I Mark au«schl. veslellgedühren. für Oenerreich-Ungarn 5 L 45 d viertrljädrlich. di» übrigen Länder laut Heituugspreisliste. Diese Nummer lobet aus -44 allen Bahndöien und bet I» den Leitung«.Verkäufern ö" -t«a«M-» und ExpeSUiau: Johanniägasse 8. Televdon Nr: 153, Nr. 222. Nr. 1173. verltuer -»elatttonS-Vnrran: Berltu tiV. 7, Prinz Louis Ferduuurd- Straße 1. Telephon I. Nr. 9275. Morgen-Ausgabe 8. lripMer TagMalt Handelszeitung. Amtsblatt des Nates und des Volizeianrtes der Ltadt Leipzig. Nr. 8S. .. —...—- : Sonntag 10. März 1907. Anzeiaen-Prets die «gespaltene Petitzeile für Eoschüfttr» inserate au« Leipzig und Umgebung 25 Ps„ Familien«. Wohnung«- n. Stellen-Anzeiaen. sowie Ao» und Verkäufe 20 Ps„ finanzielle Anzeigen SO Ps.. für Fn'erate von au-wärt« SO Ps. Reklamen 75 Ps, auSwärt« 1 Mark. Beilage gebühr 4 Mark p. Tausend »zkl. Postgebühr. VeschästSanzeigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tarif. FürInseratr vom Au«landebeionderer Tarif. Anzeigen-Annadme: Äugustusplatz 8, bet sämtlichen Filialen n. allenAnnonrrn- Elpeditionen des In- and Auslandes. Für da« Erscheinen an bestimmten Tagen u. Plätzen wird keine Garantie übernommen. Festrrteilt« Aufträge können nicht zurück gezogen werden. Haupt-Filiale Berltu: CarlDuncker, Herzgl-BayrHosbuchhandlg., Ll/-.owstrafir 10 (Tel. VI. 4603. Filiel-vrpedition:Dre«den.Marienstr.34. 1VI. Jahrgang. var lvlcbligue vom Lage. * Als erster Delegierter des Deutschen Reiches aus der Haager Konferenz ist der deutsche Botschafter in Konstantinopel Freiherr von Mar schall in Aussicht genommen. * Jur Reichstag kam es gestern anstatt zu der Inter pellation über die Schiffahrtsabgaben, dievertagt wurde, zu einer durch Zentrumsinterpellation angeregten sozialpolitischen Debatte, in der Graf Posa- dowskh eingehend sprach. Das Gesetz über die Ar- beitSkammern wird im Herbst dem Reichstag -ugehen, daS Gesetz über die Berufsvereine wird ln unverän derter Gestalt wiederkehren. «'S. Parlamentsbericht 2. Beilage.) * Der A«S stau dder Pariser Elektrizi tätS- ard«iter ist durch Bewilligung ihrer Forderungen be endet. Die Arbeit wird heute wieder ausgenommen. (S. Letzte Dep.) * Der Ersatz der zwei auSqeschiedenen italieni schen Minister, sowie eine anderweit« Aenderung der Kabinettszusammensetzung wurde — wie nns ein Privatdelegramm Meldet — bis »ach den Osterferien verschoben. * Der GründervonZionCithDr. Dowie, der sich selbst als Propheten Elias bezeichnete, ist in Chicago gestorben. * FranzösischerseitS wird die Errichtung franzö sischer Stationen für Funkentelegraphie in Marokko zugestanden, di« einen Bruch deS Artikels 105 der Algecirasakte darstellt. lS. Ausl.) * Ein Gegenbesuch des Lords Kitchener am afgha nischen Hofe wird erwogen. lS. Ausl.) Vie ssegirru-g u»a Oie rächrircbeu LancliagZlvableil. Es ist eine alte Erfahrung: Ander- sieht die politische« Dinge der Parteimann, ander- der Staatsmann. Da- Er wünschteste wäre gewiß, wenn alle politischen Faktoren staalS- mäunisch erleuchtet wären und nach dieser Erleuchtung ihr Tun und Lasten richteten. Indessen das sind fromme Wunsche und wüsten schon deshalb unerfüllt bleiben, weil die generelle Uebereinstimmung d«r Geister die Voraussetzung bildet und jede Divergenz nach einer Seite, eine Reaktion nach der anderen Hervorrufen muß. In Ermangelung dieses Jdeal- zustandeS bleibt daher das Parallelogramm der politischen Kräfte immer noch die rationellste Form deS Interessen ausgleiches. Nur muß eben dafür gesorgt werden, daß die einzelnen Komponenten auch wirtlich den vertretenen Interessen entsprechen, sonst bekommt die in Verwaltung und Gesetzgebung sich offenbarende Resultante schädliche Richtung und Größe. Ja Sachsen sind wir infolge der übertriebenen Vorsicht bei der Schaffung unsere- geltenden Wahlrecht-, in folge der Sozialistenscheir, zu einer solchen schädlichen Ge- samtrichtuug unserer Politik gekommen. Es ist ganz all gemein anerkannt, daß die Zusammensetzung auch unserer Zweiten Kammer der Schichtung des Volke- weder nach Zahl noch Bedeutung entspricht. Die Bereitwilligkeit der Regie rung, diesem ungesunden Zustande ein Ende zu machen, ihn wenigsten- zu bessern, erspart unS den Beweis der Behaup tung. Dabei kann der Regierung konzediert werden, daß sie wiederholt bemüht gewesen ist, durch manche Maßnahmen der Verwaltung, sowie auch durch gesetzgeberische Initiative, deu tatsächlichen Verhältnissen de- industriell ent- w'ckrlisteu deutsche» Bundesstaate- besser gerecht zu werden, als die parlamentarischen Machtverhältniffe es ihr geboten. Und weiter wollen wir sogar zugrbeu, daß eine ganze An zahl der konservativen sächsischen Parlamentarier klug genug geweseu ist, nicht allzu einseitig agrarische Politik zu treiben, sondern ab und zu auch ein leises Wohlwollen für industrielle Wüasche zu betätige». Diese klu-e Mäßigung hat aber doch schließlich nur die ärgste» Schäden vermeiden helfen, sie hat nur negativ nützlich wirken löuaen. Eine wirklich landes förderliche Politik war bisher unmöglich. Da- soll nun ander- werden, und die neu zu ergänzende Zweite Kammer wird sich im Herbst mit der Wahlrecht-- aaverung zu befassen habe«. Worauf e- deshalb bei der Wahl der Laude-vertreter für alle diejenige» ankommt, die mit der Regierung und mit der ge waltigen Majorität aller sächsischen Wähler eine Aende- rung der Kawmerzusammensetzung auf Grund eine- neue» Wahlrechts wollen, da- ist eine Verschiebung der parla mentarischen Machtverhältniffe zugunsten der Wahlreformer, da- heißt der Liberalen. Denn darüber muß man sich klar sein, daß alle«, was die lonservative Seite de- Hause- au- Einsicht, Wohlwollen »der taktischer Klugheit deu Volks- wüntcheu zubilligt» wird, soweit sie e- überhaupt zu tu, geneigt ist, den Wert von Lappalieu haben muß. Aus der jetzige« Basis kau» keine durchgreifende Reform, kau« eia Resörmche« geschaffen werdeu. E- ist also die Aufgabe aller ehrliche» Wahlrechtsreform», iu voll« Einigkeit «d mit gegenseitiger U»t«rstütz>»g die Wahl zuverläifig liberaler Volksvertreter zu erzielen. Diese notwendig« Wahltaktik kann die Sozialdemokratie nicht einschließcn, sonst wäre diese einzelne Aufgabe ja sehr er leichtert. Aber wir vermögen uns unter leinen Umständen zur Empfehlung eines unnatürlichen Wahlkompromisses mit der Sozialdemokratie zu entschließen. Dagegen sprechen so wohl prinzipielle Gründe als Rücksichten auf die Wahlen für daS Reich. Es fragt sich nun, wie die Regierung sich zu dem Wahl problem stellen wirb. Daß die Regierung deS Grafen Höhen thal den ehrlichen Willen zur Wahlresorm hat, ist als sicher anzusehen. Sie hat sich nicht nur dazu bekannt, es ist sogar, nach den bekannten Vorgängen bei der Berufung deS sächsischen Gesandten in Berlin auf den Posten des Mi nisters des Innern, der erste Zweck ihrer Kreierung. Man darf in diesem Zusammenhänge wohl von der Negierung des Grasen Hohenlhal sprechen, trotz deS Fehlens einer sächsischen Premierministerschaft, denn der Minister des Innern ist immer auch der Wahlminister, also dasjenige Mitglied des Ministeriums, daS in dieser Frage die Führung haben muß. Nun wollen wir nicht verheimlichen, daß unS die speziellen Wahlabsichten und Wünsche deS Grafen Hohenlhal unbekannt sind, und daß wir damit darauf angewiesen sind, durch Er wägung der Möglichkeiten auf das Wahrscheinliche zu kommen. Das ernste Wollen der Reform muß also voraussetzt werden. Und ferner das ObjektivierungSvermögen, daS den Staats mann ausmacht. An dieser Voraussetzung macht es unS auch nicht irre, daß Graf Hohenthal nach Erziehung, Berus und Rang wahrscheinlich mehr konservative als liberale Neigungen iu sich fühlen wird. Aber über diese, die er als Parteimann geruhig betätigen könnte, muß der Minister sich erbeben können. Und er hat sich schon dadurch über sie erhoben, daß er überhaupt die Notwendigkeit der Reform ausgesprochen hat. Wäre er vichiS als ein konservativer Partei«,»ister, so würde er den heutigen Zustand für vor züglich und durchaus nicht für reformbedürftig halte:«, denn etwa» Schönere- für ein konservative- Herz al- em konservativer Landtag iu eine« industrielle» Lande ist schwer denkbar. AuS diesem Grunde allein schon muß dem Minister daran liegen, die aufrichtig resormeriich gesinnten Elemente iu der zu ergänzenden Kammer zu mehren. Aber nicht an- diesem Grunde allein. Es kommt noch hinzu, daß ein wirkliches Regieren mit einer kompakten parlamen tarischen Mehrheit überhaupt unmöglich ist, daß die Regierung in diesem Falle, wie Bayern es lehrt, früher oder später doch zur Geschäftsführerin der Majorität herabsinken muß. DaS ist aber gerade daS, waS ein Staatsmann nicht mögen wird. ES muß dabei natürlich von den Landern mit parlamentarischer RegierungSsorm abgesehen werden. Dort liegen die Verhältnisse schon' insofern ander-, als die regierende Partei mit verantwortlich ist und als die Regierung mit der Parteigewalt wechselt. Solange wir also keine parlamentarische Regirrungsform haben, wird es immer daS wichtigste Streben eine» Staatsmannes sein, sich von dem guten Wille» eiuer einzelnen Partei unabhängig zu machen. Und da- ist nur erreichbar durch die Möglichkeit, zusammen gesetzte Majoritäten zu bilden. Diese Möglichkeit liegt gegenwärtig iu Sachsen nicht vor. Deshalb muß sie ge schaffen werde». Und deshalb ist eS auch unsere feste Ueber- zeuguug, daß eS den von allen Parteineigungen und Ab neigungen befreiten Intentionen d«S sächsischen Minister- deö Innern entsprechen wird, wenn alle liberalen Elemente daS eine Ziel bei den künftigen LandtagSwahlen fest ins Auge fassen und erreichen, die resormhinderliche Majorität der Rechten zu beseitigen. Es ist nölig, diese Auffassung beizeiten zu verbreiten. Dabei denken wir gar nicht daran, von dem Minister etwa Lyzealrcktor und Bildner des Klerus, der päpstliche Prälat, der einmal die Bischöfe verächtlich „die Salbcr" genannt hat, der auch nach den Wahlen die „Einmischung" der Erz bischöfe entschieden zurückwies und höchlichst bedauerte, ver sichern, es seien diese von Zentrumsseite mit keinem Worte beleidigt worden. Man traut zwar seinen Augen nicht, wenn man etwas derartiges liest und sich dabei auch nur eines Teiles der rohen Beschimpfungen in ultramontanen Organen und Versammlugncn erinnert, aber einem Dr. Daller und seiner Partei machen solche Kunststücke keinerlei Schwierig keit. Es galt eben auch, eine Brücke zu schlagen. So erklärt den» jetzt die „Augsburger Postzeitunz": „Es gibt keinen Zwist zwischen den Erzbischöfen und dem Zentrum: der Parteitag hat ihn ein für allemal aus der Welt geschafft." Also ein Friede auf ewige Zeiten, der nur auf zweierlei Art zustande gekommen sein könnte: entweder das Zentrum hat „ein für allemal" auf ein Zusammengehen mit der Sozialdemokratie verzichtet, was nach seiner Natur geschichte anzunehmen geradezu lächerlich wäre, oder die Erz bischöfe haben in die Hände des Schädler und Daller gelobt, fortan jeder Meinung und Mahnung gegenüber Zentrums politik und Zentrumsparolen sich zu enthalten. So hoch man auch die Friedfertigkeit der beiden Metropoliten, namentlich nach ihren letzten Erfahrungen, anschlägt, an eine solche Unterwerfung vermag man doch nicht zu glauben. Und so wird es mit diesem Frieden wohl auch sein, wie mit so vielen, die „auf ewige Zeiten" geschlossen wurden. Das führende Zentrumsorgan verkündet auch die Her stellung völligen Einvernehmens mit denen, die sich da er frecht hatten, gegen die Stichwahlparole durch öffentliche Erklärung zu protestieren. Frhr. v. Hertling, so wird gesagt, war allerdings nicht anwesend. Aber seine „herr liche" Rede im Reichstage, deren Ergebnis dem Parteitage telephonisch übermittelt wurde, ließ die Herzen schmelzen und ihm in christlicher Liebe Verzeihung gewähren. Frhr. v. Soden jedoch nahm an den Beratungen deS Zentral ausschusses teil, „wo eine gegenseitige Aussprache stattfand". Und seine Darlegung schloß mit den Worten: „Ich babe ein Menschenalter für das Zentrum gewirkt und werde ihm an gehören bis an mein Lebensende." Ganz wie ich es an dieser Stelle vorausgesagt habe. Hinsichtlich der Landtagswahlen „empfahl" der Partei tag selbständiges Vorgehen. Selbstredend kann und will dieser Beschluß nickt Bündnisse mit den roten Brüdern ver hindern, Wenn s,nicht die Angst vor dem Bruche des eben ab geschlossenen ewigen Friedens tut. i Noch sind zwei der sonstigen Beschlüsse erwähnenswert, ^weil sie das Zentrum in ganzer Glorie zeigen. Die Frage des achten Schuljahres wurde angeschnitten und ein Bedürf nis hierzu wie im letzten Landtage entschieden verneint. Wozu braucht die Landbevölkerung ein weiteres Schuljahr, wie es fast in ganz Deutschland eingeführt ist. Wenn die Bauern nur wissen, daß sie schwarz zu wählen haben, alles andre wäre von Uebel. Wahrhaft erheiternd wirkt die plötzlich erwachte Neigung des Zentrums für das P r o p o r t i o n a l w a h l - System, den Proporz, wie man in Württemberg kürzend sagt. Beim Landtagswahlgesetze waren die Ultramontanen die grimmig sten Gegner seiner von den Liberalen gewollten Einführung, weil die Verhältniswahl ihnen die Mehrheit nehmen würde. Jetzt aber soll sie für die Gemeindewahlen verlangt werden, beileibe nicht für alle, nur in Städten mit mehr als 20 000 Einwohnern. Mit anderen Worten, die Verhältniswahl soll partiell und zwar nur da gelten, wo außerdem die Vertretung des Zentrums verschwunden oder gefährdet ist. Einer der Redner meinte, das Zentrum leite damit eine eminent prak tische Politik in die Wege. Die Leute besitzen doch wenigstens unfreiwilligen Humor. Der Nrbeitrksmpl im ssamburger ssalengebiet. Wiederum wie vor einem Jahrzehnt droht im Hamburger Hafengebiet ein Riesenlampf. Zwei große Heerlager stehen sich gegenüber. Aus der einen Seite die jetzt rm Hasenbe- triebsverein organisierten Reeder, Schiffsmakler und Stauer — auf der anderen Seite die Schauerleute, tue Hafenarbeiter. Unser Hamburger IT - Korrespondent schreibt uns darüber: eine Erklärung zugunsten bestimmter politischer Richtungen zu erwarten. Wir meine», eS müßte dem politischen Ver staube an den Tatsachen genügen, daß die Regierung eine ernsthafte Reform will, und daß die Konservativen zur Er reichung dieses Zieles eher hinderlich als förderlich sind. Wohl aber muß überall Klarheit darüber verbreitet werden, daß die alten Zeiten endgültig vorüber sind, in denen konser vative Wähler al- der Regierung besonder- wohlgefällig be trachtet wurden. Die Zeiten haben sich geändert, im Reiche wie iu Sachse». An der Verbreitung dieser Erkenntnis mit- zuwirkeu, ist der hauptsächliche Zweck dieser Zeilen. ver Parteitag -er baverirckeu 2e»ttanz. lB«t unsere« Münchner Korrespondenten.) Es ist erreicht! Die Versöhnung ist vollendet, und wenn man der ZentrumLpress« glauben darf, daun liegt sich alles wieder in deu Armen und weint vor Schmerz und Freude. Und daS hat mit seine« Si«gen der Parteitag getan. Gar rührend Ware» die offiziellen Bulletin- der ultramontane« Presse üter die hinter verschlossenen Türen gepflogenen Verhandlungen zu lesen. Gar beweglich wußte insbesondere der gute „Großvater" deS bayerischen Zentrums und Vor sitzender der LaudtagSfraktion, Dr. von Daller, zu sprechen, so baß mauchem der tapferen ZentrumSmannen die Tränen in die Augen traten; namentlich al- er der beide» Erz bischöfe gedachte. Bieder, wie immer, konnte er, der jeder Teil etwas Schui meiden lassen. tember deS vorigen Jahres wieder an die Reeder und er> klärten sich bereit, d-e W veranlassen. O Die Krisis in dem Streit zwischen den Hamburger Reedern und Hafenarbeitern hat ihren Höhepunkt erreicht, und wenn nicht noch in letzter Stunde, was leider aussichls- los erscheint, eine Vermittlung zustande kommt, werden am Montag im Hamburger Hasen zirka 4000 Arbeiter ausge- sperrt. Sowohl von feiten der Reeder, wie von feiten oer Führer der organisierten Arbeiter werden lange Erklä rungen erlassen, in denen jeder die Schuld an dem Konflikt dem anderen zuschiebt, und zum Schluß sagt, er habe nicht anders handeln können. Ganz objektiv beleuchtet, hat woyl jeder Teil etwas Schu d, und nach Ansicht von gut unter richteten Kreisen hätte sich dieser Kamps, der, wenn er aus gebrochen ist, bis zum etzten Ende geführt wird, Wohl ver meiden lassen. Den Arbeitgebern wird dieser wirtschaft liche Kamps unermeßlichen Schaden zujügen, und unter den Arbeitnehmern wird er unsägliches Elend Hervorrufen. Die Streitigkeiten, die zu dieser verhängnisvollen Situa tion geführt haben, nahmen schon vor Jahresfrist ihren An fang. Damals wurde zwischen den Arbeitgebern und den Schauerleuten ein Lohntarif vereinbart, der auch über die Nacht- und Sonntagsarbeit bestimmte Abmachungen enthält. Formell besteht dieser Tarif noch zu Recht, denn er ist formell nicht aufgehoben worden, und so können sich auch die Arbeit geber auf dieses formelle Recht stützen. Nun aber machen die Schauerleute dagegen geltend, daß die Nachtarbeit in zwischen von ihnen verweigert worden sei, ohne daß die Arbeitgeber dagegen protestierten. Das hat folgende Be wandtnis. Als die Hafenarbeiter an der Maifeier teil- nahmen, wurden sie 10 Tage lang ausgesperrt. Ende Mai beschlossen darauf die Arbeiter, keine Sonntags- und Nacht arbeit mehr zu verrichten. Die Arbeit solle abends 10 Uhr aufboren. Die Arbeitgeber waren stillschweigend damit ein- verstanden. Die Arbeiterführer wandten sich dann im Sep- " — --- Reeder und er» I reit, d-e Wiedereinführung der Nachtarbeit zu I Darauf erwiderten die Arbeitgeber, daß siej en: die Schauerleute sollten nur tigt werden; war die Arbeit ich die Hafenarbeiter »»» v«, «^nflikt »m Hafen bei- . .. _a trat aber vor einigen Tagen der Hasen- betriebsvcrein von neuem mit seiner alten Forderung der Nacht- und Soirntagsaribeit hervor, diesmal mit voller Scharfe. Die Arbeitgeber behaupten, nicht anders zu können, weil die Arbeitskraft der Schauerleute nachgelassen habe. Dabei lassen sie erkennen, daß sie diese Verminderung der Arbeits kraft auf den bösen Willen der Arbeiter zurückführen. Diese wiederum erklären folgendes: „Die Arbeitskraft hat aller dings nachgelassen, aber daran ist der von den Arbeitgebern im Laufe des letzten AahreS eingeführte Arbeitsnachweis schuld. Denn früher hatten die Stauer sich für die ver- fchiedenen Arbeiten passende Arbeiter selbst ausgesucht, fetzt aber müßten sie bie Arbeiter nehmen, wie diese ihnen vom Arbeitsnachweis ganz mechanisch nach der laufenden Nummer »uaewiesen würden. Diesem Einwand ist nach dem Urteil Sachverständiger eine Berechtigung nicht abzu sprechen, denn gerade bei den sehr mannigfaltigen Ver frachtungsarbeiten ist eS für den Fortgang der Arbeit von großer Bedeutung, daß die Leute gut miteinander und für die besondere Eigenart der Verstauung — bekanntlich ein schwieriges Geschäft, das Üebuna verlangt — eingearbeitet sind. Aber die Arbeiter anerkennen auch, abgesehen von diesem Einwand, daß Nachtarbeit in einem modernen Welthasen auf die Dauer nicht ganz ausgeschaltet werden könne. Sie erklärten sich darum auch zu weiteren Vcrhand- lungcn bereit. Und nun trat wieder der schon Loi anderen Arbeitskämpfen stets kritische Augenblick ein. Die Arbeit geber wollen wohl mit den einzelnen Arbeitern, nicht aber mit deren Organisationen und Führern verhandeln. Damit wächst die Frage über ihren rechtlichen und wirt schaftlichen Charakter zu einer sozialpolitischen Machtfrage aus, bei der auch das öffentliche, das politische Interesse rege wird. Denn hier scheiden sich die Geister. Hier stehen auf der einen Seite die, die daS „Hcrrsein im eigenen Hause" als Anfang und Ende ihrer sozialpolitischen An schauung vertreten, während auf der anderen Seit« die So- zialresormcr stehen, die diesen Standpunkt alS nicht mehr halt bar bezeichnen, die es vielmehr als einen sozialpolitischen Fortschritt ansehen, daß bei ArbeitSlämpfen die Organisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, ver treten durch ihre Führer, miteinander verhandeln. Für die Situation in Hamburg ist jetzt, wo der Arbeits kampf dieses Stadium des Machtkampfes erreicht hat, natür lich von hauptsächlicher Bedeutung, welche der beiden Organisationen die stärkere ist. Und da ist lein Zweifel, daß der Hafenbctrieosverein in Verbindung mit dem Zen- tralverein deutscher Reeder über große Kräfte, vor allem fast unerschöpfliche Kapitalien verfügt. Daß er gesonnen ist. diese im Kampf anzuwenden, beweist die Maßnahme, daß schon 2000 englische Hafenarbeiter gewonnen sind, die die Arbeit statt der deutschen aufnehmen sollen und zum Teil schon ausgenommen haben. Sie werden, um als „Streik brecher" vor den Hafenarbeitern geschützt zu sein, aus Schiffen untergebracht, beköstigt und gut bezahlt. Tie Reeder lassen cs sich dabei viel kosten. Demgegenüber dürfte der Hafenarbeiterverein nicht über die gleiche Macht, namentlich nicht das gleiche Kapital verfügen. Nur fragt cs sich, wie weit die fremden Arbeiter, die wohl nicht zu den tüchtigsten ihrer Branche gehören — der Arbeit gewachsen sein werden, die sie zu leisten haben. Die Meldung, daß jetzt schon Firmen aus dem Hafenbetriebsverein ausgeschieden find, weil ihnen das Zutrauen zu der Tüchtigkeit jener auslän- bischen Kräfte lehlt, spricht nicht dafür, daß es so leicht ist, die deutschen Arbeitskräfte zu ersetzen. Wünschenswert aber bleibt, daß es überhaupt nicht zu einem Kamps aufs äußerste kommt, daß sich vielmehr noch eine Vermittelung geltend macht, die den Frieden wieder herstellt. Tenn wie immer auch dieser Kamps enden würde — er würde nicht nur den zwei beteiligten Parteien Schaden zufügen — er würde auch wirtschaftlich für alle die Kreise des deutschen Handels und der deutschen Industrie von Nach teil sein, die geschäftlich auf den Hamburger Hasenbetrieb an gewiesen sind. Und er würde soziale Verbitterung säen in einer Zeit, die gerade die Aufgabe bat, der Herstellung sozialen Friedens zu dienen. mit der Beschränkung der Nachtarbeit zufrieden seien. Auch der Bericht der Hamburger Reeder für 1906 drückt seine Zu friedenheit über die Einschränkung der teueren Nachtarbeit aus. Die Arbeitgeber machten dann einen Versuch, die Schicht arbeit am Hafen einzuführen: die Schauerleute sollten nur bis 6 Uhr . , _ . . dringend, so sollte nach 6 Uhr eine ganz neue Schicht einge stellt werden. Diesem Versuch fügten sr^ ' willig. Es schien somit, a s ob der Km gelegt sei. Da trat aber vor einigen veukscdes Heicb. Leipzig, 10. Merz. * ReichSiagS-Wahtftatiftik. Im „Reicks-Anzeiger" wirr die amtlich: Statistik über da» vorläufige Ergebnis rer ReichStagSwablm im Vergleich zu den Wahlen des IabreS 1903 veröffentlicht. Eö geht daraus zunächst hervor, daß sich die Bevölkerung rm Deutschen Reiche seit 1900 nm 4 238 005 Seelen, und die Zahl der Wahlberechtigten seit 1903 um 818 551 vermebrt hat. Ungleich stärker ist aber im Vergleich die Zahl der bei den letzten Wahlen abgegebenen Stimmen gewachsen. Insgesamt baben nämlich 11 303 483 Mäkler von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht, da» sind iin Ver gleich ru 1903 1 807 896 Wähler mehr. Durchschnittlich bat die Wahlbeteiligung 84,7 Proz. betragen. Die größte Stimmenzahl, 3 252 020, bat die Sozialdemokratie aus- ,»weisen; ihr folgen das Zentrum mit 2 190 97«, die Nationalliberaleu mit 1 652 997 , die drei freisinnigen Gruppen m>t 1 245 168 und die Konservativen mit 1 094 640 Stimmen. Rechnet man aber die jür die „Wrldliberalen" (Kobelt, Enders, Kohl und Der») abge gebenen Stimmen den drei freisinnigen Grnpven bin zu, so erhält man für diese eine Zahl von 1 318 803 Stimme». Die Zunahme an Stimmen gegen 1903 ist am größten bei deu freisinnigen Gruppen, die insgesamt um 372 515 (mit Einrechnung der obengenannten „Wildliberalen" sogar um 446 150) Stimmen stärker dasteben als 1S03. An zweiter Stelle in bezub aut Stimmenzuwachs sieben die National- lrberalen mit ernem Mehr von 335 596 Stimmen. Es folgen daS Zentrum mit 315 684 unv die Sozialdemokraten mit 218 249 Stimmen mcbr als 1903, während die Konservativen 146 192 und die Reichspartei 138 459 Stirnmmen mehr er halt» haben. Weui-er^Sliou»» al- 1903 erhielt« d«
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