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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.02.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-02-09
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990209010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899020901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899020901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-02
- Tag1899-02-09
- Monat1899-02
- Jahr1899
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Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/,? Uhr. die Abend-Ausgabe Wochentag- um b Uhr. Filiale»: Ltt» Klemm's Lorti«. (Alfred Hahn). UnivrrsitStSstraße 3 (Paulinus). Lo«is Lösche. Katbarinenstr. 14. vart. und KörigSplatz 7. Le-action im- Erve-ilion: -ohannesaafse 8. Dir Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Übend» 7 Uhr. BezugsPrei-* I» her Hauptexpeditio« oder den lm Gtädt. bezirk und den Vororten errichteten Au», aabestellen abgeholt: virrteljLhrlich>i4.öO, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Lau» S.LO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: virrtelzährlich ^4 ü.—. Direct» tügtichr lbreuzbandsrndung in» Ausland: monatlich 7.L0. Morgen-Ausgabe. U'ch.rigcr TaMM Anzeiger. Amtsblatt -es Aönigüchen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Molizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. osureiaen-PreiS die Sgespaltkne Petitzeile 20 Pfg. Reclamen unter demRedactionSslrich (-ge spalten- 50^, vor den Familiennachrichle» lkgespnltcn) 40^. Größere Schriften laut unsereili Preis- vk^richniß. Tabellnrischer und Zisfernsaß nach höherem Tarif. Ertra-Vrilage» (gefalzt), nur mit de, Morgen-Ausgabe, ohne Postbefvrderuag 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Ännahmeschluß für Änzeigkn: Abrnd-Au-aabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 llhc. Lei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an Ls« Erstellttio» zu richten. —--r—c»-— Druck und Verlag von E. Polz in LeivzlL 7 2. Donnerstag den 9. Februar 1899. 83. Jahrgang. Die Verantwortlichkeit der Staatssekretäre. L. Am Montag hat die Aeußerung des Staatssekretärs von Podbielski, er sei für die Dienstzucht in seinem Restort nur dem Reichskanzler verantwortlich, im Reichstage den Widerspruch nicht nur der Freisinnigen und der Socialdemo kraten, sondern auch des nationalliberalen Redners, des Ab geordneten M o e l l e r, hervorgerufen. Wäre die Anschauung des Staatssekretärs von Podbielski zutreffend, so müßte der Reichskanzler allerdings, wie der Abgeordnete Singer richtig bemerkte, im Reichstage sich in Permanenz erklären. Grund zur Beunruhigung über jene Auslastung des Staatssekretärs von Podbielski liegt aber durchaus nicht vor; denn einmal hat Herr von Podbielski, indem er trotz seines schmerzhaften Leidens tagelang der Volksvertretung Rede stand, durch die That gezeigt, daß er von einem lebhaften Veran-twortlichkeitsgefühle gegenüber dem Reichstage erfüllt ist, und zweitens leiden die Verfassungs- und Gesetzesbestimmungen über die Verantwortlichkeit des Reichs kanzlers und seiner Stellvertreter an einer gewissen Unklarheit. Artikel 17 der Reichsverfastung nennt den Reichskanzler als den einzigen verantwortlichen Leiter aller Reichsangelrgenheiten. „Die Anordnungen und Verfügungen des Kaisers", so bestimmt Artikel 17, „werden im Namen des Reiches erlösten und bedürfen zu ihrer Giltigkeit der Gegenzeichnung des Reichskanzlers, welcher dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt." Ueber eine Stell vertretung des Reichskanzlers enthält die Reichsverfastung in Artikel 15 nur insofern eine Bestimmung, als darin über den Vorsitz und die Geschäftsleitung im Bundesrathe verfügt wird. Für die etwa nothwendig werdende Stellvertretung des Reichs kanzlers als des verantwortlichen Reichsministers aber fehlt es an einer ausdrücklichen verfassungsmäßigen Bestimmung. Diese Lücke machte sich fühlbar, als durch Schreiben vom 11. April 1877 die Vertretung des Reichskanzlers Fürsten Bismarck durch den Präsidenten "des Reichskanzleramtes Hofmann und durch den Staaissekrtär von Bülow dem Reichstage angezeigt wurde. Der Widerspruch, auf welchen di« Ausdehnung der Substituiionsbefugniß des Artikels 15 auf die Functionen des Reichskanzlers als ReichsministerS stieß, haben zu dem Gesetze vom 17. März 1878 über die Stellvertretung des Reichskanzlers geführt. Nach diesem Gesetz können für die Gegenzeichnung des Reichskanzlers und für seine sonstigen Ob liegenheiten in Fällen der Behinderung auf Antrag des Reichs kanzlers Stellvertreter vom Kaiser ernannt werden. Das kann für den Gesammtumfang der Geschäfte geschehen oder es können für einzelne Amtszweige, die in der unmittelbaren Verwaltung des Reiches sich befinden, die Vorstände der obersten Reichs behörden im ganzen Umfange oder in einzelnen Theilen ihres Geschäftskreises beauftragt werden. Nach 8 3 des Gesetzes vom 17. März 1878 ist es jedoch dem Reichskanzler Vorbehalten, „jede Amtshandlung auch während der Dauer einer Stellvertretung selbst vorzunehmen". Dies gilt sowohl von der General- als auch von der Specialvertretung, welch' letztere z. B. der Staats sekretär des Reichspostamtrs inne hat. Dadurch wird das staats rechtliche Verhältniß der Stellvertreter ein eigenthiimliches, indem sie einerseits verantwortlichen Ministern gleichgestellt, andererseits wesentlich von ihnen unterschieden sind. Ersteres findet nach der Auffassung des StaatSrechtslehrrrs Hermann Schulze statt, indem sie für die in ihrer Eigenschaft vorgenommenen Amts handlungen dem Reichstag« und dem Bundesrathe allein verantwortlich sind; Letzteres zeigt sich darin, daß der Reichs kanzler befugt ist, auch während der Dauer einer Stellvertretung innerhalb des dem Stellvertreter zugewiesenen Geschäftskreises selbst jede Amtshandlung vorzunehmen. In diesem Falle hört natürlich die Verantwortlichkeit des Stellvertreters auf und tritt die des Reichskanzlers wieder ein. 'Der Zweck einer solchen Doppelstellung wurde in den Reichs- tagsverhandlungen am Bundesrathstische durch den Fürsten Bismarck und Herrn von Mitnacht klar dargelegt: „Einmal und vor Allem sollte hierdurch die volle Einheit der politischen Leitung erhalten werden, dergestalt, daß dem Reichs kanzler, falls der Gesammt- oder Specialv-rtreter falsche Bahnen durch unrichtige Behandlung eines Amtsgeschäftes einschlägt, stets das Recht zusteht, ein Veto einzulegen; sodann sollte durch jene Bestimmung den Einzelstaaten jederzeit die Befugniß ge wahrt bleiben, auch während der Dauer einer Stellvertretung mit dem Reichskanzler selbst in unmittelbares Benehmen zu treten." — Immer verbleibt aber, auch während der Dauer jeder Art von Stellvertretung, dem Reichskanzler die Verantwortlich keit für die Gesammtleitung der Politik, die von Herrn von Bennigsen im Gegensätze zu der auf den Stellvertreter über gehenden rechtlichen Verantwortlichkeit für einzeln« Amts handlungen in der damaligen Reichstagssession als „historisch politische" Verantwortlichkeit bezeichnet wurde. Freilich hat sowohl die historisch politische Verantwortlichkeit des Reichs kanzlers, als auch di« rechtliche Verantwortlichkeit seiner Stell vertreter nur dieselbe Bedeutung wie in der preußischen Ver fassung die Verantwortlichkeit der Minister: auch der preußischen Volksvertretung fehlt es an jedem Rechtsmittel, besonders an der Möglichkeit, ein« Ministeranklage durchzuführen. Im Reiche wie in Preußen ist die Ministerverantwortlichkeit ein Rechtssatz, aber eine lex impanksala, wie es deren im Gebiete des öffentlichen Rechtes so manch« giebt. Die katholische Vationalkirche Deutschlands.*) Unter dieser Ueberschrift veröffentlichte im Herbst des JahreS 1889 Schuldirector vr. Wittstock in der „Deutschen Lehrer- Zeitung" einen Aufsatz, der seine Leser um rin volles Jahr hundert zurückführte, um sie die Macht erkennen zu lassen, die damals wie heute die nationalen und toleranten Regungen im katholischen Klerus erstickte. Jetzt, wo noch die Reichstagsdebatten über das Jesuitengesetz in frischer Erinnerung sind, ist es wohl angezeigt, den Artikel der Vergessenheit zu entreißen. Er lautet: An den Lehrbüchern d«-r Kirchengeschichte findet sich ein lrreigniß theil- gor nicht erwähnt, theil- nicht gehörig gewürdigt, welches gleichwohl als eine der bedeutendsten Erscheinungen in der katholischen Kirche betrachtet werden mutz. Vor einem Aahrhnwdert wurde der Ansatz zu einer deutschen Nationalkirche gemacht, indem die höchsten Würdenträger oer deutschen Hierarchie, die vier venlschem Erzbischöfe von Mainz, Trier, Köln und Salzburg, zu Ems einen Vertrag schloffen, demzufolge die deutsche Kirche fortan eine autonome, von oer Obergewalt Roms unabhängig« sein sollte. „Stets werden" — sagt Kopp in seinem Buche — „die Grundsätze des Emser Con- gr« ssesein Denkinal deutschen Muthes und des Strebens nach der reinen ursprünglichen Kirchenverfassung bleiben." Di« nächste Veranlassung zur Unzufriedenheit mit Rom hatte die Gründung oer Nuntiaturen zu München und Köln gegeben, worin di« Bischöfe ein Mißtrauensvotum und «ine Schwächung ihrer Autorität erblickten, uns die gewaltige Bewegung, ivelche hieraus entstand, Ivar um so erklärlicher, weil die päpstliche Euri« cs stets verstanden hatte, bald listig, bald gewaltsam ihre egoistischen Zwecke zu erreichen. Di« Aufgabe der Nuntien, sagt ein katholischer Schriftsteller, geht dahin, die Fortschritte oer Aufklärung zu ver hindern, den Aberglauben und die Unwissenheit zu fördern, von allen Seiten Gelder zu erpressen und Vie ultramontanen 'Grundsätze und unzulässigen Ansprüche des römischen Hofes soweit als möglich auszubreiten. Dieses nennt man in Rom „besondere Wachsamkeit für das Wohl der katholischen «Sache, aus die Ausbreitung des allein seligmachenden Glaubens uwv aus die Erhaltung der Disciplin und des Friedens". Der Servilisruus mancher Bischöfe, die Unfähigkeit einzelner Regierungen, die lukiagenswerthe Zerrissenheit Deutsch lands und politischer Macchia-vellismus trugen zu solchem Auskommen neuer Ordinariat« neben den einzig rechtmäßigen und kanonischen bei. Doch fehlt« es auch nicht an Stimmen, welche für die miß * Vergl. Kopp, Schicksale der deutschen katholischen Kirch?. — Münch, Geschichte des Ems«r Kongresses. — Moser, Geschichte der päpstlichen Opuntien in Deutschland. — Plank, Neueste Reli gionsgeschichte. — Spittler, Fundamentalgesetze der deutschen katholischen Kirche im Verhältniß «zum römischen Stuhl. handelten Rechte des Episkopates stanohafr eintraten. Lo schrieb ein Bischof bei Ankündigung eines Nuntius: So angenehm es ihm sein müsse, einen Augenzeugen seines gut verwalieleu Hirienamles zu erhalten, so geböte ihm doch Ehre nnv ttzewiffeu, sich dagegen setzen, das; ein Theil seiner Beruf-Pflicht einem ft-emven Hin u anvortraut würde, gleich als wäre er nicht fähig genug, sie für sich allein auszutiben. Und derselbe Kirchcufilrst schrieb an einen Freund: „Ich rechnete es stets unter die bcllagenswerihcu Tinge daß noch immor ein Nuntius bei uns herumschwcist. Zahlt nur brav, ihr Priester, Prälaten und Bischöfe! Auf eure Kosiem durch stöbert er alle Winkel, alle Geheimnisse des Vaterlandes, er berichier alles nach Rom u. s. w." Durch die Nuntien wanderten auch bedeutende Geldsummen nach Rom. Tie deutschen Bischöfe und Erzbischöfe, als sie hörten, daß in München eine neu« Nuntiatur errichtet werden, sollte, überzeugten sich von der Dringlichkeit des Bedürfnisses engerer Verbindung und festen Zusammenwirkens der deutschen Prälatur zum Behufe krustiger Abwehr der dem Episkopat vroheUden schweren Nachiheile. Ter Erz bischof Hieronymus von Salzburg war der erste, welcher laut ge troffener Abrede mit seinen Eollegen sich mit folgender Zuschrift nach Rom wendete: S«. Hochsürstliche Durchlaucht, der Erzbischof von Salzburg, Primas von Deutschland, hege die Besorgnis',, daß die unerwartete Ernennung eines Nuntius am Hose Sr. Durch laucht, des Kurfürsten von der Pfalz, Herzogs in "Bayern, die be stehende gute Harmonie zwischen dem Kirchcnoberhaupt und der hohen Hierarchie der Metropolitane uns Bischöfe deS deutschen Reiches stören könnte. — Die Vorstellung von Kur-Mainz und Köln lautet« im Wesentlichen der Lalzburgischen gleich. Bals daraus folgten noch mehrer« deutsche Bischöfe, darunter nomcntlich der wacker« Fürstbischof von Kreistagen in der Eigenschaft als bisheriger Ordinarius von München, dem gegebenen Beispiel. Da der römische Hof auf all« diese Vorstellungen nicht einging, so wendete man sich an den Kaiser Joseph II., welcher erwiderte, er hätte sofort dem päpstlichen «Stuhl erklären lassen, wie er niemals gestatten würde, daß die Bischöfe und Erzbisckzöfc im deutsche» Reicks in ihren von Gott und der Kirch« ihnen «ingeränmten und zustehen- den Diöeesan-Rechtcn gestört würden. lHattc,die Errichtung der neuen Nuntiatur zu Müucknn die Geister schon hinreichend in Bewegung gesetzt uns die geistlichen Kurfürsten zu einem entscheidenden Schritt getrieben, so erhielt der darüber entstandene Streit neue Nahrung vnrch di« Ankunft eines neuen Nuntius z>l Köln. Letzterer hatte gehofft, durch seine persönliche lkeberredungsgabe die deutschen Bischöfe bald zu beruhigen: ober er hat!« sich getäuscht. Die Kurfürsten waren unter sich eins geworden, eine Zusammen- Feuilletsn. Die flüssige Luft als Revolutionär. Die amerikanischen Erfinder sind jetzt wieder ordentlich im Zuge. Eben erst hat Tesla mit seinen Entdeckungen der Anwendung starker elektrischer Ströme zur Vertilgung von Bakterien und oer elektrischen Wellen zur Lenkung von Torpedobooten in der ganzen Welt Staunen, Verblüffung und freilich auch hier und oa Kopsschüttrln veranlaßt, und jetzt kommen wiederum aus New Dock die merkwürdigsten Nachrichten von Professor Charles E. TripIcr. Es ist seit einigen Monaten auch hüben bekannt, daß Tripler ein Verfahren zur Verflüssigung der Luft in großem Maßstabe erfunden hat und von der flüssigen Luft selbst An wendungen macht, die das Publicum seiner Vorträge in das höchste Erstaunen setzen. Alles was man bisher darüber gehört hat, ist immerhin eine Kleinigkeit gegen die Berichte, die jetzt der Londoner „English Mechanic" aus Amerika empfängt. Danach ist es eine Thatsache, daß Tripler ein Verfahren erfunden hat, Maschinen durch die Ausdehnungskraft flüssiger Luft zu be- ireiben. Wie lveit man nun noch von der Zukunft entfernt ist, in der alle unsere Locomotiven und Schiffe mit flüssiger Luft statt mit Dampf oder Elektricität werden betrieben werden, das läßt sich nicht sagen, nach Tripler's-eigenen Ansichten scheint das Jahrhundert der flüssigen Luft sehr schnell hertinbrechen zu sollen. Da kein Zweifel darüber bestehen kann, daß ein leichtes und schnelles Verfahren zur Verflüssigung drr Luft dem Menschen eine ganz außerordentliche Energiequelle in die Hand giebt und daß noch viele praktische Erfolge daraus zu erwarten stehen, so dürfte es angemessen sein, sich mit dem, was jetzt bereits mit flüssiger Lust geleistet wird, ein wenig bekannt zu machen. Professor Tripler nimmt j Liter flüssige Lust und gießt sie in einen gewöhnlichen zinnernen Theekeffrl, worauf dir Flüssig keit in dein mit freier Hand gehaltenen Gefäße alsbald heftig zu sieden beginnt. Es erfordert eine Anstrengung, den Deckel auf dem Kessel fest zu halten, au» dem Dampf in dichten Wolken ent weicht. Der Dampf steigt aber nicht in die Höhe, sondern fällt wie Blei zur Erde. Wird der Kessel nun gar aus eine Gruppe von Gasflammen gesetzt, so spritzt der Inhalt mit Gewalt heraus bi» hoch gegen die Decke und füllt den Raum mit Massen von zischendem Dampf. Endlich, während der Kessel fast zu schmelzen scheint, langt Tripler mit seiner Hand in da» dampfende Gefäß hinein und zieht daraus einige — Eitstücke hervor, zum großen Erstaunen drr Zuschauer. Dann nimmt er den Kessel von der Gasflamme weg uEd dreht ihn um: man sieht, daß er innen vollkommen trocken IP, obgleich di« Dampf, entwickelung noch Immer nicht aufgehört hat, dafür ist -der ganze Boden des Zinnkesseks mit einer Lage von Ei» bedeckt. Je stärker da» Feuer unter dem Kessel angefacht wird, desto dicker bildet sich die Eisschicht. Sie ist weiß wie Porzellan und hart wie Stahl, und Tripler ließ sie in dem Kessel eine halbe Stunde lang neben dem rothglühenden eisernen Ofen sieben, ohne daß da» SiS merklich geschmolzen wäre. Alle Begriffe, alle Vor stellungen sind hier verkehrt: die flüssige Luft, die ganz wie Wasser auSsteht, ist etwa» ganz Andere», da» EIS, rein und schön wie Krystall gebildet, hat ganz andere Eigenschaften, und dasselbe ist, wie wir schon gesehen haben, mit dem Dampf der Fall. Die Erklärung dafür ist, daß alle diese Vorgänge bei einer Temperatur stattfinden, gegen die das Klima des Nordpol» eine Art von Hundstagshitze bedeuten würde. Mit keinem der gebräuchlichen Thermometer kann man diese Temperaturen messen, denn Quecksilber und Alkohol gefrieren darin sofort. Wer nur aus 10 Secunden seinen Finger in die Flüssigkeit halten würde, der würde dies Glied ebenso vollkommen verlieren, als wenn er es für dieselbe Zeit in Feuer gehalten hätte, -denn die Flüssigkeit hat eine Temperatur von 400 Grab Fahrenheit unter Null. Wie wird diese flüssige Luft nun her gestellt? Tripler nimmt gewöhnliche atmosphärische Luft, wie jeder Einwohner von New Kork sie auf der Straße ein- athmet, und preßt sie mittels einer Dampfluftpumpe von 50 Pferdestärken zusammen. Der Druck wird so lange fort gesetzt, bis er auf Tausende von Pfund pro Quadratzoll an gewachsen ist. Man kann sich einen Begriff von einer derartigen Kompression machen, wenn man sich vorstellen würde, die ge- fammte Luft in einer großen Kirche würde so lange zusammen gedrückt, bis sie in einen kleinen Stahlcylinder von einem Liter hineinginge. Noch immer aber ist gasige Luft und nichts An deres vorhanden. Nun aber wird der Stahlcylinder erhitzt, wodurch sich sein Inhalt ausdehnt und unter noch immer stärkeren Druck grräth, bis er in den flüssigen Zustand übergeht und in ein darunter gestelltes Gefäß hineintropft. Dies Alles geschieht durch «ine Maschinerie, die mit einer Handbewegung in Thätigkeit zu setzen ist. Dehnt man das Verfahren noch etwas aus, so geht die flüssige Luft in gefrorene Luft über, von der ein Stück in unserer Hand sich ähnlich anfühlen würde wie eine weißglühende Eisenstang«. Wie himmelweit verschieden dieses scheinbare Eis von dem gewöhnlichen Eise ist, wird durch einige Angaben deutlich genug hervorgehoben. Das gewöhnliche Eis ist 300 Grad Fahrenheit wärmer als flüssige Luft und gegen 400 Grad wärmer als gefrorene Luft. Wenn man in den Kessel mit flüssiger Lüft ein Stück gewöhnliches Wassereis hineinwirft, so fängt der Inhalt wie rasend zu sieden an. Setzt man eine Glasröhre voll flüssiger Lüft in ein Gefäß mit Croton- Wasser, so kocht die flüssige Luft sofort über, während sich um die Röhre herum ebenso schnell eine fest« Eismaffe bildet. Auch diese» Ei» ist aber kein gewöhnliches, sondern um viele Grade kälter als dieses und hart wir Stahl, und doch ist es noch um vieles wii^mer als flüssige Luft selbst, denn wenn man in die Bertiefung^im Eise, wo vorher die Gka»röhre gesessen hatte, flüssig« Lüft hineingvß, so fing sie in direkter Berührung mit dem Eis« zu kochen an, wie über einer Stichflamme. Tripler nahm nun «inen Kohlenstift, wie er zu den elektrischen Bogen lampen benutzt wird, bi- zur Temperatur von 2000 Grad über Null erhitzt und in Rothgluth befindlich. In der Nähe txr sauerstoffhaltigen EiSmasse leuchtet« am Ende des Kohlenstabe» eine weist« Flamme auf, diese Erscheinung war eine Folg« des in dem Ei» aufgespeicherten Sauerstoffes. Bei diesem Versuche treffeb di« äußersten Gegensätze aufeinander: Das Ei» und die flüssig« Luft hacken eine Temperatur von 312 Grad Fahrenheit unter Null, der rvthglühende Kohlenstab etwa 3000 Grad über Null, so daß Temperaturunterschiede von 3312 Grad zusammen- kommen. Trotzdem war die EiSmasse nach dem Versuche genau so fest wie vorher und nicht zum kleinsten Theil« geschmolzen. Nock eine halbe Stunde nachher, als Einer aus der Zuhörer schaft das EiSstück anfaßte. hatte er in den Fingern da» Gefühl wie von schärssterSalpetersäure, so außerordentlich kalt war die Masse noch immer. Die flüssige Luft hat, wenn sie durch eine Dampfwolke hin durch au» der Maschine niedertropst, da» Aussehen und die Farbe von Milch. Tripler sammelt die Tropfen in eine Form, wie sie bei der Herstellung von Speiseeis benutzt wird. Dann nimmt er ein Stück wirkliches Speiseeis und taucht es hinein. Drr Effect ist derselbe, als wenn man ein Stück glühenoes Eisen in Wasser steckt, in beiden Fällen fängt die Flüssigkeit an zu sieden. Das in die flüssige Luft gebrachte Speiseeis verliert seines „Wärme" so plötzlich, daß es brüchig wird, als bestände es aus Sägrspänen. Im klebrigen ist die wunderbare Flüssigkeit, die in ihren Wirkungen alle unsere Vorstellungen von Temperatur-Verhältnissen zu Nichte macht, äußerlich von Wasser nicht zu unterscheiden. Man kann auch die Hanv auf einen- Augenblick ohne Besorgniß in diese Tempe ratur von 312 Grad tauchen, gerade wie dies auch mit ge schmolzenem Eisen möglich ist, denn die Verdampfung der in der Haut befindlichen Feuchtigkeit schützt mit einer Dunsthülle vor der Verletzung. Würde man die Hand aber nicht sofort wieder herausziehen, sondern sie nur einige Secunden lang in die flüssige Luft halten, so würde sie ebenso unfehlbar bis auf das Gelenk obbrennen wie in einerMasse von geschmolzenrmEisen. Wenn man die Hand aber sofort wieder herauszieht, so bleibt von der flüssi gen Luft nicht das Geringste haften, als ob sie Quecksilber wäre. Man kann ein Fünflitermaß flüssiger Luft über das feinste Seidenkleid ausgießen, ohne daß die geringste Spur davon ver bleibt. Viele von den Zuschauern erhielten einen Schauer der dampfenden Flüssigkeit über ihre Kleider, ohne daß sie etwas davon merkten. Nur menn Jemand auf ein« kleine Wunde, etwa auf der Hand, einen Tropfen flüssiger Luft erhielte, so würde es ihn brennen wie flüssiges Feuer oder wie Schwefelsäure. Auch die entwickelten Dämpfe haben, wie schon kurz erwähnt, ganz fremdartige Eigenschaften, sie sind nicht heiß, sondern eiskalt, sie steigen nicht in die Höhe, sondern fallen zu Boden. Eine ganz verblüffend« Wirkung hat die flüssige Luft ferner als Sprengstoff. Zerstäubt man etwas flüssige Luft auf Baum wolle, so explodirt diese, angezündet, in heftigster Art. In ge wöhnlicher Form dagegen ist die flüssige Luft nicht im Geringsten gefährlich; man kann iHv sogar mit einer brennenden Cigarre oder einem Streichholze nahe kommen, ohne -daß etwas Andere» geschieht, als daß der brennende Gegenstand in einem starken und schönen Lickte aufflammt. Mischt man die Lust aber in Alkohol oder Terpentin, oder versucht sie einzusperren, so ofstnbart sich ihre Sprengkraft. Professor Tripler gießt «in« klein« Menge in eine lange Kupferröhre, in deren Mündung er mit ein«m Ham mer einen Holzpfropfen einschlägt. Nach weniger al» einer halbrn Minute wird dieser mit dem Knall eine» Kanon«nschuffe» heraus geschleudert. Kürzlich wurde ein kleines Stückchen Baumwolle, wie e» rin Kind gerade zwischen Daumen und Zeigefinger halten könnte, mit flüssiger Lust aesättigt, in rin« Mei Zoll weite Kupferröhre gesteckt und in dem Höf hinter dem Laboratorium deS Professors niedergelrgt, dann berührt« man es mit einem Streichholz, das an einer langen Stange befestigt war. Es er folgte eine Explosion, die nicht nur die Kupferröhr« zersprengte, sondern da» ganz« Hau» erschütterte, aus dessen Rückwand ein Stück Mauerwerk loSlöste und die ganz« Nachbarschaft wie ein Erdbeben erzittern machte. Einmal fiel ein Streichholz zufällig auf «ine gefroren« Masse vor» flüssiger Luft und Alkohol und verursachte eine Explosion, die «in halb Dutzend in der Nähe befindlicher Männer zu Boden warf und ihre Hände mit GlaS- solittern spickte, ferner den Tisch zersplitterte und eine große Volksmenge aus die Straße lockte, die die Ursache der furcht, baren Erschütterung zu erfahren wünschte. Zunächst dachte man, die Opfer hätten je 1—2 Pfund Slassplitter in ihr Gesicht er halten, später stellte sich aber heraus, daß es nur Splitter von dem gefrorenen Alkohol gewesen waren, die beim Auflhauen nacy einigen Stunden als flüssiger Alkohol aus den Wunoen hervor drangen. Aus derartigen Vorgängen schließt Tripler, daß die flüssig« Luft zu den gewaltigsten Sprengstoffen gehört, Vie der Wissenschaft bekannt sind, unv daß sie demgemäß auch eine regel mäßige mechanische Kraft ausiiben kann, die der des Dampfes und sogar der Elektricität wesentlich überlegen ist. Auf Grund dessen erwartet Tripler von seinen Forschungen zunächst, gerao« wie sein Landsmann Tesla von den seinen, ein« Umwälzung der Seekriege. Die flüssige Luft würde nicht nur mit unerreichter Gewalt Geschosse aus den Kanonen schleudern, sondern würde Vie Geschützrohre dabei stets talt er halten, also einer Abnutzung derselben entgegenarbeiten. Ferner könnte bei geschickter Anwendung ein moderner Techniker mit ein paar Wagenladungen flüssiger Lus: alle Flotten Europas in Vic Luft sprengen. Welche Forts, sagt Tripler, könnten der Spreng kraft widerstehen, die eine Ladung von Wolle over Baumwolle, mit flüssiger Luft gesättigt, aus'zuüben vermag. WeNn schon jeder kleine Fetzen dieser neuesten Schießbaumwolle eine so ge- lvaltige Wirkung auszuüben vermochte, wie es oben beschrieben wurde, so kann man sich von der Wirkung einer 100 bis 1000 mal größeren Menge gar keine Vorstellung mehr machen. Nun aber zu den friedlichen Anwendungen Ver flüssigen Luft. Wenn ihre Benutzung zum Betriebe von Maschinen weiter fortschreitet, so werden die Schiffe und Vie Eisenbahnzüge der Zukunft selbst verständlich diese Triebkraft und keine andere sich zu eigen machen. Die höchsten Geschwindigkeiten würden unter völliger Abwesen heit der Hitze erzeugt werden, die besonders in den Maschinen räumen der Dampfschiffe den Arbeitern geradezu menschen unwürdige Strapazen auferlegen. Ein Schiff und eine Loco- motive würden nur wenig Kohlen mitzuführen brauchen, viel leicht gar keine, wenn eine genügende Menge flüssiger Luft bei d«r Ausfahrt mitgenommen würde. Mer nicht nur für die Technik, sondern auch für die Gesundheitspflege und für die Heilkunde erwartet Tripler das Außerordentlichste von der flüssigen Luft. Häuser, in denen leicht verderbliche Maaren auf gespeichert werden, können durch flüssige Luft unter größere Kälte versetzt werden, als die Goldgräber in Klondyke sie zu er dulden haben. Krankenhäuser und Privathäuser in ven Tropen Zverden durch sie dauernd kühl erhalten. Die ungeheure Kälte könnte zur Desinfektion von Krankenzimmern dienen, indem sie alle gesundheitschädlichen Keime in kürzester Zeit abtödtet. Sin Tropfen flüssiger Luft auf gefährliche Wunden gesprengt wird eine Blutvergiftung sicher hintanhalten. Ein amerikanischer Arzt soll bereit» ein« KredSwucherung mit flüssiger Luft geheilt, t>. h. wegyeätzt haben. Ebenso werden die erstaunlichsten Er folge von zerstäubter flüssiger Luft zur Heilung von Diphtheriti» und allen möglichen HalS- und Lungenkrankheiten erwartet Kurz: e» ist nicht zu erschöpfen, diese» Thema, wenigstens nickt mit dem Federkiel eines Amerikaners! TeSla erscheint un» mit seinen hochfliegenden Plänen In Vergleich zu Tripler wie ein schüchterner Waisenknabe, und sicher lich ist die Welt noch niemals vor die Möglichkeit einer der artigen Umwälzung gestellt worden, wie sir durch die flüssige Luft geschehen soll. Ist r» aber eine Möglichkeit? Das eben ist da» große Fragezeichen. E» bleib« aber unvergessen, daß mindesten» ein großer Theil der hier beschriebenen Experimente von Tripler thatsächlich öffentlich vorgeführt worden ist, und daß zweiten» der Brtrieb einer Maschine mit flüssiger Luft als eine Thcftsach« gemeldet wird.
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