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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 09.09.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-09-09
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070909022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907090902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907090902
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-09
- Tag1907-09-09
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wr Sc«VA d«n- Lu^ab« t («« »««>» »<er«rljLhrItch 3 «., »o«Äch 1 ».. Lasaab« I (morgen« »» abend») viertet. jährlich 4.S0 M., »im-llich I.SV «. Dnrch di« «oit be»oaen (2 mal täglich) tnnrrhalbDeutichlaod« und der deutsche» Salome» vtrrteltLhrlich b,2d M., monatlich 1,73 «. au«lchl7«o». bkstellgeld jür Oesterreich 9 u SS il, Ungar» 8 L vtertrkjührstch. Lbonnement-«»»ain»«: U»H»ch»»vl«tz 8, bei msteren Träger», Filialen. Spediteure» und «twatMeft^-^ «» Die et»»el»e «ummer kostet 10 NrdLkttou mrd Jo-«l»1gaste 8. Telacho» «r. KM2, Nr. laagk, «r. I«», Berit»« «edaktto«» B«r»a»: Berlin UV 7. Prim L-»is Ferdi»»»,» Straße 1. Telephon l, Nr. SAH. Nr. 25S. Abend-Ausgabe 8. MpMerTaMait HandelszeUung. Amtsblatt -es Rates und -es Notizeiamtes -er L1a-1 Leipzig. Luzeige« Preis stdr Inierat« a»4 Leivlig und Umgebung die st grlvaltene Petitgeil« 22 Pi , finanzielle «nzngen 3v Pf., Reklamen I M.; von »»«widri« 3» Pf., NeNamen 1.2» M. vomLu«land50Ps., sinani. Anzeigen75Pf. Reklamen 1.50 M. Inserate v. Behörden >m amtlichen Test li) Pi. Beilagegebübr 5 M. p. Tausend exkl. Pcst. gebühr. »eichäitSnnzeigen an bevorziigier Stelle im Preii« erhöht. Rabatt nach Tarif. Festerteilte Aufträge können nicht zurück- gezogen werden. Für das Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wirb keine Garantie übernommen. «utzeegen-Annahme: Augustuöplatz F bei sämtlichen Ackialen u. allen Annonccn- Erpeditionen de« In« und «ullande». Haucht Ailtal« Berlin Larl Duack: , Herzogl. Bayr. Hosbuch- handlung. Lützowstraße >0. (Telephon VI, «r. «03). Montag 9. September 1907. 101. Iahrqanq. Dstts wichtigst- Vorn Tsrge. * Körrig Friedrich August ist heute mittag zu kurzem Aufenthalt in Leipzig eingetroffen. IS. Lpzg. Ang.) * Der Kaiser begab sich heute früh um 5 Uhr 30 Min. im Hof zuge von Wilhelmshöhe nach dem Manövergelände. Die fürstlichen Gäste und die sremdherrlichen Offiziere folgten um 6 Uhr mittels Sonderzugs. * Die Verhandlung über die Revision des zum Tode verurteilten Rechtsanwalts Ha« wird Sonnabend, den 12. Oktober vor dem 1. Strafsenat des Reichsgerichtes stattfinden. * Um den angekündigten Forderungen Rußlands und Oester- reich-Ungarns in Sachen derJustizreform in Makedonien zuvorzukommen, läßt der Sultan gegenwärtig konkrete Vorschläge für die Justizreform ausarbeiten. * In Vancouver IStaat Washington) ist es gestern zu blutigen Ausschreitungen gekommen. iS. Ausl.) * Im Rathaus« zu Newmarket brach gestern ein Brand aus. 300 Personen find verletzt worden. iS. Neues a. a. W.) * Nach einer Meldung aus Rom wird der Prozeß Nasi am 17. Oktober zur Verhandlung gelangen. (S. Ausl.) Tagesschau. Der Landtagswahlkamps in Sachsen. Aus dem 13. städtischen Laudtagswahlkreise wird uns geschrieben: Ter Kandidat der nationallibealen Partei, Rechtsanwalt Tr. Zöphel- Lcipzig, besucht gegenwärtig noch einmal vor der Entscheidung des Wahl kampfes die Städte des Kreises und entwickelt in öffentlichen Ver sammlungen sein Programm, während der konservative Kandidat L i e b a u - Rochlitz nur in Versammlungen reichstreuer Wähler spricht. Einen glanzenden Erfolg errang Dr. Zöphcl am Sonnabend in Rochlitz. Seine anderthalbstündigen, sachlich tiefgründigen Ausführungen wurden mit stürmischem Beifall ausgenommen. Sein Gegenkandidat Licbau vermochte durch seine Einwendungen den günstigen Eindruck der Rede Dr. Zöphels nicht im geringsten abzuschivächen; und das Schlußwort des Referenten fand dann wieder genau die lebhafte Zustim mung wie die Hauptrede. Man beginnt eben auch in der Heimatstadt des bisherigen Vertreters des 13..Wahlkreises einzuseben, daß ein Mann mit einem klarumrissenen Parteiprogramm gerade sür den kommenden Landtag, wo wichtige Nerfassungsfragen entschieden werden sollen, unbedingt notwendig ist. Die.Kampsesweise des Abg. Ulrich konnte man, wie uns aus Ehemnitz geschrieben wird, wieder einmal in ihrer ganzen abschrecken den Deutlichkeit am Sonntag in einer Wählervcrsammlung beobachten. Da die hiesigen Konservativen nur „Parteifreunde und Gönner" der Kandidatur Beutler zu ihren Versammlungen einladen, ist an sich einer gründlichen klärenden Aussprache mit den Gegnern vorgebeugt. Nun wurden zwar zwei nationalliberalc Herren, die sich zur Debatte mel- beten, nicht aus dem Saale gewiesen, wie das die Konservativen im Wahl- kreise des Geh. Oekonomierats Schubarth tun, aber es wurde ihnen von vornherein bedeutet, daß sie das Gastrecht nicht zu lange in Anspruch nehmen dürsten. Wiewohl die beiden nationalliberalen Herren nur 00 Minuten sprachen, war dies den Konservativen schon zu viel, und sie veranlaßten den zweiten Redner, seine Ausführungen kurz abzubrechcn. Dieses Vorgehen war vom konservativen Standpunkte aus Wohl begreif lich, denn die Versammlung zollte den nationalliberalen Rednern viel größeren Beifall a s der Kandidatenrede des Justizrats Beutler und dem nicht ganz sachlichen Korreferat des Abg. Ulrich. Letzterer war durch diese Erscheinung offenbar nervös geworden, denn in seiner Ent gegnung ließ er sich zu der durch und durch ungerechtfertigten Behaup tung hinreiben, die „Unwahrheiten" von gegnerischer Seite höre man mit gespitzten Ohren, die Widerlegungen der Konservativen dagegen nehme man mit Lärm aus. Es war aber ganz natürlich, daß die unsachliche Replik des Abg. Ulrich gegenüber den sehr sach lichen Ausführungen der beiden nationalliberalen Redner, die Versamm lung, die zum großen Teil aus liberalen Männern bestand, schwer ver stimmte. Die beleidigenden Aeußerungen Ulrichs ver- anlaßten die beiden nationalliberalen Herren, sich aus der Versammlung zu entfernen, was der Abg. Ulrich natürlich zu erneuten Ausfällen benutzte. Jedenfalls hat dieses schroffe, unsachliche Vorgehen, das ja allerdings bei dem Abg. Ulrich nichts Neues mehr ist, der Kandidatur Beutlers sehr geschadet. Herr Justizrul Beutler hätte klüger getan, wenn er auf die Unterstützung des Abg. Ulrich ganz verzichtet hätte; denn die Kampsesweise dieses Abgeordneten schadet ihm nur und bringt seinem nationalliberalen Gegenkandidaten Kickel- hayn immer mehr Siegesaussichten. Die nationalliberalen Jugcndvcreine und die Wellpolitik. lieber die deutsche Weltpolitik und die Mittel zu ihrer Durchführung sprach auf dem Delegiertentag in Kaiierslaulern Herr Paul Hilbeck aus Elberfeld. Er stellte dabei folgende Tbelen auf: „Der Vertretertag der Vereine der nationalliberalen Jugend betrachtet es als eine der ersten Aufgaben ter deutschen Äolksoeitietnng. auf eine stetige ziel bewußte auswärtige Politik dinruwirken und er fordert die Anwendung moderner Grundsätze bei der Besetzung der diplomatischen und der konsularen Aeintcr. Der Verirelcrtag begrüßt die Bestrebungen zur Anbahnung eines friedlichen Einvernehmens der großen kulturvoller dec Erde er ist aber der Ueberzeugung, daß die Voraussetzungen eines allgemeinen VöllerfiiedenS weder heute aegebcn sind, noch in absehbarer Zukunft geschahen werden können und daß einstweilen nur die Nation ihre weltwirtschaftlick en Interessen schützen und fördern und ihrer Exvortinduhrie din Weltmarkt offen hallen kann, die sich auf eine achtung gebietende Wehrkraft stützt. In der deutschen Wehrkraft erblickt die nationalliberale Jugend nicht ledig lich „ein notwendiges Uebel", sie schätzt die deutsche Wehrkraft als ein großes nationales Gut: die Pflanzstätte echten Mannesmutes und eiserner Disziplin. Die nationalliberale Jugend erwartet aber auch, daß dem Volke die Freude an Heer und Flotte nicht getrübt wird durch einen engen militärischen Kastengeist und durch unwürdige Behandlung der Relruten. Ter Vertreterlag ist der eininütigen Ueberzeugung, daß mit den Flotten gesetzen von 1900 und 1906 sür die Entwickelung unserer Seemacht nicht genug geschehen ist. Er richtet deshalb an die uationalliberale Fraktion des Reichs tages das dringende Ersuchen, die Initiative zu einer weileren Verstärkung der deutschen Kriegsflotte ergreifen zu wollen und ihren Einfluß dahin geltend zu machen, daß 1. der Bau un'crer Linienschiffe so beschleunigt wird, daß wir nicht erst im Jahre 1920, wie es das Flotiengesetz voin Jahre 1900 vorsieht, sondern zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt zwei Doppelgcschwader vollwertiger Linien schiffe besitzen 2. die Aliersgrenre der Linienschiffe von 25 aus 20 Jahre herabgesetzt wird, 3. unsere Kreuzerslolte üocr den Rahmen der Flotiengesetze von 1900 und 1906 hinaus vermehrt wird. , 4. der Bau einer Unterseeboolsflottillc sofort in Angriff genommen wird, 5. unsere Küstenbefestigungen erheblich verstärkt werden. Mit Genugtuung konstatiert der Vertretertag, daß in der Kokonialverwal- tung moderne Bahnen beschritten werden, er begrüßt den Entschluß des Leiters unserer Kolonialverwaltung, den Ausbau der Verkehrswege und die Besiedelung unserer Kolonien energisch zu fördern, der kolonialen Bodenspekulation enlgegen- zuwirken und den Grundsatz zur Anwendung zu bringen, daß das beste Beamten material gerade gut genug für unsere Kolonien ist. Ter Vertretertag fordert, Laß die schon seit Jahren angelündigte Vorlage zur Aendcrung deS Gcletzes über den Erwerb und Verlust der ReichSangehörig- keit in dem Sinne, daß grundsätzlich ein Deutscher die Rcichsangebörigkeit nur auf seinen Antrag verlieren kann, unverzüglich eingebracht wird und daß der Reichsfonds zur Unterstützung der deutschen Schulen im AuSlande von 650000 ./« auf mindestens 2 00000k) erhöht wird. Skandale. lVon unserem römischen ^.-Korrespondenten.) Drei neue Skandale beschäftigen wieder die Oeffentlichkeit in Italien. Sie werfen kein gutes Licht auf die Funktionäre des italie nischen Staates. Die mildeste Geschichte spielt in den staatlichen Arsenalen von Eastellamare di Stabiae. Es handelt sich hier darum, daß der Lieferant von Hanf zur Herstellung von Stricken und Seilen, der alljährlich 6000 Doppelzentner Hanf zu leisten hatte, einige dreißig Arbeiter und Aufseher bestochen hatte, dafür zu sorgen, daß bei der Nachprüfung des in das Arsenal eingelieferten Hanfes jene zahlreichen Ballen, die minderwertigen und größtenteils unbrauchbar gewordenen Hanf enthielten, nicht verifiziert würden und lediglich gewisse, mit einem kleinen äußeren Zeichen versehene Ballen, die natürlich von tadel- loser Beschaffenheit waren, den Revisoren als typische und „beliebig berausgegrifsene" Proben der ganzen Licferungsmasse unter die Augen kämen. Die bestochenen Arbeiter und Beamten sind verhaftet worden und mit ihnen der Lieferant, der durch seine feine Geschäftspraxis zum Millionär geworden ist, eine politische Rolle gespielt hat und sich über dies „Ritter der Krone von Italien" nennen darf. — Die zweite Ge schichte spielt nn staatlichen Marmemagazin von Civitavecchia und be trifft einen Jntendanturhauptmann vom Range eines Korvettenkapitäns und einen Wachtmeister der Marine, die bereits beide verhaftet worden sind. In Civitavecchia wird ein Koblenvorrat zur Verfügung der Kriegsmarine unterhalten unter der Verantwortlichkeit eines Wacht meisters. Im Juni nun lud hier das kgl. Transportschiff „Bronte" zirka 800 Tonnen Kohle ab und erhielt darüber von dem Wachtmeister regelrechte Quittung. Indessen erstattete der Wachtmeister sofort darauf bei den Vorgesetzten eine Anzeige, daß ihm vom „Bronte" 100 Tonnen zu wenig abgeladcn worden seien. Darauf erfolgten Untersuchungen, die damit endeten, daß dem Wachtmeister und dem Jntendanturhaupt mann als seinem Inspektor der Ersatz der fehlenden 100 Tonnen Kohle aufgcgcbcn wurde. Der Hauptmann remonstrierte, und cs erfolgte eine neue Untersuchung, die ergab, daß der Wachtmeister seine Anzeige nur gemacht habe, um vor dem Eintreffen des „Bronte" tatsächlich be stehende Materialmangel zu decken, und daß das fehlende Material an einen Händler verkauft worden ist seitens des Wachtmeisters und des Hauptmanns. Ueberdies ergab sich, daß diese Militärs auch 2000 Liter Oel und altes Metall aus dem kgl. Depositum sür ihre eigene Rechnung verkauft batten, sowie das Recht auf Fischerei im Hafen sich selbst und ihren Klienten zugeeignet und in einer wenig standesgemäßen Weise ansgebeutet hatten. — Die dritte Geschichte hat zum Schauplatz kn bell» dlvooli und zu traurigen Helden die Polizisten dieser Stadt. Ein Polizei-Unterkommissar, ein Wachtmeister und ein Polizist sind ange- klagt worden wegen Fälschung öffentlicher Urkunden und Meineides. Die beiden ersten Beamten hatten eine Falschmünzerwerkstatt entdeckt, deren Material beschlagnahmt und einen Betrag von 20 000 Lire in falschen 5-Lire-Schcinen kassiert. Gleichzeitig hatten sie zahlreiche Ver haftungen vollzogen und unter anderen auch einen jungen Mann aus guter und reicher Familie namens Boccalatte unter Angabe sehr be tastender Indizien dem Gerichte übergeben. Indessen ergab die gericht liche Untersuchung nicht nur keine Bestätigung der Änschuldigunaen gegen Boccalatte. sondern eine Reihe von Widersprüchen in den An- gaben der Polizisten und andere Momente, die herausstellten, daß Bocca latte und andere Verhaftete mit der Falschmünzergeschichte gar nichts zu tun gehabt hatten und aus bisher noch nicht ganz klaren, jedc.^alls aber verbrecherisch eigennützigen Motiven von den Polizisten an Stelle der eigentlich Schuldigen verhaftet worden waren. Deutsches Reich. Leipzig, 9. September * Hofnachrichten. Das kronprinzliche Paar beabsichtigt, alljährlich einen längeren regelmäßigen Aufenthalt im Rhein lande zu nehmen. Gegenwärtig werden im Brühler Schloss«, das zum Aufenthalt des Kronprinzen bestimmt ist, eingreifende bauliche Ver. önderungen vollzogen. * Bayerischer Ministerwechsel? In München zirkulieren allerlei Gerüchte über einen noch vor dem Zusammentritt des Landtags zu er- wartenden Wechsel im Ministerium. Allerdings weisen zurzeit auf fallend oft abgehaltene Ministerkonferenzen darauf hin, daß etwas be sonderes vorgeht, aber genauere Mitteilungen liegen nach keiner Rich tung hin vor. Zu befürchten ist, daß der Ministerwechsel im Sinn und Geist des Zentrums gegen den Liberalismus erfolgt. Vielleicht fällt Fraundorfer wegen seiner Verkehrsreform oder der Finanz minister Pfaff wegen Schwierigkeiten in der Durchführung der Finanzreform. Leuilleton. Niemand wird kultiviert, sondern jeder hat sich selbst zu kultivieren. Alles bloß leidende Verhalten ist das ge rade Gegenteil der Kultur. Fichte. Mit Dernburg nach Deutseh-Ostafrika. IV. Daressalam, 5. August 1907. lDer Brief ist verspätet nach dem vom 10. August eingelaufen.) Durch den Monsun hatte unsere Fahrt einen Tag Verzögerung er litten, so daß der Reichspostdampfer, der unsere Briefschaften nach Europa mit sich nehmen sollte, uns statt in Daressalam schon in Tanga begegnete. Mein letzter Brief von Bord des „Feldmarschall" war in- folge der unerwarteten Veränderung des Posttermins in Tanga noch nicht zur Versendung bereit; er hat somit Verspätung; hoffentlich haben die Kollegen, die ihr« Mitteilungen in Mombassa der englischen Post anvertraut haben, mehr Glück gehabt wie ich. Unvergeßlich wird mir der Eindruck meiner ersten Bekanntschaft mit Ostafrika sein. Ein schöner, sonniger Morgen. Der „Feldmar schall" lag, als wir erwachten, anscheinend in der Mitte eines Binnen sees mit vier nicht allzu breiten symmetrischen Abflüssen. Warme, freundliche Luit umichmeichelt uns. Von den vier langgestreckten Küsten zwischen den Abflüssen grüßte über dem gelben Strand dichtes, üppiges Grün zu uns herüber. Fcderkronen auf schlankem Stamm hoben sich über das scheinbar undurchdringliche Dickicht empor und verrieten so dessen Charakter; was uns umgab, war Palmenurwald. Durch den einen Abfluß, weit hinaus, sah man als schneeweiße Linie «ine mächtige Dünung. Dort war das Meer. Au unseren Mützen nur leises Plät schern Wir lagen im Hafen von Kilindini, einstweilen dem Neben-, in näherer oder fernerer Zukunft aber sicherlich dem Haupthafcn von Mombassa. Das war also die glückliche Küste, der unsere lange Fahrt gegolten hatte, war, wenn auch noch nicht Deutsch-Ost selbst, so doch dessen nächster Vetter! Es war das Afrika, das wir suchten, das reiche Land, auf dessen Prach; uns seine Adoptivkinder an Bord so oft begeistert verwiesen hatten, wenn unser Blick romantisches, aber totes Berggcklüft von der Riviera bis zum Kap Guardafui. wenn er das nuancenreich« fahle Gelb der Wüste nach den paar Oasen kargen Grüns in instinktivem Suchen durchforschte! Ein großer Moment war uns gekommen. In solchen Augenblicken, die ein Ereignis fürs Leben bedeuten, nimmt der Mensch das Symbol für Wahrheit. Der strotzende Palmenwald, mögen unter seinen Fächern giftige Ficberdünstc auch noch so dumpf brüten, wird zur Verkörperung, zur Zusage aller Schätze eines Märchenlandes. Was hat jugendliche Phantasie uns nicht einst vorgcgaukclt, wenn wir von den Aberucucrn der Tropen lasen und hörten. Ein handfester Glauben an ihren unschätzbaren Wert ist von damals her im Untergrund des Bewußtseins bei uns allen zurückgeblieben; er ist der Niederschlag von Erfahrungen, welche die Menschheit seit Jahrtausenden gesammelt, einer unruhigen schmerzlichen Sehnsucht, die sie ebensolange keherrscht hat. Sehnige Eingeborene ruderten uns schnell hinüber zn der einzigen Lücke in dem Palmendickicht ringsum, zu den paar Bauten, die Kilindini repräsentieren. Es sind dies ein paar Verwaltungs- und Wohngebäude, der englische Zollschuppen, eine Bahnhofshalle als der äußerste End punkt der Mombassabahn, und etliche Lagerräume für den Güterverkehr. Zwei, drei Dutzend schwarze Schlingel hockten am Landungsplatz herum. Sie verlangten kein Bakschisch, ein unerhörtes Ereignis für den, der Afrika bis dahin nur vom Mittelmeer aus gekannt hat. Jeder Baum, jeder Strauch, die dünne grüne Schlange, die am Palmenschaft hcrabglcitct und über den Weg unauffindbar im Busch verschwindet, die fremden bunten Falter, die in Menge die Blüten des Mangobaums umflattern, der kanariengelbe Singvogel, der vor uns auf dem Zweige wippt, das Massiv eines Affenbrotbaums — alles wird zum Ereignis. Der erste Spaziergang im äquatorialen Afrika! Und die Temperatur auch nicht ärger als daheim im August. Neger- burschen zwischen den Deichseln ihrer „Rikscha", eines zweirädrigen Kabrioletts mit elegantem Sonnensegel, trotten zu dreien oder vieren hinter mir her, in der Hoffnung, daß ich mich ihres Wagens schließlich doch noch bedienen würde. Aber sie belästigen mich nicht durch aufdring liches Zureden. Englische Ordnung, die hoffentlich eines nicht mehr fernen Tags auch in Aegypten das Anrcißcrtum der Straße ausrottcn wird! Ein dunkelfarbiger Schutzmann in Khaki, ein Sohn des Sudan, mustert stumm und bewegungslos, die Arme bekreuzt, die Passanten. Eine breite schnurgerade Straße führt in ctiva einer kalben Stunde von Kilindini hinüber nach Mombassa. Sie durchschncidct in prallem Sonnenschein reiche Kulturen; Landhäuser im Tropenstil, mit rings nm das Haus lausenden Veranden und großen Gärten folgen; die Be bauung wird dichter, die moscheeartige englische Kirche, die katholische Mission mit ihrem Gotteshaus, die englische Hauptwache, die aus einiger Entfernung einer heimischen Schießbude läck)«rlich ähnlich sieht, tauckrcn auf, das Palais des High Commissioncrs folgt: Mobassa ist da! Auf dem ganzen Wege lebhafter Fußgängerverkehr: Eingeborene. Araber, Inder, Europäer durcheinander, alles emsig vorwärtsstrcbcnd. Von Fuhrwerken ab und zu mn Esel- oder Maultierwagen, im übrigen die schon erwähnten Rikschas und viersihiae Trolleys, die. von zwei Negern geschoben, in einem Schmalspurgleise laufen Sie vertreten eine Straßenbahn, wie die Rikschas die Droschken. Tie primitive Verwen dung des Menschen als Motor gegenüber dem Lamento über das Fehlen von Arbeitskräften in Ostafrika gibt schon jetzt zu denken. Sie beweist erstens, daß es Farbige gibt, die bereit sind, schwere Arbeit zu tun, wenn sie Halbwegs bezahlt wird, zweitens, daß sic bereit sind, diese Arbeit an nähernd regelmäßig zu tun. Denn die Rikschas stellen ein kleines Kapital dar, das erarbeitet werden mußte, auch werden sie täglich in Be trieb genommen; drittens, wenn die erste und die zweit« Annahme zu- trcfsen, daß es an wirtschaftlich verständiger Verwendung für die vor handenen Arbeitswilligen fehlt. Aehnliche Beobachtungen drängen sich auch weiterhin auf. Die Handwerker arbeiten zum Beispiel vielfach mit schwarzen Gehilfen. Ueberall herrscht musterhaft« Ordnung. Tie Ein- geborenen bewogen sich frei und sicher; doch hält die englische Verwal tung hier die Stationierung einer ganz unverhältnismäßig großen An zahl von Polizeiposten in den Straßen für notwendig. Port Said war nicht annähernd ebenso bewacht. Auffällig oft begegnet man auch Gruppen von schwarzen Kcttcngefangenen, die unter der Aufsicht von Sudanesen mit scharf geladenem Gewehr an der Straße arbeiten. Dem Berliner Zunstgenosscn, der mich begleitet, paßt der Anblick nicht recht in den Kram. An „H. M. High Court" und dem alten portugiesischen Fori vorüber, kommen wir zum Hotel Cecil, dem ersten Gafthw von Mom bassa. Dort kommen die Ueberraschungen gleich doppelt. Bei unserem Eintritt klingt uns deutsche Musik entgegen; der Automat des Lokales, ein Apparat aus Leipzig, läßt „die See erglänzen weit hinaus . . . lind im Empfangsraum hängen neben einem kleinen Bildnis der ver storbenen Queen ganz groß die Bilder unseres Kaisers und nnicrer Kaiserin. Tas war so weit ganz nett; mehr an Sympathie für unser Volk konnte man eigentlich hier in der britischen Kolonie nicht gut ver langen. Das lebhafte Treiben in den malerischen Straßen und Gäßchen des Babnhoss- und Hafenviertels von Mombassa, seine beträchtlichen Waren- lager, zeigen, was der Schiencnstrang selbst aus einem wirtschaftlich noch recht wenig entwickelten und gepflegten Lande hcrausholt. Ter alte Hafen von Mombassa, in dem der Schiffsverkehr sich noch immer konzentriert, ist nicht sehr geräumig; seine Lösch- und Ladeeinrichtungen sind ungenügend. Der Schwesterhafen von Kilindini ist noch nicht aus gebaut. Aus lokalen Gründen ist es nicht sehr wahrscheinlich, daß dicicn mißlichen Verhältnissen bald energisch ein Ende gemacht wird. Erireu- licherweise sind unsere Kolonialbchörden nicht blind für die Aussichten und Möglichkeiten, die sich aus dieser Lage der Dinge für das benach barte Tanga ergeben. Die Vermessungsarbeiten dort beginnen in nächster Zeit. Hoffentlich ist man sich an den entscheidenden Stellen k;ar darüber, daß. unbeschadet aller Babnprojekte, Tanga «in sür ostcnrika- nische Verhältnisse erstklassiger Hafen sein muß, ehe die Engländer Mom- basia einen solchen geben, d. h„ den Interessenten des alten Hafens die Ueberzkugung von der Notwendigkeit der Verlegung des Verkehrs nach Kilindini bcibringcn. Am Hauptplatz von Mombassa steht ein auch als Kunstwerk be. achtenswertes Bronzedenkmal Sir William Mackinnons, der, laut aus-
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