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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.08.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-08-27
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010827020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901082702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901082702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-08
- Tag1901-08-27
- Monat1901-08
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AnzcigeN'PreiS die 6 gespaltene Petitzeile LS Reklamen unter dem Rrdactiou-strich (-gespalten) 7b H, vor den Familiennach» richten («gespalten) SO Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen «ad Offertenannatzme 25 (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesürderung ÜO—, mit Postbesürderung 70.—, Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Lei deu Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet- au die Expedition zu richte«. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöfsnei von früh 8 bis Abend- 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol- tu Leipzig 436. Dienstag den 27. August 1901. 95. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. * London, 36. August. Entschädigungs-Com mission. Der Vorsitzende Ardagh trat dem Entschädigungs ansprüche eines in Preußen geborenen, in Amerika naturalisirten Geschädigten Namens Nelken entgegen; er nahm auf ein Schreiben des Nelken Bezug aus welchem hervorgehe, daß dieser sich den Boeren angeschlossen habe, um sein Eigenthum zu schützen, das die Boeren beschlagnahmt halten. Der Vorsitzende erklärte, die Commission habe bereits in einem ähnlichen Falle entschieden, sie sei nicht in der Lage, Entschädigungsansprüche von solchen Personen zur Berücksichtigung zu empfehlen, die gegen England gefochten haben. * London, 26. August. Lord Kitchener meldet unter dem heutigen Tage aus Pretoria: Seit dem 19. d. M. sind 32 Boeren gefallen, 24 wurden verwundet, 139 gefangen genommen und 186 ergaben sich. Ferner wurden 245 Wagen, 206 Pferde und 6615 Stück Vieh erbeutet. General Bloods Colonne hat von Norden her, ohne auf ernsten Widerstand zu stoßen, Middelburg erreicht. Die Obersten Allenby und Kekewich sind noch dabei, die Districte nördlich der Magalies- Berge zu säubern; hier haben sich auch die meisten Boeren er geben, darunter ein Enkel Krllger's. Die unter dem Befehle des Generals Knox stehenden Truppen haben zwischen Tha- banchu und dem Oranjeflusse die Transvaaler und Kruitzinger's Mannschaften fortwährend beunruhigt. Das ist aber gegen wärtig alles. Die Abteilungen des Feindes und der Auf ständischen in der Capcolonie verbergen sich mit einigem ErfqEe vor unseren Truppen und weichen ihnen aus. General Beatson's Colonne drängt Scheeper's Commando nordwärts. Nach der Verlustliste wurden am 19. d. M. bei Uniondale 10 Hlffaren ge fangen genommen, die bisher noch nicht wieder freigelässen sind. Bei Henesaweers Kop in der Nähe von Fauresmith wurden am 21. d. M. 4 Reguläre getödtet und verwundet. * London, 27. August. „Daily Telegraph" meldet aus Hilvexsum unter dem 23. August: Präsident Krüge? erklärte im Laufe einer Unterredung: Nichts, mit Ausnahme der Haltung der englischen Regierung, habe sich in der Lage der Dinge geändert. Die Boeren befolgten dieselbe Taktik die sie beim Beginn des Krieges befolgt hätten. Man habe sie früher militärische Taktik genannt, dann habe man sie irreguläre Kriegführung geheißen. Es sei jetzt die Taktik der Vertheidigung. Die Zahl der Boeren sei geringer geworden, aber ihr Widerstand zeige auch heute alle wesentlichen Bestandtheile einer regelrechten Krieg führung. Die Boerenfllhrer hätten ihre Mannschaften in der Gewalt, wie auch die Boerenregierung das Boerenvolk immer noch regiere. Die Proclamation Kitchener's könne nur eine Wirkung auf die Boeren haben, die nämlich, ihre Gemüther zu verbittern, ihre Waffen zu stählen und ihren Widerstand hartnäckiger zu machen. Die Behauptung von einer Ver schwörung der beiden Republiken wider die britische Herrschaft in Südafrika sei eine häßliche Lüge. Er spreche es hier vor dem Angesicht des allmächtigen Gottes aus, daß dies eine Lüge sei, die Blutvergießen und Vernichtung erzeugt habe. Gott wisse, daß er die Wahrheit spreche; seine Zeugen hienieden seien Salisbury und Chamberlain; diese wüßten genau, daß das, was er spreche, wahr sei. Niemals habe es eine verderblichere und teuflischere Lüge gegeben. Auf der Basis der Unabhängigkeit der beiden Republiken und der Straflosigkeit der Afrikander in der Capcolonie könne noch immer ein wahrer und dauernder Friede geschlossen werden. FrrrrHeton» 2S1 Am Geld. Roman von F. Ilex. Nachdruck verbetm. „Das Kind ist eben ein Kind, und damit nichts geschieht, dafür werden die Leute gehalten und bezahlt", war das Mildeste, waS sie auf die bescheidensten Vorstellungen Hedwig's zu ant worten Pflegte. - AIS Paul einmal wieder Zeuge einer solchen Scene war, wie der Junge stürmisch nach der, hell durch die Marienglasfenster scheinenden Flamme des Ofens verlangte, und zur Warnung und Belehrung für den Kleinen diesem — scheinbar auf den Wunsch eingehend — mit aller Vorsicht das Fingerchen in den Wirkungsbereich des begehrten Gegenstandes brachte, überschüttete Gisela ihren Gatten wegen der dabei bewiesenen Grausamkeit mit einer solchen Fluth von Vorwürfen, daß Paul von nun an auf diese praktische Erziehungsmethode Verzicht leistete und um des lieben Friedens willen schwieg. Was hätte es ihm auch genützt, der erzürnten Mutter auseinander zu setzen, daß es gerade bei der Hilflosigkeit ihres Zustandes von größter Wichtigkeit sei, das Kind — so früh und nachdrihklich wie möglich — auf die es bedrohenden Gefahren aufmerksam zu machen, zumal es sich doch nicht immer vermeiden lassen würde, daß die Mutter mit dem Sohne einmal allein gelassen werden müßte. Trotz zeitweise wiederkehrender äußerst schmerzhafter Anfälle, zeigte Gisela doch allmählich wieder mehr Antheilnahme an der Außenwelt und vor Allem an der Leitung ihres eigenen Ver mögens, das sie wieder mit gewohnter Umsicht und Thatkraft in die Hand nahm, sobald sie sich nur einigermaßen kräftig genug dazu fühlte. Paul hatte in der gewissenhaftesten Weise, als Stellvertreter seiner Frau, Buch über alle Einnahmen und Ausgaben geführt, und war daher im Stande, nach jeder Richtung die genaues) stimmende Rechnung abzulegen. Er Hutt« den Wunsch Gisela'S nach Abrechnung nicht erst abgewartet, sondern war, sobald die Kranke ihr Interesse einmal geäußert hatte, der immerhin pein lichen Aufforderung zuvorgekommen. Nicht wir der Gleich-, son dern wie der Angestellte, hatte er alle Beläg« und Rechnungen zur Stelle gebracht, sah sich dann aber auch für sein« Sorgfalt durch ein freundliches Lächeln — das erste seit so vielen Mo naten? — belohnt. Seit Paul'» Rückkehr vom Manöver, seit jener Begrüßung Politische Tagesschau. * Leipzig, 27. August. „Unter allen Umständen". Daß Deutschland unter allen Umständen zu neuen HanSelSverträgeu mit den Vcr- tragSstaaten von 1892 und 1894 und dazu noch mit den Vereinigten Staaten von Amerika zu gelangen sorgen müsse, ist Tag für Tag in vertragsbegeisterten Blättern zu lesen. Man regt sich darüber nicht auf und legt diese Gedanken losigkeit zu den vielen anderen, die in dem entbrannten Zoll kampf als Zeugnisse der politischen Kritiklosigkeit der Deutschen von links nach rechts beigebracht werden. Etwas Anderes ist eS, wenn die »»durchdachte Parole als Programm der höchsten Stelle im Reiche hingestellt wird. DieDcmokratie, die die Mon archie sonst gar nicht oder höchstens als Dekoration gelten lassen möchte, hat die Person des Monarchen von Anbeginn in die öffentliche Debatte über die künftige Handelspolitik gezogen und nicht einmal, wofür Klugheitsgrünve sprachen, dagegen Verwahrung eingelegt, als einer ihrer Wortführer die Herein zerrung des Kaisers und die Einwirkung auf ihn als oie ge gebene Politik der Gegner von Zollerhöbungen förmlich pro- clamirte. Wir können, so hieß eS, angesichts der Stimmung des BundesratheS und der Zusammensetzung des Reichstages nur noch vom Kaiser etwas erwarten. Dagegen hat man nirgendwo in der das parlamentarische System anstrebenden und selbst in der bei anderer Gelegenheit die constitutionellen Regierungsgrundlagen betonenden freihändlerische Presse ein Bedenken laut werden höre». Auch das mag hingehen, aber es fordert den Protest heraus, wenn die Fanatiker der reinen HandelSintereffen und des Junkerbasses die eigene Leiden schaftlichkeit und Betbörung dem Monarchen an der Spitze des Reiches unterstellen. Unter allen Umstanden einen Vertrag abschließen wollen, heißt das Wesen der Verträge, das auf Leistung und Gegenleistung beruht, gänzlich verkennen. Wer es wollte, begäbe sich seiner Freiheit gegenüber dem anderen Conlrahenten, so daß er selbst gar nicht mehr ein Contra- hent im thatsächlichen Sinne wäre, sondern ein freiwillig sich darbietendeS Opfer gegenüber dem Emp'angsbereilen. Nur wer von einem Vertragsabschluß a b st e h e n kann, ver mag ein ehrenvolles und vortbeilhaftes Abkom men zu erzielen, mithin eine Vereinbarung, wie Personen oder Staaten, die im Besitze ihres Selbst bestimmungsrechts sind, sie allein treffen werden. Der Friede von Tilsit hieß auch ein Vertrag. Aber er ist ein solcher in dem Sinne, wie die Handelsverträge aufgefaßt werden, nicht gewesen. Denn Preußen hatte, als eS ibn mitunterzeichnete, seine Widerstandskraft und damit seine Willenöfähigkeit ver loren, eS war unfrei und mußte sich fügen. Auch die Sprache hebt den Unterschied zwischen gewollter Abmachung und erzwungener Ergebung in einen fremden Willen hervor. Man spricht von dem Frieden, den Preußen unter Jnbetrachtnahme der Oesterreich ver bliebenen militärischen und diplomatischen Kräfte — eine französische Intervention war in Sicht — 1866 zu Nikols burg abgeschlossen hat. Aber man sagt, Karl V. habe dem Franzosenkönig Franz I. den Frieden von Madrid, Napoleon nach Austerlitz Oeyerreich den PreßburgerFrieden und Biömarck Frankreich den Versailler Präliminarfrieden dictirt. Nur wer muß, schließt unter allen Umständen Verträge, auch im Privatleben. Ein Leutnant der „unbaar" und unglücklich ge spielt und nur noch zwischen einem Gange zum Wucherer, dec mit Fräulein Vocking, war in Gisela'S Seele der Samen des Mißtrauens gefallen. Sie fing von diesem Momente an, das Benehmen der Beiden im gegenseitigen Verkehre zu beobachten. Wenn auch Hedwig sich fast den ganzen Tag über in der nächsten Umgebung der Leidenden befand, so konnte es doch nicht fehlen, daß täglich, schon während der gemeinsamen Mahlzeiten — di« mit Gisela'S Ruhezeit zusammenfielen — Momente, ja Stunden eintraten, wo Paul mit Fräulein Vocking allein war. Diese Stunden wurden Gisela zur Oual, obgleich sie auch nicht den leisesten Anhalt für ihren Verdacht aus dem beiderseitigen Be nehmen, welches nicht über den Ausdruck einer gewissen achtungs vollen, formellen Höflichkeit hinausging, bis jetzt hätte schöpfen können. Während sie sich in den langen Monaten ihres Siechthums, wo sie aber schon wieder Antheil an ihrer Umgebung nahm, kaum um ihren Gatten bekümmert hatte, am wenigsten jedenfalls darum, wie und wo er seine dienstfreie Zeit zubrachte, zeigte sie mit einem Male dafür das lebhafteste Interesse. Sie wollte gar nicht glauben, daß Paul, außer zum Dienste, kaum einen Schritt aus dem Hause setze, daß er nicht nur ihr aufopferndster, un- zertrennlickstcr Pfleger in den ersten kritischen Tagen nach dem verhängnißvollen Sturze gewesen, sondern daß er auch jetzt noch seine freie Zeit in seinem Arbeitszimmer over in der Kinderstube verbringe. Hedwig, die Vermittlerin dieser Nachrichten, war absichtslos bei der Schilderung von P-aul's opferwilliger Pflege und seiner beharrlichen Weigerung, sich auch einmal eine kleine Zerstreuung zu gönnen — besonders nachdem Gisela offen den Wunsch ge äußert, ihn lieber seltener um sich zu sehen —, in einen etwas wärmeren Ton verfallen. Gisela'S Argwohn fand dadurch erneute Nahrung! Mit dem Augenblicke, wo sie befürchten mußte, die Liebe ihres ManneS — ein Gut, das zu erhalten, sie sich keine Mühe gegeben hatte — zu verliere», gewann es in ihren Augen an Werth. Sie konnte sich in wildester Eifersucht verzehren, wenn sie daran dachte, daß Paul anderwärts einen Ersatz suchen könnte für das, waS sie ihm bis jetzt eigentlich noch nie gewährt — für eine durch Liebe verschönt« Häuslichkeit. Sie fühlt«, ohne sich vielleicht darüber selbst klar zu werden, daß sie ihren Gatten noch immer liebte; freilich nach ihrer Art, mehr als ein ihr gehöriges Gut, daS sie keiner Anderen gönnte, wie als Sonderwesen mit gleichberechtigten Wünschen und Will«n. Sie hatte den stattlichen Mann mit dem vornehm klingenden Namen geliebt als Ergäuzung dessen, WaS ihr fehlte, und gewiß wäre sie auch glücklich mit ihm geworden, wenn er nur um ein Wenige» leichtlebiger gewesen wäre. Cassation und einer Kugel zu wäblen bat, der muß, wenn er sich für die erste Möglichkeit entschlossen, allerdings unter allen Umständen mit dem aufgesuchten Contrahenlen paktiren und jede Bedingung unterschreiben. Aber solche Verträge bedroht das Gesetz als Wucher mit harten Strafen für den „alle Umstände" des Hilfesuchenden ausbeutenden Geldgeber. Es ist ein unsinniger Gedanke, ein blühendes Reich von 56 Millionen Menschen könne sich in der Lage eines solchen Verzweifelten fühlen gegenüber von Staaten, die an einem gegenseitigen handelspolitischen Einvernehmen min destens das gleiche und zum Tbeil ein viel stärkeres Interesse haben als er selbst. Und es ist etwas Schlimmeres als Dreistigkeit, dem Kaiser Wilhelm II. die Absicht zuzuschreiben, sich anderen Ländern mit selbstgebundenen Händen zu über geben. Wenn die Negierungspresse ibrem feierlich verkündigten Vorsatze, die Zollpolitik ihrerseits nicht zu debatliren, bisher treu geblieben ist, so kann man sich die Beweggründe ihrer Auftraggeber Wohl denken und sie billigen. Aber in diesem Falle hätte eine Ausnahme mittelst einer bündigen Zurechtweisung der Verdächtigung der Intentionen und der Urteilskraft des Monarchen um so mehr gemacht werden sollen, als es ein großes, vielgelesrnes und für ge wisse Kreise autoritatives Blatt gewesen ist, das die Mähr von den vom Kaiser unter allen Umständen gewollten Handels verträgen aufgctischt hatte. Infolge der Untcr-rrchung -er Reise -cs Snhneprinzc» in Basel, die bekanntlich mit einer Erkrankung desselben motivirt wurde, taucht die Vermutung auf, daß der wirkliche Grund ein politischer sei. Die Zimmer für den Prinzen in dem Baseler Hotel sollen auf 10 Tage gemietet sein. Das kann ja seinen Grund in einem ernsten Unwohlsein haben; aber es wäre auch möglich, daß ein Hinderniß für den Empfang des Prinzen in Berlin entstanden wäre, welches erst beseitigt werden müßte, bevor er nach Deutschland kommen könnte. Man findet allgemein, daß die sür seinen Empfang am deutschen kaiserlichen Hofe angeordneten Formen bvchsienS dann als nicht übertrieben gelten könnten, wenn der Abgesandte die Nachricht von der Unterzeichnung deS Friedensprotokolls durch die Chinesen mit nach Berlin bringen könnte. Sollte er am Ende Veranlassung erhalten haben, in Basel zu warten, bis er die entsprechende Meldung aus Peking erhalten hat? Einen Anhalt für diese Vermulhung liefert die bereits mirgetheilte Berliner Meldung der „Köln. Ztg.", der Kaiser von China habe alle Edicte erlassen, welche die Anträge der Gesandten genehmigen, eS fehle nur noch ein Eoict, Las die Zustimmung zur Regelung der Jangtse-Mündung giebt. ES wäre erfreulich, wenn sich herausstellte, daß dem Prinzen von Berlin aus angedeutet worden wäre, er habe auf Empfang erst dann zu rechnen, wenn sein kaiserlicher Bruder mit keiner Unterzeichnung mehr im Rückstände sei. Aber auch in diesem Falle würde eS sich empfehlen, den Prinzen in Berlin empfinden zu lassen, daß man dort den großen Unterschied zwischen papiernen chinesischen Versprechungen und ihrer Erfüllung gründlich kennen gelernt hat. Die Tagung der „Generalversammlung der Katholiken Deutschlands" scheint für die klerikale Presse ein erwünschter Anlaß gewesen zu sein, den katholischen tÄclchrtcn die Gebundenheit gegenüber der kirch lichen Lehre einzuschärfen. So hat am 18. August d. I. das Organ der bayerischen Centrumspartei den Gelehrten vor gehalten, daß ihre Forschungen zu einem falschen Ergebnisse Sic hatte sich damals, als Ohrenzeugin von SohdeiLs Be merkung an jenem ersten Ballabend, ein ganz anderes Bild von Paul gemacht. Sie glaubte eher, «inen „kleinen Durchgänger" an ihm zu gewinnen, dem man hin und wieder den Daumen aufs Auge, und die Hand «auf die Geldbörse legen müßte, und fühlte sich im Nothfalle beiden Anforderungen bis in die äußersten Consequenzen gewachsen. Allein statt dessen entpuppte sich der flotte Officier als kleinlicher Nörgler, der mit seiner philister haften Sorge, „aufzufallen" oder „Anstoß zu erregen", weder sie noch sich selbst zu einem ruhigen Lebensgenüsse kommen ließ. Herr Gott, mit was Allem hatte er sie gequält! Mit dem Anzuge, der nie der Gelegenheit angemessen war, mit der Zahl der Gerichte, mit der Auswahl der Wein«, mit der Verwöhnung der Dienstboten! Das hätte ja einem Engel die Galle ins Blut treiben müssen! Und hatte sie sich nicht redlich Mühe gegeben,' die Zustimmung des gestrengen Herrn zu erringen? Hatte sie nicht ihm zu Liebe drei, vier Mal dasselbe Kleid zu Gesellschaften angezogen, wo man sicher war, immer dieselben Leute zu treffen, die diese Toilette schon auswendig kennen mußten? Hatte sie sich nicht auf ein so bescheidenes Menu beschränkt, oaß sie sich heute noch bei dem Gedanken schämte, was ihre Berliner Bekannten zu einer solch' dürftigen Besetzung der Tafel gesagt haben würden? Und was war der Dank? Allenfalls ein freundlich-flüchtig an erkennendes Wort: „So war es recht heute", oder derartige souveräne Zustimmungsäuberungen, während sie doch so oft mit den Thränen des Zornes in den Augen alle Vorbereitungen hatte treffen müssen, nur um dem Tyrannen zu Willen zu sein! War es dann zu verwundern, wenn sie gelegentlich auch ein mal ihren Kopf aufsehte und sich nicht unterdrücken li«ß, wie eine willenlose Sclavin? Oh, über dies« ewige Bevormundung und Hofmeisterei, die ihr die harmlosesten Vergnügungen verdarb, und schließlich die Schuld an ihrem ganzen Unglück« trug! Und jetzt noch, zu allerletzt sein schroffes Vorgehen gegen das Kind, ihr Kind, das schon gehorchen sollte, wie ein erwachsener, für seine Willcnsbethätigungen verantwortlicher Mensch! Er hatte das Kind nicht leiden mögen, von der «rsten Stunde an! Wie lebhaft stand noch jener Augenblick vor ihrer Seele, als er, sich unbelauscht wähnend, den Kleinen in der Wiege mit kritischem Blicke gemustert hatte. So sah nicht ein Vater seinen Erstgeborenen an! Das war Alles eher, als Vaterliebe, die damals aus den zusammengezogenen Brauen sprach! Daß Paul sich jetzt mehr mit dem Kleinen beschäftigt« und offenbar Gefall«» an ihm fand, waS war das für ein Wunder? gelangen, wenn sie dem allein wahren Glauben der katholischen Kirche widersprechen. Und das gleiche Thema behandelt in der letzten Sonntagsnummer die „Köln. Volksztg." in einem Leitartikel über „Taufschein-Katholiken". Als Taufschein- Katholiken bezeichnet das rheinische Centrumsorgan jeden Katholiken, der die religiösen — gemeint sind die kirchlichen — Pflichten nicht erfüllt. Dieses Kriterium reiche für die Praxis vollständig aus; aber der höher gebildete, insbesondere der Mann der Wissenschaft, müsse entsprechend dem ihm anver trautem Talent mit einem höheren Maßstabe gemessen werden. „Will er überhaupt", so schreibt die „Köln. Volksztg." wörtlich, „auf den Titel eines katholischen Gelehrten nicht verzichten, so muß nicht nur seine praktische Lebensführung, sondern auch sein Wissen, Denken und Forschen in Ueber- einstimmung mit seiner religiösen Ueber- zeugung stehen. Das hält oft schwer, aber es giebt eben nur eine Wahrheit." — Wie schwer es einem auch nur einigermaßen überzeugungstreuen Forscher fallen muß, die Forderung des Centrumsblattes zu erfüllen, geht aus einem Beispiele hervor, das die „Köln. Volksztg." zur Abschreckung mittheilt. „Wir haben es erlebt", ruft sie schaudernd aus, „daß eine ausgesprochen katholische Zeitung gelegentlich der Ein führung des neuen Bürgerlichen Gesetzbuches in einem Com- mentar hierzu ihren Redactionsjuristen ruhig schreiben ließ, das Mutterrecht sei älter als das Vaterrecht, weil das Hordenleben dem Familienleben voran gegangen sei . . . Das beweist aber nur, wie hohe Zeit eS ist, gegen diesen Geist des Jrrthums, der nicht nur auf unseren Hochschulen, sondern bereits an Mittel- und Volksschulen heimisch ist, thatkräftig Front zu machen." — Worin jenes thatkräftige Frontmachen zu be stehen hat, hat beispielsweise Professor Schell in Würzburg erfahren. Widerruf der eigenen wissenschaftlichen Ueber- zeugung und Unterwerfung unter die kirchlichen Satzungen oder Excommunication — das ist die Alternative, vor die der Kleri- kalismus den katholischen Forscher stellt. Daß diese Alter native das unfehlbare Mittel ist, die wissenschaftliche In feriorität der Katholiken zu verewigen, ist dem KlerikalismuS vollkommen gleichgiltig. Seitdem Herr Millerand das Präsidium des fran zösischen Handelsministeriums übernommen hat, hat diese Be hörde eine Reihe von Maßnahmen getroffen, die, wie die Ein richtung der Arbeitsräthe, denvölligenSiegdersocial- demokratischen Ideen und die staatliche Anerkennung des Terrorismus documentiren. Die „Genossen" konnten mit dem thatkräftigen Vertreter ihrer Ansichten zufrieden sein und hatten wohl das Recht zu erwarten, daß noch manche „rettende That" auf dem Gebiete der socialen Frage dem ferneren Wirken des Herrn Millerand Vorbehalten sei. Nunmehr aber hat der Minister seinen Freunden einen recht bösen Streich gespielt, in dem er die Initiative zu einer regierungsseitigen Maßnahme gab, die keineswegs den Beifall der berufsmäßigen Streikapostel und ihrer Anhängerschaft finden dürfte. Wie die „France militaire" meldet, beabsichtigt die französische Regierung in Anbetracht der mannigfachen Unzuträglichkeiten und Schädigungen der dienst lichen Interessen bei Verwendung militärischer Commandos in Streikrevieren und in der Erwägung, daß in vielen Fällen seitens der Officiere und Mannschaften in der Behandlung der Aus ständigen und bei Beurtheilung der der jedesmaligen Sachlage anzupassenden Maßnahmen grobe Mißgriffe geschehen seien, eine sogenannte „Streik - Specialtruppe" zu schaffen, die in allen Fällen, wo das Eingreifen des Militärs erforderlich wird, mit dieser Aufgabe betraut werden soll. Zunächst wird diese Truppe die Stärke eines Bataillons erhalten und aus An gehörigen der republikanischen Garde gebildet werden. Diese Konnte es denn einen drolligeren, klügeren kleinen Schelm geben, als ihren Willy? Was war da Großes dabei? Wenn sich Gisela in dieser Weise von den wider strebendstcn Empfindungen bewegt fühlte und in Erbitterung, ja Zorn gegen ihren Mann hineingelebt hatte, so war sie andererseits ehrlich genug, ihm auch da Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, wo er unzweifelhafte Beweise seiner Zärtlichkeit oder mindestens seiner Theilnahme gegeben hatte. So hatten di« gewiß unanfechtbaren Mitteilungen Hedwig's von seiner Sorge, seiner Pfleg« in den ersten Wochen nach dem Unglückstage, die sie der eigen«» Schwester nicht geglaubt, entschieden ein« mildere Seit« in ihrem Herzen berührt. Galt doch diese Theilnahme, diese Aufopferung ihr, ihr allein; also mußte er sie doch noch ein wenig lieh haben! Sollte sie nun auch noch diesen Rest verlieren, oder gar an ein« Andere abtreten? Oder sollte PacU, der Monat« langen Ein samkeit in der freudlosen Häuslichkeit überdrüssig, auswärts Zerstreuung suchen? Die Gefahr lag nur allzu nahe! Gewiß würden die Kameraden, die Familien des Regiments, den von so schwerem häuslichen Ungemach heimgesuchten beliebten Kame raden mit offenen Armen aufnehmen, und wohin er nur kam, nach Kräften zu trösten suchen. Das durfte nicht sein, um keinen Preis der Welt! Ihr gehörte er, und an ihrer Seite war sein Platz! So kam es, daß sie schon am nächsten Tage, als sich Pauk wi« gewöhnlich nach seiner Rückkehr vom Dienste nach ihrem Befinden erkundigt«, ihn mit ungewohnter Milde in Ton und Geberde empfing und wie von ungefähr di« Bemerkung macht«, daß sie sich so viel Wohler fühle, daß sie gerne etwas von ihm vorgclesen haben möchte. Paul traute seinen Ohren kaum! So hatte Gisela seit ihrer ersten Brautzeit nicht mit ihm gesprochen! Natürlich war er mit tausend Freuden bereit, diesen Wunsch zu erfüllen, und eilt« sofort, sich die gewünschte Lectiire zu ver schaffen. , Wie beschwingt fühlte er sich, und wie dankbar war er für jede leiseste Aussicht, «in nur nornwles friedliches Verhältniß wieder herzustellen. Di« nächsten Wochen schienen sein« Hoffnungen erfüllen zu wollen, war doch Gisela von einer Milde und Nachsicht, auch kleinen Vorkommnissen gegenüber, durch di« sie sich sonst un fehlbar hätte in .Harnisch bringen lassen. Es bildete sich nun in Gisela'S Zimmer allabendlich ein« Gruppe, die für den oberflächlichen Beobachter — abgesehen von der auf einem Ruhebette liegenden Kranken — das Bild eine- friedlich-harmonischen Familienglückes abgeben konnte.
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