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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.07.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-07-08
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070708017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907070801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907070801
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-07
- Tag1907-07-08
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Morgen-Ausgabe 8. DezugS-PreiS sltx L«iv»'g und Vororte durch unlere Lräger und Spediteure in» Hous gebracht: Au« gäbe t (nur morgen«> vierteljLhrlich IM. monatlich 1 M Ausgabe u (morgens und abend«! vicrtcljLdrlich 4.5Ö M., monatlich I.5Ö M. Durch die Post bezogen < mal täglich) innerhalb Deuilchlands u der deutschen Kolonien viertcliährlich 5.25 M., monatlich 1,75 M auSichl. Postbestellaeld, Pir Oesterreich 9 !i 66 k, Ungarn 8 L vierteljährlich. Abonnement Annadm«: Augustu«platz 8, bei unseren Drägern, Filiale», Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Bries trägern. Die einzelne Nummer kostet Ist Pfh Nedaktivn und Expedition! Johannirgasse 8. kekephon Nr. IE, Nr. 14SS3. Nr. 14684. UttMgcr.TagMM Handelszeitung. Berliner Nedaktton« - Bureau: Berlin K>V. 7, Prinz Loui« Ferdinand« Strahe r. Telephon 1, Nr. 8275. Amtsblatt des Rates und des Volizeiamtes der Stadt Leipzig. »uzeigeu.Prei» iür Inserat, an« «ntzmig und Umgebung di, 6aApaltnni vetttz^le 25 Ps , sinanzielle Anzeig.n 30 Ps„ N,Namen I M.: IM, aulwärt« 30 Ps, Reklamen 1.2» M : v-mAu«l-nd«)Ps.. finanz. Anzeigen 75 Pt Reklame» 1.50 M. Insirate ». B«»»rbm, i« mntlichen Teil 4» Pt «eilagrgebübr SM.». Tausend -xkl. Pest gebühr. Beschäfttanzeigen an b:oorzugtc: Stelle im Preise erhiht. Rabatt nach Tar>i Festertetlt, Aufträge können nic>t zurück gebogen werden. Für da« stricheinen an vefttmmtrn Tagen und Plätzen wird keine Garantie über: onimcn. Anzeigen« Ann ahme: Augustuäula» 8 bei sämtliche» Filialen u. allen Annoncen- Expeditionen de« In- und Lutlonde« Paupt-FUtal« Berlin: Carl Lilncke., Herzog!. B-yr H«p-«ch» Handlung, Lützowstraße Ist. (Telephon VI, Nr. 4603). Nr. 187. Montag 8 Juli 1907. 1V1. Jahrqanq. Das wichtigste vorn Tage. * Tas erste nationale Volksfest in Stötteritz ist gestern unter überaus starker Beteiligung glänzend verlausen. lS. Ber.) * Kaiser Franz Josef traf gestern in Gmunden zum Beluchedes Herzogs von Cumberland ein. lS. Letzte Dep.) * In Rom ist gestern eine Garibaldi-Gedächtnisseier abgehalten worden. lS. Letzte Depz * Im Preis von Schlesien MOON -kl.), der gestern in Breslau gelaufen wurde, siegte „Herero" vor „Laubfrosch". — Den Grand Prix von Ost ende slOOOOO Frcs.) gewann Mr. Jacksons „Velocity". lS. Sport.) * Bei der gestrigen Saale-Regatta siegte der Leipziger Ruderverein „Sturmvogel" im Senior-Achter und im Ka i ser - Ach t er. — Der Leipziger Ruderklub siegte im Saa l«-Ju n i or-V i e r e r und im Richard Günthcr-Ge- dächtnis-Bierer. LS. Sport.) Die Kroaten. Cisleithaniens glücklichstes Jahrzehnt war die Spanne zwischen Hohenwart und Taaffe. Die Deutschen waren die Herren im Rcichsrat und mit den Deutschen die Liberalen. Selbst der vöhmische Großgrund besitz stimmte in seiner Kurie gemäßigt liberal. Die Polen waren ohne slawische Bruderhilfe ziemlich machtlos; auch wur den nicht ohne Erfolg die ruthenischen Bewegungen in Gali zien deutscherseits unterstützt. Die Slowenen besaßen noch gar keine Bedeutung. Die Hauptsache blieb: der Reichs rat war tschechenfrei. Die tschechischen Abgeordneten hatten nach dem Sturze Hohenwarts unter Protest das Lokal verlassen und blieben K Jahre in ihrem Schmollwinkel sitzen. Herr Schönerer aber, der da- mals noch v. Schönerer hieß, ehe er wegen Hausfriedensbruch und gefähr licher Körperverletzung verurteilt wurde, galt als Eigenbrödler. Die Deut'chen hätten mit ihrem idvllischen Stilleben zufrieden sein dürfen und ruhig warten können, bis die Tschechen von selber aus höchst eigenem Interesse aus ihrer Ecke hervorgekrochen wären. Aber die Hofburg war nicht zufrieden. Die wirklich allgemein-österreichische Denkart des Kaisers vertrug die dauernde Entfernung und Entfrem dung eines Kindes von der Familienstube schlecht. Außerdem hatte die Burg gerechten Anlaß zur Unzufriedenheit mit dem Erstgeborenen, dem Deutschen. Die orientalische Großmachtspolitik, die zur Besetzung Bosniens führte, wurde von einem großen Teil der deutschen Linken nicht unterstützt. So rief man den verlorenen Sohn zurück und schlach tete ihm das Kalb der deutschen Staatssprache. In unseren Tagen soll die alte Komödie im Trans noch einmal aufgesührt werden. Dort wollen die Kroaten ihr ungarisches Vaterhaus verlassen und ziehen es vor, im Elend sich an den Trebern zu sättigen, die die Säue fressen, als über Pests Fleischtöpfen ihre nationale Eigen art zu verprassen. Deutsche Beurteiler sind geneigt, den Kroaten ein wenigstens for melles Recht zuzugestehen. Ihr Verhältnis zu Ungarn fußt auf dem lK68 durch Franz DeLk geschaffenen Ausgleich. Durch den damaligen Vertrag wurde den Kroaten für bestimmte Zweige der öffentlichen Ver waltung lJustiz, Kultus, Unterricht) Autonomie zugestanden; die übrigen Verwaltungs-weige wurden für gemeinsame erklärt. Die Gesetzgebung in den autonomen Angelegenheiten blieb dem kroatischen Landtag sSabor) Vorbehalten, alle gemeinsamen Fragen dagegen der Zuständigkeit des Pester Parlaments. In dies entsendet der kroatische Landtag 40 Ab geordnete, die aber nur bei der Beratung der gemeinsamen Angelegen heiten Stimmrecht haben. Es muß alsdann auch die kroatische Fahne Neben der ungarischen auf den Zinnen des prächtigen Parlamentspalastes am Donauufer aufgezogen werden. Besonders aber war im 8 57 des Ausgleichsgesetzes das Kroatische als offizielle Sprache in Kroatien, Slawonien und Dalmatien auch für die Organe der gemeinsamen Re- gierung festgesetzt. Wir wollen dahingestellt sein lassen, ob der gegenwärtige Rechts- zustand so präzis festgelegt ist, daß alles Recht auf feiten der Kroaten, alles Unrecht auf ungarischer Seite ist. Das Sprachenrecht ist in der (gesamten Monarchie heute noch dermaßen flüssig, daß von einem fest- begründeteu Landrecht noch lange keine Rede sein kann. Die Entwick lung der letzten vier Jahrzehnte ist nichts weiter als ein E x p er i m e n t, die nationalen Bestrebungen der Völker den Interessen des Reiches so weit anzupassen, daß sie mit ihnen verträglich erscheinen. Ueber den Erfolg des Experimentes dürfen wir nur sagen, daß es ..och nicht end- gültig für gescheitert erklärt ist. Unsere Beurteilung ist von Ab machungen, die für die Völkergeschichte von vorgestern datieren, gänzlich unabhängig. Uns interessiert in allererster Linie die Rückwirkung des öfter- reichisch-ungarischen Marktens um nationale Konzessionen von Pfennigs wert auf die Größe und Stärke des unS eng veround.nen Nachbar reiches. Der Raum, der unserem menschlichen Gefühl vom politischen Verstände noch übrig gelassen wird, ist von unseren natürlichen Sym pathie für unseren deutschen Bruderstamm überreichlich ausgefüllt. Für die anderen Volksstämme des polyglotten Landes haben wir weder Sympathie noch Antipathie. DaS ist eine Binsenwahrheit, die leider nicht von allen reichsdeut schen Beurteilern gewürdigt wird. Verstimmungen über magyarische Uebergriffe wachsen manchmal zu einem blinden Hasse gegen diese Völ- kerschaft auS, der sich weder mit den Interessen des österreichischen Gtaatsganzen, noch auch mit denen des österreichischen Deutschtums verträgt. Welche Folgewidrigkeit ist es, die slawischen Ansprüche im CiS ebenso heftig zu bekämpfen, wie sie jenseits der Leitha auf ein- mal zu befürworten! Freilich wäre eine Möglichkeit denkbar, daß diese Folgewidrigkeit dennoch zugelassen, ja gefordert werden müßte. Dann nämlich, wenn die Interessen des ungarländischen Deutschtums eine Vereinigung der nichtmagyarischen Nationalitäten gegen magyarische Uebergriffe zur Not wendigkeit machen würden. Aber welcher Verlaß wäre bei einer solchen Politik auf die Kroaten? Nachdem jahrzehntelang die gemäßigte Par tei Kroatiens auf gleicher Linie mit den sächsischen Abgeordneten ge- wissermaßen als Reservetruppe der ungarischen Verfassungspariei mar schiert war, hatten im Vorjahr« die inzwischen an die Oberfläche vor gedrungenen radikaleren Bruchteile der Kroaten noch vor dem end gültigen Zusammenbruch der Deäkpartei sich mit der Kossuthschen Oppo- sition zur Vernichtung der alten Regierungspartei verschworen, sich mit denjenigen Elementen verbunden, mit denen so unendlich viel schwerer österreichische Reichspolitik und ungarländischc Politik zu machen ist. Trotzdem muß der Versuch fortgesetzt werden, auch mit Ungarns heu tiger Regierung zu einer Verständigung zu gelangen, der überraschend früh in die Negierung gelangten Opposition zur Vollendung ihrer poli tischen Erziehung behilflich zu sein. Diese allein richtige Politik wird von den Siebenbürger Sachsen tatsächlich bis zum Augenblick verfolgt und jedes Zusammengehen mit Kroaten, Rumänen s tutti quantä abgewiesen. Wenn wir dieser Politik beipslichten, so bewahren wir uns gleichzeitig vor der Gefahr, den tschechischen Ansprüchen in der dies- seitigen Reichshälftc schätzbares Material in die .Hände zu spielen oder aber durch eine faselhaftc Zweistubenpolitik jeder ernsthaften Bewertung unseres Urteils uns unwürdig zu machen. Die sächsische Wnhlvechtsvorlage und -ie fresse. Wir fahren heute in der Wiedergabe der Ze i t u n g s ft i m m e n über die sächsische Wahlrechtsvorlage sort: Das Organ der Kon servativen „Das Vaterland", dem bei Abschluß der Redaktion jciner letzten Nummer die Wahlrechtsvorlage im einzelnen noch nicht bekannt war, schreibt zur Rede des Ministers in Bautzen: Kurz nach Beendigung des Druckes geht uns die Nachricht zu, daß der Herr Minister des Innern auf dem Gemeindevertretertag zu Bautzen Mitteilungen gemacht hat über den Entwurf der Re gierung zu einem neuen Wahlgesetz für die Wahlen zur Zweiten Ständekammer. Es besteht kein Zweifel darüber, daß man überall im Lande Zr. Exzellenz dem Herrn Grasen Hohenthal schon allein sür die Tatsache dieser Verlautbarung den aufrichtigsten und herzlichsten Dank wissen wird. Nach dem kurzen Einblick, den uns die uns vor liegende Meldung gewährt, zweifeln wir aber auch nicht einen Augen- blick, daß man dem Herrn Minister vor allem auch sür den Inhalt seiner Vorschläge überall da wärmsten Dank entgegenbringcn wird, wo man es aufrichtig meint mit unserem Volk und seinem Wohl. Ebenfalls noch vor Veröffentlichung des ganzen Entwurfs schreibt die ehrlich liberale „NevcVogtl. Zt g.": Wenn auch die Regierung oen Liberalen cnigegcngekommen ifi. so darf doch der durch die Beseitigung des Unterschiedes zwischen städtischen und ländlichen Wahlkreisen begründete Fortschritt durch die Bevorzugung der Wähler zum Landeskulturrat nicht wieder illusorisch gemacht werden. Allem Anschein nach wird die Beseitigung bei den Konservativen auf energischen Widerstand stoßen, der jedoch, falls die Regierung Willen und Tatkraft zeigt, zu brechen sein dürfte. Ms Völlig des Entwurfs ist noch hervorzuhebcn, daß die Stichwahlen in Wegfall kommen. Ein endgültiges Urteil wird man erst fassen können, wenn der Entwurf im Wortlaut vorliegt. Der „Vo g t l. Anzeiger" urteilt: Der Entwurf fordert vor allem von unserem, durch das bisherige Wahlrecht begünstigten platten Lande erhebliche Opfer. Sic werden infolge der wirtschaftlichen Entwickelung Sachsens verlangt, können vielleicht aber durch sorgfältige Berücksichtigung ländliche Interessen im Rahmen des von der Regierung für unerläßlich Erachteten etwas gemildert werden. Die Sozialdemokratie findet reichlich Gelegen- heit, sich fruchtbar an der positiven Landtagsarbeit zu beteiligen, hat jedoch keine Aussicht, den Landtag zu beherrschen und dadurch die Macht zu erobern. Die Sozialistenpresse wird deshalb wütend gegen den Negierungsentwurf Sturm lausen; denn nicht auf fruchtbare Mitarbeit zum 'Segen des Gegenwartsstaates, sondern auf Eroberung der parlamentarischen Macht, um jenen zu stürzen, kommt es ihr an. Die konservativen „Dresdner Nachrichten" schreiben: Wenn die Regierung vor die Parteien im Landtage tritt, wird sie sich zu ihrer Beruhigung sagen können, daß man es allen Wünschen nie recht machen kann, und daß auch hier das Wort gilt: in inasni» voluis«« sat est. Wie die einzelnen Gruppen des Landtages sich zur Hohenthalschen Wahlreform stellen werden, ist ungewiß, und vorläufig wird sich keine von ihnen definitiv festlegen wollen. Die Konser vativen, als ausschlaggebende Partei von besonderer Bedeutung sür das Schicksal der Wahlresorm, werden unter allen Umständen feste Bürgschaften gegen die Sozialdemokratie verlangen; höchstwahrschein- lich werden sie auch gegen den Fortfall der bisherigen Scheidung zwischen städtischen und ländlichen Wahlkreisen protestieren. Wie sich Vie Liberalen verhalten werden, erscheint ebenso unsicher; fest steht nur, daß der waschechte Freisinn und die sozialdemokratische „Frak tion Goldstein" prinzipiell direkt dagegen sein werden, weil es für sie nur das allgemeine, gleiche, direkte, geheime Wahlrecht gibt. Doch diesen Widerspruch wird jede Vorlage finden, die den Landtag den radikalen Parteien nicht bedingungslos auSliesert. Der Schwerpunkt dieser Entscheidung liegt bei den Konservativen und vor allem bei der Ersten Kammer, die sich wohl kaum heftigen Widerstandes ent halten wird. So liegt das Schicksal der neuen Wahlreform dunkel in per Zukunft Schoß, und niemand weiß, was werden mag, denn die für Verfassungsänderungen notwendige Zweidrittelmehrheit ist eine gefährliche Klippe. Trotzdem bleibt die Hoffnung, daß bei ernstem Willen und wechselseitigem Entgegenkommen zwischen Landtag und Regierung ungeachtet aller Schwierigkeiten ein Gesetz zustande kommt, daS von den politisch Reisen und Patrioten des SachsenlandeS nicht nur als eine Veränderung, sondern als eine Verbesserung des jetzt gültigen Wahlrechts begrüßt werden kann: eine Ausgabe, des Schweißes her Edelsten wert! ... Die „Leipziger Volksztg." dagegen: Fürwahr, das war kein Heldenstück, Oktavio! Mit dem Blend werk nichtiger Scheinkonzessionen will die Regierung das Volk dar über hinwegtäuschen, daß mit der neuen Wahlresorm die reaktionäre Wirtschaft nicht nur bestehen bleiben, sondern in gemeingefährlichster Weise noch gefestigt werden soll. Und diesem WahlrechtSwisch sollen sich die Arbeiter verschreiben. Wir werden ihn für unseren Teil dem Grafen Hohenthal zerrissen vor die Füße wetten Seine überpsisfige Staatsmännelei genüot denn doch nicht, das sächsische Proletariat zu veranlassen, ein wirkliches Wahlrecht für ein Linsengericht zu ver schachern. Der Hohenthalschen Wahlrechtsmihgeburt ist der Krieg erklärt. Landauf landab muß gegen sie der Kamps ausgenommen werden Dieses mit Flitterfetzen behangene Monstrum hat keine Daseins berechtigung. Unsere Losung ist nach wie v.r: Das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht! , * In einer Beilage der heutigen Nummer beginnen wir mit dem Abdruck der Begründung, die die Regierung dem Wahlgesetz- enlwurf beigegeben hat. Tropenkoller. Das Wort „Tropenkoller" ist dunklen Ursprungs. Niemand weiß, wer cs geprägt hat. Wissenschaftlich ist seine Bedeutung jedenfalls nou, keineswegs fellgelegt. Ueber die Aetio- und Pathologie des Tropenkollers existiert keine wissenschaftliche Darstellung, wenigstens soweit mir be kannt ist. Wahrscheinlich war irgend ein alter praktischer Afrikaner, welcher mit Tieren Bescheid wußte, derjenige, welcher der Katze die Schelle umhängte. Ein Arzt würde eine Geistesstörung wohl kaum um dem Namen „Koller" belegt haben. Die mit dem „Lummtollcr" behasteien Tiere machen verdrehte Bewegungen und sind ihres Körpers nicht mehr Herr. Der am Tropenkoller leidende Mensch ist geistig verrückt, moralisch wahnsinnig. Im allgemeinen besteht die Neigung, den Tropenkoller nur als eine vorübergehende Geistesstörung auzuschen, welche in jedem Falle um der Entfernung aus den Tropen schwindet. Noch enger wird der Begriff von einigen als eine auch in den Tropen nur periodisch auftretende krankhafte Verrückung der Moral gefaßt. Vereinzelt wird die Meinung vertreten, daß die Nachwehcn des Tropenkollers noch .eraume Zeit nach der Rückkehr auS den südlichen Ländern bestehen bleiben. Ueber die Aetiologie des Tropenkollers bestehen recht viele Diffe renzen. Wohlbegründet und stark verbreitet ist die Ansicht, daß der Alkoholmißbrauch eine Hauptrolle bei der Entstehung der Krankheit spielt. Man weiß, der Alkohol ist nicht nur in unseren Kolonien und nicht nur für die Eingeborenen das gefährlichste und gleichzeitig ver führerischste Gift. Wo Sport, Theater und edlere gesellige Ver- gnügungen fehlen, da wird sür den europäischen Kulturbringer der Al kohol zum erwünschten Mittel, um die Zeit und die Langeweile totzu- schlagen. Und in den Tropen genießt man im allgemeinen kein Lager- bier und keine leichten Weine. Liköre mit einem Alkoholgehalt von 30 bis 75 Grad und womöglich noch verschärft durch starkwirkende Essenzen, Absinth, Cock-tasl, Whisky, Champagner, das find die ge bräuchlichsten Getränke in den Tropen. Jedoch der Tropenkoller ist nicht etwa ein einfaches Delirium tre mens. Bekannt ist, daß auch zur Entstehung unseres einheimischen Delirium tremens der Alkoholmißbrauch nicht ausreichend ist. Irgend ein Unfall, ein gemütlicher Schock, eine fieberhafte Krankheit muß hinzu kommen, damit der Trinker in Delirium tremens verfällt. In ähnlicher Weise wird keineswegs einen jeden der Tropenkoller befallen, welcher sich außer der afrikanischen Sonne auch noch der er- hißenden Wirkung der Aperitifs: Absinth, Gin, Chartreusc ansietzi. Immerhin wurden -. B. in Frankreich, als sich vor einigen Jahren jene unerhörten Grausamkeiten in der französischen Kongokolonie ereig neten, verschiedene Stimmen laut, daß der Alkohol hauptsächlich schuld sei an diesen Greueln Jedenfalls standen damals jene Leibe«, welche eine alte Frau rösten ließen und aus einem Menschenkopfe Bouillon berei teten, unter Alkoholwirkung. Seinerzeit, im Jahre 1905, widmete aus Anlaß dieser Grausam keiten seiner Landsleute ein Franzose dem Alkoholismus in den franzö sischen Kolonien bittere Worte. Auch er schon machte darauf aufmerk sam, daß dem Tropenkoller bisweilen eine Art moralischer Minder wertigkeit zugrunde liegt. „Wo Volkserzieher im besten Sinne, moralisch hochstehende Kolonisatoren notwendig wären, da stellen sich häufig sittlich zweifelhafte Abenteurer ein." Es liegt mir durchaus ferne, diese Ausführungen des Franzosen über Indo-China auf unsere deutsch-afrikanischen Kolonien zu übertragen. Das eine jedoch ist wissenschaftlich über jeden Zweifel erhaben: Menschen mit reizbaren, krankhaft erschöpften Nerven werden von dem Tropen klima und dem Tropenleben höchst ungünstig affiziert und verfallen eher dem Tropenkoller, als solche mit rüstigen Nerven. Wenn man vom Tropenklima spricht, so denkt man zunächst an di? Hitze. In der Tat ist die übermäßige Litzewirkung, zumal bei Flüssig, keitsmangel, für sich allein imstande, Geistesstörungen im Sinne der Raserei zu erzeugen. Indessen ist -. B. auch der wechselnde Elektrizi- tätsaehalt der Luft, wahrscheinlich noch mehr als der Wechsel in der Lust feuchtigkeit, von großem Einfluß auf unser Nervensystem. Bekanntlich sind schon die Tiere vor Ausbruch eines Gewitters unruhig, nervös, aufgeregt. Der schroffe Wechsel zwischen der Gluthitze des Tages und der Kälte der Nacht, zwischen der dürren Zeit und dec Regenperiode ist durchaus dazu angetan, auch die robusten Nerven des ganz Gesunden zu schädigen und krankhaft empfindlich zu machen. Wichtiger als die Einflüsse der veränderten Ernährung und des Klimas scheinen vielfach die Eindrücke der menschlichen Umgebung zu sein. Unsere geistige und moralische Kultur bildet sicher manches Mal nur eine dünn aufgepinselte Lackschicht. Kratzt man den Lack ab, oder wird er mit der Zeit oder infolge seiner von Hause aus schlechten Be schaffenheit schadhaft, so kommt die Bestie zum Vorschein. Für den Kulturbringer im dunkelsten Afrika liegt die Versuchung sehr nahe, sich als die einzig fühlende Brust unter Larven zu betrachten. Jedoch man kann die Schwarzen nicht mit naturwilden, undressierten Bestien ver gleichen, welche der Zähmung und der Peitsche des Dresseurs bedürfen. Auch die Neäerseele ist menschlicher Art. Wenn es auch niemals ge lingen wird, durch „Erziehung" aus der schwarzen Negerseele eine Euro päerseele zu machen, so ist es immerhin anssichtsvoller und vor allem für die Kolonisation wertvoller, die Negerseele zu verstehen, als sie zu verachten. Deutsches Reich. Lei-rtg, 8. Inti. * Rhc,..^ den über die Pflichten der Polizei. In Köln hielt bei der Einweihung des neuen Polizeidienstgebäudes der Minister v. Rhein baben eine längere Rede. Er sagte: Ich zweifle nicht, daß auch im neuen wie im alten Hause der Geist unbedingter Pflichttreue und Hingebung an das Amt herrschen wird. Zu der früheren, wesentlicb negatüm» Tätigkeit der Polizei, Störungen der öffentlichen Ordnung abzuwenden, kommt eine neue positive, die Fürsorge für die Wohlfahrt der Bevölke rung, hinzu. Deshalb müßten die Polizeibeamten, vom ersten bis zum letzten, sich bewußt bleiben, daß sic der Bevölkerung zu dienen und di« Wohlfahrt zu pflegen haben, soweit es in den Rahmen ihrer Aufgabe fällt. — Das ist ganz hübsch gesagt, nur daß es der F i n a n - m l t» i st er sagt, statt der Minister des Innern, wirkt sonderbar, doch darf man sich dabei erinnern, daß Rheinbaben ja vordem Minister des Innern war und noch früher Regierungspräsident in Düsseldorf. Dort soll er setzt auch Ehrenbürger werden. * Der Karlsruher Hof und der Fall CurtiuS. In den reichSlänbi- schcn Blättern verschiedener Parteirichtung wurde übereinstimmend ge meldet, daß Dr. Curtius sich jetzt entschlossen habe, die unvermeidlichen Konsequenzen seiner Nichteinladung zu ziehen. Unmittelbar darauf wird der „Straßb. Post" gemeldet: „Die Frau Großherzogin von Badea traf gestern nachmittag um 2 Uhr 57 Min. in Straßburg ein und besuchte Frau Gräfin von Erlach-Lindelbank im Hause des Präsidenten bat Direktoriums der Kirche Augsburgjscher Konfession Dr. EurtiuS. sDte Frau Gräfin ist die Schwiegermutter des Herrn Dr. EurtiuS.) Gi« nahm dort den Tee ein und kehrte um 5 Uhr 6 Min. nach Karl-rZche zurück." Ob nur ein z u s ä l l i g er zeitlicher Zusammenhang -wisttzM
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