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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.02.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-02-18
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040218026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904021802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904021802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-02
- Tag1904-02-18
- Monat1904-02
- Jahr1904
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BezugS-PreiS in der Hauptexprditiou oder deren Ausgabe stellen abgrholt: vierteljährlich 3.—, bet zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau» ^l 3.7k. Durch die Post bezogen für Deutsch land u. Oesterreich vierteljährlich 4.50, für die übrigen Länder laut Zritungspreisliste. Nedaktto« und Expedition: Johanni-gafse 8. Fernsprecher 1K3 u. 22S. Ktlinlexpedittonea: AlfredHahn, Buchbandlg., Univerfität»str.S (Fernspr. Nr. 4046), L. Lösche, Katharinen straße 14 (Fernsprecher Nr. 293k) u. Königs platz 7 (Fernsprecher Nr. 7K0K). Haupt-Filiale Dresden: Marieustraße 34 (Fernsprecher Amt I Nr. 1713). Haupt-Filiale Berlin: EarlDuncker, Herzgl.Bayr.Hofbuchk>andla^ Lützowstraße 10(FernsprecherAmtVI Nr.4603.) Abend-Ausgabe. KipMtr.TagMM Anzeiger. Amtsblatt des Äömgkichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Votizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzetgen-PretS die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redoktion-strich (4grspalten) 7Ü nach den FamU,eonach» richten (ti gespalten) KO Tabellarischer und Ziffernlay entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahine 22 Extra-Veilanea (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Poslbesörderuug 60.—, m i t Postbeförderung 70.—. Anaahmefchlutz für Anzeigen: Abend»Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig (Inh. vr. V., R. L W. Klinlhardtl Nr. 89. va» Wichtigste vom Lage. * König Georg nahm heute vormittag zunächst die Parade über tue Leipziger Garnison ab, stattete hierauf dem kommandierenden General des XIX. Armee korps von Treitschke einen Besuch ab und besichtigte dann im Laufe des TageS die Hofkunsthandlung von Del Vecchio, das landwirtschaftliche und da» Beteriuäriastitut. Um L Uhr findet königliche Tafel statt. * Die Mittelmeerreise des Kaiser- soll doch noch stattfindeu. * Ueber die Krankheit de» jüngsten SohneS de» Prinzen Heinrich werden besorgniserregende Meldungen verbreitet. * Än Baden will die Regierung da- direkte Wahl recht für die Zweite Kammer nur unter Erweiterung de- Budgetrechts der Ersten Kammer eiuführen. * Au» Tientsin wird gemeldet, die russische Port Arthur-Flotte sei in See gegangen. * E» verlautet, die Russen hätten die koreanische Grenze überschritten. Der russisch-japanische Arieg. Port Arthur. * London, 18. Februar. (Tel.) Sin Tientsin er Telegramm de» „Standard" berichtet: Dort sei gestern eine Prtvatdepesche au» Port Arthur mit der Meldung etugelaufeu, datz die russische Flotte in See ge gangen ist. Ganz unwahrscheinlich klingt die Meldung nicht, da die Japaner mit ihrem erneuten Angriff auf die Port Arthur- Flotte am 14. kein besondere- Glück gehabt haben und fick anscheinend fast unverrichteter Sache haben zurückziehen muffen. Möglicherweise ist nun ein Kampf auf hoher See zu erwarten. - Port Arthur, 17. Februar. (Ruff. Telegr.-Agentur.) Bei dem am 9. d. M. stattgefundenen Gefecht schlug ein Zwvlfzoll- ge schoß auf dem Dampser „Kasan" der Freiwilligen Flotte am Oberbord ein und verursachte ein unbedeutendes Feuer. Es ist kein Verlust au Mannschaften und nur ein geringer Materialschaden entstanden. Russische Schisfsoperationen. Statthalter Alexejew teilte dem Zaren rin Telegramm des Chef- des Kreuzrrgrschwader», KapitänRritzenstein, mit; darnach wurde am Morgen des 16. Februar der Dampfer,, Na guri Marie" zerstört und die an Bord befindlichen 41 Mann ge fangen genommen. Ein kleiner Küstenfahrer wurde ebenfalls aufgebracht, wegen heftigen Sturmes konnte aber die Mannschaft nicht an Bord genommen werden. Infolge dessen wurde dieses Schiff nicht versenkt. Schwere Wetter verhindern, die Küste entlang zu fahren. Das Geschwader nimmt daher den Kurs auf Tschestakow, vor dem Sturm sich in die hohe See zurückziehend, um sich dann der koreanischen Küste zu näbern. Tas Geschwader lief wegen der erregten See nur 5 Knoten. Die Schiffe übernahmen schwere Sturzwellen und sind, da das Donnerstag den Wasser 9 Grad Kälte hat, ganz mit Eis bedeckt. Da-Geschwader hatte in 3 Tagen zwei schwere Stürme zu bestehen. * Wien, 17. Februar. Amtlichen Nachrichten zufolge passierte das russische Mittelmeergeschwader am 11. Februar die Straße von Bab-el-Mandeb. Japanisch- Spione. E» wird in Petersburg bestätigt, daß Chunchusen- banden von Japanern zu gleichzeitigen Angriffen gegen die Bahnlinie aufgestachelt seien. — Aus Tientsin wird dem „Reuterschen Bureau" gemeldet, Nach richten aus russischer Quelle zufolge seien in CHarb in und in der ganzen Mandschurei alle Japaner verhaftet, weil man die Anwesenheit von über 100 Spionen entdeckt habe, von denen 60 mit der Nachrichtenabteilung deS japa nischen Generalstabes in Verbindung standen. Frauen und Kinder, die ebenfalls verhaftet wurden, seien wieder entlassen. Gin heldenmütiger Kapitän. Aus Port Arthur wird unterm 17. nach Petersburg ge meldet: Nach Mitteilungen von Mannschaften, die bei dem Untergange des Minenschiffes „Jenissei" gerettet wurden, wurde das Schiff, während es Minen legte, vom Wind und von der Strömung auf eine Mine ge trieben; die Mine explodierte und riß unter dem Bug des Schiffes ein großes Leck. Der Kommandant sah den Untergang deS Schiffes voraus und befahl der Mannschaft, sich zu retten. Als die Boote ausgesetzt wurden, bat die Besatzung den Kommandanten, das Schiff ebenfalls zu verlassen. Der Kommandant lehnte dies kategorisch ab und drohte gleichzeitig, er werde jeden nieder schießen, der das ^schiff nicht alsbald verlasse. AlS letzter sprang der Posten an der Schiffskasse in das Meer. Der Kommandant blieb auf dem Schiffe und ging mit ihm unter. Seine letzten Worte waren: „Lebet wohlKinder, rettet euch und kümmert euch nicht um mich". Der Posten an der Schiffskasse, der inS Wasser gesprungen war, wurde von einem Boote aus genommen, während der Kommandant bereits in den Wellen verschwunden war. Die Neutralität China». * Petersburg, 18. Februar. Generalquartiermeister, General- major Pflug, meldet: Der Generalstab Duanschikais teilte den Truppen mit, China bewahre die Neutralität. Zur Auf rechterhaltung der Ordnung sendet China 2200 Mann nach Trintschoufo. In In kau herrscht Ruhe. * Loudon, 18. Februar. „Reuters Bureau" berichtet aus Tientsin: Fünfzehn Sonderzüge mit kaiserlichen Truppen gehen nach der Grenze ab. Die Truppen stehen unter dem Befehle Taotai-Wangs und sollen in Lschaujang (nicht Liaujang) stationiert werden. Später sollen 10000 Mann unter Ma Uü-Kun in Schahol stationiert werden. Die Trimmung in P terSburg. Bezeichnend ist das Verhalten der Zensur in diesen kritischen Tagen. Während das Volk mit fieberhafter Unge duld den telegraphischen Nachrichten entgegensieht, werden diese von der Zensur zurückgehalten, mit gewohnter Lang samkeit geprüft und, wenn irgend ein Wort Bedenken erregt, unnachsichtig unterdrückt. Obgleich die Zeitungen jetzt äußerst begehrt sind, verbot die Zensur am 10. d. M. dem gelesensten Blatte Petersburgs, das hauptsächlich im Einzelverkaus vertrieben wird, den Einzelverkauf. Man weiß nicht, wofür diese Zeitung — es ist die „PeterburgS- kaja Gazeta" — so schwer bestraft wurde, denn sie ist patriotisch, monarchistisch und regierungsfromm, gleichwie ihre Leser, die hauptiachlich dem Mittelstände und der 18. Februar 1904. Beamtenschaft angeboren; sie bat nicht wenig zur Anfachung des patriotischen Geistes der Petersburger Bevölkernng bei getragen, dabei aber wahrscheinlich ein Wort zu viel oder einmal versehentlich einen zu starken Ausdruck gebraucht. * London, 18. Februar. (Tel.) Wie dem „Reuterschen Bureau" von einem Privatkorrespondenten aus Petersburg gemeldet wird, gab die Abreise des Admiral» Makarow, der an die Stelle de» Admirals Stark in Port Arthur treten soll, Anlaß zu be sonderen Feierlichkeiten und Kundgebungen. In der St. An- dreaskirche fand ein feierlicher Gottesdienst statt, bei dem der Priester Johann von Kronstadt dem Admiral Makarow die Kommunion reichte. Später wurden dem Admiral vor seinem Wohnhause begeisterte Huldigungen dargebracht. Die Stadt Petersburg nimmt ihr gewöhnliches Aussehen an. Die Ruhe hat die patriotischen Kundgebungen abgelöst, die einstweilen aus gehört haben. Alle Klassen der Bevölkerung sind eifrig bemüht, bei der Organisation der Krankenpflege und anderer Unter stützungen für die Truppen mitzuhelfen. Von privater Selle sind große Beiträge eingegangen, um Ersatz für dir verlorenen Kriegs schiffe zu schaffen. Neue Ansprache deS Zaren. * Petersburg, 17. Februar. Der Zar besichtigte in Gegenwart der Kaiserin und Kaiserin-Mutter, des Thron folgers und der übrigen Großfürsten und Großfürstinnen, des Kriegsministers, deS Generalstabschefs und des Hof ministers im Hofe des Winterpalais daS nach Ostasien abgehende dritte Bataillon des ersten sibirischen Schützenregiments. Der Zar schritt die Front ab unter den Klängen der Nationalhymne und den Hurrarufen der Mannschaften. Sodann hielt der Zar folgende Ansprache: Ich bin glücklich, Brüder, euch alle vor der Abreise zu sehen und euch glückliche Reise wünschen »u können. Ich bin fest über zeugt, daß ihr die Ehre eurer alten Regimenter hochhalten werdet, daß ihr gern euer Leben für euer teures Vaterland in die Schanz» schlagen werdet. Seid eingedenk, daß der Feind tapfer, mutig und verschlagen ist. Bon Herzen wünsche ich euch Wohlergehen und Erfolge über den Gegner. Ich segne euch, Brüder, und in euch das ruhmreiche erste ostsibirischr Schützenregiment mit dem Bilde de- heiligen Seraphim. Er möge für euch bitten und euch aus euren Wegen begleiten. Den Offizieren danke ich für die freiwilliar Meldung. Nochmal» danke ich euch, Brüder, von ganzer Seele. Gott segne euchl" Alsdann folgte ein Vorbeimarsch deS Bataillon» mit dem angehörigen Train vor dem Kaiser, der sich mit nochmaligem Lebewohl von den Truppen verabschiedete. Gin russisches ReqierungSkommuniquH, welche- die „Ruff. Telegr. Ag." unterm heutigen Datum ver öffentlicht, besagt: Acht Tage sind verflossen, seit ganz Rußland von tiefer Entrüstung über den Feind ergriffen ist, der die Verhandlungen plötzlich abgebrochen hat und daraus ausging, durch einen ver räterischen Angriff einen leichten Erfolg in dem lange ge wünschten Kriege zu erringen. Die russische Bevölkerung wünscht mit begreiflicher Erregung eine schleunige Revanche und erwartet mit fieberhafter Spannung Nachrichten vom fernen Osten. Die Einigkeit und Macht des russischen Volkes beseitigen die Zweifel, daß Japan die verdiente Züchtigung für seine Ver räterei erhalten werde, und dafür, daß es den Krieg usw., herausgefordert hat, während unser angrbeteter Herrscher den Frieden allen Nationen zu bewahren wünscht. Die Umstände der Feindseligkeiten zwingen uns, mit Geduld Nachrichten über die Erfolge unserer Truppen abzuwarten, 98. Jahrgang. die nicht vor entscheidenden Handlungen de» russischen Heeres «tntreten können. Di« entfernte Lage de» angegriffenen Gebietes und der Wunsch des Kaisers, den Frieden zu erhalten, schufen die Unmöglichkeit, Krtegsvorbereitungen von langer Hand im Vorau» zu treffen. Es wird jetzt sicher einiger Zeit bedürfen, um Japan Schläge zu ver setzen, die der Macht Rußland» würdig sind. Indem Ruß land sparsam mit dem Blute seiner Kinder umgebt und bestrebt ist, der Nation, die den Kampf anmaßend herausgefordert hat, die verdienteZüchtigung zu erteilen, muß es die Ereignisse geduldig abwarten, in der Gewißheit, daß die Armee die Herausforde rung hundertfach rächen wird. Die Landoperationen stehen noch in ferner Zukunft. Wir können nicht bald Nach richten vom Kriegsschauplätze haben. Ein unnützes Blutvergießen wäre der Größe und Macht Rußlands unwürdig. Das Vater- land bekundet eine so große Eintracht und Opferwilligkeit zum besten der nationalen Sache, daß jede vom Kriegsschauplätze ein treffende wahre Nachricht sofort der ganzen Nation gehören soll. Nach dieser amtlichen Aeußerung scheint sich unsere An nahme zu bestätigen, daß Rußland sich zu Lande ebenso wenig zu einer energischen Initiative entschließen kann, sondern entschlossen ist, die Entscheidung so lange wie möglich hinauS- zuschieben, in der Hoffnung, «S vermittels seiner gewaltigen HülfSquellen länger aushalten zu können als Japan. Jeden falls wird man auch zu Lande die Angriffe der Japaner abwarten, nicht selbst angreifen. Ob die» die richtige Taktik ist, muß natürlich die Zert lehren. Die Dauer deS Krieges. In der Zeit der Elektrizität ist die Menschheit sehr ungeduldig. Ein Krieg, der schon acht Tage dauert, be ginnt langweilig zu werden, und wenn nicht jeden -weiten Tag eine große Schlacht geschlagen und etliche Linienschiffe auf den Sand gesetzt werden oder in die Luft fliegen, ist der Zuschauer fern von Ostasien mit den Führern der Heere und Klotten höchst unzufrieden. Gleichwohl wird man sich gewöhnen müssen, zu warten, unter Umständen recht lange zu warten. Denn der Krieg wird sich aller Voraussicht nach erheblich in die Länge ziehen, auch wenn die Japaner große Erfolge zu Wasser und zu Lande erzielen sollten. Wir haben, so schreibt die ,Hofs. Ztg.", wiederholt darauf hingewiesen, daß die Russen geschlagen werden können, damit aber noch nicht besiegt sind. Für das Zarenreich steht sein ganze» Prestige, sein ganzes militärische» Ansehen, seine Stellung in der Weltpolttik auf dem Spiel, und deshalb wird es sich nicht zum Friedensschlüsse verstehen, so lange es noch über Reserven gebietet. Und niemand kann ver kennen, daß diese Reserven gewaltig sind. Aber aller dings hat Japan den großen Vorteil der Nähe de» Kriegsschauplatzes, während Rußland die Nachschübe für Heer und Flotte aus Europa heranschaffen mutz und un geheure Entfernungen zu überwinden hat. Obwohl die kritischen Verhandlungen schon seit dem August schwebten, ist Nutzland von dem Abbruch -er diplomatischen Be- Ziehungen und der Eröffnung der Keinseligkeiten, wie eS scheint, vollkommen überrascht worden. Das ist aus der fast zum Dogma gewordenen Anschauung zu erklären, datz Rußland in keinen Krieg verwickelt werden könne, wenn es ihn nicht selbst wünscht. Dieses Dogma galt unbestritten für Europa. Aber man hatte -en Offensiv geist der Japaner unterschätzt. Sie fühlten sich bereit genug, selbst -en Zeitpunkt des Kriegsausbruches zu be stimmen. Jetzt stellt eS sich heraus, daß weder die russische Flotte stark genug ist, um die See zu beherrschen, noch die russischen Streitkräfte zu Lande den früheren Annahmen entfernt entsprechen. Es ist schon mitgeteilt worden, daß Feuilleton. 8, Ein angenehmes Erbe. Roman von Viktor von Reisner. (Nachdruck ver'oten.) Das war das sichtbare Zeichen einer höheren Macht! Also nicht auf dem Lande, auf dem Wasser lag ihr Reich! Ohne viel zu überlegen, wollte sie in den Kahn springen, als sie noch rechtzeitig bemerkte, datz derselbe Waffer gefaßt hatte — allerdings nicht viel, aber immer hin bis zu den Knöcheln. Sie selbst hätte eine solche Lappalie natürlich nicht gestört, doch blieb zu bedenken, daß die nassen Schuhe und Strümpfe an ihr zum Ver räter werden konnten. Dem mutzte vorgebeugt werden. Sie eilte also schnell wieder das User hinauf, entledigte sich auch des zweiten Schuhes, streifte die Strümpfe von den Füßen, verscharrte alles unter einem Sandhügel und kennzeichnete diesen vorsichtigerweise durch eine eingesteckte Weidenrute. Dann stieg sie entschlossen in den Nachen und griff nach dem Ruder. Noch ein kurzer Moment des Schwankens, da sie ja noch nie ein Ruder in der Hand gehabt hatte, dann aber sagte sie sich, datz das Kunststück nicht so schwer sein könne und stieb mutig ab. Die Geschichte ging auch die erste Zeit ganz schön von statten. Ter Kahn glitt durch die Strömung sanft flußab und wenn er einmal auf dem seichten Grunde hakte, dann gebrauchte sie da- Ruder als Stange, stemmte es in den Grund und brachte ihn ko weiter. Es war eine himmlische Fahrt und ihr Selbstbewußt- sein hob sich dabei inS Unermeßliche. Nur eines machte ihr dabei ein klein wenig Sorge: datz sie immer mehr vom User abtrieb. „Ach was", redete sie sich indes selbst Mut zu, „dann schiebe ich eben nach links und komme wieder zurück" Plötzlich gab eS aber einen Ruck und der Kahn saß auf einer Sandbank fest. Erst lachte sie darüber, alS sie ihn jedoch trotz allen Stemmens und Schiebens nicht loszubringen vermochte, wurde ihr doch immer bänglicher zu Mute. Sie spannte nun ihre ganzen Kräfte an — der Kahn rührte sich aber nicht von der Stelle. Hülfesuchend glitt ihr Blick über die User hin, ohne indes eine menschliche Seele zu entdecken und nun geschah, was sie nie und nimmer für möglich gehalten hätte, sie fing herzbrechend zu weinen an. Nicht aus Furcht oder weil sie für ihr Leben zitterte, Gott bewahre! sondern nur wegen der armen Mama, der sie durch ihren Tod so schrecklichen Schmerz bereiten würde. Noch einmal raffte sie sich zur äußersten Anstrengung auf — jedoch mit demselben vergeblichen Bemühen. Dann kauerte sie ergeben ans dem Querbrett nieder und nahm von ihrer Jugend erschütternden Abschied. Alle ihre Sünden sielen ihr nun brennend auf die Seele und jetzt, tm Angesicht des Todes, sah sie erst ein, welch undankbares, welch schlechtes Kind sie mar. Erst heute hatte sic wieder der armen Mama, die doch ohnehin immer ihre Schlüssel verlegte, dieselben absichtlich an den dafür gehörigen Schlüsselhaken gehängt, wo sie gewiß niemand vermuten würde! „O Gott, o Gott, ich war ein elendes Geschöpf", stöhnte sie, „mich trifft nur eine gerechte Strafe!" In ihrer Angst fühlte sie das Wasser im Kahn immer höher und höher steigen und getraute sich gar nicht, die Augen aufzufchlagen. Schließlich tat sie es aber doch und sah zu ihrem freudigen Erstaunen, datz sie sich getäuscht hatte. Diese Freude schwand aber ebenso schnell als sie gekommen, denn ein viel entsetzlicherer Gedanke erfaßte sic mit tiefem Schauder. „Menn ich nicht ertrinke", sagte sie sich, „dann mutz ich hier elendiglich verhungern und sie werden mich meiner armen Mama als Skelett ins Haus bringen!" Erschauernd drückte sie die Hände vorS Gesicht und blieb nun völlig apathisch sitzen. Mochte nun was immer ge schehen, sie wollte wenigstens als echte Heldin ohne Klage sterben. Sie fühlte deutlich, wie sie schon schwächer un schwächer wurde und ermattet von der auSgestandcnen Angst und von der ungewohnten Anstrengung schlief sie, trotz aller Todesfurcht, ein. Eben, als sie über die Regenbogenbrücke in Walhalla einzog, tauchten aus dem jenseitigen Ufer die beiden gräf. lichen Zwillinge auf. „Sieh mal dorthin", machte Dinko, der Aeltere, seinen Bruder aufmerksam, „da» kann doch nur Fräulein von Hüchstfeld sein." Mirko, der stet» der gleichen Meinung war und dir Autorität seine» „älteren" Bruders respektierte, nickte nur. Sie schauten lange Zeit hin, endlich meinte Dinko: „Sie rührt sich ja gar nicht, ich wette, da- sic cinge- schlafen ist — wollen sie auf angenehme Weise wecken." „Ja, das wolle» wir tun", stimmte ihm Nttrko be- reitwilligst zu, „aber wie?" Dinko antwortete gar nicht, sondern bückte sich nach einem Stein, und Mirko folgte unaufgefordert seinem Beispiel, dann sauste es durch die Luft und „klatsch, klatsch" spritzte das Wasser neben Erna auf. Mit entsetztem Schrei sprang diese in die Höhe und wäre auf ein Haar aus dem Kahn gefallen. Ehe sie noch recht zum Bewußtsein gelangte, hörte sie auch schon rufen: „Gestatte, mich vorznstcllen, mein Name ist Dinko Graf Stepenaz, und gleich darauf ein zweite Stimme: „Meiner, Mirko Graf Stepenaz." Sie wußte, was sich gehörte, und obgleich sie mit dem Leben schon abgeschlossen, knickste sie doch artig und rief zurück: „Ich bin Erna von Höchstfeld." „Ja, was machen Sie denn dort, gnädige» Fräulein?" „Ich — ich sterbe." Die Brüder sahen sich verdutzt an und wie au» einem Munde fragten sie: „Warum denn?" „Weil ich auf einer Sandbank festsitze und nicht los- kommen kann " Es folgte eine kurze Beratschlagung, dann zogen sich die beiden Edelleute in ein Gebüsch zurück. Hier ent- ledigten Ne sich ihrer Schuhe und wollten auch schon . . . als Dinko sagte: „Nein, das geht nicht, es wäre unritterlich vor einer Dame ohne — Rüstung zu erscheinen." „Aber es sind doch unsere neuen Grauen", widersprach ihm der Jüngere das erste Mal im Leben, „Mama wird schelten." „Im Gegenteil, Mama wird unser Opfer zu würdigen wissen und e» billigen." Das gab den AuSschlag, und gleich darauf wateten sie hülfebringend dem Kahne zu. Als sie sich ihm aber bis aus einige Schritt« genähert hatten, schrie Erna, die sich jetzt ihrer vergrabenen Schuhe und Strümpfe erinnerte, entsetzt ans: „Nein, nein. Sie dürfen nicht näher kommen, ich würde mich zu Tobe schämen." „Aber, gnädige» Fräulein, weshalb denn?" fragte Mirko erstaunt. „Weil ich — weil ich — keine — Schuhe anhabe", stotterte Erna. „Wir -och auch nicht", tröstete sie Dinko. „Ich habe aber auch keine . . sie brach jäh ab. „WaS denn?" „Nein, nein, daS sage ich nicht", wehrte sie, „lieber sterbe ich."' Die Brüder blieben überlegend stehen, endlich sagte Dinko, der immer die besten Einfälle hatte und auch jetzt den wahren Zusammenhang erriet: ,LSir wollen ja nur versuchen, den Kahn loszubringen, und da gnädiges Fräulein oben alles anhaben und wir auf Kavalierswort versprechen, nicht in den Kahn hinein- znschauen, so werben uns gnädiges Fräulein schon er lauben, näher zu treten." Erna sah ein, Leute von Welt vor sich zu haben, und gab nach. Gleich darauf stemmten sich beide auS vollen Leibes kräften gegen das verunglückte Fahrzeug, vermochten cs aber, da es sich im Laufe der Zeit immer fester und fester eingesackt hatte, absolut nicht loszubrtngen. Daß Vergebliche ihrer Bemühungen etnsehend, sagte endlich Dinko: „ES geht nicht, gnädiges Fräulein werden sich schon von unS ans Ufer tragen lasten müssen." „Lieber stürze ich mich kopfüber ins Wasser", hauchte Erna errötend. „Da würden ja gnädiges Fräulein mit dem Kopfe im Sande stecken bleiben", machte sie Mirko grienen- auf merksam. Alko auch dieser Tod war ihr versagt, eS war furchtbar! „Gnädiges Fräulein könnten ja -wischen uns an» Ufer waten", schlug ihr endlich Dinko vor, „wir werden uns also schicklich umwenden, gnädige- Fräulein werden sich auf unsere Schultern stützen und sich so sachte aus dem Kahn gleiten lassen." Erna überlegte eine Weile und da sie dann dies Opfer den Ihrigen schuldig zu sein glaubte, willigte sie ein. Drei Minuten später standen sie am Ufer, aber, am entgegengesetzten. „Großer Gott", schrie sie entsetzt, „wo haben Sie mich denn hingebracht?! Meine — Schuhe sind ja drüben." „Wir werden sie holen", erboten sich sofort die beiden Ritter. „Sic finden sie ja nicht — ich habe sie ganz weit oben verscharrt." „Dann ziehen gnädige» Fräulein meine an", schlug Dinko vor „Nein, meine", protestierte Mirko. So »teler Ritterlichkeit vermocht, «rna nicht zu
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