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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 16.04.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-04-16
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070416022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907041602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907041602
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-04
- Tag1907-04-16
- Monat1907-04
- Jahr1907
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>7 Oppeln- Hunderts Ihr. orma und Klassiker- Mosen. — nackmiltag und Well. F. Antoni ipellmeisicr Äeller. Lcbweinitz. s Berger. Naab. Erdmann. röger. obert. d Schulze. Martin. Eonrad. ) Bölkel. 3-llrr. krger. Schweinitz. Lierks. H>etel. Croupiers. ielsaale des i 10'/. Uhr. zu halben sikus (Kein dermau». — :rsten Male: 3ÜM. »iris Eintritt . I^lnäuer. er. »4»42 iliimgeii.» >.» »» E». »Lvl. .2»r an Wellfleisch, utzerm vause. evet: Alumni. LmmI k mW üllieu A«zeiqen-PreiS Abend-Ausgabe 8 Bezuqs.PreiS MMrIagMü Handelszettuag Amtsblatt -es Rates «ad -es Rolizeiamtes der Lta-t Leipzig Haupt-Filiale Berlin: CarlDu u cker. HerzglL)aqr.Hofbuchhaudlg. Lützowftraße 10 (Tel. VI, 4603). für Leipzig und Bororte durch unsere Träger und Spediteure in» Hau» gebracht: Aus gabe (nur morgen») vierteljährlich 3 M., monatlich 1 M.; Ausgabe k (morgen» und abend») vierteljährlich 4 50 M., monatlich l.50 M. Durch die Poft bezogen (1 mal täglich) innerhalb Deutschlands und der deutschen Kolonien vierteljährlich 3 M., monatlich 1 M. ausschl. Postbestellgeld, für Oesierreich-Ungaru vierteljährlich 5 L 45 b. Abonnement-Annähme: AugustuSplatz 8, bet unseren Trägern, Mia len, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Die einzelne Nummer kostet 10 Pfg. Redaktion und Expedition: IohanniSgasse 8. Telephon Sir. 153, Nr. 222, Nr. 1173. Berliner RedattionS-Bnreau: Berlin IW. 7, Prinz Loui» Ferdinand- Strohe 1. Telephon I. Nr. 9275. für Inserate aus Leipzig u. Umgebung die 6gespaltene Petitzeile 25 Pf., finanzielle An zeigen 30 Pf., Reklamen 75Psi; von auswärts 30 Pf., Reklamen I M.; vom Ausland 50 Pf., sinanz Anzeigen75 Pf, Reklamen 1.50 M. Inserate v.Behörden im amtlichenTeil 40Ps. Beilagegebühr 4 M. p. Tausend exkl. Post gebühr. Grschäftsanzeigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tarii Festertetlte Aufträge können nicht zurück gezogen lverdeu. Für da» Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen - Annahme: AuguftuSplaft 8, bei sämtliche« Filialen u. allen Annoncrn- Expedittonea des In- und Auslandes. Dienstag 16. April 1907. Nr. M Feuilleton. Max Haushofer. Geschmacklos ist jede Aeutzerung. welche zeigt, daß dem Menschen ein gewisses Maß für das Paffende fehlt. Maßlosigkeit ist immer Geschmack losigkeit. Der richtige und wahre Grund der gesteigerten Unzufriedenheit liegt hauptsächlich in dec gesteigerten Empfindlichkeit dec Kulturmenschen gegenüber den Unbilligkeiten ihres Lcbensschicksals. Sur und ein- 101. Jahrgang Im Temperament ist die Grundlage des Cha rakters zu suchen. schultert, daß die Einwohner ans den Betten sprangen und auf die umliegenden Felder flüchteten. Die Mauern der Häuser krachten und große Risse zeigten sich in den ge pflasterten Straßen. Ein Erdbeben von ähnlicher Stärke ist in Mexiko seit einem Vierteljahrhuudert nicht verspürt worden. — Das Erdbeben wurde, wie wir schon berichteten, vorgestern von den Instrumenten des König!. Geodäti schen Instituts zu Potsdam, wie von denen der Hamburger Erdbebeustation registriert. Var Neueste vom Lage. (Die nach Schluß der Redaktion eingrgangenen Depeschen stehen auf der S. Seite de» tzauptblatte».) Tas LtaatSsekretariat im ReichSkoionialamt genehmigt. Ein Privattelegramm aus Berlin meldet u»S, daß am heutigen Tage die Budgetkommission des Reichstags das Gehalt des Staatssekretärs des Reichs- kolonialam les genehmigt hat. — Da nach diesem Kommissionsbeschluß kein Zweifel bestehen kann, daß auch daS Plenum des ReichtageS das Ge halt genehmigt, so ist damit der entscheidende Schritt zu einem selbständigen ReichSkoionialamt in Deutsch land geschehe». Der Kampf, den im vorigen Jahre Zentrum und Sozialdemokratie gegenüber den ersten Versuchen, ein solches Amt zu schaffen, unter- nahmen und der alsbald zu Gunsten der Opposition ent schieden zu sein schien, als die Ablehnung dieses Amtes im Reichstag erfolgte, hat jetzt durch den neuen Reichstag die erfreuliche Entscheidung gefunden: daS deutsche Kolonialwesen wird in seiner Bedeutung jetzt endlich voll gewürdigt, eS untersteht fortan einem Reichskolonialamt unter einem Staatssekretär. Am Hamburger Hafen. Zum Hamburger Hafenkonflikt wird gemeldet, daß die Gerüchte von bevorstehenden neuen Einiguugsverhaudluugen sich bestätigen. Der Hasenbetriebsverein werd nach reiflicher Erwägung seinen Standpunkt nur wenig ändern, während die Arbeiter zu weitgehenden Zugeständnissen bereit sind. Wen« nicht alles trügt, darf für die kommende Woche das Ende des Kampfes erwartet werden. Ev an getifch-soztalcr Kougretz. Die 18. Tagung des Evangelisch-sozialen Kongresses (Vor sitzender Geh. Rat Professor v. Harnack) findet vom 21. bis 23. Mai d. I. zu Straßburg i. Els. statt. Die Einladung dazu gehl aus von einem Ausschuß, an dessen Spitze der Präsident Dr. Curtius steht. Es werden sprechen am 22. Pros. Dr. von Schulze-Gaevernitz-Frriburg i. B. über „Kultur und Wirtschaft. Die neudeutsche Wirtschaftspolitik im Dienste der neudeutschen Kultur" und Beigeordneter Dr. Leoni-Straßburg i. E. über „Die Ausgaben der Städte als Arbeitgeber", am 23. Pfarrer Hans Wegener-Moers über „Die Bekämpfung der Unsittlichkeit mit besonderer Be ziehung aus den Schütz der Jugend"; bierzu ein zweiter Vortrag von Frau Professor Marianne Weber-Heidelberg. Keine Zareureise. Von amtlicher Darmstädter Stelle werden neuerliche Ge- rüchle von einem angeblich bevorstehenden Besuch des Zaren in Darmstadt kategorisch dementiert, auch eia Besuch der Zarin mit ihren Kindern sei nicht beabsichtigt. GaSta. Der römische Korrespondent des „Eclair" veröffentlicht nach einer Pariser Meldung ein Interview mit einer her vorragenden Persönlichkeit auS der Umgebung Tittonis über di« Zusammenkunft der Königin-Witwe, dem König und dem König von England in Gatzta. Der Gewährsmann versichert vor allem, daß in Gaeta keinerlei spezielles Abkommen getroffen werden solle. Den Hauptstoff der Unterredung würde natürlich die Haager Friedenskonferenz und die Abrüstungsfrage bilden. — Im Zusammenhang hiermit meldet uns ein Telegramm aus Rom: Der Leitartikel der „Tribuna" erläutert anläßlich der Begegnung von Gaeta den bekannten Standpunkt Italiens, daß, da der Dreibund doch nicht alle die zahlreichen Interessen Italiens in der Welt umfassen könne, auch mit den übrigen Nationen gute Beziehungen unterhalten werden müßten. Dies sollte die öffentliche Meinung Deutschlands bedenken, denn niemand habe ein Recht, an der Loyalität und Aufrichligkeil der italienischen Politik zu zweifeln. Amerikanischer SchieLS- und Friedenskongreß. Unter den Rednern, die in der gestrigen Abendsitzung des Friedenskongresses sprachen, beleuchtete, wie aus New shork gedrahtet wird, Professor Münsterb erg von der Harvard- Universität den deutscheu Standpunkt in der Friedensidee und erklärte, jede Bewegung, die die sittliche Kraft und den Frieden steigere, werde in Deutjchland stets einen warmherzigen Förderer finden. Der Redner betonte dann die sittliche Bedeutung der Armee in Deutschland. Krieg und Frieden bleibe eine sittliche Frage für das deutsche Volk; es sei aber sinnlos, die deutschen Motive deshalb zu verdächtigen, und es gebe kein festeres Bollwerk des Friedens, als den guten Willen und die Aufrichtigkeit der deutschen Nation. Bom Automobil überfahre». In der Nähe des Theaters in Weimar wurde gestern abend der Kunstmaler Professor Schulz von dem Auto mobil des Gutsbesitzers Braune erfaßt und derart zu Boden geschleudert, daß er auf der Stelle tot war. Bom Erdbeben zerstört. Die beiden mexikanischen Städte Chilbaugingo und Chilapa sind durch ein heftiges Erdbeben veruichtet worden. Von beiden Städten blieben nur Trümmerhaufen übrig. Es wurde bisher sestgestellt, daß elf Personen gelötet und 2.7 verletzt worden sind. Man fürchtet aber, daß noch viele Personen unter den Trümmern begraben sind. Unter der ganzen Bevölkerung herrschte wilde Panik. Szenen wildester Brutalität spielten sich ab. Die Männer schlugen bei ihren Versuchen, schneller vorwärts zu kommen, auf einander los. Alle flüchteten nach dem flachen Lande zu. Das Erd beben wurde in allen Teilen Mexikos verspürt. Auch die Hauptstadt Mexiko-City wurde derart er- schairlich auf Grund meist persönlicher Erlebnisse, die er als "Seelsorger hatte, und er führte in das intimere Leben des Volkes ein auf Grund seltener Sachkenntnis. Die Typen, dre er zeichnete, treffen )o das Charakteristische, daß man den Verfasser, der sich absichtlich durch ein Pseudonym deckle, allenthalben zu finden glaubte, bald in Berlin, bald in Chemnitz, bald im rheimsch-westrälischen Kohlenrevier, bald in Leipzig, einzelne Persönlichkeiten sahen sich nach ihrer Meinung in gewissen Typen so deutlich charakterisiert, daß sie den Staatsanwalt und die Gerichte — natürlich ver gebens — angiugen. Hier liegt also Markgrafs Stärke. Und was er in seinem neuesten Werke über die Sittlichkeit der Moselbauern schreibt, ist vortrefflich. Psychologisch höchst interessant ist das, lvas er über die bäuerliche Indi vidualität sagt; sittengcschichtlich interessant sind die Aus führungen über die Rauflust, Völlcrei und Trunksucht, das Spiel und den Geschlechtstriev, nicht minder die über die Sympathiegefükle, Dankbarkeit, Mitleid und Wohlwollen, über Treue, Ehrlichkeit und Mißtrauen. Einen weiten Raum nimmt schließlich das Recht ein. Gerade der für die deutsche Rccbtsgeschichtc und für das mittelalterliche Volksrecht Interessierte findet viel, sehr viel Unterhaltendes und Belehrendes. Und das ist nur natür lich, da der Anhalt der Weistümcr zum guten Teile das Bauern recht bildet. Recht, Sitte und Sittlichkeit, die viel umstrittene Frage nach dem Zwecke der Strafe, Privatrecht, Strafrecht uwd^das Oserichtsverfahren werden konkret dar- gestellt. Die Sache wird auch den interessieren, der nicht Jurist ist. Ein Hinweis, nicht eine Kritik wollen diese Ausführungen sein. Bei einem so vielseitigen kulturgeschichtlichen Werke würde eine sachentsprechcnde Kritik Spczialstudien auf den verschiedensten Gebieten erfordern. Eine Kritik ist hier Sache der Fachgelehrten auf den einzelnen Gebieten. Uns genügt es, eine gewisse Vorstellung von dem vielseitig-an regenden und belehrenden Jnlurltc des so reichhaltigen Werkes gegichen zu haben. A-olf Stern Von Rudolf von Gottschall (Leipzig). Gin namhafter Dichter und Literarhistoriker ist aus dem Leben geschieden, Adolf Stern, der in der Schwesterstadt an der Elbe seit langen Jahren heimisch ge worden, aber auch uns Leipzigern oft persönlich nahe- getreten tvar durch seine ausgezeichneten Festreden, die er wiederholt in unserem Schillervcrein gehalten und die durch geistigen Gehalt und vollendete Form, besonders durch die ganz freie, niemals stockende Vortragsweise stets fiesen Ein druck machten. Auch bei großen Musikfcsten Kat er als einer der Leiter hier geglänzt. Ist doch Leipzig auch seine Vater stadt; er ist hier am 14. Juni 1835 geboren und hat hier und in Jena Philosophie, Sprachwissenschaften und Geschichte studiert. Seit dem Jahre 1865 lebt er in Dresden, wo er anfangs nur schriftstellerisch tätig nmr und die „Bibliothek der Literatur des achtzehnten Jahrhunderts" herausgab, bis er sich ganz dem Lehrfach widmete, 1868 außerordentlicher, 1869 ordentlicher Professor der Literatur an dem Poly- technikum wurde, eine Stellung, die er bis zu seinem Tode mit schönem Erfolge bekleidete. Damit stehen seine zahl reichen lrteraturgeschichtkchcn Werke im Zusammenhang. Er gehört nicht zu den Literaturforscherv, welche für iß« Der jüngste Beitrag zur deutschen TLulturgeschichte. Von Pfarrer Barth (Baalsdorfs. Lamprecht und Steinhaufen haben — jeder nach seiner Weise — mit umfassender Gelehrsamkeit und weitem Blick das «heutzutage riesige Werk einer deutschen Kulturgeschichte geleistet. Sie sind bestrebt gewesen, dem derzeitigen Stande und den Anforderungen der Geschichtswissenichaft ent sprechend, alle Zweige und Betätigungen des deutschen Kultur lebens in ihrer Entwicklung und ihrer gegenseitigen Wechsel- beziehung barfustellen. Die reale und die ideale Kultur sind der Gegenstand ihrer Darstellung: das Wirtschaftsleben, Recht, Sitte und Sittlichkeit, das Geistes- und Gemütslsben finden ihren Platz. Es gibt Leute, die meinen, nun sei der Abschluß vor- Händen; es sei am diesem Gebiete der Forschung nichts mehr zu tun übrig. Aker der mehr Eingeweihte weiß, daß im einzelnen noch manches dunkle Gebiet der kulturgeschicht lichen Forschung wartet. Auf einzelnen zeitlichen, räumlichen und materiellen Gebieten muß die empirische Einzelforschung noch manche Vorarbeit erledigen, bis einmal der zusammen- safsende Darsteller über ein allenthalben erschlossenes und syjtematisch zurechtgelegtes und verarbeitetes Material ver fügen kann. Von dieiem Gesichtspunkte hat sich der neueste Beitrag zur deutschen Kulturgeschichte leiten lasten. Er verdient aus mehrfachen Gründen an dieser Stelle besonderer Erwähnung. Der Verfasser ist Liz. theol. Bruno Markgraf, Pastor an St. Markus in Leipzig-Reudnitz. Das groß angelegte Werk (540 Seitens erscheint soeben bei F. A Perthes in Gotha unter dem bescheidenen Titel: „Dos Moselländische Volk in seinen WeiLfirmern". Bescheiden ist der Titel des wegen, weil der Verfasser keineswegs bloß die Weistümer, alte Hof- und Dorfordnungen, als Quelle benutzt hat. Hunderte von Bauden aus der übrigen Literatur sind von ihm für sein Werk studiert und zitiert worden. Man staunt über die Fülle von Quellen. Belletristen, wie die das Volksleben schildernden Dichter Rosegger und Melchior Meyr, Lamprechts „Deutsche Geschichte" wie sein „Wirtschaftsleben", Steinhaufens „Geschichte der deutschen Kultur" und sein „Ger manisches Leben in der Urzeit", Laveleye-Büchers „Ureigen tum", Schröders, Brunners und v. Amiras deutsche Rechts geschichte. Chroniken, provinziolgafchichtliche Darstellungen, Zeitschriften für Volkskunde, Tacitus neben Doktordisser- tationen aus dem Jahre 1906, eine Menge theologische Lite ratur, wie v.d. Goltz' „Handbuch der landwirtschaftlichen Be triebslehre", älteste und neueste Literatur, speziellste wissen schaftliche Arbeiten wie Werke allgemeinsten Inhaltes — sie alle hat Markgraf studiert und verwendet. Und nicht bloß aus Büchern hat er geschöpft. Wie aus dem Werke verschiedentlich zu ersehen ist, hat er das Gebiet, das er erforschte, selbst bereist, dabei ungodvuckte Quellen gefunden und benutzt und mit eigenen Augen das Land und Volk on- gesohen, dessen Geschichte er schrieb. Er hat Statistiken an der Hand alter Kirchenbücher zusammengestellt und selbst im Moselzebiete volkstümliche Forschungen angestellt, um diese wiederum zu Rückschlüssen auf das Volksleben vergangen-r Jahrhunderte zu verwerten. Die Frage liegt nahe: Was bewog den Gelehrten, ein räumlich so entlegenes Gebiet zu behandeln? Warum unter zog er sich der Muhe, dorthin zu reffen, während andere Pro vinzen ihm viel näher lagen? Markgraf beantwortet diese Frage selbst. Er hat es mit gutem Bedacht getan. Und wir können nur sagen — so leid cs uns auch tut, daß er seine Kraft und Gelehrsamkeit nicht in den Dienst des sächsischen Vaterlandes gestellt hat —» er hat einen glücklichen Griff mit der Wahl jenes Gebietes getan. Er brauchte nämlich als un erläßliche Vorarbeit für seine Forschung ein Gebiet, das größer ist als das Königreich Sachsen, umspannende Er forschung der idealen Kultur, eine eingehende Kenntnis der Geschichte der realen Kultur, des Wirtschaftslebens. Diese stand ihm zur Verfügung nur für das Moselgebiet, das unser Leipziger Historiker Karl Lamprecht nach jeocr Seite hin mit gründlichster Arbeit durchforscht hat. Sodann war ein zweiter gewichtiger Grund für Markgraf bestimmend: das Mvselgebiet mit dem .Hunsrück und der Ersel, bis an das Ende des 19. Jahrhunderts vom Strome des modernen Kulturlebens wenig berührt, mit fast rein bäuerlicher konservativer Bevölkerung, politisch fast ganz tn den Händen des Zentrums, des katholischen Klerus, hat das mittelalterliche Kulturleben mit Fburzwang und Dreifelder wirtschaft in Sitte und Gesinnung und Sprache viel länger und zäher festgebalten als z. B um'er Sachsenland mit seiner industriellen fortschrittlichen Bevölkerung. Dort, wo jetzt noch Gemeindebackhäufer an eiifffiac Gemeinwirtfchast dcS Dorfes erinnern, wo der möglichst Selbstwirtschaft treibende Bauer noch jetzt zum Teil sein Schubwerk herstellt, dort fand Markgraf noch in der lebendigen Gegenwart tatsächliche Ver- bindung mit der Kultur der früheren Epoche, die er wissen schaftlich erwrschen wollte. Tas Gebiet, welches Markgraf wissenschaftlich behandelt, erstreckt sich von Bingen bis Bonn, und auf daS Land west Passus protestiert wurde, wonach das Ehrengericht des Be- zirksvereins Dr. Hutzler in den Tod getrieben habe. Heute verwahren sich nun die oben erivähnten fünf Aerzte auf das entschiedenste gegen die Einmischung der Vorslandjchaft des Aerztlichen Bezirksoereins in eine Tätigkeit, «die sich nicht als ärztliche, wndern als solche gewählter Äirgervertreter darstellt". Und ein anderer der Interpellanten, Professor Dr. L. Quiddc, konstatiert zunächst aus dem klaren Wortlaut der Interpellation, daß nicht gesagt wurde, das Ehren gericht habe Dr. Hutzler in den Tod getrieben, sondern das dort eingeleitete Verfahren. Da aber die Vorstandschaft des Bezirksvereins die Frage des subjektiven Verschuldens des Ehrengerichts selbst hereinzieht, fühlt sich T«. Quidde persönlich verpflichtet, zu erklären: „Ich halte 1) das „Ver fahren vor dem Ehrengerichte", wie es die Satzungen vor- schreiben, wegen des Mangels an Logik und Rechtssicherheit für einen Skandal; 3) das Urteil, das gefällt worden ist, für eine unbedachte und ungerechtfertigte Vernichtung fremder Ehre; und 3j das Verhalten der Herren, die das Urteil ge- fällt, es anders gemeint und doch nicht schleunigst in aller Form zurückgenommen oder klargestellt haben, für ,pnrerhört". Ich persönlich erhebe den Vorwurf, den unsere Jnterpella- tion nicht erhoben hat, daß das Ehrengericht (nicht absicht lich, aber grob fahrlässig! dazu beigetragen hat, Dr. Hutzler in den Tod zu treiben. Mau werd diese Sprache ver stehe», wenn man erfährt, daß das Ehrengericht der Aerzte nach den Satzungen nur Aerzte als Zeugen vernehmen darf und daß das »<1 bo« berufene Ehrengericht es unterlassen hat, Dr. Hutzler offiziell eine beruhigende Versicherung über ihre Auffassung ihres Spruches zu geben, wonach, wie aus diesem nicht hcrvorging, die Ehre Hutzlers in keiner Weise berührt werden sollte. Di« Reihe der Erklärungen ist damit aber noch nicht erschöpft. Jusfizrat Dr. Mar Bernstein, der Hutzler persönlich nahe stand, wendet sich gegen die diesem „ungünstigen tatsächlichen Behauptungen" in einem Artikel der „Münchner Medizinischen Wochen- schrift". Er sei in der Lage, ihre Unrichtigkeit durch unan fechtbar«, zum Eide bereite Zeugen (die frühere Vorstand schaft, Aerzte, Oberin und Schwestern des Spitals uiw.f eventuell vor Gericht zu beweisen. Endlich sei bemerkt, daß die bisherige Bvrstandschast des Kinderipitalvereins, die völlig auf Seite Dr. Hutzlers stand, zurückgetreten ist. Die früheren leitenden Aerzte Dr. Hecker und Trumpp, die eben mit Hutzler in Streit waren, teilten der neugowählten Bor- «--r «. -- """" -s- ,Zu diesem Be- slycug uns -c>r,orgnis, er» Festhaiien an unseren Rechten die gegenwärtig weite Kreise beherrschende und durch schlimme Umtriebe genährte Erregung noch steigern und unsere Absicht, dem Spital zu nützen, ins «Gegenteil verkehren würde." Jedenfalls darf man auf die politisches. Sächsische Wahlrechtsänderung uod imperatives Mandat Die „Deutsche Tageszeitung" wendm sich gegen den Wunsch, es möge der Entwurf zur Abänderung des sächsischen Lanbtagswahlrechts möglichst bald, d. h. vor den Teilwahlen zur Zweiten Kammer, veröffentlicht werden, und begründet ihren Widerspruch folgendermaßen: „Daß diese Wahlen unter dem Zeichen der Wahlrechts änderung stehen werden, ist richtig. Der Kampf würde aber unnötigerlveise erschwert und verschärft werden, wenn die Vorlage vorher veröffentlicht werden sollte. Es würde dann die Gefahr imperativer Mandate geradezu heraus beschwören; und daß das nicht nur im Interesse der Wählerschaft, sondern auch in dem der Verfassung ver mieden werden muß, liegt auf der Hand." Bedenken gegen das imperative Mandat im Interesse der Wählerschaft und der Verfassung von dem Hauptorgan des Bundes der Landwirte so nachdrücklich äußern zu hören, ist völlig neu. Bisher hatte Weser der Bund der Landnnrl« noch die „Deutsche Tcceszeikung" bei Reichstags- und Lond- :agswah!cn Anstoß am imperativen Mandat genommen. Viel mehr betrachtete man als selbstverständlich, wenn der Bund die Anerkennung seiner Forderungen durch die Kandidaten sich bescheinigen ließ. Schwerlich bedeutet die obi-ge Aus lastung der „Deutschen Tageszeitung" eine grundsätzliche Aenderung des Standpunktes, nur d->r taktische Zweck, der Rechten den sächsischen Landtagswahlkampf zu erleichtern, dürfte die obige Auslassung hervorgerufen haben. * Die Angelegenheit Dr. Hutzlers (des Leiters des Münchner Gisela-Kinderfpitals, der, wie den Leiern be kannt, wegen Differenzen mit den anoören Anstälksllrztcn und des darob ergangenen ehrengerichtlichen Schiedsspruches sich das Leben genommen bat) nimmt, wie unser Münch ner Korrespondent berichtet, immer größere Di mensionen an. In der vorigen Woche wurde wegen des traurigen Vorgangs im Kollegium der Gemeindebevoll- mächligten (Stadtverordneten! eine Interpellation einge bracht, die neben einigen anderen die Unterschriften der sämtlichen fünf dem Kollegium angehörigen Aerzte trägt und in scharfen Worten das ganze Verfahren gegen Dr. Hutzler unter Hervorhebung von dessen Verdiensten und Charakter verurteilt. Die Vorstandschaft des ärztlichen Bc- ffrksvereins erließ daraufhin eine Erklärung, in der die in oer Interpellation erhobenen Vorwürfe in bereits bekannter Weise entkräftet werden sollten und besonders gegen den lich dieser Rheingegend bis nach Luxemburg. Alle Bereiche idealer Kultur mttersucht er innerhalb dieser Grenzen, so daß diese Gegend die erste ist, deren reale (von Lamprecht) und ideale (von Markgraf) Kultur auf breitester Basis em pirisch erforscht ward. Kaum eine Seite des menschlichen Daseins bleibt un berücksichtigt. In sechs Hauptabschnitten behandelt Mark graf das moselländijche Volkstum; zunächst die äußeren Be dingungen für das Volksleben; die Grundhcrrschaft und Vogtei; Fronden und Abgaben, die Gestaltung der Dors wirtschaft mit gleichzeitigem Beginn von Saat und Ernte und deren Gründe; sodann das unsaubere Aeußere des Bauern und seinen primitiven Haushalt, die Bauart des Hauses. In einem zweiten Kapitel wird das geistige und das Ge mütsleben behandelt, das mangelnde Interesse für Schul bildung. die Stellung des Lehrers, die Entwickelung der Volksschule; sooann das Hängen am Sinnlichen, Anschau lichen im Denken und Reden, in einer Menge von jym- bolischcn Bräuchen. Wir erfahren z. B-, daß dem gegen die Ordnung sich auflehnenden Bauern die Haustür ausgchoben ward, bis er sich fügte; im äußersten Falle wurde das Herd- seuer ausgelöscht und der Widerspenstige aus dem Dorfe gewiesen. Ferner werden wir belehrt über den konservativen Charakter, über den religiösen, frommen Sinn und über den krassen Aberglauben im Landvolke; eine ganze Psychologie des Bauerntums gibt Markgraf, lind nicht bloß diese an sich; sie wird biologisch verständlich gemacht im Zusammen bange mit dem übrigen wirtschaftlich-sozialen Leben des Bauernvolkes. Wir haben bis jetzt noch keine wissenschaft liche Arbeit kennen gelernt, die hier so gründlich verfährt. Auch die gute Schrift von Bartels: „Der Bauer" in Stein hausens „Monographien zur deutschen Kulturgeschichte" kann sich mit der Markgrafs kauin messe». In einem dritten Kapitel wird die Stellung Natur behandelt, die Liebe zur Natur der Heimatsinn; im vierten Mvitel j<chr gehend das soziale Leben. Wie die Bauern liäbten und freiten, wie sie die Ehe aussaßten und in der Ehe lebten, wie Ehebruch und Notzucht beurteilt wurden, das Verhält nis zwischen Eltern und Kindern, — das alles wirb gründlich an der Haich eines reichen Oucllenmatcrials behaupt. Das Recht oer Sippe, der Verwandtschaft an das Erbgut und beim Zustandekommen der Totschlagsühne, der hoch und heilig gehaltene Hansfriede finden ihre Behandlung. An ziehend ist das nachbarfrenndliche Verhältnis der Dorf genossen, ihre gegenseitige Hilfe in guten und trüben Tagen. In einem werteren Abschnitte findet die bäuerliche Ün- f„rc>heit, die Entwicklung zu größerer Freiheit einerseits, die Leibeigenschaft anderseits eine interessante Beleuchtung. Höchst anziehend ist auch das, was Marigraf über das per sönliche Verhältnis zwi'chen Herren und Bauern sagt. Es Ivar im ausgehenden Mittelalter keineswegs so arg, als» man meist anzuncbmcn pflegt. Den Höhepunkt bildet die Darstellung der Sittlichkeit. Dieies Gebiet ist unseres Erachtens Markgrafs stärkste Seite. Es ist ja bekannt, daß er auf diesem (Gebiete als forscher und Schriftsteller kein Neuling ist. Seine ersten Studien erstreckten sich auf das sittlich-soziale Leben in an tiker Zeit, um das Fahr 200 n. CH. in Merandria. Sodann schilderte er das sittlich-sozialc und kirchliche Leben der Gegenwart in den Arbeiterkreisen der Vorstädte sehr an- ugen (die frühere Vorstand- chwestern des Spitals uiw.) die früheren leitenden Aerzte Dr. Hecker und Trumpp, die eben standschaft mit, daß sie einer etwaigen Rückberufung in ^ie Spitalleitung keine Folge leisten würden. ,,Z» öFFu» öS schluß bestimmt uns die Besorgnis, daß ein Festhalten an und durch schlimme Umtriebe genährte Erregung s .. . ' S O .... «Gegenteil verkehren würde." Jedenfalls darf man auf die Besprechung der Interpellation im Gemeindekollegiuttt" ge spannt sein. * Die liberale Einigung. Der gemeinsame Ausschuß der vereinigten drei fteifrunigen Parteien trat Sonnlag in Ber- in zu feiner Konstituierung zusammen. Es fand eine Ver sündigung dahin statt, daß der gemeinsame Ausschuß be stehen soll aus acht Mitgliedern der Freisinnigen Volks partei und je vier Mitgliedern der Freisinnigen Vereinigung und der Deutschen Volkspartci. Den Vorsitzenden stellt die Freisinnige Volkspartei, die Stellvertreter die Freisinnige Vereinigung, bzw. die Deutsche Volkspartei. Nur über Fragen der Geschäftsordnung hat die Mehrheit der er schienenen Mitglieder des Ausschusses zu entscheiden. Zu allen sonstigen Beschlüssen des Ausschusses ist die Ueberein-
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