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Dresdner Journal : 03.07.1859
- Erscheinungsdatum
- 1859-07-03
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-185907038
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18590703
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18590703
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
- Jahr1859
- Monat1859-07
- Tag1859-07-03
- Monat1859-07
- Jahr1859
- Titel
- Dresdner Journal : 03.07.1859
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-15Q. Sonntag, de« 3. Juli.1838. -po-urnritsprrts»: ^rlicb: b cklo. i» u»-«—-. » I- » » . '/^^rl., 1 „ U> „ .. „ ltnft?«»- UnS U»a»llirl> i» vr»»ä«: 15 kk,r t 8t«»p«t»« klorela« kkumwero: 1 Xzr. ) »cbl»A bruru. »»stralrapretsr: für -«» «»um «i»«r »,»p»W«!ii»u Lvilsi 1 «EV. V»t«r ,,Lin>k«»««»ü»" äi« «eile: L «Ur. Lrschkdl»: ^IßUed, mit Xu?»»i>w« ä^r 8»nn- on» I-'el^rl»^«, Ll-eurl, ktir -»» tvlgvncksv c. , ><i ,' «SM»«»«««SWWW«SSW»«SMS^ Laseratenauunhwr auswiirt«: Dres-nn Mmml l.»ip»t^: In. L»»>ro»7irr»«, Conunisslonüi- 6«, Urexiurr Journal«; . ebeaä»»«Ib»t: II. Utzo»««; tllwo»: L Voae»»; Ilrlw: 0»o> lv»'»t:b<> Ilnclili., n'» vureau; Lrem«»: K. !<<7iik.orrii; ?r»nk5iu-r ».«.: o«»'»«I>s Nu»:t>>>»n<U.; >»o»,ver: tiv- r*»Ui Utto: -^vol-p ; k»ri»: v. 1>ov»»»ilr,» (26, rxl« cle» bi-uz önf»u»); k'», «nem>»uälunx. Herausgeber: Verantwortlicher Redakteur: I. G. Hartmann. tkilatgl. Lipoäition Sei Dreiänvr ^ourv»I», I>rv»a<?o, IU»e>cn»tr»»!iv Xe. 7. Amtlicher Thrit. HresdO, 2. Juli. Ihre Königliche Heffrit dir Pri«- zessin Amalie iss brüte Mittag flil Mr nach Teplitz gereist. L Wchtamtlicher Thett. Uebeestcht. rekinwdtsche Nachrichten. Zeit«»G-scha«. (Deutsche Allgemeine Zeitung. — National-Zeitung.). sschße-geschichte. Berlin: Truppensendungrn. Kai serin-Mutter von :1tußland erwartet. Graf Schwerin. — München: Bcrstärkung der Annec. Die Mi- nnterbesprrchung in Rosenheim. — Oldenburg: Lernwhrung des Justizpersonals. — Büdingen: Der (Erbprinz i. — Frankfurt: Politische Versammlung. Lurrmburg: Kammereröffnung. — Pari»: Bom üsirg-schauplahr. Stellung zu Deutschland. Aus Neapel. Brief dcS Zaren. Mäklergesellschaften ver boten. Tagesbericht. --- Brüssel: Der König zurück erwartet. Internationaler RechtSfall. — London: Hosball. Brief N»rpiers. — Amerika: Krieg zwi schen Buenos-AyreS und der argentinischen Eonföde rativn. . . »o« Krieg-schauplatze. Erienuuuaen, Versetzung«« rr. 1« öffeutl. Dienste. Dresdner Nachrichten. Prvvinzialaachrichtr». Telegraphische NachrWrn. Frankfurt, Sonnatend, 2. Juli. Vie vuntzeff- »rrsamwluuß hat heute Bezüglich der Anträge Are«- -enS. wegen Aufstellung einer Observation-armer am Siheiu, den beistiwmendeu Antrag ihres Au-- schasset zum Beschluß erhoben. Wien, Freitag, 1. Juli, Nachmittags. Die bis jetzt bekauut gewordenen Verluste in der Schlacht vom 24. Juni betragen öftervichischmeseits an Tobten 78 VWettw Md IAV Mäntel an Vrr- wandelen 384 Vfficiere und 7734 Manu. Noch au-stehende Nachweisungen »erden später erfolge». Nach hier eingelanakm authentischen Nachrichten auS Seron a mm» 1. Juli Mittags befinden Sich Se. Majestät der Kaiser in erwünschte« Wohlsein. Teil de« 24 Juni haben einigt kleine Vorposten- gkfrchle stattgefavden. Paris, Sonnabend, 2. Jvli. Der heutige „Moniteur" enthält daS officielle Bulletin über die Schlacht bei Solferino. Die Verluste der Franzosen werden ans 12,«SV Tobte und Verwun det« angegeben. Offiriere find 72V kampfunfähig geworden. Die Generale Ladmirault, Korey, Anger und Dieu-Donnö find verwundet. Sieben Obersten und sechs Oberstleutnants find getödtet. Die Sar dinier haben S52S Verwundete, Getödtete und Vermißte. Da-Bulletin constatirt dir schrecklichen Wirkungen der neuen Artillerie. Die Streitmacht der Oesterreicher wird ans 27V,vvv Mann geschätzt. (Der kaiserliche Tagesbefehl vom 25. Juni gab dieselbe bekanntlich nur auf 150,000 Mann an.) AuS La leggio von gestern hat das amtliche Blatt folgende telegraphlsche Nachrichten: Die ganze Armee hat den Mincio überschritte«. Die Sardinier halten Peschiera umzingelt. Die Ver stärkung, die wir durch die Ankunft der 85,000 Raun, welche der Prinz Napoleon herbeigrsührt hat, erhalten haben, hat eS uns möglich genmcht, uuS Verona zu näher«, ohne irgend etwa» bloß zu Sellen, da w»r ein ArmeecorpS bei Goiro zurück gelassen haben, um Mantua zu beobachten. Der Kaiser ist gestern aufgrbrochen, um sein Haupt quartier «ach Laleggio zu verlegen. Bern, Kreitag, 1. Juli, Abends. Der Bun- deSrath hat bei der sardinischen Regierung »ege« der Beschimpfung der Schweiz, welche in der Miß handlung schweizerischer Staatsangehöriger in Mailand liege, Klage geführt. London, Kreitag, 1. Juli, Nachts. In der heutige« Sitzung d«S Oberhauses erklärten di« Minister, di« Nrgiervng werd« den fich bildenden freiwillige« Schützeneorps die beste Unterstützung angedeihen lassen. Lord Ellenborough sprach fich stark gegen Kaiser Napoleon- ehrgeizige Pläne an-, deren Endzweck eine Invasion nach England sei, ««d drang auf umfassendere Küstenbefestigung. Kei« Minister gab hierauf eine Antwort. Beide Häuser habe« sich vertagt. London, Kreitag, 1. Juli, Abend-. Nach de« heutigen „Eveui«g Star" hätte Tobden da- ih« angrbotene Portefenille au-geschlagen, würde aber die Regierung kräftig unterstütze«. Gladstone ist beute wieder gewählt worden. I« der soeben stattfindende« Sitzung de» Un terhaus,- verweigerte es Lord John N«ssell, den Rapport der britische« Krieg-cmmuiffare an- Ita- lien dem Hanse »orznlege«, well er Proteste der betreffenden Regiernngen voraussehe. Die In struktionen der Commiffare wnrden de« Hanse voraelrgt. London, Sonnabend, 2. Juli. Li« heutige „Morning Post" bezeichnet Eidson al- Handel«- Minister. Ei» Telegramm der „Time-" ans »le« ml« As«,' Kaiser Kranz Joseph »erde wahr- schelnlich Hel der Armee in Italien verhlelben. Dre-den, 2. Juli. Man wird sich Wohl neck erinnern, baß, ats in Preu ßen das Ministerium des Fürsten Hobenzollcrn gebildet wurde, eine Anzahl Blätter darin eine Verbesserung aller politischen Verhältnisse in Preußen erblicken wollte und nunmehr die Einheit der Besinnung zwischen Regierung und Volk, mit ihr die Basis der Größe, Macht und Mis sion Preußens, für gesichert hielt. Den andern deut schen Staaten ging cS in dieser Hoffnunzsbeschccrung desto übler. Ihnen wurde von der bemerkten Presse manch' Mißtrauensvotum zugcdacht, ihnen warf man vor, daß sic an innerm Zwiespalt litten, und unfähig sein wür den, für sich allein, ohne die Suprematie der preußischen Mission hinzunchmcn, zu einem kräftigen und freien po litischen Leben zu gelangen. Wir babcn seiner Zeit Ver anlassung genommen, solchen Stimmen gegenüber eine richtige Würdigung wenigstens der sächsischen politischen Zustände 'zu geben. Die Antwort von der angrcifcndcn Seite her lautete darauf etwa? ausweichend, man habe, so hieß rS, Sachsen nickt „in erster Linie" im Auge gc babt. Nun war cS freilich richtig, daß zu jener Zeit in Bavern eine gewisse Spannung zwischen dem Ministerium und der Kammer herrschte, daß in Württemberg eine mit mannichfachen demokratischen Elementen angcfülltc zweite Kammer sich in einer entschieden oppositionellen Haltung gefiel, daß in Hannover, wo die Regierung mit den Kam meru in Harmonie lebt, mindestens esNc starke demokra tische Presse viel zu radeln hat, während in den übrigen deutschen Staaten, abgesehen von den Angriffen der aus wärtigen Presse, Mißstimmungen ernsterer Art zwischen Regierungen und Volk keinen Ausdruck erhalten. Die Zeiten haben sich inzwischen sehr ernst entwickelt und wenn cm tieferes Mißtrauen zwischen Regierungen und Völ kern irgendwo in den deutschen Mittel- und Kleinstaaten begründet gewesen wäre, so hätte dies von großer Be deutung werden können. Aber nirgends hat man der gleichen wahrgenommen. In Bayern, Lachsen, Würt temberg, Hessen, Nassau und wo noch sonst bisher die Kammern etnbcrufen wurden, bewilligte man das Verlangte, und wenn in einigen Kammern dabei auch oppositionelle Stimmen laut wurden, so haben wir doch keine ver nommen, tvekche der patriotischen Politik der Regierungen, über deren Absichten keine Zweifel sein konnten, in dem entstandenen Wrlteonfiictc entgegen gewesen wäre, keine, welche Mißtrauen.und Geringschätzung gegen Regierung und Vaterland ausgesprochen hätte. Man kann vielmehr angesichts der Haltung aller Parteien in den Mittelstaaten mit Recht sagen, daß in der Krisis -aS Band der Ein tracht, an dem in ruhigen Zeiten oppositionelle Parteien wohl mitunter etwas übermüthig gezerrt hatten, sich fester denn jemals um Regierungen und Völker geschlungen bat. Ob man in Preußen ganz Dasselbe sagen kann? Kaum, wenn man heute die preußische Presse aufmerk sam durchsieht. Wir werden dafür weiter unten einen sprechenden Beleg bringen, und wollen zunächst nur be merken, daß alle die höhnischen und hämischen Seitenblicke, mit denen auf die übrigen deutschen Staaten bei Eintritt des „Umschwunges" in Preußen gesehen wurde, keine Rechtfertigung in den Ereignissen gefunden haben. Jn- sonders ist es hervorzuheden, daß in dem Staate, auf welchen man damals vorzugsweise hinwies, um die Mei nung von einer Verschiedenheit der Gesinnung zwischen Fürst und Volk zu begründen, in Bayern, jetzt daS Vor handensein einer vollkommenen Harmonie von allen Sei tenzugegebenwerdenmuß. Das Ministerium v. d.Pfordtcn ist allerdings inzwischen abgetreten, da seine Stellung der Zweiten Kammer gegenüber allzu beschwerlich geworden war. Aber das neue Ministerium bestand keineswegs aus Partcielementcn.wie sie den Lobrednern des „Umschwungs" in Preußen verwandt sind. Es hat ruhig und ohne Zu hilfenahme irgend eines lobhudelnden Zeitungsgeschreies die Geschäfte übernommen, und siehe da, in wenigen Mo cken schon und nach wenigen Amtshandlungen müssen sich alle liberalen Parteien zufrieden erklären, woraus die Folgerung zu ziehen wohl gestattet sein dürfte, daß es im Grunde Wohl nicht so viele Uebelstände in Bayern ab- zustellen gab. Eine Eorrespondenz aus Bayern in der „Deutschen Allmcinen Zeitung" ist in dieser Be ziehung sehr charakteristisch, da gerade dieses Blatt seiner Zeit vieles von dem, gegen die in Preußen herrschende Eintracht sehr abstechenden Mißbehagen und Unmuth in Bayern zu berichten wußte. Man schreibt diesem Blatte Folgendes: „Als das gegenwärtige Ministerium Schrenk- Ncumair nach dem bekannten Ergebniß des vorigen Land tags inS Leben trat, als man der von ultramontanen Bestrebungen nicht freien Antccedentien der Mitglieder desselben sich erinnerte, da war die Befürchtung, wie sie auch allgemein sich aussprach, kaum ungerechtfertigt, es sei in dem Ministerwechsel nicht ein Wechsel des Systems, deS doch unmittelbar vorher gründlich gerichteten, als vielmehr nur einer der Personen vor sich gegangen. Aber kanm hat jemals eine neue Regierung geringe Erwar tungen so glänzend zu ihren Gunsten umschlagen ge macht, kaum jemals ein Ministerium den Anfang seiner Wirksamkeit, ohne durch Versprechungen, durch Eonse- qurnzcn, durch irgend welche Bedingungen oder an das selbe geknüpfte Erwartungen beeinflußt zu sein, so ent schieden dem Wollen und Wünschen deS Volkes entspre chend gezeichnet als dieses. Die zwei Monate, welche die jetzige Verwaltung nun hinter sich hat, find durch eine Reihe von Verordnungen bezeichnet, welche deren auf richtige- und energisches Sweben, sich völlig auf legalen und loyalen Boden zu stellen, deutlich charakteristren; eine Richtung, welche der deS vorigen Rögime schnurstracks entgegengesetzt ist. Unter den vielen bis jetzt erlassenen Instructionen und Verordnungen (denn allein auf die sem Felde, und noch nicht auf legislatorischem, da seit dem ein Landtag noch nicht versammelt war, haben bi- jetzt die Minister sich gezeigt) ist die (auch von Ihnen mitgetheilte) Interpretation deS PreßgesetzeS und die dar aus gefolgerten Direktiven für die Polizeibehörden wohl di« wichckiaste; nichtsdestoweniger ist aber eine erst heute erlassene, da- Heimatb-recht der Staatsangehörigen und die Befugniß der Polizeibehörden, auck jeden Inländer aus dem selbftgcwähltcn Aufenthaltsorte nach der legalen Hcimath zu verweisen, betreffend, den Geist des Mini steriums sebr kennzeichnend. Nack der Verfassung hat jeder Bayer das Recht, an jedem Orte des Königreichs, auch außer seiner zuständigen Hcimath, seinen Wohnsitz auszuschlagen, vorbcballlick bestimmter, auf bezeichnete AuSuabmcfälle zu gründender Bedenken der Polizribebördr. Unter dem vorigen R'gime waren diese AuSnabmefälle zu Maßregelungen gegen mißliebige Persönlichkeiten, ins besondere gegen Redacteure und ZeitnngScorrcspondenten, gebraucht worden: die nene Interpretation dagegen, die nvthwendigc und heilsame Anwendung der Ausnahme bestimmung festhaltend, stellt sich genau auf gesetzlichen, niemals durch willkürliche Zweckmäßigkcitsrücksichtcn zu irritirenden Bode». Was bis jetzt in innerer Politik von dem jetzigen Ministerium geschehen, ist wohl dazu angetban, das ganze volle Vertraue» des Landes zu erwecken; natürlich ist cs schwerer, über seine weniger durch un mittelbare Erlasse sich kennzeichnende äußere Politik zu sprechen, und über diese zu nrthcilen, liegt Berechtigung und Material überall im deutschen Vatcrlande so nahe, wie in München oder Augsburg; aber auch nach dieser Seite dürfen wir getrost sein, daß den Intentionen unsrer jetzigen Regierung in Berlin und in Wien, in Hannover und Frankfurt die Anerkennung nicht versagt wcrdenwird." — Nack dieser Eorrespondenz der „D. N. Ztg." wäre also die erfreuliche Harmonie zwischen Regierung und Volk in Bayern nicht länger mehr zu vermissen. Welch' ein wunderbarer Zustand in den Ansichten der verschiedenen preußiscken Parteien herrscht, zeigt uns ein Artikel in der „Nation al-Zeitung", der unter der bezricknendcn Uebcrschrift: „Die Verwirrung in den Meinungen" Folgendes äußert: „Wer jetzt unsre Zeitungen durchläuft, die crschei ncnden Flugschriften liest und die Gespräche des Publi cum- hört, der kann wohl von einem ähnlichen Mißbe hagen ergriffen werden, wie eS Goethe in Palermo beim Besuche des wunderlichen BefitzthumS des Prinzen Pal- lagonia empfand. Ueberall erblickt er Stückwerk, das nicht zusammenstimmt, lauter Anfänge ohne Ende, Plan und Durchführung nirgends, er glaubt in einer Welt zu wandeln, in der die natürlichen Geschöpfe ausgestorben sind und in der es nur noch mythologische Figuren gicbt, zusammengesetzte Thier- und Menschengliedcr, Eentauren, Sirenen.'und Greife. Sollte er nähern Bericht erstatten, was jetzt geschrieben und gesprochen wird, so würde rr am besten mit Goethe anfangen: „„Bei der größten Wahrheitsliebe kommt Derjenige, der vom Unzusammen hängenden Rechenschaft geben soll, immer ins Gedränge; er will einen Begriff davon überliefern, und so macht er es schon zu etwas, da es eigentlich ein Nichts ist, wel ches für etwa- gehalten sein will."" Mitunter hört man noch eine Weile geordnet reden und denkt: so spra chen die Menschen sonst, ehe der Neujahrsgruß nach Wien gesandt wurde, aber plötzlich endet der Frauenleib als Fisch und man hat wieder ein Wunder vor Augen. Die nächste Folge ist, daß man einander nicht mehr versteht, Jedermann muß sich das Wort im Munde verdrehen lassen, ohne sagen zu können, ob ihm Verleumdung oder Miß vcrständniß widerfähtt. Es giebt (mit einer einzigen Ausnahme) keine von allen Genossen anerkannte Partei ansichten mehr, sondern wenn in einer ausgesprochenen Ansicht rin Parttimann den richtigen Ausdruck der Grund sätze findet, so steht dicht nebenbei ein anderer, der darin einen Verrath an der alten Fahne erblickt. Wie auch Personen, die zu keiner Partei gehören wollen und die sich ihrer Unabbängkeit rühmen, vom Durcheinanderwrrfrn des Verschiedensten eben so wenig frei find. Mustern wir die Parteien in Preußen und ihr Verhalten zur Krieg-srage, so finden wir, daß unter allen nur eine einzige eine geschlos sene Haltung bewahrt hat, die feudale. Diese Partei ist dar über mit sich im Reinen, daß sie für die Legitimität ein stehen will, sic fordert deshalb von Preußen eine schleu nige und unbedingte Unterstützung Oesterreichs; wenn es unter ihren Anhängern abweichende Meinungen giebt, so sind dieselben wenigstens nicht hcrvorgetrcten. Die an dern Parteien aber finden wir alle unentschlossen oder getheilt. Die Kammcrvcrhandlungen haben recht deut lich an den Tag gebracht, in welcher Weise daS poli tische Bewußtsein in unscrm Volke sich äußert, sie wa ren in gewissem Sinne eine erfreuliche, hoffnungreichc Erscheinung, die über später hervorgetrctrne Erscheinun gen trösten kann. In beiden Kammern sprach fich ein einmüthiges, klares und entschiedenes Vatrrlandsgefühl auS, von welchem alle Parteien gleichmäßig erfüllt wa ren, so daß man die Abstimmungen und die Reden kei ner auS ihren besonder» Grundsätzen, aus ihrer Partei- reflcrion erklären darf. Alle Mitglieder beider Häuser «-kannten und bezeugten die Gefahr, welche der Bona- parti-mus Preußen bereitet, Alle hatten zu der Klug beit der Regierung daS Vertrauen, daß sie dieser Ge fahr rechtzeitig zu begegnen verstehen werde, Alle stell ten der Regierung zu diesem Zwecke die Mittel und Kräfte deS Landes bereitwillig zur Verfügung. Gewiß war dies ein rühmlicher, politischer Sinn, und man kann jedes Land glücklich nennen, in dem alle Volksvertreter so herzlich in der Sorge für das Wohl des Landes über einstimmen; aber cS hat fick bei den Kammerhandlungen und noch deutlicher in der jüngsten Zeit gezeigt, daß unsre Parteien zwar sämmtlich da- Beste de- Landes »vünschten, daß sie aber, bis auf die feudale, zur Er reichung dieser Wohlfahrt kein Parteiprogramm besaßen. Man vergegenwärtige sich, welche Aufnahme die Mobil machung im Publicum fand. Welche Zeitungen waren eS, die mit dieser Maßregel /inverstanden waren? Nach unsrer Beobachtung hauptsächlich solche, die notorisch nur ihrer eignen Eingebung und keiner Kammerpariri folgen; von ihnen wurde die Kriegsbereitschaft mit patriotischen Erwägungen gerechtfertigt. Wie verhielten fich dagegen Zeitungen, welche vorzugsweise im Rufe stehen, die li berale oder conffitutionrllr Partei, dir fich einr Frrundin des Ministeriums neunt, zu vertreten? Sic fanden sich nicht im Geringsten veranlaßt, der Maßregel der Regie rung ihr Wort zu leiben, sie erkannten keine solidarische Verbindlichkeit für die Handlung der ibncn sonst gleich gesinnten Minister an, sie waren so weit wie möglich davon entfernt, den Ministern als ihren politischen Freun den Vertrauen zu schenken."—Dies die Auslassung der „Nationalzeitung" über die in Preußen bcrrscbendc Mei nuugsverwirrung. Die tägliche Durchsicht der preußischen Tagespresse, welche wir hier halten, bestätigt vollkommen diese Schilderung. Ja man könnte ihr, ohne von der Wahrheit abzuweickcn, noch einige Sckattirungcn binzu- fügen, indem man z. B. bcrvorhöbc, daß nickt nur die Meinungen bunt durchcinandcrwoqcn undKeincr denAn dern versteht, wie beim babylonischen Thurmbau, sondern daß auch dieselben Parteien mit der auffallendsten Schnelle ihre Meinungen wechseln. Die „Nationalzcikung" selbst grebt bierfür einen Beleg. Vor der Mobilmachungsordre batte diese- größte preußische Organ der demokratischen Partei jedes Vorgehen Preußens und Deutschlands gegen Frankreich aufs Bitterste bekämpft; cs batte den herr schenden Patriotismus verdächtigt, die andern deutschen Staaten ob desselben verhöhnt und der preußischen Negie rung angerathen, dein Ersten, der fick Herausnahme, Deutschland zum Vorgehen anzurcgen, militärisch fest zu packen. Nach der Mobilmachungsordre lautete es plötz lich anders. Mit einem Male war die „Nationalzeitung" zu der Einsicht gekommen, daß Preußen nickt still sitzen dürfe, und das genannte Blatt zeigte die staunenerre- gcnde Gewandtheit, die neue Phase seiner Politik al- die nothwendige Konsequenz der frübern darznstellen, den Krieg für die Folge der Neutralität auSzugcben. Daß diese in Preußen herrschende Eonfusion aller Ansichten und Gefühle ihre besorglickcn Seiten bat: wer vermöchte es zu verkennen! Und es scheint immer noch nickt, als wenn die Aufklärung so nahe wäre. Wir sehen heule das cigcnthümlich« Schauspiel, daß jede Partei in Preu ßen von der Regierung und der getroffenen Maßnahme behauptet, sie wirken in ihrem Parteisinne. Die Partei der „Köln. Zeitung" meint: die Defensive werde nicht verlassen; die der „N. Pr. Ztg ", cs gehe nächstens zur Action auf Grund eine- Bündnisses mit Oesterreich über; die der „Rationalzeitung", Oesterreich komme nicht in Betracht, aber Preußen werde für Geltendmachung seines Einflusses bei dem Friedensschlüsse die übrigen deutschen Staaten militärisch und politisch um sich sammeln. Na türlich muß dieser Zustand politischer Schwankung und Deutung seine Rückwirkungen haben, aber daß Preußen dadurch stärker und mächtiger dem Auslände gegenüber würde, kann man nicht sagen. Dir Ereignisse in Ita lien entwickeln sich mit einer traurigen Schnelle. Oester reich kämpft unglücklich, wenn auch hcldenmüthig gegen drei Mächte: Piemont, Frankreich und dieRcvolntion. Ter bisher feiten Preußens und Deutschlands bewahrten Neu tralität hat keineswegs eine Mäßigung der Feinte Oester reichs entsprochen. 'Nachdem mehrere Fürsten in Italien thatsächlich entthront sind, den Völkern nach Zurückdrän- gung der Oesterreicher aus Italien ihre freie Selbstbe stimmung verheißen ist, nachdem Graf Cavour ganz un umwunden da» Erbe der Herrschaft Oesterreichs und der übrigen „verschwundenen" italienischen Staaten für Pie mont in Anspruch nimmt, nachdem das militärische Au- ßonwerk für die Sicherheit Deutschlands, die Minciolinie, vom Feinde überschritten ist, sind doch die schlimm sten deutschen Befürchtungen bereits in (Erfüllung ge gangen? Und diesen furchtbar klaren Thatsachen ge genüber streiten sich die Parteien in Preußen mit der größten Confusion darüber: wie die Politik Preußens eigentlich, beschaffen sei! Sie können nicht einmal da rüber in Klarheit kommen, geschweige denn, daß sie sich einigen könnten in dem Punkte, wie sie beschaffen sein müsse. W«nn Oesterreich, allein gelassen in seinem Kampfe gegen drei Mächte, einen miserabeln Frieden schließt, um sich seine Sicherheit vom Westen und Sü den her durch Concessionen zu erkaufen, so zweifeln wir, daß Preußen dabei eine sehr hervorragende Vermittler stellung einnehmen werde, oder daß die deutsche Nation einen großen Aufschwung über ihre Neutralität fühlt. Man soll ihr aber dann nicht sagen, daß die „Klein staaten" eine mächtige deutsche Politik unmöglich gemacht haben, denn wie heute die Sachen liegen, so ist die deutsche Nation nur über die unzweifelhaft zu erken nen gegebene deutsche Politik der Mittelstaaten aus geklärt und beruhigt, und man kann den letzten: keinen Vorwurf machen, daß sie irgend ein Verlangen verwei gert oder hinaus gezogen hätten, welches an sie gestellt worden wäre, um die Durchführung einer eingreifenden Nationalpolitik möglich zu machen. Wir glaubten eS schon neulich als ein Zeichen der Zeit hervorhcben zu müssen, daß die französische Presse, deren „Jnstinct" für eintretende politische Wendungen man genugsam kennt, jetzt mit der größten Mäßigung von Oesterreich und mit chcvaleresker Anerkennung von der österreichischen Armee redet. Ein neuer kleiner Beleg: Die „Patrie" befindet sich jetzt mit dem „Morning Herald" im Kampfe, und zwar um, wunderbarerweise, die Oesterreicher gegen eine Aeußerung de- Tory-BlatteS zu vrrtheidigcn. Das englische Organ -hatte von einer „schimpflichen Niederlage" der Oesterreicher gesprochen. Darauf erwidert die „Patrie", wenn man sechzehn Stun den kämpfe und nur der „unbezwinglichen" Tapferkeit der französischen Truppen Weiche, so fei das eher ehren» voll als schimpflich. Auch habe der ganze Feldzug we niger für die Schwäche Oesterreichs, als für die Stärke Frankreichs Zeugnis, abgelegt. Man muß gestehen, daß der Edelmuth des französischen Blattes in der Verthei- digung des Feinde- durch eine starke Dosis Selbstlob etwa- an Dust verliert. Jndeß ist Selbstlob wohl nicht der einzige Grund für eine solche Auslassung deS offi» ciösen Pariser Blattes.
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