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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 11.01.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-01-11
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070111020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907011102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907011102
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-01
- Tag1907-01-11
- Monat1907-01
- Jahr1907
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Beznqs-Prvls M ^kpztg und Bororte: In der Haupt- Spedition oder deren Au-gabrstellen ad- geholt monatlich: Au-gabe^. (1 mal tügltch) 70 Pf., «udgabe » l2 mal täglich) 80 Pf^ bet Anstellung in- Hau- Ausgabe X 80 Pi., Ausgabe tt 1 Mark. Durch unirre aus wärtigen Ausgabestellen und durch die Post bezogen (1 mal tägltchiinnerbatb Deutschlands monatlich 1 Mark, für Oesterreich-Ungarn 5 L 45 h vierteljährlich, die übrigen Länder laut ZeitungSpreiSliste. Diese Nummer kostet auf -41 allen Bahnhöfen und bei III /I^ den Zeitung--Verkäufern Nevaktton und Expedition: Johannisgasse 8. Telephon Nr. 153. Nr. 222. Nr. 1173. Berliner RedattionS-Bureau: Berlin MV. 7, Prinz Louis Ferdinand- Straße 1. Telephon I. Nr. 9275. SlnzelqeN'Prers Abend-Ausgabe v riMrr TagMM Handelszeitung ÄmtsAatt -es Rates und -es REzeiamtes -er Stadt Leipzig. Anzeigen-Annabme: Augustusplatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allenAnnoncen- Elveditionen deS In- und Auslandes. Für da» Erscheinen au bestimmten Tagen o. Plätze« wird keine Laraulie übernommen. Haupt-Filiale Berit«: LarlDuncker.Herzg l-Bayr.H ofbuchhandlg, Lutzowslrahe 10 «Telephon VI, Str. 4608). Filial-Erpeditio«:DreSde«.Marienstr.S4. die k gespaltene Petitzrilr für Geschäft S» insrrate an» Leipzig und Umgebung Lo Pf, Familien^ Wohnung«- u. Stellen-Anzrigeu, sowie An« und Verkäufe 20 Pf., finanziell« Anzeigen 30 Pf., für Inserate von auswärt« 30 Pf. Reklamen 75 Pf„ auswärts 1 Mark. Beilage gebühr 4 Mark p. Tausend rxkl. Postgebühr. GeschäftSanzrigen an beoorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Taris. Für Inserate vom AuSlande beiondererTarif. Nr. II. Freitag 11. Januar 1907. 1V1. Jahrgang. Vas Neueste vom Tage. (Die »ach Schluß der Redaktion eingegaugene» Depeschen fiehen auf der L. Seite des HauptblatteS.) Sozialdemokratische Versammlungsfreiheit. In scheinbar entgegenkommender Weise hatte die sozial demokratische Parteileitung in Leipzig angekündigt, „am heutigen Abende werde man in der in die Alberihalle ein berufenen Volksversammlung nicht nur Herrn Justizrat Dr. Junck ruhig reden lassen, sondern auch den bürgerlichen Kreisen Gelegenheit geben, ihn zu hören." Ließ dabei freilich schon der Hinweis, die Ausgabe von Eintrittskarten für An' gehörige bürgerlicher Parteien erfolge nur heute vormittag von 10 Uhr an im VolkshauS, vermuten, daß man von sozialdemokratischer Seite nicht allzu freigebig mit solchen Karten verfahren werde, so hatten wir doch angenommen, daS Ganze werde nicht nur ein schmäh licher Wahltrick sein. Die Tatsachen haben uns zur Schmach und Schande der Sozialdemokratie vom Gegen teil überzeugt. Schon 10 Minuten nach 10 Uhr, nachdem kaum etwa 100 Personen Karlen erlangt haben können, wurde im VolkshauS die weitere Herausgabe von Karlen ver, weigert. Zahlreiche Beschwerden liefen bei der Redaktion oes Tageblatts schon vor 11 Uhr ein und eine größere Anzahl von Personen, die von der Sozialdemokratie aus diese Weise getäuscht worden sind, stellten sich uns zur Versitzung, um zu bezeugen, wie jammervoll die Sozialdemokratie ihr Versprechen gehalten hat. Dieses jeden politischen Anstand verspottende Verhalten erreichte aber seinen Höhepunkt darin, daß man selbst der Redaktion des „Leipziger Tageblattes", die höflichst um zwei Karten bat, diese mit dem dürftigen Hinweis verweigerte, Berichterstatter hätten auch ohne Karte Eintritt. Weshalb hat man venn dann zur Bebel-Versammlung der bürgerlichen Presse Eintrittskarten gesandt? So widerspricht man sich auf sozialdemokratischer Seite! So achtet man heute nicht einmal mehr die einfachsten Anstandssormen, der Presse dieselbe Garantie zu bieten, die man den eigenen Ge nossen in so reichem Maße für den Eintritt in die Ver sammlung geboten hat, als man schon gestern an diese Ge noffen Eintrittskarten ausgab! Hat die Sozialdemokratie durch ihren wüsten Terrorismus in der letzten Zentraltheater-Versammlung die von ihr so hoch gepriesene Redefreiheit zunichte gemacht, so ist sie nun auch dazu fortgeschritten, die eigene Versammlungs freiheit durch ihren Terrorismus zu verhöhnen. Das Leipziger Bürgertum wird am 25. Januar auch darauf eine klare Antwort zu geben wissen! Studentenschaft und Wahlkampf. Für die Kandidatur Junck ist an der hiesigen Uni versität aus den Studierenden ein Arbeitsausschuß ge bildet worden, der an die Leipziger Studentenschaft folgenden Aufruf richtet: Kommilitonen! Ju der vorigen Woche hat sich der Arbeitsausschuß für die Wahl des Kandidaten der vereinigten bürgerlichen Parteien, des Herrn Justizrats Dr. Junck, gebildet. Nun gilt es, mit vereinten Kräften dahin zu arbeiten, daß am 25. Januar der bürgerliche Kandidat über den Kandidaten der Sozialdemokratie den Sieg erringt. Soll das erreicht werden, so braucht der Arbeitsausschuß für seine Arbeit am Wahltage die zahlreiche Unterstützung und Mitarbeit einiger Hundert nationalzesinnter Männer. In erster Linie mit hofft der Ausschuß dabei auf die Mitwirkung der Leipziger Studenten, die, wo es galt, für das Vater land einzutreten, noch nie gefehlt haben. Deshalb lichtet der unterzeichnete Ausschuß an die Leipziger Studenten schaft daS aufrichtige Ersuchen, sich nach ihren Kräften am 25. Januar an der Waklarbeit zu beteiligen. Kommili tonen! Tas Vaterland ruit, für seine Freiheit und Ehre gilt es jetzt einzutreten. Darum tue ein jeder national gesinnte Student seine Pflicht." Die Geschäftsstelle des Ausschusses befindet sich Hain straße 2, II. (Fernsprecher 8261). Afrikanische Grenzregulicruna. Der Dampfer „Cerezuny" traf in Bordeaux ein mit den Mitgliedern der siidkamerunischen Grcnzkonimission, welche beauftragt war, die Grenzen zwischen dem französischen Kongogcbiet und Südtamerun festzulegen. Die Arbeiten der Kommission haben 5 Monate gedauert und unter den schwierigsten klimatischen Verhältnissen stattgesunden. Das Verhältnis zwischen den deutschen und den französischen Mitgliedern der Kommission war stets das freund schaftlichste. Persien. Das Panzerschiff „Conds" verläßt beute abend den Hasen von Toulon mir unbekannter Bestimmung. Man glaubt, daß cs nach Persien geht, um bei etwaigen Unruhen infolge des Thronwechsels die französischen Interessen zu vertreten. — Daß auch in persischen Kreisen Befürchtungen an den Thronwechsel geknüpft werden, beweist folgende Depesche aus Berlin: Aus Anlaß des Ablebens des Schah von Persien ist der persische Geichäststräger in Brüssel, der außerordentliche Gesandte und bevollmächtigte Minister Mirza Ahmed Khan gestern in Berlin eingetroffen, nm über die augenblickliche Lage in Persien und ihre künftige Gestaltung mit den kiesigen maßgebenden Kreisen in Fühlung zu treten. In einer Unterredung erklärte er» daß Unruhen, die die Thronfolge des neuen Schah gefährden könnten, weder in Teheran noch im Reiche zu fürchten feien. Mohamed Ali sei fest entschlossen, die Resormpolilit seines Vaters fortzu führen und befinde sich in vollem Einvernehmen mit den Führern der Nesormbewegung. — Auf alle Fälle gebt aus dieser Konsultation BülowS oder TschirschlhS hervor, daß die Perser selber nicht ohne Besorgnis sind. — AuS Teheran geben folgende Nachrichten ein: AuS Anlaß des Todes des Schahs haben die Gesanvtschaiten halbmast geflaggt. Die Läden sind ge öffnet, ebenso alle Regierungsbureaus und die Militärschule, in der die Söhne, Enkel und Neffen des verstorbenen Schahs ihre Ausbildung erhalten. — Die Sicherheit der Wege läßt zu wünschen übrig: Zwei Beamte einer englischen Firma, von denen der eine englischer, der andere öster- reichi'cher Untertan ist, wurden, als sie die Nazarieh, Brücke auf der Straße nach Kum ausbesserten, vou persischen Kosaken angegriffen. Der Engländer erhielt einen Schuß durch die Kopfbedeckung; beiden gelang es darauf unverletzt zu entkommen. Ein Kurier, der Depeschen des auswärtigen Amtes der englischen Gesandtschaft überbrachte, ist von einer bewaffneten Baude in der Nähe von Kaswin angehalten worden; später gestattete ihm die Bande weiter zu ziehen und lauerte der aus Europa kommenden Post auf. polilisGes. * Zum Tode der Köniain Marie. Gmunden hat seit gestern seine sonst so freundliche Physiognomie verloren. In den Straßen sind sämtliche Geschäfte schwarz drapiert, vor gestern fand im Rathaus eine Trcruerseier an der Leiche statt. Um 5 Uhr wurde die Leichenschau vorgenommen und eine photogr^rphische Aufnahme gemacht. Nachmittags traf zu mehrstündigem Kondolenzbesuch das Prinzenpaar von Schaumburg-Lippe aus Wels ein. Unendlich ist die Zahl der Kondolierenden, die sich in das im Schloß auslicgende Buch eintragcn. ast. Die Hohenloheschen Memoiren. Aus Stuttgart wird gemeldet: Tic auswärtige Blätternachricht, daß in der Hohenlohe-Memoiren-Afsäre durch verschiedene Indiskre tionen eine Herausgabe der nichtveröffentlichtcn Bruchstücke der Memoiren im Ausland bevorstehe, zum mindesten aber zu befürchten sei, ist unzutreffend. Professor Curtius hat sämtliche nichtveröffent- lichte Schriftstücke aus den Hohenlohe-Memoiren, welche nur ihm zur Einsicht Vorlagen, persönlich dem frühe- ren Bezirkspräsidenten Prinz Alexander Hohenlohe zu- rückge liefert. Von diesen Mrückgehaltenen Memoiren teilen bat also keine dritte Persönlichkeit, auch nicht die „Deutsche V e r la g s a n st a l t" Kenntnis nehmen können. * Die Bischofswahl in Poscn-Gnesen ist jetzt auf den 16. Januar mittags festgesetzt worden. Als aussichts reichster Kandidat ist der Domherr Kloske zu betrachten. Die von polnischer Seite gewünschte Wahl des jetzigen Erzbis- tumsverwescrs, des Posener Weihbischofs Dr. Likowski, kommt nach dessen bisherigen Verhalten namentlich in der Schulstrcikangclegenheit kaum noch in Frage. Weit mehr Cbancen als Tr. Likowski hat jedenfalls neben Kloske der frühere Rcgierungs- und Schulrat in Marienwerder und jetzige Dompropst Dr. Wanjura, der von seiner früheren Stellung her gute Beziehungen zu Regierungskreisen mit bringt. — Für die Erzbischofswahl am 16. sind im erzbischöf lichen Palais in Gnesen bereits große Vorbereitungen ge troffen. Im Anschluß an die Wahl wird ein Festmahl statt- sinden, an dem neben den Domherren, welche zur Ausübung her Wahlhandlung berufen sind, auch die Spitzen der Behör den teilnehmen werden. * Erleichterung der Wahlpflicht für die Beamten. Ein Erlaß des Inhalts, daß den staatlichen Beamten und Be diensteten die erforderliche Zeit für Ausübung ihres Wahl rechts bei den bevorstehenden Reichstagswahlen zu gewäh ren fei, ist in Preußen nicht nur vom Verkehrs- minnterium, sondern auch von den Ministerien des Innern, der Finanzen und dem Kriegsministerium an die unterstell ten Behörden ergangen. Das Kultusministerium hat ange- ordnet, daß an den Wahltagen in allen oem Ministerium untergeordneten Schulen und UnterrichtSan st al ten der Unterricht ausgesetzt werde; vom Justiz- minisjterium wurde verfügt, datz die Anberaumung von ge richtlichen Terminen auf den Tag der Reichstaaswahl und auf die Tage der etwaigen Stichwahlen möglichst zu vermeiden sei. Ebenso ist in Gayern vertügt worden, daß die Schulen ausfallen. Hk Italiens auswärtige Politik wirb demnächst übermal- im Parlament erörtert werden. Die Sozialisten plane», den Minister des Aeußern über die Differenzen zwischen der österreichischen und italienischen Regierung ,n der Kammer zu interpellieren. * Angebliches Komplott gegen den König von Italic». Ter italienische Generalprokurator hat aus den Vereinigten Staaten einen Brief erhalten, unterzeichnet von einem frühe ren Anarchisten Rossi, welcher darin Einzelheiten über ein neues Komplott anglbt, welches gegen den König von Italien geplant Iverdc. l?j * Italienische Justizreform. Tie Anwälte hielten in Rom eine Versammlung ab, in der sie Stellung zu dem vom J-chtizminister vorgeschlagenen Entwurf einer Justizreform nahmen. Man beschloß einstimmig, den Minister zu er suchen, diesen Entwurf zurückzuziehen, widrigenfalls die An wälte in Len allgemeinen Aus stand treten wurden. — Es ist hohe Zeit, daß mit dem verrotteten italienischen Advo- katenstande aufgeräumt wird, der schon seit Jahrhunderten eine stehende Spottfigur der Komödie liefert. * Peters-Psennig. Eine Summe von 28 000 stl. ist beim Vatikan aus Berlin eingetroffen, um für die Bedürfnisse der französischen Katholiken Verwendung zu 'finden. * Ueber den Unfall des serbischen Kronpriuze» wird aus führlicher gemeldet: Gestern nachmittag war der Kronprinz in Gefahr, zu ertrinken. . Er fuhr in Begleitung des Uni- versitärsprofessors Pctrovic und des Ordonnanzoffiziers zur Entenjagd in einem Motorboot die Sava aufwärts, als plötzlich, etwa 40 Kilometer von Belgrad, das Boot an einen Baumstamm stieß und schnell sank. Die Gesellschaft nebst dem Motorbootführer konnte sich durch Schwimmen an das ungarische Ufer retten, von wo aus man auf das serbische User zurücksuhr und per Wagen wieder nach Belgrad heim kehrte. — So die offiziellen serbischen Berichte, deren oe- wohnheitsmäßiger Verlogenheit gegenüber es natürlich jedem unverweyrt bleibt, zu glauben, daß die Sache sich ganz anders zugetragen habe. Wenn die Erzählung auch frei von Widersprüchen und Unwahrscheinlichkeiten ist, so ist an gesichts der Zustände in Serbien ein anderer Verdacht nur zu natürlich. * Marincminister. Ter englische Militärattache der Pariser Botschaft Lowther ist in Oran eingetroffen und wird dem „Petit Parisien" zufolge mit Genehmigung der frau- Feuilleton. Lia ÜLensch mit Oenie ist unausstehlich, wenn er nicht mmckestens noch Zweierlei ckaru besitzt: Dankbar keit unck Reinlichkeit. nieiricbe. kür ckas praktische Deden ist ckas Oenie so brauch bar, rvie ein Lterntelefkop im Theater. Lckopendsuee. Ohne Deickev schäft gibt es keine Oenialitüt. Mommlen. Das erste unck letzte, rvas vom Qenie geforckert wirck, ist Wahrheitsliebe. «oewe. Helix Hübel. Von Julius Bcrstl sLeipzig). Felix Hübel*) hat sich eine ernstere Beachtung zum ersten Male mit seinen „Pariser Novellen" und den Ge spenstergeschichten" erworben. Die Pariser Novellen sind gute Charakterjkizzen, denen der künst lerische Einfluß der großen modernen französischen Erzähler nur von Nutzen gewesen ist — feingeschliffene, knappe, abge rundete Kabinettstückcheii, die in einem blitzartigen, feltjam zuckenden Licht ein paar Typen der Weltstadt auslcden lassen. Mehr als bloße Skizzen, denn mit und hinter diesen meistens „gebrochenen" Charakteren ^Stiefkindern des Schicksals, die von den schonungslosen Wellen des Lebens gepackt und an die todbringenden Klippen geschleudert wervenj wächst vor unseren Augen Paris empor: das wahnsinnige haftende, schäumende Leben der modernen Weltstadt, die ewige, fieber hafte Belvegung, das Gewühl und Geschwirr der fauchenden, beulenden Damvfboote aus der Seine, das Iulisest mit seiner lKicchantischen Ausgelassenheit, seiner rücklichtslosen, lärm- baften, ausschweifenden und im Grunde doch naiven Lust, und im Gegensatz dazu der trübe, fröstelnde Nebeltag in den Straßen, die Dürftigkeit und der Schmutz enger Häuser, die glitzernden Schaufenster der Boulevards, der um- schleierte, unnatürlich lebendige Schein der surrenden Bo genlampen. Einen Schritt über diese „Studien" hinaus bedeuten die in zwei Bänden erschienenen „G es p e nfte rg e sch i ch - ten". Hier haben wir den reinen Typus der Novelle: kein *) Von F. Hübel erschienen bei H. Haeffel, Leipzig: Pa riser Novellen und Gespenstergeschichten I. und II. Bei H. Seemann Nachs.. Leipzig: In einer Winternacht: Und hätte der Liebe nicht: Die kleine Königin: Ter Schmetter- nngSkuß: Di« aroße Sehnsucht. B«i F. Marschner, Leipzig: V»r Lieb« srerven und Reu« Sehnsucht, Gedicht«, Charakterporträt in irgend einer eigenartigen Beleuchtung, die ein paar Züge besonders hervorbebt, die anderen dagegen in ein um so tieferes Dunkel hüllt, keine knappe, impres sionistische Schilderung, die ihren Zweck in dem Augenblick erfüllt steht, in welchem die gewollte Stimmung erreicht ist, sondern eine wirkliche Handlung, der es durch die Seltsam keit des Geschehens, die bewußt geheimnisreiche Art des Vortrags gelingt, den Leser in Spannung zu halten, und in deren Verlauf ein paar Menschen in unseren Augen zu deutlichem Leben erstehen. Gespenstergeschichten nicht im Sinne altmodischer Ammenmärchen, vielmehr dem Jbsen- schcn Jdcenkreis verwandt. Peinigende Schatten, die in un serer tz-eele zu schlummern schienen, ovcr deren Gegenwart wir überhaupt nicht ahnten, werden wach und erheben sich drohend. Gewissensqualen, die die Seele in grausamer Ein tönigkeit mürbe machen, Haß und Eifersucht, die mit stieren, glasigen Augen sich in die Seligkeit junger Liebe hinein zwängen und das knospenhafte Glück wahnsinnig lachend zerstören, die müde, ironische Resignation eines verfehlten Lebens, dos zum Abschluß drängt, und dessen Fluch es ist, auch das gesunde, strotzende, von keinem Wurm zernagte Leben mit sich in die Tiefe zu zerren. Künstlerisch am bedeutungsvollsten ist wohl die erste der Gespenstergeschichten: e r r c n r ö p c n". Hier zeigt sich eine wohlourchdachte Technik: knappe, rasch fortschreitende Steigerung, Fort lassen olles nichk unbedingt zur Handlung Notwendigen, Festhalten der unheimlichen, nervenansponnenden Stim mung. Die dritte Novelle „In einer W i n t e r n a ch t" läßt dagegen künstleri'che Zucht schon mehr vermissen. Hier ist das ganze Gefüge lockerer, weitschweifiger, das Ziel nicht so konsequent im Auge behalten. Tic gewollte Nervenan spannung wird nur teilweile aufrecht erhalten. Die beste Novelle, die Hübel überhaupt geschrieben hat, ist vielleicht sein „Roman : „Und hätte der Liebe n i ch t", wenn sich hier auch schon starke Einflüsse der Stimmungsmolerei Jakobsens geltend machen, die nur zu oft das ohnehin schon dürftige Gewebe der reduzierten Handlung überwuchert, und wenn sich auch hier schon ein gefährlicher Hang zur Reflexion und zum Ausspinnen lang atmiger, schöngeistiger Dialoge Nachweisen lässt. Demgegen über steht aber eine behutsame, saubere Pinckologie, ein Er fassen und Ausmalen seltiamer Tämmersiimmungen zarter, knabenhafter und kapriziös schillernder Seelen und eine vir tuose Behandlung der Sprache, die das Anempsundcne und Konventionelle durclwus überwiegen. Dagegen scheint mir Hübel im ,,S ch m e l t e r l i n g s - ku ß" dem lockenden Zauber des grogen Dänen vollkommen verfallen zu sein, ohne jedoch die verhaltene Glut, das ver steckte Lodern einer sich verzehrenden Lccle auch nur an nähernd zu erreichen. Ueberhaupt ist liier Hübel, wie alle Jakobsenschüler gänzlich unpersönlich. Tie Farbe, der Tust, der Klang, die verschwommene Linienführung, die in einer zärtlichen, schmerzlichen Melodie untcrgebende Handlung, die durchsichtigen, schemenhaften Charaktere, die trotz aller spürenden, rastlos schärfenden analrstischen Psychologie doch immer nur ein und denselben „Tnvus" vorstellest — olleS das kann man Hübel genau so gut zusprechen» wie etwa der lyrischen Prosa HanS Bethges. Man kann sie beide untereinander austcnifchen, ohn« die Verwechslung zu be merk«». Die Geschichte von der „kleinen Königin" sollte ein heiteres Phaniafieipiel werben. Nur schade, daß Felix Hübel keinen natürlichen, quellenden Humor besitzt. In zier lichem, märchenhaften Ton, unter Verzichlleistung auf eine tiefergehende Individualisierung war es die Absicht des Verfassers, uns den typifchen Lebenslauf eines zur Herr scherin bestimmten kleinen Mädchens zu geben, das neben der Königin eben auch ein kleines Mädchen ist und wie jeder Backfisch seine besonderen naiv-trotzigen Meinungen hat, daS seine Liebe frei verschenken möchte, und das schließlich doch dem üblichen Prinzgemahl seufzend zum Altar folgt. Tas alles hätte eine latirische Burleske von prachtvoller Komik werden können — und ist doch nur ein laues, zahmes Gcsckichtchen geworden, in das ganz un nötigerweise wieder die Farbe, der Klang, der Dust Jakob- senjcher Stimmungsmalerei hincinspielt. Ansätze zu einer Burleske bat Hübel freilich gegeben. Tie beiden Amerikaner, die sich um die .Hand der Königin bewerben, Liebcssonctte dichten und einen Telegrammreaen auf sic niedergehen lassen, sind gut ersonnen. Aber sie mußten ins Groteske erhoben werden, eine scharfe, grimmige Ztomik, die selbst vor karikierenden Strichen nicht zurückscheut, hätte sie zu ein paar Pracbikerlen gemacht. Hübel fehlt dazu das Brüske, Derbe, Draufgängerische. In dem Roman „Die große S e h n s u ch t", seinem umfangreichsten Werk, hatte Hübel offensichtlich den Drang, die von ihm gepflegte Form der Novelle zu durchbrechen und in einem großzügigen Werk ein umfassendes Lebensbild zu schaffen. Lei Roman beweist aber mit intensiver Ein dringlichkeit, daß Hübel eben ein spezifischer Novellist ist. Tenn auch seine „große Sehnsucht" weicht nur in formaler Beziehung vom Typus der Novelle ab. Tie Dimensionen sind zwar erweitert, die Hroßc Linie aber, die den Roman kennzeichnen soll, fehlt. Trotzdem muß ausdrücklich bervor- gehoben werden, daß gerade dieses Werk stellenweise mit zum Schönsten gehört, was Hübel geschrieben hat. Namentlich das erste Buch ist gelungen, und Charaktere, wie der Haus lehrer Pilgbeim und die visionäre blumenhaftc Sibvlle, die ein ätlieriicker Tust, ein überirdischer Hauch umgibt, sind von größter Eindringlichkeit. Gleichzeitig muß ober daraus hinlicwicsen werden, daß der Roman, in der Reibe der Schöpfungen Hübels betrachtet, sich nicht mehr ganz so vor teilhaft ausnimmt. Denn eine gewisse Monotonie, die der allzuliäungen Wiederholung von Stoffen und Charakteren entspringt, wirkt auf die Dauer ermüdend. Der Held vieler seiner Geschichten ist immer derselbe schmerzlich-süße, ein wenig nach Goethes Werthcr schmeckende Ztünstlercharakter. Der subjektive, lyrische Zug, der der künstlerischen Periön- lichkeit Hübels sein charakteristisches Gepräge gibt, wird dem Dichter bei der objektiven Seelengcstaltung zum Verhängnis. Freilich sn der Darstellung dieses einen Tnvus, der sich wohl zum oroßen Teil mit seiner eignen Persönlichkeit deckt, bat es Hübel zu einer schillernden Virtuosität gebracht. Und noch ein Grund für die Monotonie der Hübelschen Menschen: es fehlt ihnen allen die Entwicklung ihrer Charaktere. Sie treten immer schon zu Beginn als relativ fertig« Persönlich keiten auf, und ihr Wesen wird im Verlaus der Handlung wohl vertieft und mit erstaunlicher Psychologie analysiert, I aber es ist doch immer, als ob sie an e:n und demselben I Punkt stehen -lieben. I „Vor Liebe sterLen" heißt der neuste Novellenband des Dichters. Und man könnte diesen Titel über Hübels sämtliche Werke setzen, jo sehr trifft er das Wesentliche seiner ganzen Kunst. Jubelnder Rausch und — Untergang. . . . Es ist überall dieselbe Geschichte mit kleinen Variationen, in einer anderen Farben- oder Klangzusammenstellung. Darin liegt die grötzte Gefahr für das zuninftige -schaffen des Verfassers. Heraus aus der rührsamen Weither- stimmung! Weg, mit der ewigen Tarstellung von Künstlern, über deren Kunst wir soviel zu hören bekommen, ohne daß wir selbst nachprüfen könnten, ob sie wirklich das sind, was uns ibr Schöpfer von ihnen berichtet. Und schließlich: es gibt nicht nur Dichter oder Ätalcr und Musiker aut der Welt, sondern auch noch ein paar andere Menschen, deren Darstellung eigentlich doch auch Felix Hübel reizen sollte. Daß der Dichter übrigens auf der Luche nach neuen Cha- ratteren zu sein scheint, beweisen mir die beiden anderen Novellen, die der Band „Vor Liebe sterben" birgt, nämlich die beiden Grotesken „Das letzte Abenteuer des Herzogs von Montcourt" und „Tierbändi ger". Tie erste der beiüen Geschichten ist aus echt Heinse- ichem Geist geboren. Geialkigter, überreifer AeftbetizismuS, in dem die rein animalische Sinnlichkeit untergeht, doch nur um als eine neue^ Nervcnsensation zu erstehen. Die letzte Geschickte in den Spuren der skeptisch-zynischen Satire eines Frank Wedekind wandelnd. In dieser Richtung könnte Hübel einen Ausweg und eine Auffrischung seiner künst lerischen Kräfte finden, wenn es ihm gelänge, sich von den Einflüssen, die auch auf diesem Wege an ihn berantrctcn, freizuhaltcn. Hübel ist eben eine dichterische Erscheinung, der eine herbe Selbstkriiik vonnöten ist, um nicht in Gefahr zu gc- raten, unpersönlich zu werden. Er verfügt über eine glänzende Sprache, die ihn leicht verführt, die Allüren eines Virtuosen anzunehmen. Seine Persönlichkeit trägt den Charakter des Vornehmen, Geiswollen, Feinneroigen, Kul- turgesättigten, aber sie verfügt vielleicht schon über etwas zu viel .stuliur, genau wie eine allzuarotze musikalische Anlage ihre Gestaltungskraft anscheinend hemmt und die objektive Darstellung allzuleicht in Klangwirkungen auflöst. Tas Lvii'cke im ,Wei en des Dichters, daS manche seiner Gedichte zu kleinen Perlen macht, unterdrückt eben jede elementarische Wucki und dämpft häufig die beabsichtigte seelische Er- scküiierung. Felix Hübel ist eine Persönlichkeit, der be- stimmte Grenzen gezogen sind, die aber innerhalb dieser Grenzen bei straffer, künstlerischer Zucht, namentlich wenn sie den allzugroßen Hang zur Stimmungsmalerei eindämmt, beiiisen ist, Schönes und Gutes zu leisten, wenn die rein schöpferische Gestaltungskraft mit oem bedeutenden Intellekt des viersaffers einigermaßen gleichen Schritt hält. Und ich glaube, daß namentlich das Gebiet der Novelle der geeig netste Boden ist aus dem 'eine dichterischen Früchte wachsen können. Novelle und Skizze. Denn ich lxibe das Gefühl, datz m Hübels Erstlingsband, den „Pariser Novellen", in mancher Beziehung Wertvolleres enthalten ist als in vielen feiner späteren Bände. Vielleicht bedeutet Einschränkung und Zurückhaltung in „orm und Dimensionen Erstarkung
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