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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.01.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-01-15
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040115021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904011502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904011502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-01
- Tag1904-01-15
- Monat1904-01
- Jahr1904
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Anzeigen-Preis die «gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redaktion-strich (4 gespalten) 75 -H, vor den Familiennach richten (6 gespalten! 50 Tabellarischer und Zisfernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 (excl. Porto). Extra:Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung >6 60.—, mit Postbesörderung .6 70.—. Ännahmkschluß für Anzeige«: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr 2«. Freitag den 15. Januar 1904. 98. Jahrgang. Vas Wchtigrtt vom Lage. * Der frtthere Präsident des Reichsgerichts, Wirk!. Geh. Rat vr. vonOehlschläger ist in Berlin g e st o r b e n. * Kaiser Franz Josef wird im März zum Be suche König Georgs in Dresden eintresfen. * Vielfach wird angenommen, datz der Reichs kanzler demnächst im Reichstage einen Gesetzent wurf über die Rechtsfähigkeit der Berufsver - eine ankündigen werde. * Die wasserwirtschaftliche Vorlage wird, wie verlautet, dem preußischen Abgeordneten haus« alsbald nach seinem Zusammentritte zugehen. * Die französische Deputiertenkammer vertagte die Beratung der Interpellation über die Ausweisung Delsorsum acht Tage. * Der Kaiser von Rußland hat gelegentlich der Neujahrsfeier erklärt, er werde seinen ganzen Einfluß für die Erhaltung des Friedens einsetzen — Ueber den Inhalt des letzten Notenaustausches verlautet noch nichts Authentisches. politische Tagesschau. * Leipzig, 15. Januar. Die ZwangSvcrsichernng der Handwerker. Die gestrigen Reichstagsverhandlungen über die Er weiterung der staatlichen Zwangsvcrsichcrung durch Einbeziehung der selbständigen Handwerker in den Kreis der Versicherten l>at keine Ucberraschung gebracht. Atan wußte schon aus früheren Vorgängen zur Gcuüge, daß bei -er Rcichsverwaltnng, will sagen beim Staatssekretär Grafen v. Posadowsky, gegenwärtig keine große Neigung zur Beschleunigung des sozialpoli- schen Gesetzgebungstempos vorhanden ist. Tas kann im Einzelfalle sehr bedauerlich sein, findet aber seine natür liche und verständliche Erklärung, wenigstens vom Regie rungsstandpunkte aus, in der noch der Ausführung har renden Aufgabe der Versorgung der Arbciterwitwen- und -Waisen. Man kann die, übrigens nur der Partei- propaganda dienende, bei der Zolltariserlodigung vor genommene Bärenfcllvcrteilung der noch gar nicht ein genommenen 50 Millionen für einen Fehler halten, muß aber doch ohne weiteres zugestehen, daß nach der nun ein mal erfolgten Festlegung von Volksvertretung und Reichsverwaltung die an sich ja auch durchaus wünschens werte Reliktenvcrsorgung an erster Stelle erledigt wer den muß. Immerhin hätte man wünschen können, daß dieses Argument den Staatssekretär in seiner Stellung nahme zur staatlichen Versicherung der Handwerker nicht in -em Maße beeinflußt haben möchte, wie er zur Schau trug. Aber die interessierten Kreise können sich trösten: der Staatssekretär kann seine Ansicht auch ändern. Dies hat er sehr deutlich — manche meinen so gar, zu deutlich — bei der Behandlung des ver wandten Themas von der Zwangsvevsicherung der P r i va t a n g c st e l l t e n im Beginne des vorigen Jahres bewiesen. Nachdem damals Graf v. Posa- dowsky noch im Februar erklärt hatte, die ganze Angelegenheit sei für ihn durch die bestehende In validenversicherung bereits erledigt, ließ er bereits im März den Bestrebungen der Privatange- stellten seine Smnpathie ausdrücken und sprach sich auch gestern in einer Weise über den Gegenstand aus, die bei allen denen, die den vorsichtig-kühlen Geschäftspolittker kennen und schätzen, keinen Zweifel daran lassen kann, daß die Angestelltenversicherung auf dem be st en Wege ist, Gesetzzu werden. Der Staats sekretär hat sich also in diesem Falle eines bessern be lehren lassen; warum sollte das nicht auch in der Hand- werkersragc geschehen können? Freilich müßte dazu nach des Staatssekretärs Ansicht erst der Rubikon überschritten werden, d. h. man müßte die staatliche Versicherung auch aus selbständige Existenzen ausdehnen; aber das ist ja bereits geschehen, wenn auch noch nickt in der Form der Zwangsversicherung, bei der zulässigen freiwilligen Ver sicherung der Kleinmeister. Wir möchten daher auch dies mal die Ablehnung des Staatssekretärs nicht allzu tragisch nehmen und den gegebenen Leitsatz dahin umformen: Erst die unselbständigen, aber dann auch die bedürftigen selbständigen Existenzen sichern! Sozialdemokratisches Gaukelspiel. Trotz des Verdammungsurteilcs, das der alte Revo lutionär Bebel auf dem Dresdener Parteitage über die Revisionisten gefällt hat, und trotz des Sieges, den er mit diesem Urteile über seine Gegner davon getragen, borgen sich bei passend erscheinender Gelegen heit die unter Herrn Bebels Zucht stehenden parlamenta rischen Vertreter der Sozialdemokratie das revisionistische Mäntelchen, um auch solche „Mitläufer" bei der roten Fahne zu halten, denen das ewige Regieren nicht paßt. Eine solche Gelegenheit hat in der B u d g e t t o m m , s- sion des R e i ch s t a g e s das Zentrum dadurch herbeigenihrt, daß cs von den vier neuen Berufs konsulaten, die der Rcichsetat für die Vereinigten Staaten fordert, eines streichen wollte. Die sozialdemo kratischen Kommissionsmitglieder stimmten gegen die Streichung, und nun wirft sich der „Vorwärts" stolz in seine Helüenbrust und verkündet: „Eine gewisse P f c n n i g f u ch s c r ei wollte das Zen trum bei der Forderung einer Verstärkung des deutschen Konsularkorps in Amerika treiben; vier neue Bcrufskonsuln wurden für die Vereinigten Staaten gefordert, das Zentrum wollte davon — einen streichelt. Tic Mehrheit der Kom mission, darunter unsere Vertreter, machte aber diese absonderliche Politik nicht mit, sondern bewilligte die Forderung, weil sic sachlich durchaus gerecht fertigt erschien." Revisionistischer könnte Herr v. Vollmar sich nicht ge bärden, als hier der revolutionäre „Vorwärts" als Lob sänger „unserer Vertreter". Darin, daß er dem Zentrum eine „gewisse Pfcnnigfuchserei" vorwirft, ist er zweifellos im Rechte. Seine eigenen revisionistischen Allüren aber sind ebenso wie die jener Herren Vertreter nichts als grobe Spiegelfechterei zur Täuschung revisionistisch an gehauchter Mitläufer. Tenn seit wann gedenken denn die Herren „Genossen" den Gcsamtetatzu bewilligen? Und wann ist cS dem vorwärts" eingefallen, für eine Feuilleton. Wemeyer L Lohn. 11) Roman von M. Prigge-Brook. vtlichorutt verboten. Zweiter Teil. Rudolf Wemeyer war abgereist. Er trieb sich nacheinander in den größten Städten Deutschlands umher und fand nirgends Ruhe. Dachte er an seinen Vater, so verzehrte ihn ein Gefühl, das dem glühenden Neides auf ein Haar glich. Wohl hundertmal stellte er ihn sich als glücklichen, beglückenden Geinahl der schönen Erna vor, und ein Ekel überkam ihn am Leben und an allem, der nicht zu überwinden war. Es half denn für gewöhnlich, daß er den Ort wechselte und weitcrzog, aber immer ließ sich das auch nicht tun und er war ziemlich am Ende. Nachdem er überall vorgesprochen hatte und sich um eine Stellung in seiner Branche be müht, mußte er sich sagen, daß ihm auch dabei Name und Stand nur hinderlich sei, denn wo man in ihm den Erben der großen Firma Wemeyer L Sohn erkannte, stellte sich gleich ein leises Befremden ein, verbunden mit freund- lichem Ueberetfer, ihm zu dienen. Und das wollte Rudolf nicht. Seinem Vater verdankte er nichts, wenigstens nichts mehr, das war vorbei. So war er bis Hamburg gekommen und trieb sich auch dort zwecklos irncher. Die Stadt als solche bot ihm nichts Neues mehr, schon öfter hatte er in ihr zu tun gehabt. Am meisten interessierte ihn noch das lebhafte Treiben im Hafen, wohin er täglich seinen Schritt lenkte. Durch Zufall hörte er von einem seiner früheren Agenten, den er draußen traf, daß das neueste Schiss der Hamburg- Amerikanischen Pakctfahrt, der Dampfer „Kaiser", sich rüste zu seiner ersten Fahrt. Es sollte, erzählte ihm der Mann, >aS schönste, bestäusgerüstetc Schiff sein, welches zwischen hier und New Bork fahre. Das reizte den jungen Mann, >em wieder unendlich weh zu Mute war. Er ging mit sich zu Rat. Daheim hielt Ihn nichts. Er würde unbedingt zu Grunde gehen an seinen Gedanken. Und wenn er je durch Zufall seinem Vater in den Weg kam, stand er ftir nichts, das fühlte er. Er mußte den Urheber seiner Tage hassen mit bitteren: Haß, und dem wollte er entfliehen. Daher entschloß er sich kurz, nahm ein Billett und ging zur festgesetzten Zeit an Bord, nachdem er noch zuvor die Mutter von seinem Vorsätze in Kennt nis gesetzt. Er werde bald zurückkehren, schrieb er. An Bord des „Kaiser" bewegte sich eine bunt zu sammengewürfelte Menge. Verschiedene reiche Kauf herren von drüben mit ihren Familien, die sich den Kon tinent besahen, reisten in ihre Heimat zurück. Eine ssünstlergesclüchaft begann ihr Tournee, dazwischen mehrere junge Leute in Rudolfs Alter, die wohl der Wunsch, sich jenseits des großen Wassers «ine Heimat zu gründen, hinüberzog, ein paarBeamte, eine junge Dome, die ihren Platz als Lehrerin gefunden, die Frau eines in Havre ansäffigen Deutschen, die mit ihrem achtjährigen Söhnchen dem Vorangcgangenen folgte, das waren die Gesellschafter des jungen Wemeyer aus seiner Reise. Er hielt sich die ersten Tage ängstlich für sich Da der größte Teil der Gäste dem Meeresgotte seinen Tribut darbrachte, fiel sein scheues, gedrücktes Wesen weiter nicht aus, bis «twa vier Tage nach Beginn der Fahrt die Ge sellschaft vollzählig beilammcn war. Ein Gefühl grenzen losen Unbehagens befiel den jungen Mann, als er zum ersten Male beim Diner sich dieser Anzahl fremder Men- fchen gegenüber sah. Am liebsten hätte er sich auf dem Fuße umgedreht und den Speisesaal verlassen, wenn nicht der Kapitän, der ihn in sein« besondere Protektion ge nommen zu haben schien, das vereitelt hätte. Er rief dem Unentschlossenen freundlich zu: „Kommen Sic her zu mir, an meine grüne Seite, Mister Wemener, ick habe Ihnen den besten Platz reserviert, schon weil Sie der einzige Tapfere waren." Den neben ihm Sitzenden erzählte er darauf mit lachendem Gesichte, daß Rudolf Wemeyer der einzige von leinen Passagieren sei, der sich die allerdings stürmische Ausfahrt nicht zu Herzen genommen, sondern Tag und Nackt an Bord oben verbracht habe. Die allgemeine Ausmcrksamkcit richtete sich auf Rudolf, der mit Verdruß empfand, daß er errötete. Er schritt rasch auf den angebotcnen Platz zu, verbeugte sich nach beiden Seiten und nahm seinen Stuhl. Ein hochgcwachscner Herr neben ihm stand auf: „Mister Booth", sagte er vorstellend, „mit Fran und Tochter." Die aroße Hand, an der ein köstlicher Sotitär blitzte, bewegte sich im Kreise. Wemeyer sah ans. Zwei dnntlc Mädckenangcn hefteten sich «rstaunt und neugierig auf ihn, und trotz seiner Verstimmung mußte er sich sagen, daß sie zu einem eigenartigen hübschen Köpfchen gehörten. Es solche Bewilligung einzutretcn, ohne die doch jede Teil bewilligung hinfällig wird? Hoffentlich versäumen cs die Herren vom Zentrum nicht, bei der zweiten Plenar beratung des Etats den Herren „Genossen" zu Eic- müte zu führen, welches Gaukelspiel der Einspruch ihrer Vertreter in der Kommission gegen die „absonderliche Politik" der ZentrnmSmitglieder und für die „sachlich durchaus gerechtfertigte" Forderung der Negierung be deutet. lind hoffentlich fällt dabei auch ein kräftiges Wort darüber, daß es im Grunde eine grobe Be leidigung der revisionistisch gerichteten Wähler ist, wenn man ihnen angesichts der traditio nellen Stellungnahme der sozialdemokratischen Neichs- tagösraktion gegen den Gesamtetat vorreden will, diese Fraktion bewillige sachlich durchaus gerechtfertigte For derungen der verbündeten Negierungen. Die tschechische« Geistlichen in Südböhmcn betreiben eine so beispiellose nationale Agitation in den ihrer Seelsorge anvcrtrauten deutschen Gemeinden, daß sie sich dieselben vollkommen entfremdet haben. Sie führen wahre hussitische Orgien gegen die Deut schen auf. stehen bei allen antideutschen Veranstaltungen an der Spitze und genieren sich nicht, ihre Kampsartikel in tschechischen Blättern mit Namen zu unterzeichnen. Das Haupthetzblatt wird gleich in der bischöflichen Buch druckerei zu Budweis gedruckt. Nunmehr wird ein Aus schuß deutscher Katholiken das betreffende Material sam meln und vom Bischof Abstellung dieser Zustände ver langen. Sollte eine abschlägige Antwort erfolgen, so wird ein Aufruf an die deutschen Katholiken erlassen wer den, der zu einem Masscnaustritt aus der in Südböhmen vollständig tschechisicrten katholischen Kirche auffordern wird. — In welcher Weiie die Deut chen hier im Süd- wcstivinkcl Böhmens kirchlich drangsaliert und verge waltigt werden, dafür nach der „Deutschen Korrespon denz" nur ein Beispiel. InNetolitz besteht eine reich do tierte Stiftung, von deren Zinsen ein eigener deutscher Kaplan besoldet werden soll. Die Stiftung besteht noch heute, aber die Anstellung eines deutschen KaplanS ist schon lange unterblieben. Immerhin wurde noch vor 15 bis 20 Jahren an Sonn- und Festtagen ein Hochamt mit dcntichcn Gebeten gehalten, wobei auch deutsch ge sungen wurde. Dieses Hochamt ist verschwunden. Zuerst trat eine stille Messe an seine Stelle, wobei noch das Evan gelium in deut chcr Sprache verlesen wurde. Auch diese Messe ist heute in eine tschechische verwandelt und die Ver lesung deS deutsche» Evangeliums aus die 8 Uhr-Frühmesse verlegt. Damit aber dies deutsche Evangelium ja nicht in der tschechischen Kirche vernommen werden kann, liest es der Priester im Flüstertöne, die tschechischen „Andächtigen" aber räuspern sich dazwischen, husten und trampeln Und in dieser Kirche finden drei deutsche Gemeinden ihre kirch liche Versorgung! Ist es da ein Wunder, wenn die Leute der katholischen Kirche den Rücken wenden? Rußland und Japan. Die „Petersb. Wjed." und die „Nvwoje Wremja" geben dem in weiten Kreisen der russischen Gesellschaft herrschenden Unwillen darüber schärfsten Ausdruck, daß die beiden auf den Werften von Ansaldo in Genua er bauten argentinischen Kriegsschiffe, die, seitdem sie in den Besitz der japanischen Regierung über gegangen sind und die Namen „Kadasuga" und „Nisshin" führen, mit englischer Besatzung unter dem Kommando der englischen Marine-Offi lohnte sich in jedem Fall, Margaret Booth anzusehen. Sie mochte das siebzehnte Jahr kaum vollendet haben, denn die Gestalt zeigte bei einer respektablen Größe eine ge wisse kindlich« Unreife. Dagegen trugen ihre Züge den Stempel vollendeter Mädchenhaftigkeit mit Anmut ge paart. Rötlich blondes Haar bauschte sich über der weißen Stirn und fiel in eigensinnigen Löckchen biS über dieOhren hernieder. Man konnte sehen, daß die Brcnnschere sich niemals dieser Haarpracht genaht In natürlichen Wellen fiel die goldene Flut nach rückwärts, wo sic in einem vollen Knoten endigte. Das Schönste an dem übrigens regel mäßigen Gesichte war der Teint, der pfirsichblütcnfarbene, der an Zartheit ''eines Gleichen suchte. Miß Margaret war alles in allem ein anziehendes, bildschönes Geschöpf. Den Blick von ihr nur ungern wegwendend, traf Ru dolf auf das Gesicht der älteren Dame neben ihr, die Mister Booth als seine Frau vorgestellt. Es wurde ihm warm ums Herz, Missis Mary Booth, der Urtnpus einer deutschen Frau, glich auffällig seinem Mütterchen, wenn die Aehnlichkcit auch mehr eine innerliche war. Genau so gütig und mild, wie die ihrigen, blickten Fran Elisa beths Augen, dasselbe freundliche Lächeln unvpiette ihren Mnnd, und obgleich die Fremde wohl zehn Jahre weniger zählen mochte, als eine Mutter, erinnerte sic den Sohn doch so sehr an sie, daß er seine Zurückhaltung vergaß und sich von der liebenswürdigen Frau in ein Gespräch ziehen ließ. Es dauerte nicht lange und auch der Gemahl nahm teil. DaS Diner war vorüber, bevor Rudolf daran ge dacht, und zmn ersten Male seit er an Bord des Schiffes war, zog ein Gefühl des Friedens in sein Herz. Er nahm, auf Deck zurückgekehrt, seine einsame Wanderung wieder auf, diesmal mit lichten Gedanken. Ob er nicht doch fern von der Heimat vergessen lernen würde? Der Abend war lan und lind, die Gäste sammelten sich auf Teck; sic bildeten nach Lust und Laune Gruppen, die miteinander plauderten oder auf und nieder wandelten» oder auf schnell herbcigebrachten Lehnstühlen von d«r Last des Abendessens ruhten. Dem jungen Deutschen wurde der Trubel zu groß, er flüchtete bis an das Steuer, stand dort indessen erschrocken still. Denn das einsame Plätzchen in unmittelbarer Nähe des Steuermannes war heute besetzt, eine Dame lehnte über Bord und sah in das schweigende Wasser. Beim Naben von Rudolfs Schritten hob sie den Kops. „Mister Wemener", sagte sie erstaunt, „Sie hier?" „Dasfelb« möchte ich Sie fragen. Miß Booth", gab er ziere Lea und Painter (Boyle?) nach ihrem Bestrm- mungsort abgefahren sind. Der Umstand, daß Eng land mit seiner Flagge die Ueberfahrt der japanischen Panzerschiffe deckt, wird mit den heftigsten Ausfällen gegen England gekenn zeichnet. Zugleich gibt die „Petersb. Wjed." unter An führung eines ähnlichen Vorfalls aus der Zeit Niko laus' I. zu verstehen, Rußland solle für diese dem Völker recht hohnsprechende Handlungsweise Genugtuung for dern. Das Blatt sagt: „In internationalen Beziehungen gibt es Dinge und Hand lungen, die den Unwillen Hervorrufen müssen, und hierzu gehört u. a. die Beteiligung eines neutralen Staates am Kriege. Empörend ist das Streben der betreffenden Macht, anderen Schaden zuzufügen, dabei aber selbst unberührt zu bleiben und sich mit dem geheiligten Recht der Neutralität zu decken. Diesen Weg hat England Rußland gegenüber in dessen Konflikt mit Japan betreten, und zwar, wie es scheint, nicht erst von dem jetzigen Augenblick an. Offenkundig versorgt cs japanische Kriegsschiffe mit englischer Mannschaft, die englische Flagge sichert den japanischen Schiffen selbst für den Fall, daß die Kriegserklärung vor dem Eintreffen an ihrem Bestimmungsorte erfolgen sollte, freie Fahrt. Ich will Frieden und begünstige eine friedliche Entscheidung des Konflikts, sagt England und stellt zu gleicher Zeit ein«m Gegner Kriegsmaterialien, Schiffe, Soldaten. Ist das Neutralität? (Nein, aber englisch! Red. d. „Lpz. Tgbl.".) Diese englischen Flaggen, Soldaten und Offiziere auf japanischen Kreuzern haben ungeheuere Bedeutung für die Frage einer friedlichen Entscheidung des Konflikts. Sie geben Japan die Hoffnung auf eine aktive Hülfe von England, ja, sogar die Ueberzeugung von dieser Hülfe, und hiervon hängt vielleicht die ganze Entscheidung ab. Im entscheidend sten Moment gibt England den japanischen Chauvinisten einen Stützpunkt. Was kann, im Grunde genommen, die friedlich gesinnte vernünftige japanische Regierung hierauf erwidern? Nichts! Es ist alles so fein und geschickt ausgeflügelt, daß sie sich unterwerfen muß. Sie muß dorthin gehen, wohin sie ge- waltsam geschoben wird, und sie geht." Englands Vorgehen steht im krassen Widerspruch mit allen von offiziellen englischen Stellen verlautenden Ver sicherungen, England arbeite unter Aufrechterhaltung der strengsten Neutralität sowohl bei Rußland, wie bet Japan auf eine friedliche Lösung des Konfliktes hin. Ueber die Verhandlungen zwischen Tokio und Petersburg wird uns heute berichtet: * Washington, 14. Januar. (Reuters Bureau.) Der japanische Gesandte teilte dem Staatssekret är Hah mit, Japans Antwort stelle eine Ablehnung alles wichtigen russischen Vorschläge dar, während Japans Gegenvorschläge einen solchen Charakter trügen, der sie nahezu sicher unannehmbar mache. Daher hege man in Tokio großen Pessimismus bezüg lich der Lage. Das steht in Widerspruch mit allem, was bis fetzt über die japanische Antwort bekannt geworden ist. Schon die letzte russische Note zeigte ein unverkennbares Einlenken, und so ist zu hoffen, daß Rußland auch noch weiter ent- gegcnkommen wird. * New Aork, 14. Januar. Ein Telegramm aus Peters burg besagt, derKaiser habe bei dem Empfange im Winter palais anläßlich des Neujahrsfestes erklärt» er wünsche und freundlich zurück. „Mir ist der Platz am Steuer seit dem ersten Abend lieb, man kann so einsam sein hier, trog aller Menschen." „So haben Sie ältere Rechte und ich räume den Platz", gab sie zurück und hob den Fuß, um zu gehen. Das mochte Rudolf denn doch nicht verantworten. „Bleiben Sie, Miß Booth, bleiben Sie", bat er dringend. „Wenn Sie, wie cs mir scheinen will, die Einsamkeit suchen, so wäre «s Unrecht, Sie von hier zu vertreiben. Raum ist für zwei da, doch Sie sind sicher lieber bet den Fröhlichen." Er wies mit der Hand nach der Geg«nd wnter dem Sonnensegel hin, von wo frohes Lachen zu ihnen drang. Das Mädchen zuckte die Achseln. „Gefiel cs mir dort besser, wozu wäre ich hier?" ant wortete sie leise. „Ich Lin am liebsten allein, vielleicht, weil wir so einsam wohnen und ich mich iunner noch nicht an das beständige Zusammensein mit anderen ge- wöhnen kann." „Sic wohnen einsam?" Rudolf tat diese Krage fast gedankenlos. Sein Auge suchte den fernen Horizont und seine Gedanken das Sand, in dem sie weilen mochte, sie, die ihm verloren war auf ewig. Die Antwort auf seine Frage kam ihm daher über raschend, er mußte sich zusammennehmen, um nickt un höflich zu sein. „In Kalifornien", hatte Margaret Booth gesagt an fuhr, da er sich zu ihr wandte und ihr in di« Augen sah, als wolle er seine Teilnahmlosigkeit wieder gutmachen, fort: „Weit von der Stadt, fast fünfzig Meilen und ein« Bahn geht nicht bis zu uns heraus, nur die Diligence, und Lie nimmt sich Zeit." ,,«o sehen sie selten Freunde ber sich? „Doch nicht so selten", erwiderte sie eifrig. „Wir haben doch Nachbarn, bie in ber gleichen Lage wiE wir. Mit ihnen besuchen wir uns zuweilen Sonntags, freilich nur in der guten Jahreszeit." Wird Ihnen denn das Leben in der Einförmigkeit nickt öde scheinen nach Ihrer Tour? Ich hörte, Die haben ganz Deutschland unterdessen gesehen." „Das habe ick Es ist der Mutter Heimatland, und sic hat Jahre warten müssen, bis sie eS wicdcrsah. Und mir erzählte sic die ganzen Jahre hindurch von der märchenhaften Schönheit ihres Landes. Und nun bin ich enttäuscht."
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