Delete Search...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.03.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-03-15
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920315026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892031502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892031502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-03
- Tag1892-03-15
- Monat1892-03
- Jahr1892
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
tu der Hauptexpeditlou oder de» im Stadt bezirk uad d«» Vororten errichteten No«, oabellellea ad geholt: vierteIiiwrlIch.H4.ak be, »weiiualiger Wqlicher Iutiellung in« Haus .« 5.50. Durch die Post bezogen für Deuychlaud und Leslerreich: Vieri,l>adrtich 6.—. Direrle täglich« Kreuzbandieaduug int Nutlaad: mouatlich ^» 9.—. DieMorgen-Nutgai», eelcheinl täglich'/,7 Uhr, di« Äbend-Äutgob« Wochentag» b Uhr. LeLactiou und LrpeLitio«: A»h»«»k«,afie 8. Filiale«: VN» »le««'» Tsrttm. («lsretz Hahn). Uatversitätsslraß« 1. «out» «»sch«. Katharlnenstr. 14, part. uad KSutglplatz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. JnsertionspreiS Die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg^ Neclamen unter demRedactiontstrich (4g«« walte») 5>>.^. vor den Fnnitllennichttchi»» (dgeivalten) 40-ch. Gröber« Schrillen laut uujere» Preit» verzeichnih. TabeUarilcher und fiifirrusatz nach höherem Larts. Extra-yellagen (gefilzt), nar mit b«r Moraen-AnSaad«. ohne Poslbef-rderung -st SO.—, mit Postbeförderung ^» 70.-. Iinnahmelchluß für Inserate: Nb«nd-Nu-qade: Vormittags 10 Uhr. viorg»n»Au»gab«: Nachmittag» »Uhr. Sonn- und Festtag« früh 9 Uhr. Bei den Filialen und Nunadmestellea je eia» halb« Sluud« früher. Iusentt« find fiel« ,a di« Gxtz»tzttt»» »u richten. Druck und Verlag von E. Pol» ta L«t»ttg IZ7. Dienstag den 15. März 1892. 86. JühMNg Leipzig, 15. März. * Aus Berlin wird gemeldet: Die Welscnsondsvor- lage wird voraussichtlich noch am heutigen Tage dem Ab geordnetenhaus« zugehen. — DerStaatSsccreiair v. B »etlicher ist an einem Halsleiden erkrankt. — Der Kriegsminister von Kaltenborn-Stachau ist vom Urlaub zuriickg-kchrt. — Einer Meldung der .Kreuz Zeitung" zufolge unterhandelt die Negierung mit amerikanischen Großlieseranten wegen um fangreicher Lieferungen amerikanischen Getreides. — Die BolkSschul-Eommission berieth in ihrer gestrigen Abcndsitzung über die Paragraphen 65—67, detr. die Stadt- schulbehördcn. Ein Beschluß wurde nicht gefaßt. Der EultnS- minister erklärte, die Schuldeputation sei als behördliches Organ anzusehen. * Der Brief des Herzogs von Cnmberland an Kaiser Wilhelm wird in einer halbamtliche» Auslassung, welche die .Norddeutsche Allgemeine Zeitung" bringt, wie folgt erläutert: Es war der Wunsch de- Herzog-, diese Verhältnisse geregelt zu sehen, und der Kaiser ist nach Maßgabe seiner landrSsürftliche» Pflichten diesem Wunsche bereitwilligst entaegengekommcn. Zunächst handelte e« sich dann allerdings um die Frage, ob in der Thal nicht noch jene Beweggründe in Betracht zu ziehen seien, welche von Hause auS für das Einbehalten und die Verwendung der Revenuen au» dem WelsensondS maßgebend waren. In dieser Hinsicht aber war, soweit man da« zu übersehen im Stande war, in Bülde festgestellt, daß der Herzog Agitationen weder begünstigt, noch angeslistet hatte. Was ,n dieser Be- ziehnng geschehen, gehSrte einer früheren Zeit an. AnS der neueren Epoche wären eher Ralhschlägr zur Mäßigung zu ver zeichnen gewesen, wo übereifrige Liebe für Vergangene- Len In- terejsen der Provinz Hannover selbst nachthellig werden konnte. Auch gtedt der Lharakter der Herzogs von Lumberlaiid Bürgschaft dafür, daß, wenn er an gewisse» Anschauungen züh festhält, er jeder agitatorische» Thäligkelt persönlich abhold und eine gegebene Zusage loyal halten wird. Indem jedoch die königliche Staats, regierung, den durch die Friedensliebe und Versöhnlichkeit des Kaisers an sie geleiteten Impulsen folgend, ihre Beschlüsse in der gedachten Richtung saßt«, Hai sie nicht darauf gerechnet, alle Welsen mit einem Schlage zur neuen Ordnung zu bekehren, aber sie betrachtet die beschlossen« Maßnahme als «in Moment der Be- ruhignng für di« Provinz Hannover Aus die Stimmung im hannoverschen Lande und darüber hinan- wird bei der Bcurlheilung de- Borgangs sicherlich auch die Genugihuung schwer tnS Gewicht fallen, welche mit diesem Act für die erlauchte, ohne Unterschied von Allen hochverehrte ehemalige Königin Marie von Hannover verbunden sei» muß. Tie edle Fürstin, di« eia tragische» Geschick mit großer Würde getragen hat, wird gewiß an ihrem Ltben-abend von diesem Werke des Frieden- freudig berührt sein. . . . Für die augenblickliche Sachlage sind außer den oben angeführten keine weitere» Gesicht-puncte entscheidend ge wesen, und e- ist durchaus vermieden worden, weitere politische lScsichl-punctr in die Sache hineinzuziehen. Um die Angelegenheit überhaupt zu erledigen, wird natürlich der Weg der G^rtzgrbung zu betreten sein, auf welchem auch di« Landesvertretung ihr Votum zur Sache zu geben haben wird. ES find allerdings noch Ab machungen Uber manche Einzelheiten zu treffen, und finden i» dieser Richtung weitere Verhandlungen statt, doch beziehen sich dieselben inir ans nebensächliche Detail-. In welfischen Kreisen findet die Stimmung Aus druck, das das Abkommen über den Welsenfond an ihrer Haltung schlechterdings nicht- ändern werde. Immerhin wird der zu erwartende Gesetzentwurf einer Mehrheit im preußischen Abgeordnetrnhause sicher sein. * Da- Wiener officiöse „Frcmdenblatt" meldet zur Auf hebung der Beschlagnahme des WelsensondS: An fangs Januar 1892 erschien der LandeSdirector der Provinz Hannover, Freiherr v. Hammerslein - Loxten, in Gmunden, um im Austrage teS Reichskanzler« mit dem Herzog von Eumbcrland über die vermögcnsrcchlliche Frage unter AnS chluß aller politischen Frage» zu verhandeln. Mille Februar wurden dann in Berlin die bezügliche» Berhanklnnzen sort- gesetzk. Zwischen dem Finanzmiiuster Miguel und den bcvvll- mäcktigtcn Vertretern EumberlandS, dem Gehcimrath von der Wense und dem Geheimen RegierungSralb Bruel. Tic Verhandlungen führte» endlich dazu, daß der Herzog den be kannten Brief an den Kaiser richtete. In den Kresten, welche dem Herzoge »ahcstehen, wird betont, daß der Herzog keinerlei politische Abdication ausgesprochen habe, und wird hervor» gehoben, daß die preußische StaatSregierung auch bei de» letzten Verhandlungen nicht nichr den Slandpunel einge nommen habe, als wolle sie dem Herzog die AnSfolgung deS Vermögens nur »nter der Voraussetzung auch nur eines lhat- sächlichen Verzichtes aus seine Thronrcchtc bewilligen. Es handle sich nicht um eine Abfindung oder eine Entschädigung der königlichen Familie für irgend welche politische Ansprüche, sondern um die Freigebung de» WelsensondS. Dieser reprä- scntire lediglich die in Geld ausgedrückte Entschädigung für daS von Preußen mit der Annexion Hannovers in Besitz ge nommene Privalvermögen der königlichen Familie. Die Lösung der Frage entspringe auS der hochherzigen lieber- zeugnng des dentschen Kaiser«, daß der Herzog irgendwelche feindselige Unternehmungen gegen das Deutsche Reick oder gegen Preuße» nicht plane oder fördern wolle. I» Berlin wollte man auch einem kculsche» Fürsten nicht zumulhen, um des Geldes willen seinen Standpunct preiSzugebe». * ES ist zur Genüge betont worden, daß der Fürst Bismarck nicht daran denke, nach Berlin zu komme». Wir können dicö, zunächst aus Grund der schon erwähnten Gesund heitsrücksichten, vollkommen bestätigen. Aber cö gicbt noch eiirci, andern Grund, welcher den Fürsten vom Eintreten in neuen politischen Kamps ser» hall. Dieser Grnnd ist bisher nicht genügend hcrvorgehvben worden und fällt koch schwer in die Waagschale. Der Fürst niöchte »m keinen Preis seine ehemaligen Freunde in Berlin nölhigcn, zwischen ihm und der augenblicklichen Regierung zu wählen. Daß Fürst Bis marck sich trotzdem seinen ReichSlagSsitz offen hält, bat den Grund, daß vielleicht über kurz oder laug Ereignisse ein- treten könnten, welche e- trotz aller Bedenken wünschens wert!) erscheine» lassen, da« Wort dcö ebemaligcn Reich» kanzlerS und langjährigen erfahrenen Führers der Ration an öffentlicher Stelle zu vernebmc», obwohl der Fürst selbst diesen Moment nickt herbeiwünscht. Daß der Fürst andancrnd sehr eifrig die Politik vcrsolat, geht schon auS der Thatsachc hervor, daß er täglich — übrigens ohne Ermüdung — an 20 Zeitungen liest. Er spricht denn auch mit Vorliebe und sehr lebhaft über Politik: falsch würde cS jedoch sein, die gelegentlichen gegen Maßnahmen der Negierung gerichteten AnSfprüche Bismarck'S, wie dicS wohl geschehen ist, als gegen de» Kaiser gerichtet zu betrachten. Der Fürst spricht, wie die- bei seinem so oft bewiesenen starken LvyalitälSbcwußtsein ja durckan- natürlich erscheint, stets mit hoher Ehrerbietung vom Kaiser oder „vom König", wie er zu sagen pflegt. Wenn er die Regierung angrcift so ist es nur um der Sache willen, der er glaubt enigegcntreten zu müssen. * Bei der Ersatzwahl zum preußischen Abgeord nete »Hause im 3. Wahlbezirk deS NeaiernnaSbkzirks Posen (Samter-Birnbaum-Schwerin a. d. W.) an Stelle drö ver- torbenen Abgeordnete» Kiepert wurde der Rittergutsbesitzer von Brandiö-NeuhauS (couservativ) mit 175 von 3l7 ab gegebenen Stimmcu gewählt. Von den anderen Eandidatc» erhielt AmlSrichtcr Müller-Schwerin (Ecutrum) l30 Stimmen und LandgerichtS-Präsident Wettkc-Meseritz (sreiconservativ) 12 Stimmen. * Der ReichStagSabgcordnelc O cch e lhä user veröffentlicht oeben „Erinnerungen aus den Jahren 1848 bis > 850" (Verlag von IulinS Springer). Der Verfasser war in jener Zeit Beamter der provisorischen Eentralgewalt in Frankfurt am Main unter dem Neichsverwcser Erzherzog Johann. DaS Vorwort lautet: Auf Veranlassung nahestehender politischer Freunde veröffentliche ich in de» nachfolgenden Vlältern einen, die Jahre 1818—1850 um- sassendcn Theil der „Erinnerungen au- meinem Leben", welche ich, nur für de» engeren Familienkreis besllmmt, Im abgelansene» Jahre niederschrieb. Möge in den Herzen der jüngere» Generativ» das reudige n»d dankliare Gefühl Widerhall finden, welches mich belebt, wenn ich von der Höhe des heute io groß und siolz dastehenden Deutschland- an jene Epoche der schweren Geburtswehen des deutschen Einheitsgedaukens zuriickdenke. Tief beuge ich mich dabei im Geiste vor dem Schatte» des Heldenkaiserö Wilhelm, der uns auch Rächt zum Licht führte. * Wenn die prenßischc Finanzverwaltung der parla mentarischen Anregung aus Vermehrung der Zahl der Lottcrieloose durch den nächstjährigen StaatShauSbaltSetat nicht entschieden zugestiinmt hat, so ist die Ursache dafür nach den „Berl. Polit. Nachr." nicht in der Auffassung zu suchen, als ob eine Vermehrung der Lottericloose nicht zweckmäßig und durchführbar sei. Im Gegenlbeil. Man ist vielmebr der festen Ucberzeugung, baß bei Beschränkung brr Zahl der preußischen Lottcrieloose ans den jetzigen Stand das Spiel i» außcrprenßische» Lotterien in fortschreitend stärkerem Maße zunchmc und damit Preußen de» StaatScafseu der Nachbar staaten contributär werden wird. Man berechnet schon jetzt, daß cin Nachbarstaat aus in Preuße» abgrsctztcn Loosen mehr als eine Million Mark Einnahme bezieht, welche Preußen znsallen würde, wenn die Zahl der preußischen Lottcrieloose der Nachfrage genügte. ES waren daher für die Zurück haltung der Regierung gegenüber jener Anregung nickt so wohl sachliche als vielmehr taktische Erwägungen in Bezug auf die Zweckmäßigkeit und die Aussichten einer parlamen tarischen Initiative in der Sache entscheidend. Dagegen darf daraus gerechnet werden, daß i» dem EtatSentwurs für l893/9-I cine der Nachfrage entsprechende Vermehrung der Lottcrieloose vorgeschlagen werden wird. * Die Reichstags bau-Eommissio» wirdamMittwoch, den 16. März, Vormittag« im ReichStagsgebäudc eine Sitzung abhaltc». * In einer Betrachtung über die Ursachen der fort währenden Beschlußunsähigkeit im Reichstag schreibt die „Freisinnige Zeitung": „Vor Allem herrscht im Reichstage ans keiner Seite Freudigkeit an selbstthätigem, positivem Schaffen. DaS war durchaus anders, als von 1867 bis 1876 Negierung und Reichstag zusammcnwirkten und die parlamentarischen Verhandlungen eine erhebliche Be deutung besaßen für die Fortbildung der Rechtsverhältnisse in Deutschland in reformatorischcm und liberalem Sinn." DaS war die Zeit, wo die Nalionallibrralcn und Conservalivcn, dir spätere» „Eartclparleien", den entscheiden den Einfluß im Reichstag batten und alle grundlegenden Gesetze durch ihr Zusammenwirken gegen den Wider spruch und häufig unter den bittersten Schmähungen seiten- der Fortschrittspartei zu Stande brachten. Jetzt hinterher erkennt auch da« Blatt deS Herrn Richter an, daß cS eine reformatorische und liberale Zeit war. * Unter dem Titel: „Harmlose Plaudereien eine« alten Münchners Unfehlbarkeit. Jesuiten. Urne oder Pappschachtel? Biömarck und daS allgemeine Wahlrecht." ist bei E H Beck in München auS der Feder des Freiherrn Otto v. Völdcriidorsf cin Buch erschiene», daS wir zu den nnlerballendstcn und anregendsten Erscheinungen de» letzt« verflossenen Jahres rechnen. Zu den werthvollsten Plaudereien zählen wir die vom 9. April 1890, welche unter dem Ein druck der letzten Reichs tag «wähl geschrieben ist, wo in München der socialdemokralischc Wirth des Bicrhausr« „Znm letzte» Pfennig", Birk, gewählt wurde. Bölderndorff beschreibt launig, wie er „die Mitglieder deS armen gedrückten vierten Stankes schon »m halb lO Bormittags vor leer getrunkenen Maßkrügen sitzen und mit der Vertilgung von allerlei elenden Nahrungsmittel», als da Bratwürsten, Weißwürsten, Ge eichtem, beschäftigt sah." Der Freiherr hält sich darüber auf, :aß ma» überall von der Wahlurne spricht: er hat eine olche nirgends in einer der zahlreichen Wahlstuben ar- eben, wohl aber überall höchst prosaische Pappschachteln, und er schlägt vor, daß der Sprachgebrauch sich den Tbalsachei» anbequeme und man sage: „Wer sein Vaterland liebt, eile morgen zur Pappschachtel!" Wie zukunft»- inusikalisch würde eS lauten, wenn die SirgeSfanfare er klänge: „Unser edler Mitbürger, der Wirth „vom letzten Pfennig", ist mit erdrückender Mehrheit au- der Papp- chacktel hervorgegange»!" Die RcichStagSwahl mit ihrem raurige» Eraebniß ruft dem Freiherrn ein Gespräch mit BiSmarck über das Wahlrecht ins Gedächtniß, welche- im Jahre 1868 slattsand und so überaus charakteristisch für dm großen Reichskanzler ist, daß wir eS im Wesentlichen im Wort laut als letzte Probe der „harmlosen Plaudereien" folgen lassen (S. 297—98). „Der Kanzler erörterte zuvörderst, daß das System, eine RcichSvcrtretung durch Delegationen der Landtage zu bilden, weder in Deutschland möglich, noch Deutschlands würdig gewesen wäre. Er meinte, auf die Delegationen wären Schiller- Berse paffend ge wesen: „Zum Teufet ist der Spiritus; da» Phlegma ist geblieben." Er fuhr dann fort (die Worte sind mir »»vergeßlich): „Aengstlicbrn Gcmüthern hätte c- nun Wohl »»gesagt, die Wahl durch allerlei Eantelen, al- da sind CensuS, Classenwahl, Abstufung durch Wahlmänner und an dere«, ciuzuengcn; aber ich bin nie ein ängstliches Gemüth gewesen. Einem anderen Volt als dem deutschen hätte aller dings auch ich vielleicht ein so gesabrliche» Recht einznräumen nickt gewagt. Die Deutsche» aber sind nach meiner Urber- zcugung (wenigstens im Norden) zu neun Zehntbeilen köaig»- trcu gesinnt; die große Masse der Bevölkerung hält im Grund ihre« Herzen« zu ihrer Regierung, wenn sie auch mit dem Munde raisonnirt. Die Leute wissen, baß sie ehrlich uad ge» wisscnhast regiert werden, und im entscheidenden Augenblick kan» man sich aus sic verlassen." Diese Anschauung drr wirklichen Mehrheit (fuhr der Kanzler fort) habe be« der bisherigen complicirle» Wahlmaschinerie nicht zur Geltung lomnic» können, vielmehr sei durch dieselbe dir Entscheidung in die Hände von Führern gelegt, welche berufsmäßig der Negierung, und zwar meist um persönliche Zwecke zu verfolgen, Opposition machten. Gerade in denjenigen Kreise», auS denen die Wablmänner hervorgehrn und welche bisher allein zu wählen Hallen, herrscht jene» Bessrrwifsen- Feuilleton. Schloß Lrlenhof. 7s Roman von O. Bach. Nechdivck vnsoten. (Fortsetzung.) VH. In einer hübsch möblirten Chambre garni-Wohnung in der Bebrenstraße befanden sich zwei Damen, in ein lebhafte« Gespräch vertieft. Eine junge Frau von kaum dreiundzwanzig Jahren lehnte in den Polstern des »ich! mehr schönen und neuen, aber be quemen braunen PlüschsophaS. Ein knapp anliegendes, dunkelrotheS Seidenkleid l>ob ihre jugendlichen Formen hervor; ein goldener Kamm, in dem ein Brillant funkelte, hielt d,e Haarwcllen fest, die sich nur ungern dem Zwange unterwarfen und in leichten Ringeln um Stini und Nacken fielen; die großen, mandelförmig ge schnittenen. schwarzen Augen blickten unter der klaren Stirn schelmisch hervor; die zierliche Nase stand in reizender Har monie zu dem üppigen, kleinen Munde, drr beim Lachen und Sprechen zwei Reihen tadelloser weißer Zähne zeigte. Während sie sich dem süßen kar nieote überließ, war dir zweite Dame damit beschäftigt, dir etwa« wirr durcheinander liegenden Effecten der jungen Frau in den verschiedenen Eommoden und Spinden unterzubringen. „Wir dürfen un« über allzu große Pracht nicht beklagen", mcint« die jüngere Dame munter, nachdem ihre Gesellschafterin Ordnung in da« Cbao« gebracht, „allein für ein Interimistikum genügen die drei Zimmer, die wir ja einstweilen allein bewohnen müssen." Dir letzten Worte waren von einem leisen Seufzer be gleitet, der das Ohr der andern Dame traf und sie zu der Frage: „Ihr Herr Geniabl, gnädige Frau, wird nach seiner Ankunft nicht hier wobnen?" veranlagte. Die Dame hatte sich aus ihrer bequemen Stellung er- bobcn; sie zeigte dabei die Grazie und Biegsamkeit ihrer zier lichen Gestalt. Mit einer schnellen Bewegung, wobei sie die krausen, schwarzen Löckchen au» drr Stirn strich, batte sie sich dem Fräulein genähert, und die Hand aus deren Arm legend, flüsterte sie: „Ihnen, Mademoiselle, bin ich Wahrheit schuldig, aber Sir müssen mir versprechen, weder auf mich, noch aus Monsieur böse zu sein." Sie bediente sich bei der Auseinandersetzung nicht ihrer Muttersprache, der italienischen, sondern der französischen, die auch ihrer Gesellschafterin, die seit Jahren in Pari« gelebt hatte, ganz geläufig war. Eine gewisse Verlegenheit malte sich in den interessanten Zügen der Italienerin, al- sie in ihrer lebhaften Weise, die andere Dame neben sich aufs Sopha ziehend, sortfuhr: „Familienverhältniffe zwingen meinen Gemahl, unsere vor drei Monaten geschlossene Ehe noch kurze Zeit geheim zu halten. „Ich sollte in Pari- bleiben, vi« er hier daS Terrain ondirt, allein ich fühle nicht die Kraft, mich jetzt schon von ihm, dem ich ja kaum anaeyört babc, z» trennen, und so bin ich lieber auf seine» Borichlag, hier ein paar Monate incog- nito unter seiner Flagge z» segeln, eingegangen und auch darum schon vor ihm hier eingetrossen, den» Niemand weiß, daß wir zusammen gehören. Ah — Mademoiselle, was thnt man nicht Alle« für den Mann, der unser ganze- Herz ge wonnen, und dem man mit Leib »nd Seele angeboren darf", seufzte sie aus, als sie da« etwa« indignirtc Lächeln gewahrte, welches die Lippen der Zuhörcrin umspielte. „DaS Bewußt sein, daß ich seine rechtmäßige Frau bin, muß mich Uber die peinliche Lage, welche die Verhältnisse bedinge», forlfübren; meine Papiere sind alle in Ordnung, hier", sie zeigte auf cin reich ciselirle« Ebcnholzkästchen, da« sie selbst aus den Schreib tisch gestellt, „gilt aufgehoben; auch mein Paß, der allerdings nicht aus den Namen meine« Gemahls, sondern a»if meinen Familiennamen lautet, den ick, einen, Wunsche meine- Mannes solcwud, noch nach meiner Vermählung mit ihm in Paris gefUrt Ich bin stolz auf diesen Namen", setzte sie ausleuch- tenden Blicke- hinzu, „denn er hat meine verstorbene Mutter zu Ruhm und Ebren geführt, aber auch mir während meiner kurzen Künstlcrlausbabn manches Lorbeerreis gebracht." „Und darf ich Ihre» wirklichen Namen nicht wissen, gnädige Frau?" fragte da» Fräulein bestürzt, da sie Manche« in der Erzählung befremdet und unangenehm berührt hatte „Auf meine DiScretion können Sie bauen; ich habe Schweigen gelernt", setzte sie bitter hinzu, „das Schicksal hat mich über ei» Iabr dazu gezwungen, und für Sie, gnädige Frau, ist eS vielleicht gut, wenn noch Jemand den wahren Sachverhalt kennt. Wolle» Sie mir Vertrauen schenken?" Mit einer reizenden Hast, wobei ein belle« Roth in da« pikant« Antlitz der jungen Frau flog, griff sie nach dem Eben bolzkasten und ihn öffnend, langte sic mehrere Dokumente berau», die sie dem Fräulein mit einem lieblichen Lächeln binreichte, aber kann, hatte die zweite Dame einen Blick in die Papiere geworfen, da bebte sie, wie von einer Viper gestochen, zurück; die Papiere entglitten ibren zitternden Händen Da» nickt schöne, aber angenehme Gesicht batte sich mit einer lcichenhasten Bläffe bedeckt, die braunen Augen nahmen einen starren, entsetzten Ausdruck an; mit den Worten: ,.O Gott — mein alte« Ucbell" — sank sie bewußtlos in ihren Slubl zurück. Nur wenige Minuten dauerte der Starrkrampf, bei dem Frau Duprrti», wie sich di« junge Frau nannte, erschreckt vom Sopba aufgesprungen war, um der Kranken beizusteben. Ihre liebreichen Bemühungen waren von Erfolg gekrönt; nach und nach kehrte die Farbe zurück; die Glieder streckte» ich, leise Alhemzüge hoben die Brust. Mit einem tiefen Seufzer öffnete sie die Augen, die einen Moment angstvoll durch da« Zimmer irrten, dann aber mit einem traurig- ernsten Ausdruck a» dem theilnahmvoll auf sie gerichteten Antlitz ihrer Herrin haste» blieben. Mit Anstrengung richtete sic sich auf, indem sie mühevoll die Worte stammelte: „Verzeihung, ich habe sic erschreckt; seit »eben Jahren der erste Rückfall; es geht bald vorüber." Schweigend, aber liebreich drückte Felicie DupreliS da« sichtbar leidende Mädchen i» die Polster de« Stuhles zurück; dann raffte sie die Papiere zusammen, uni sic von Neuem in daö .Kästchen zu legen. Eine beängstigende Pause war ein- getretcu, die nur durch da» Ticke» der Wanduhr unterbrochen wurde. „Mir ist besser", klang eö endlich leise über die Lippen de- Mädchen«, daS sich von seinem Sluble erhob. „Fürchten Sie Nicht-, liebe, gnädige Fram mcine Krankheit, die ich in folge eine- furchtbaren Ereignisses bekommen, birgt keine An- steaungSgesahr; sic hat ein volle- Jahr gedauert, dann aber wurde ich von den Aerzten als vollständig geheilt betrachtet, und dieser Anfall, der sich mit Gotte« Hilfe nicht wiederholen wird, rührl von einem unglücklichen Zufall her" — „Der mit — jenen Papieren in Zusammenhang steht?" forschte Frau DupretiS. „Der mir einen Namen in» Gedächtniß zurückrirf, welcher mich an mein Unglück erinnerte", entgegnetr da» Mädchen leis«, etwa» abwrdrend. „Ein andere» Mal erzählen Sie mir dciiZusammcnhang, liebe Paula", meinte die Dame herzlich. „Mein Ihnen be wiesene» Vertrauen bedingt auch da- Ibre." Freundlich nickend verließ sie daS Zimmer, während Paula Schirmer, die ehemalige Erzieherin Hertha » von Bornstedt, schaudernd murmelte: „Gott behüte Dich, daß Du je den Zusammenhang ersähest, arme junge Dame: das Gebeimniß, da» ich hüten muß, scheint in engem Zusammenhänge mit dem zu stehen, welche» Dich zwingt, den Dir gebührende» Namen z» verschweigen. Jetzt beiß« e», doppelt vorsichtig sein; sie ist so gut, und e» wäre ihr Untergang, wenn sic wüßte, wa» mich damal», wa» mich jetzt zu Boden ge Worten bat." Al» Frau Dupctris mit einem Dienstmädchen, das Er srischungcn brachte, wieder eintrat, erschien Paula rubiger hastig eilte sie ihrer Dame entgegen und, die Speisen aus dem Tische ordnend, fragte sie, nachdem da» Dienstmädchen da» Zimmer verlassen hatte: „Wann dürfen wir den Besuch de» Herrn erwarten, gnädige Frau?" „Binnen wenigen Tagen", klang e» heiter von den frischen Zippen. „Aber Vorsicht, Liebste; Niemand darf es wissen, wie nahe wir einander stehen; er kommt nur als mein Freund — o, er ist ja auch mein bester Freund", setzte sie tolz hinzu. „Freuen Sic sich nur auch eia wenig, liebe Paula, Sie werden meinen Gatten kennen und lieben lernen." „Schwerlich", murmelte» die bleichen Lippen Paula'«; al le aber ein fragender Blick auS den dunklen Augen ihrer Dame traf, verbeugte sie sich leicht, indem sie mit einem ge zwungenen Lächeln meinte: „Der Herr wird mich nicht ver missen, wenn ich bei seinen Besuchen nicht anwesend bin, und Sie, gnädige Frau, wohl auch nicht. — Wollen wir jetzt unsere Lectio» nehmen? Gut. Bitte, erzählen Sic mir in deutscher Sprache, wie Ihnen heute dir Parade ge fallen hat." Nora war von ihren* * Eltern aus* dem Bahnhof« erwartet worden, und Hcrtba blickte zerstreut von ihrem Fenster au» aus die hoch mit Koffern und Kisten beladene» Wage», die in der achten Abendstunde vor der Villa hielten. Es wurde drr jungen Daine schwer, der Cousine dru Willkommengruß zu bieten; sie fühlte weder für sie, noch für Rudolf v. Sterna» Sympathie. Dem Gebote der Verwandtenpflicht gehorchend, begab sie sich gleichwohl in die von Onkel und Tante bewohnten Ge macher, um die Tochter de« Hauses zu bewillkommnen, wenn ihr auch daS Herz dabei schlug und sie sich eine» bangen Ge fühls nicht zu erwehren vermochte. Nora kam ihr freundlich entgegen; die prachtvollen nacht schwarzen Augen de« vielleicht vicrundzivanzigjährigen Mädchen» blitzten über die zarte, graziöse Gestalt de« blonden Mädchen» hin; rin Zug de« Unmutye- flog über den Mund Nora'», aber er wich schnell einem reizenden Lächeln, al» sie» der Cousine die Hand reichend, citirtr: „Seien wir Freunde, Einna. Du standest in meiner Erinnerung ganz ander» vor meinen Augen. Die Jahre vergehen so schnell, daß man an die Veränderungen nicht denkt, die sie in un» und an un vollbringen." Hertha legte etwas zögernd ihre Finger in dir mit Bril lanten gezierten Hände Nora'S; aber der Anmuth der jungen Dame, die eine vortreffliche Laune mitgebracht, konnte sie nicht widerstehen. Als sie sich nach dem gemeinschaftlich rin genommenen Souper in ihr Schlafzimmer zuruckzog, sah Hertha ein, daß Nora Sterna» ein liebenswürdige» Mäd chen sei, da- gewiß da» Mißtrauen nicht verdiente» da« Hertha im ersten Moment de» Wiedersehen» mit ihr deutlich empfunden. Wie leicht dir Rede von den kirsch- rothen, schwellenden Lippen stoß; wie geistreich und über raschend die Wendungen waren, dir sic dem Gespräche zu geben wußte, o, wie schön da» junge Mädchen war, dessen hellbraun» Haarwellen sich in überreichtr Füll»
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- Thumbnail Preview