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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.11.1852
- Erscheinungsdatum
- 1852-11-25
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-185211256
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18521125
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18521125
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1852
- Monat1852-11
- Tag1852-11-25
- Monat1852-11
- Jahr1852
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.11.1852
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I8S2. Leipziger Tageblatt und Anzeiger. AAO. Donnerstag den 25. November. Ueder die Bekleidung der Linder. Die Bekleidung des heraufwachsenden Geschlechts war schon vor einiger Zeit Gegenstand der Besprechung in diesen Blättern und gab ru einer lebhaften Debatte Veranlassung, die nicht ohne Witz und Bitterkeit ausgefochten wurde. Wenn daher der Gegenstand von mir abermals zur Sprache gebracht wird, so habe ich mich schon im Voraus gegen jeden etwaigen Verdacht zu verwahren, als läge es in meiner Absicht, den alten Streit aufs Neue hervorzurufen, da ich nicht wie meine Vorgängerin den rein ökonomischen Stand punkt, sondern lediglich das Zweckmäßige und Passende im Auge habe. Gewiß ist, daß die Art und Weise, wie Kinder zu kleiden sind, den Eltern mehr ein Gegenstand des Nachdenkens sein sollte als seither üblich; denn bei der großen Menge von Kindern, denen man täglich begegnet, trifft man nur wenige an, deren Anzug nicht ein Kopfschütteln hervorruft ; nur selten trifft man das wahrhaft Zweck mäßige und Entsprechende. Entweder werden die Kinder, nament lich Mädchen und kleinere Knaben mit einem Flittertand von Klei dern umhängt, der zwar modisch sein mag, der deshalb aber weder schön noch Zweckmäßig ist und die Kinder so verunstaltet, daß man eher'glaubt Zöalirrge des Thinotschen Affenhauses vor sich zu haben als angehende Menschen — oder auch, die Kleinen stecken verhüllt Ln warmen Kleidern, bei nur einem rauhen Luftzuge sogar in Pel zen, welche nothwendigerweise die Kinder verzärteln müssen, so daß der Körper für Erkältungskrankheiten aller Art empfänglich gemacht wird. Die unausbleibliche Folge solcher Verzärtelung wird die fein, daß schon in den Lebensjahren, welche eigentlich die kräftigsten sein sollten, Rheumatismen, Katarrhe und andere liebenswürdige Gäste dieser Art bereit sind, einem in den Kinderjahren durch zu warme Bekleidung verzärtelten Menschen das Leben zu verbittern. Eben so wenig aber, als die Vernunft die Verzärtelung des jugendlichen Körper- durch zu warme Bekleidung billigen kann, eben so wenig kann sie einer Modethorheit huldigen, welche seit einigen Jahren sehr allgemein zu werden droht: eS ist dies die leidige Sucht, die Kinder abzuhärten geaen alle Einflüsse des Klima's, noch lange bevor der jugendliche Körper einer solchen Abhärtung gewachsen ist. Man betrachte nur einmal ein Kind, dessen Eltern sich dem» er wähnten unglücklichen Jrrthume in die Arme geworfen haben, wie es auf der Promenade von seiner Wärterin geführt oder an der Hand der Eltern einhergeht. Die Arme und die Beinchen nur mit einem ganz dünnen Höschen bekleidet, bis fast an daS Knie ent blößt, wo möglich ohne Kopfbedeckung und daS Hälschen der Wit terung ausgesetzt, trippelt es nebenher, der Frost treibt ihm die Thräneu in die Augen und die entblößten Stellen des Körper« sind mit einer sogmannten Gänsehaut überzogen. Und warum, frage ich, quält man die armen Kleinen mit solcher Tracht, welche darin besteht, daß sie aus fast gar keinen oder doch ungenügenden Klei dungsstücken zusammengesetzt ist? Weil die Eltern emen schlecht verdauten Be-nff von Abhärtung besitzen und weil sie in einem Pariser Modejournale ein ähnliches Kindercostüm fanden, ohne zu berücksichtigen, daß daS Pariser Klima, wenn e- auch kein südliches ist, doch viel milder ist als daS unsrige. Man befrage einen ver ständigen Arzt auf sein Gewissen, und er wird zuaeben, daß viele Kndek als Oostr dieser verkehrten AbhärtungStheotte in Bezug auf Kleidung gefallen sind, und daß viel? Eltern das Unverständige ihrer Handlungsweise zu spät einsahm, als sie ihre Lieblinge dem kühlen Schooße oer Mutter Erde über er Erde übergeben ryußten. Größere Kinder, vorzugsweise Mädchen, werden noch lange be vor sie der Schule entwachsen sind, mit allen Attributen der Klei dung Erwachsener versehen und aufaeputzt. Ist die- letztere am Ende auch nicht in allen Fällen mit physischen Nachtheilm ver bunden, so hat es doch seine ebenfalls höchst bedenklichen Schatten seiten. Es wird dadurch eine Gespreitztheit und Ziererei hervorge rufen, die allen kindlichen Sinn ertödten muß und statt lebensfroher, jugendlicher Gestalten altkluge, vorwitzige Subjekte heranbildet, die über sich und den Standpunkt, den sie in der Gesellschaft einneh men, gar nicht klar zu werden vermögen. Man werfe nur einen Blick auf ein kleines Mädchen, welches eben im Begriff steht die Schule zu verlassen, oder dieselbe kürzlich verlassen hat, ein soge nanntes Backsischchen. Kann es eine lächerlichere Figur geben? Da wird sich steif gedreht und geziert, man möchte gar zu gern mit den Kleidern auch einen erwachsenen Menschen anziehm und anstatt sich frei zu bewegen, wie eS einem Kinde aut ist und zu kommt, weiß man nicht wie man Beine und Worte setzen soll. Zu welcher Ergötzlichkeit gereicht cs nicht mit anzusehen, wie die Backfischlein die ersten Versuche in der Prüderie machen, noch lange bevor sie es nöthi^ haben. Wirft ein vorübergehender Herr, waS in den meisten Fällen nur zufällig geschehen mag, einen Blick nach der Gegend, in welcher das Backsischchen wandelt oder steht, wie dreht sie da den Kopf, um ihr Gesicht zu verbergen, ihren Anblick einer Zudringlichkeit zu entziehen, an die Niemand denkt als sie selbst. Doch ich will^die Carricatur nicht weiter beschreiben, führt sie mich doch ohnehin etwas zu weit von meinem Ziele ab. Zu viel aber glaube ich nicht zu behaupten, wenn ich einen großen, wo nicht den größten Theil der Schuld an der Verbildung unserer jungen Mädchen dem Umstande zuschreibe, daß man sie zu frühzeitig in die Kleider Erwachsener steckt. Bei Knaben, auch wenn sie schon in das bürgerliche Leben eingetreten sind, kommen die Kleidungsstücke, wie sie Erwachsene zu tragen pflegen, viel später zum Vorscheine, und lediglich diesem Umstande kann man es zuschreiben, daß sie sich ein gutes Theil jugendlicherUnbefangenheit und Frische retten, daß ihnen noch manche kindliche Freude zugänglich ist, welche sich Mädchen versagen müssen, und glaube ich eine Bestätigung meiner Behauptung zu finden, wenn ich einen Vergleich zwischen einem Knaben, der in der Klei dung Knabe blieb, anstelle und zwischen einem solchen, den Standes- vorurtheil frühzeitig nöthigte, seine Knabenkleidung mit einer so genannten gesetzteren zu vertauschen, wie dieß hauptsächlich bei Hand- lungSlehrlingen der Fall ist. Wahrend jener Knabe, der eben in seiner Kleidung ein Knabe blieb, eS auch in seinen Sitten bleibt, das heißt seine jugendliche, unbefangene Heiterkeit nicht verliert, mitunter wohl auch im Stande ssk, einen ausgelassenen Streich zu begehen, glaubt dieser mit der Kleidung Erwachsener auch deren Thorheiten nachahmen zu müssen und übertreibt dieselben, weil er durch seine Kleidung in ein nicht naturgemäßes Verhältniß gedrängt worden ist. Man besuche einen öffentlichen Ort, an dem vor zugsweise die Heranwachsende Kaufmannschaft verkehrt — und leider besitzen wir in Leipzig einen der schönsten Säle, dessen Besuch durch die Herren HandtungSlehrlinge verleidet wird — was für ein Schauspiel, zusammengesetzt aus Albemheit und thörichter NachMmg der Ungezogenheiten einzelner Erwachsener, bietet sich den; Blicke des Beobachter« dar. In steifer Halsbinde, welche dem Knaben so sehr schlecht ansteht, daS Gesicht zwischen zwei hohe Vatermörder geklemmt, auf dem Kopfe den glänzenden schwarzen
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